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Das Patrozinium

Eine kirchenrechtliche Darstellung mit besonderer Berücksichtigung des titulus ecclesiae gemäß c. 1218 CIC/83

von Andreas E. Graßmann (Autor:in)
©2017 Dissertation 408 Seiten
Reihe: Wissenschaft und Religion, Band 27

Zusammenfassung

Das Buch bietet eine systematische Darstellung des Patroziniums, näherhin des Kirchenpatroziniums sowie des titulus ecclesiae gemäß c. 1218 CIC/83. Das Patrozinium stellt im Leben und in der Frömmigkeit der katholischen Kirche eine Realität dar, die nur selten hinterfragt wird. Kirchenwidmungen und Kirchendedikationen gehören jedoch zu den wichtigsten Feiern für das Leben einer Ortskirche und viele kirchenrechtliche Detailfragen schließen sich an Bau, Widmung und Weihe einer Kirche an. Der Autor analysiert speziell die rechtshistorische Evolution sowie die geltende universalkirchenrechtliche Normierung aus theologischer sowie kanonistischer Perspektive.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 0. Einleitung
  • 1. Terminologische Bestimmungen und Abgrenzungen: Patron – Patronat – Patrozinium
  • 1.1 Patron
  • 1.2 Patronat
  • 1.3 Patrozinium
  • 2. Darstellung ausgewählter potenzieller Träger von Titeln bzw. Heiligenpatronaten
  • 2.1 Patrone im Bereich der Stände, Berufsorganisationen, Zünfte, Bruderschaften und sonstiger Vereinigungen
  • 2.1.1 Standespatrone des Adels und der geistlichen Orden
  • 2.1.2 Standespatrone des Rittertums
  • 2.1.3 Bürger- und Berufspatrone, Zunft- und Gildenpatrone
  • 2.1.4 Heiligenpatrone von Bruderschaften, Sodalitäten und Kongregationen
  • 2.2 Patrone im Bereich des Gemeinwesens
  • 2.3 Patrone von Diözesen, Ordensgemeinschaften und Klöstern
  • 2.4 Heiligenpatrone und Titel an Kirchen und Altären
  • 2.4.1 Allgemeines zu Heiligenpatronen und Titeln an Kirchen und Altären
  • 2.4.2 Anmerkungen zu gängigen Theorien über den Träger des Kirchenpatroziniums
  • 2.4.2.1 Normierung vor dem Codex Iuris Canonici von 1983
  • 2.4.2.2 Normierung des Codex Iuris Canonici von 1983 und der geltenden liturgischen Bücher
  • 2.4.2.3 Zusammenfassung der Anmerkungen zu den Theorien über den Träger des Kirchenpatroziniums
  • 3. Kirchenpatrozinium und Kirchentitel als Forschungsgegenstände der Geschichtswissenschaft
  • 3.1 Historischer Überblick
  • 3.1.1 Die Anfänge der Patrozinienforschung in der ersten Hälfte des 19. Jh.
  • 3.1.2 Systematisierungsversuche in der zweiten Hälfte des 19. Jh. und Durchbruch der Patrozinienforschung im 20. Jh.
  • 3.1.3 Die Patrozinienforschung der zweiten Hälfte des 20. Jh.
  • 3.1.4 Arnold Angenendt als Repräsentant der kirchenhistorischen Patrozinienforschung
  • 3.2 Patrozinienforschung im österreichischen Raum
  • 4. Die rechtshistorische Evolution des Kirchenpatroziniums bzw. des Kirchentitels bis zum Codex Iuris Canonici von 1983
  • 4.1 Frühphase – bis zum Ende des 3. Jh.
  • 4.1.1 Vorformen der Kirchenpatrozinien – die Tropaia
  • 4.1.2 Entstehung und Frühformen des Patrozinienwesens – die Rolle der römischen Memorial-/Zömeterialbasiliken sowie der Titelkirchen
  • 4.1.3 Evolution der Märtyrer- und Heiligenverehrung in den ersten christlichen Jahrhunderten
  • 4.2 Konstituierende Phase – 4. bis 7. Jh.
  • 4.2.1 ‚Wurzeln‘ des Patrozinienwesens in den Kirchenstiftungen des Kaisers Konstantin
  • 4.2.2 ‚Geburt‘ des Patrozinienwesens bei Augustinus v. Hippo und Ambrosius v. Mailand
  • 4.2.3 Entwicklungen und Veränderungen ab dem 5. Jh.
  • 4.3 Differenzierungsphase – ab dem 8. Jh.
  • 4.3.1 Das Kirchenpatrozinium an der Schwelle zur frühmittelalterlichen Differenzierungsphase am Beispiel der Region der heutigen Erzdiözese Salzburg
  • 4.3.2 Auswirkungen des Ikonoklasmus auf die Entwicklung des Patroziniums – Voranstellung des Salvator-Titels durch die karolingische Liturgie- und Patrozinienreform
  • 4.3.3 Salvator-Titel und Patrozinienhierarchie
  • 4.4 Diversifikation der Kirchenpatrozinien/-titel und Einsetzen der Patrozinienwechsel – ab dem 11. Jh.
  • 4.4.1 Patrozinienwahl, Patrozinienwechsel und Verdrängung von (Haupt-)Patrozinien
  • 4.4.2 ‚Objektive‘ und ‚subjektive‘ Patrozinienwahl – Zunahme der Wahl von Kirchentiteln
  • 4.5 Exkurs: Die Rechtspersönlichkeit der Kirchenheiligen im mittelalterlichen Denken und Rechtsleben
  • 4.5.1 Der Kirchenheilige als Rechtssubjekt und Träger kirchlichen Vermögens
  • 4.5.2 Das Pertinenzpatrozinium des Eigenkirchenwesens als Indikator der kirchlichen Vermögens- und Abhängigkeitsverhältnisse des Mittelalters
  • 4.5.3 Zusammenhänge zwischen den Konzepten des Kirchenpatroziniums und der persona iuridica
  • 4.6 Das Kirchenpatrozinium in der Zeit zwischen Decretum Gratiani und Abschluss des Corpus Iuris Canonici
  • 4.7 Exkurs: Reformation und (Kirchen-)Patrozinium
  • 4.8 Das Kirchenpatrozinium im Zeitabschnitt zwischen Corpus Iuris Canonici und systematischer Kodifikation
  • 4.8.1 Entscheidungen der S.R.C. mit Bezug zum Wechsel des titulus ecclesiae
  • 4.8.2 Entscheidungen der S.R.C. hinsichtlich liturgischer Detailfragen
  • 4.9 Das Kirchenpatrozinium im Zeitalter der systematischen Kodifikation des Kanonischen Rechts
  • 4.9.1 Can. 1168 des Codex Iuris Canonici von 1917
  • 4.9.2 Zwischenkodikarische Zeit
  • 4.9.2.1 Normae circa patronos constituendos et imagines B.M. Virginis coronandas der S.C.p.C.D. vom 19. März 1973
  • 4.9.2.2 Ordo dedicationis ecclesiae et altaris Papst Pauls VI. vom 29. Mai 1977
  • 4.9.3 C. 1218 des Codex Iuris Canonici von 1983
  • 5. Das Kirchenpatrozinium bzw. der Kirchentitel in der Normierung des Codex Iuris Canonici von 1983
  • 5.1 Rechtssystematische Einordnung des c. 1218 CIC/83
  • 5.2 C. 1218 CIC/83 und seine Rezeption in der zeitgenössischen Kanonistik
  • 5.3 Rechtssprachliche Charakterisierung und Kommentierung des c. 1218 CIC/83
  • 5.3.1 „Unaquaeque ecclesia …“
  • 5.3.1.1 „Unaquaeque …“
  • 5.3.1.2 „… ecclesia …“
  • 5.3.2 „… habeat …“
  • 5.3.3 „… suum titulum …“
  • 5.3.3.1 „… suum …“
  • 5.3.3.2 „… titulum …“
  • 5.3.3.2.1 Das Konzept des titulus ecclesiae
  • 5.3.3.2.2 Titulus ecclesiae, patrocinium und Patrozinium im Kirchenrecht
  • 5.3.3.2.3 Analogie des Taufnamens zum titulus ecclesiae
  • 5.3.3.2.4 Exkurs: Die Konzepte des (Tauf-)Namens und der Namensgebung in ihrer Analogie zum titulus ecclesiae
  • 5.3.3.2.4.1 Evolution von (Tauf-)Name und Namensgebung im Recht der Kirche
  • 5.3.3.2.4.2 Die Konzepte des (Tauf-)Namens und der Namensgebung im geltenden CIC/83
  • 5.3.3.2.4.3 Die Konzepte Namenspatronat und Feier des Namenstags
  • 5.3.3.2.5 Die mit dem titulus ecclesiae bzw. mit dem Kirchenpatrozinium verbundenen liturgischen Feiern
  • 5.3.3.2.5.1 Jahrestag der dedicatio ecclesiae, Patrozinium und Titularfest als Eigenfeste in Bezug auf ein Kirchengebäude
  • 5.3.3.2.5.2 Analogie des Namenstags einer Person zum Fest des Kirchenpatroziniums
  • 5.3.4 „… peracta ecclesiae dedicatione …“
  • 5.3.4.1 „… peracta …“
  • 5.3.4.2 „… ecclesiae dedicatione …“
  • 5.3.4.2.1 Terminologische Bestimmungen und Abgrenzungen: benedictio – consecratio – dedicatio
  • 5.3.4.2.2 Rechtliche Qualifizierung der dedicatio ecclesiae
  • 5.3.5 „… qui mutari nequit.“
  • 5.3.5.1 (Un-)Möglichkeit den gewählten titulus ecclesiae zu ändern
  • 5.3.5.2 Wechsel des titulus ecclesiae vor dem Hintergrund christlicher Traditionen von Namenswechseln
  • 5.3.5.3 Überlegungen in Bezug auf pastorale Umstrukturierungsprozesse der Gegenwart
  • 6. Abschließende Bemerkungen
  • 7. Abkürzungsverzeichnis
  • 7.1 Allgemeines Abkürzungsverzeichnis
  • 7.2 Handbücher, Lexika, Quellenwerke, Reihen und Zeitschriften
  • 8. Quellen- und Literaturverzeichnis
  • 8.1 Quellen
  • 8.1.1 Kodifikationen
  • 8.1.2 Dokumente der Päpste
  • 8.1.3 Dokumente der Römischen Kurie
  • 8.1.4 Konzilsdokumente
  • 8.1.4.1 Konzil von Trient
  • 8.1.4.2 Zweites Vatikanisches Konzil
  • 8.1.5 Dokumente der Kommission zur Reform des Codex Iuris Canonici
  • 8.1.6 Liturgische Quellen
  • 8.1.7 Sonstige Quellen
  • 8.2 Lexikonartikel
  • 8.3 Sekundärliteratur
  • 8.4 Internetquellen

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0. Einleitung

In Leben und Frömmigkeit der katholischen Kirche ist das Patrozinium eine Selbstverständlichkeit, die im Allgemeinen nur selten hinterfragt wird. Das jährliche Patroziniums- bzw. Titelfest sowie der Gedenktag der dedicatio ecclesiae werden in den Pfarreien mit feierlicher Liturgie und, in den meisten Fällen, großen Pfarrfesten begangen.

Problemen und Fragen im Zusammenhang mit Widmung und Weihe einer Kirche, speziell dem Konzept des titulus ecclesiae, ist bisher von Seiten der Theologie sowie näherhin der Kanonistik kaum Beachtung geschenkt worden, sodass man den Eindruck gewinnen könnte, es würde sich um Bereiche des kirchlichen und kirchenrechtlichen Lebens handeln, die von nur geringer Relevanz sind. Dies entspricht aber nicht den Tatsachen. Kirchenwidmungen und Kirchendedikationen gehören zu den wichtigsten Feiern für das Leben einer Ortskirche und viele kirchenrechtliche Detailfragen schließen sich an Bau, Widmung und Weihe einer Kirche an. Nichtsdestotrotz stellt eine wissenschaftliche Untersuchung, welche sich dezidiert dem Konzept des Kirchenpatroziniums widmet, in der Kanonistik bisher ein Desiderat dar. Allein Pawel Malecha widmet dem c. 1218 CIC/83 sowie dem titulus ecclesiae im Allgemeinen im Rahmen seiner kanonistischen Studie Edifici di culto nella legislazione canonica einigen Raum.1

Für den Geschichtswissenschaftler stellen die Kirchenpatrozinien eine wertvolle Ergänzung der ältesten Lokal- und Territorialgeschichte, besonders der Siedlungsgeschichte, dar.2 Gerade für die Zeit des Frühmittelalters, welche durch schriftliche Quellen nur schwer zu erschließen ist, bietet das Konzept des Kirchenpatroziniums ein hohes Potenzial, wenn nicht gleich zur Beantwortung offener Fragen, so zumindest zur Erhärtung bestehender Theorien in der territorialhistorischen Forschung.

Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag zur Analyse der rechtshistorischen Entwicklung sowie eine Kommentierung der geltenden universalkirchlichen ← 13 | 14 → Normierung bzgl. des Konzepts des Kirchenpatroziniums bzw. des titulus ecclesiae gemäß c. 1218 CIC/83 geboten werden. Des Weiteren soll das Konzept des Patroziniums vor dem Hintergrund des allgemeinen Konzepts des Heiligenpatronats dargestellt sowie die Evolution der Forschungsbemühungen zum Patrozinienwesen systematisch zusammengestellt werden.

Zunächst sollen in einem ersten Kapitel die drei Konzepte Patron, Patronat und Patrozinium inhaltlich und sprachlich bestimmt sowie gegeneinander abgegrenzt werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Verwendung der Termini im Allgemeinen sowie im wissenschaftlichen deutschen Sprachgebrauch wenig einheitlich ist und die drei Begriffe vielfach synonym verwendet werden. Auch ein Hinweis auf die Abgrenzung zum Konzept des titulus ecclesiae wird im Rahmen der Bestimmung des Terminus Patrozinium geboten.

Das zweite Kapitel widmet sich ausgehend von der in den Normae der S.C.p.C.D. vom 19. März 19733 aufgegriffenen Aufzählung des can. 1278 CIC/17 der Frage nach den möglichen Trägern von Patrozinien und Titeln. Anhand ausgewählter Beispiele soll die hohe Bandbreite der möglichen Patrozinienträger in ihrer historischen Evolution dargestellt und analysiert werden. Schwerpunkt dieses Hauptkapitels ist die Darstellung des Konzepts der Heiligenpatrone und Titel an Kirchen und Altären, in deren Rahmen die gängigen Theorien über den Träger der Kirchenpatrozinien einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Vor dem Hintergrund der rechtshistorischen Entwicklung sowie der geltenden Rechtslage wird aufgezeigt, dass die gängigen Theorien, welche jeweils auf eine je spezifische Art eine Verbindung von Reliquienbestand, Kirchenbau sowie Altar- und Kirchenpatrozinien kreieren, im Letzten nicht belastbar sind.

Da die systematische Beschäftigung mit den Kirchenpatrozinien und Kirchentiteln durch die theologische Wissenschaft erst verhältnismäßig spät aufgegriffen wurde, wird zum Zweck der Darstellung der Entwicklung des Patroziniums als Forschungsgegenstand der Fokus im dritten Hauptkapitel auf die Bemühungen der geisteswissenschaftlich-historischen Forschung gelegt werden. Beginnend in der ersten Hälfte des 19. Jh. stellte das Patrozinienwesen bis in das 20. Jh. hinein fast ausschließlich einen Forschungsgegenstand der Geschichtswissenschaft dar. ← 14 | 15 → Erst spät setzten die allgemein theologische sowie die speziell kirchenrechtliche Durchdringung des Konzepts (Kirchen-)Patrozinium ein. Dargestellt werden sollen neben der Evolution des Forschungsgebiets die Grundlinien und Hypothesen der jeweiligen Forschungsepochen. Eine Darstellung der speziellen Forschungsbemühungen im österreichischen Raum schließt dieses Kapitel ab.

Das umfangreiche vierte Hauptkapitel zeichnet die rechtshistorische Entwicklung des Kirchenpatroziniums bzw. des Kirchentitels bis zum Codex Iuris Canonici von 1983 nach. Ausgehend von den frühchristlichen Vorformen der Patrozinien wird die spätantike Phase der Patrozinienkonstituierung sowie die Ausdifferenzierung und Etablierung im Verlauf des Mittelalters aufgezeigt. Der Analyse der ersten Spuren einer universalkirchlichen Normierung bzgl. des Patroziniums bzw. des titulus ecclesiae wird in eigenen Arbeitsschritten ebenso Raum geschenkt, wie den Fragen nach Rechtspersönlichkeit der Kirchenheiligen im mittelalterlichen Denken und Rechtsleben und der Beziehung der reformatorischen Bewegungen zum Konzept des Patroziniums. Einlässlich wird die Normierungslage im Anschluss an das Konzil von Trient beleuchtet, wobei als Hauptquelle zur Darstellung der Bestimmungen die zahlreichen Entscheidungen der S.R.C. zu Fragen hinsichtlich des titulus ecclesiae herangezogen werden.

Eine Analyse der rechtlichen Entwicklungen bzgl. des Kirchenpatroziniums im Zeitalter der systematischen Kodifikation des Kanonischen Rechts leitet über zum abschließenden fünften Hauptkapitel der vorliegenden Studie, welches eine Darstellung des Konzepts des titulus ecclesiae i.S.e. Kommentierung des c. 1218 CIC/83 aus primär rechtsprachlicher Perspektive ist.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für jegliche Rechtssetzung „ist eine festgefügte, einheitliche Terminologie. Ein bestimmter begrifflicher Inhalt erfordert eine sachgemäße Bezeichnung und an dem einmal festgelegten Wortsinn muß unbeirrt festgehalten werden.“4 Dieser Maxime Klaus Mörsdorfs gemäß, folgt die Kommentierung des c. 1218 CIC/83 im fünften Kapitel in seiner Herangehensweise wörtlich der Formulierung der positiven Rechtsnorm und erschließt von den einzelnen Termini ausgehend die immanenten Bezüge zum Gesamtkonzept des Patroziniums bzw. titulus ecclesiae sowie zu weiteren, mit dem Patrozinium bzw. titulus ecclesiae in Beziehung stehenden Rechtsinstituten und Normierungskomplexen. Ein Schwerpunkt wird in der Analyse auf die Termini ← 15 | 16 → titulus, ecclesiae dedicatione sowie auf die Wendung qui mutari nequit gelegt. Hinsichtlich des Konzepts des titulus wird einlässlich auf die vom kirchlichen Gesetzgeber intendierte Analogie des titulus ecclesiae zum christlichen Konzept des Taufnamens sowie die mit dem titulus ecclesiae bzw. mit dem Kirchenpatrozinium verbundenen liturgischen Feiern eingegangen. Hinsichtlich des Terminus ecclesiae dedicatione wird im Rahmen der Studie v.a. auf die rechtliche Qualifikation des Dedikationsakts vor dem Hintergrund der (Un-)Möglichkeit des Titelwechsels nach vollzogener Dedikation eingegangen, bevor abschließend hinsichtlich der Wendung qui mutari nequit ebendiese (Un-)Möglichkeit, v.a. vor dem Hintergrund pastoraler Umstrukturierungsprozesse der Gegenwart, näher kommentiert werden wird.


1 Vgl. Malecha, Paweł, Edifici di culto nella legislazione canonica. Studio sulle chiese-edifici, Roma 2002, 86–90; Eine Zusammenfassung der Ergebnisse seiner Untersuchung zu c. 1218 CIC/83 bietet Malecha in: Malecha, Paweł, Dedicazione e Benedizione di una chiesa, in: Periodica 91 (2002) 507–533, hier 524–529.

2 Vgl. u. a. Mitterer, Kurt A., Die Patrozinien der Diözese Salzburg unter besonderer Berücksichtigung der Heiligenverehrung im 8. und 9. Jahrhundert, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 132 (1992) 7–110, hier 8.

3 Vgl. Sacra Congregatio pro Cultu Divino, Normae circa patronos constituendos et imagines B. M. Virginis coronandas. I. De Patronis constituendis. 19 mart. 1973, in: AAS 65 (1973) 276–279, hier n. 3: „Patroni habentur:

a) locorum (scilicet nationis, regionis, dioecesis, civitatis, oppidi vel pagi, paroeciae);

b) familiarum religiosarum;

c) personarum moralium, sodalitatum, institutorum, coetuum sive ecclesiasticorum sive laicorum.“

4 Mörsdorf, Klaus, Die Rechtssprache des Codex Juris Canonici. Eine kritische Untersuchung. von der Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München gekrönte Preisschrift (Unveränd. Nachdr. d. Ausg. 1937) (Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaft / Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im Katholischen Deutschland 74), Paderborn 1967, 3.

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1.  Terminologische Bestimmungen und Abgrenzungen: Patron – Patronat – Patrozinium

Für das zu untersuchende Konzept des Patroziniums ist es im Vorfeld nötig, einige Definitionen und Begriffsklärungen vorzunehmen. Die große Selbstverständlichkeit, mit der wir heute von der Existenz von Patrozinien an Kirchen ausgehen, kann nicht auf die Frühzeit der Kirche übertragen werden. Ausbildung und Entwicklung von Patrozinien stellen in der frühen Kirche keine Selbstverständlichkeit dar, sondern sind Teil eines evolutionären Prozesses, welcher keineswegs von Beginn an scharfe, klar definierte Termini für das aufkommende Konzept des Patroziniums zugelassen hat.5 So ist das Wortfeld, welches sich aus dem lateinischen Terminus patronus entfalten lässt, zu untersuchen. Hier stellen sich primär die deutschen Begriffe Patrozinium, Patron und Patronat als zu bestimmend dar. Des Weiteren muss auf das Konzept des titulus ecclesiae eingegangen werden, mit dem die kirchliche Rechtssprache u. a. dasjenige bezeichnet, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Patrozinium wiedergegeben wird.

Der allgemeine deutsche Sprachgebrauch kennt eine große Bandbreite von Begriffen und Konzepten, die sich aus dem Wortfeld des lateinischen patronus ableiten lassen. So bezeichnet man als Patrone im Allgemeinen Verantwortungsträger in der Funktion von Schirmherren, Bürgen, die eine Patronatserklärung unterzeichnen, und als Schutzpatrone bezeichnet man Heilige, denen der Schutz eines bestimmten Lebensaspekts aufgetragen ist. Eng verbunden mit dem Heiligen als Schutzpatron ist auch die Ehrung durch Nachbenennung im Sinne des Namenspatronats, ferner bezeichnet man eine gezielte politische oder wirtschaftliche Förderung als Patronage. Abschließend sind noch das Kirchenpatrozinium mit seinen vielfältigen inhaltlichen Nuancen sowie das Kirchenpatronat, die rechtliche Verfügungsgewalt eines katholischen Kirchenstifters und der Rechtsnachfolger in Bezug auf das gestiftete Kirchengebäude, zu nennen.

Die enge inhaltliche Nähe der drei Begriffe patrocinium, patronus und patronatus lässt sich mit Bezug auf das Mediae Latinitatis Lexicon Minus6 von ← 17 | 18 → Jan Frederik Niermeyer illustrieren, in welchem für alle drei in erster Linie der rechtliche Aspekt eines Abhängigkeitsverhältnisses einer freien oder unfreien Person zu einer hierarchisch übergeordneten freien Person aufgeführt wird.7 Diese juristische, aus dem römischen Klientelrecht sich entwickelt habende, Komponente des Wortfelds ist allen drei Termini eigen, ist jedoch im deutschen Sprachgebrauch nicht immer erhalten geblieben. Im folgenden Schritt der Untersuchung sollen demnach die deutschen Begriffe Patronat, Patron und Patrozinium inhaltlich bestimmt und gegeneinander abgegrenzt werden.

1.1  Patron

Ursprünglich wurde mit dem aus dem Klientelwesen8 des römischen Rechts kommenden und später durch das Christentum adaptierten9 Terminus patronus – abgeleitet vom lateinischen pater – ein gerichtlicher Vertreter oder Schutzherr für Personen bezeichnet, die von ebendiesem abhängig waren oder sich von diesem Rechtsbeistand erbeten hatten.10 So war ein Patron im engen Sinn z. B. ein Grundherr über seine Kolonnen oder ein Sklaveneigentümer gegenüber den von ihm Freigelassenen.11 Diese Bedeutung des Terminus patronus ist im deutschen Sprachgebrauch nicht mehr die vorherrschende Assoziation, wenn der Terminus Patron angeführt wird. Das Deutsche Rechtswörterbuch referiert unter dem Stichwort Patron12 zuerst auf das Patronatsrecht und das Lehenswesen (und die damit verbundenen Schutzverhältnisse), bevor der Rechtsbeistand nach dem antik-römischen Vorbild angeführt wird. Neben diesen drei Inhaltsbestimmungen ← 18 | 19 → werden im Deutschen Rechtswörterbuch noch der Patron als Schutzheiliger (hier mit dem Verweis auf den Kirchenpatron und den Ordenspatron), der Patron als Schutzherr einer Zunft, als Wirt und Herbergsvater, als Kapitän und der Patron als geeichtes Messgefäß im Sinne einer Richtnorm genannt.

Bezüglich des Patrons als Schutzheiligem ist anzumerken, dass seit dem zweiten Jh., Alois Schröer zufolge, die Christen des Ostens, seit dem dritten Jh. diejenigen des Westens, die Eucharistie an den Grabstätten berühmter Märtyrer feierten. Gemeinden, denen dies in Ermangelung eines eigenen Märtyrergrabs nicht möglich war, übertrugen ab dem 4. Jh. Reliquien (oder Berührungsreliquien) in ihre zu weihenden Kirchen.13 Die erste Bezeichnung der Heiligen als Patrone geht auf den Kirchenvater Ambrosius v. Mailand zurück.14 Als Patron hatte der Heilige seinen irdischen Schutzbefohlenen, speziell den Bewohnern seines Graborts und weiter allen, die seine familia15 bildeten, Beistand zu gewähren. Dieser Beistand zielte primär auf den geistlichen Bereich – den Weg zum Heil ← 19 | 20 → und den Kampf gegen die Sünde – ab, in zweiter Linie kam der Heilige als Patron aber auch zunehmend als Fürsprecher beim Jüngsten Gericht in den Blick.16 Über diesen geistlichen Bereich hinaus wurde das Patronatsverhältnis zwischen dem Heiligen als Patron und den lebenden Gläubigen zunehmend auch auf den irdischen Bereich bezogen. So war der Heiligenpatron zuständig für den „Schutz des Grabortes und seiner Bewohner vor Feinden, Unglück und Unwetter, für die Klientel Heilung der Gebrechen und Bewahrung vor Mißgeschick, nicht zuletzt Schutz der Schwachen und Sklaven.“17 Die Wahl des Patrons war hierbei in der Spätantike durch unterschiedliche Motive beeinflusst, welche im Grunde auch heute noch bei der Wahl von Heiligenpatronaten in Erwägung gezogen werden. Dies sind vor allem die räumliche Verbundenheit mit einem Heiligen durch dessen Geburts-, Wirkungs- oder Martyriumsort sowie der Besitz von Reliquien.18 Johann Lehner zufolge wählten die Missionare aus der großen Anzahl der als Kirchenpatrone in Frage kommenden Heiligen zumeist solche aus, die in einer Region des Missionsgebiets allgemein hoch angesehen waren bzw. durch ihr Leben und Wirken eine enge Bindung zur jeweiligen Region hatten.19

Seit Beginn des 4. nachchristlichen Jh. wurden hochverehrte Märtyrer durch die christlichen Gemeinden als Patrone bezeichnet.20 Von da an war die Verehrung der Märtyrer als Patrone allgemein im Gebrauch.21 So wurden u. a. die Apostelfürsten Petrus und Paulus durch Papst Leo d. Großen als Patrone der Stadt Rom bezeichnet. In der weiteren Entwicklung bezeichnete man ganz allgemein fürsorglich bemühte einflussreiche Männer als Patrone. Ortsgemeinden ohne eigenes Märtyrergrab versuchten Reliquien in ihren Besitz zu bringen, um diese dann in ihren Kirchengebäuden zu platzieren.22 Nachdem die Erwählung ← 20 | 21 → von Patronen in den ersten Jh. des Bestehens der Kirche fast ausschließlich auf Apostel und Märtyrer, speziell an den Orten ihres Grabes oder ihrer Reliquien, beschränkt war23, wurden später auch Bekenner, die Heiligste Trinität, Herrenfeste oder einzelne Glaubensgeheimnisse von den Bischöfen, Missionaren sowie Stiftern von Kirchen zu Kirchenpatronen bzw. Kirchentiteln24 erkoren.25

Franz Permaneder bestimmte in seinen Ausführungen aus dem 19. Jh. zum Terminus Patron den Begriff inhaltlich weitestgehend deckungsgleich mit dem Konzept dessen, was heute als Patronatsrecht verstanden wird. Für die liturgische Bedeutung des Begriffs verweist Permaneder auf den Beitrag von Karl Schrod und legt in seinen eigenen Ausführungen den Schwerpunkt auf die kanonistischen Inhalte des Wortfeldes:

„Patron (patronus) […] im canonistischen Sinne wird derjenige genannt, der entweder eine Kirche nebst dem zu derselben gehörigen Amte vollständig fundirt und ausgestattet (patronus ecclesiae) oder wenigstens ein neues Kirchenamt gestiftet hat (patronus beneficii) und hierfür zur dankbaren Anerkennung seines Verdienstes in letzterem Falle das Recht der Ernennung des jedesmaligen Beneficiaten, im erstern Falle überdieß noch verschiedene anderweitige Rechte und Auszeichnungen erhält.“26

Die Ursprünge des Begriffs sieht Permaneder hierbei etwa im 6. Jh., weist aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man in frühen Quellen nicht selten den Terminus senior27 oder senior saecularis28 vorfindet.29 „Beide Ausdrücke deuten darauf hin, daß das in Rede stehende Recht seine Elemente aus dem Lehenswesen geschöpft hat.“30 ← 21 | 22 →

Nach heutigem allgemein-theologischen Sprachgebrauch bezeichnet man als Patron einen (Schutz-)Heiligen oder Engel,

„der auf Grund des Glaubensartikels v. der Gemeinschaft der Heiligen, insbes. der paulin. Lehre von der Fortdauer der besonderen Liebe der Heiligen zu bestimmten Personen u. Orten auch im Jenseits (1 Kor 12, 18 28ff) als Schützer einzelner Kirchen, Personen, Stände, Berufe, Städte, Länder, Diözesen od. auch in bestimmten Anliegen, Lebenslagen u. Krankheiten (als Nothelfer) angerufen u. verehrt wird.“31

Das Konzept des Patrons ist somit – man denke hier nur an den Heiligen als Namenspatron32 – auf das Engste mit der christlichen Tradition der Heiligenverehrung verbunden. Hierbei machte der Gedanke, dass die Heiligen „der Seele nach im Himmel waren und dort als Fürsprecher bei Gott wirkten, dem Leibe nach aber samt ihrer Wunderkraft auf Erden blieben, daß weiter zw. Seele und Leib wegen der chr[istlich] gebotenen Einheit von beiden eine Verbindung blieb“33, den Kern der Verehrung der Heiligen aus. Die Heiligen und deren Reliquien stellten ein wirkmächtiges Verbindungsglied34 zwischen Himmel und Erde dar, als im mittelalterlichen Denken das Berühren des irdischen Leibs die Seele im Himmel betraf.35 Aufbewahrt wurde die leibliche Hülle der Heiligen am irdischen Altar der Kirchen in Analogie dazu, dass die Seele unter dem himmlischen Altar weile.36 ← 22 | 23 →

Neben der kanonistisch geprägten Inhaltsbestimmung des Begriffs Patron37 durch Franz Permaneder widmete sich Karl Schrod einer liturgischen Wesensbestimmung des mit dem Terminus Patronus verbundenen liturgischen Konzepts. Schrod zufolge wird Schutzheiliger (Patronus) im Sinne der Liturgiewissenschaft „der Heilige [genannt], in dessen besonderen Schutz Ländergebiete oder Ortschaften gestellt sind“38. Diese Begriffsbestimmung aus dem 19. Jh. kann inhaltlich in der Definition von Vittorio Lanzani aus dem Jahr 1989 wiedergefunden werden, der formuliert: „Per Patrono, in senso cultuale-liturgico, si intendeva un santo che per comprovata tradizione o per una particolare elezione, veniva venerato con speciale culto dal clero e dal popolo di un luogo, quale singolare protettore e avvocato presso Dio.“39 Neben der gängigen Bezeichnung des Heiligen als Patron weist Lanzani auch auf die Termini defensor, adsessor, advocatus, protector und domnus hin, mit denen die Heiligen ebenso in ihrer Schutzfunktion bezeichnet wurden.40 Diese Definitionsversuche von Schrod und Lanzani decken sich inhaltlich mit der am 19. März 1973 durch die Sacra Congregatio pro Cultu Divino veröffentlichten Definition des Terminus Patronus, derzufolge nach liturgischem Ansehen als Patron die Selige Jungfrau Maria, die heiligen Engel, ein Heiliger oder ein Seliger verstanden werden, welche gemäß alter Tradition oder rechtmäßiger Einrichtung als Beschützer oder Fürsprecher bei Gott gefeiert werden.41 Der Patronus ist ← 23 | 24 → hierbei – was in Folge noch zu analysieren sein wird42 – streng vom Konzept des titulus, etwa an Kirchen, Kongregationen oder Gemeinschaften, zu unterscheiden.43 Diese terminologische Schärfe – welche auch nach dem Erlass der Normae durch die S.C.p.C.D. nicht flächendeckend umgesetzt wird – wurde seitens der Liturgiewissenschaft des 19. Jh. ebensowenig eingehalten, wie auch die S.R.C. selbst die Terminologie nicht konsequent umsetzte.

So kannte die Liturgiewissenschaft des 19. Jh. neben dem „Patron im strengern Sinne“44 etwa auch „einen Kirchenpatron“45, unter dessen Namen oder Titel – im Sinne von schützender Schirmherrschaft – ein Kirchengebäude errichtet wird und nach dem es benannt wird.46 Bis zum Dekret Papst Urbans VIII. aus dem Jahr 163047 war die Verehrung eines Heiligen i.d.R. regional bedingt und somit „nach dem Herkommen zu beurtheilen“48. Durch das Dekret wurde bestimmt, dass der Patron einer Ortschaft oder eines Landes von den Einwohnern ebendieses Territoriums oder der Ortschaft unter der Zustimmung des Diözesanbischofs und des Klerus aus der Schar der kanonisierten Heiligen zu wählen sei.49 Die vorgenommene Wahl bedurfte der Bestätigung seitens der Ritenkongregation und der gültig gewählte Patron konnte nachfolgend nicht mehr ohne Zustimmung des Apostolischen Stuhls gewechselt werden.50 Nicht zwingend vorgeschrieben, ← 24 | 25 → jedoch nach can. 1278 CIC/17 als löbliche Tradition erlaubt, war die Wahl eines Patrons für Ordensprovinzen, religiöse Orden, Klöster und Pfarreien. Politische Grenz- und Zuordnungsänderungen an den Ländern und Ortschaften unter der Schutzherrschaft eines Heiligen änderten im vorkodikarischen Kirchenrecht prinzipiell nichts an der rechtlichen Stellung des Patrons.

Die Aufzählung der möglichen Träger von Patronen der Normae aus dem Jahr 1973 nennt:

a) Orte: Nationen, Regionen, Diözesen, Gemeinden, Städte oder Bezirke und Pfarreien,

b) Religiosengemeinschaften,

c) moralische Personen51, Sodalitäten, Institute, Vereinigungen klerikaler oder laikaler Natur.52 ← 25 | 26 →

Als Patrone können die Selige Jungfrau Maria unter einem ihrer in der Liturgie anerkannten Titel, Engel und Heilige gewählt werden. Selige können nur mit Indult des Apostolischen Stuhls als Patrone gewährt werden.53 Die göttlichen Personen können niemals als Patrone angerufen werden.54 Des Weiteren ist durch die Kongregation für den Gottesdienst festgesetzt worden, dass der Patron nur ein Einzelner sein darf, in Ausnahmefällen ist es erlaubt, zwei oder mehrere Patrone zu wählen, wenn ebendiese Heiligen gemeinsam im Heiligenkalender eingeschrieben sind. Ausnahmen von der Regel sind zukünftig, d.h. nach Veröffentlichung der Normae, zu vermeiden.55

Gemäß Art. 69 der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus fällt die Bestätigung der Wahl der himmlischen Patrone56 i.d.R. per Dekret oder Breve Apostolico57 in die Kompetenz der Kongregation für den Gottesdienst und die ← 26 | 27 → Sakramentenordnung.58 Vor der Bestätigung der erfolgten Wahl seitens des Apostolischen Stuhls ist jedoch die Wahl von der zuständigen kirchlichen Autorität anzunehmen.59

Für den Fall, dass die liturgische Verehrung eines Patrons im Verlauf der Zeit nicht mehr betrieben wird bzw. die Historizität eines Patrons zweifelhaft ist, halten die Bestimmungen der Normae von 1973 die Möglichkeit bereit, unter Beachtung der Vorschriften einen neuen Patron zu wählen und einzusetzen.60 ← 27 | 28 →

1.2  Patronat

Wenngleich Niermeyer in erster Linie das Patronat als Schutzfunktion eines Herren gegenüber den Untergebenen61 erläutert und Karl Ernst Georges auf die Würde des Patrons gegenüber dem Freigelassenen referiert62, wird unter dem Terminus Patronat im Allgemeinen fast ausschließlich das im Kirchenrecht zum Absterben verurteilte63 Patronatsrecht64 im Sinne der „Summe der mit bestimmten Lasten verbundenen Privilegien, die durch kirchliches Zugeständnis den katholischen Stiftern von Kirchen, Kapellen oder Benefizien und ihren Rechtsnachfolgern zustehen“65 in den Blick genommen. Im Deutschen Rechtswörterbuch findet sich so unter dem Stichwort Patronat66 der schlichte Verweis auf den Stichworteintrag Patronatrecht67, bei Niermeyer kommt diese Tradition, welche ← 28 | 29 → das Patronat als Rechtsinstitut in Verbindung mit einem Kirchenbau versteht, erst in zweiter Linie in den Blick.68

In den allgemeinen theologischen Nachschlagewerken des deutschen Sprachraums ist die Beschreibung des kanonistischen Rechtsinstituts aus dem kirchlichen Ämter- und Finanzwesen69 die erstrangige Bedeutung des Terminus Patronat. In Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon lässt sich kein eigener Eintrag zum Stichwort Patronat70 finden, in einem umfangreichen Beitrag wird jedoch von Franz Permaneder das ius patronatus – das Patronatsrecht – dargestellt.71 In der ersten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche geht Julius Krieg unter dem Stichwort Patronat auf das Patronatsrecht des Kirchen-, Kapellen oder Pfründenstifters ein.72 Der Heilige als Schutzheiliger, Patron, Schutzherr oder Rechtsbeistand wird von Krieg nicht thematisiert. Auch in der zweiten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche gestaltet sich der Befund ähnlich. Dominikus Lindner geht unter dem Stichwort Patronat73 auf das ius patronatus gemäß can. 1448 CIC/1774 ein und lässt die Schutzfunktion eines Patrons, wie sie oben beschrieben wurde, außer Acht. Als Spezialfall des Patronats stellt Joseph Hermann Beckmann – wie auch schon Alfons Väth in der ersten Auflage75 – das Patronat in den Missionen dar.76

Diese Gleichsetzung des Terminus Patronat mit dem Rechtsinstitut des Patronatsrechts hält sich im theologischen Kontext bis in die Gegenwart. Auch in die aktuelle dritte Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche hat sie durch die Beiträge von Herbert Kalb77 und Johannes Meier78 Eingang gefunden. In der Theologischen Realenzyklopädie widmet sich Peter Landau unter dem Stichwort ← 29 | 30 → Patronat den gleichen Inhalten, wenn er ausführlich auf die Entstehung des Rechtsinstituts im kanonischen Recht sowie die Geschichte des Patronats in der klassischen Kanonistik und Neuzeit eingeht.79

In den Nachschlagewerken der Kirchenrechtswissenschaft gestaltet sich der Befund ähnlich. Während Andreas Müller im Lexikon des Kirchenrechts und der römisch-katholischen Liturgie aus dem Jahr 1831 unter dem Stichwort Patron80 mit wenigen Worten auf die Schutzfunktion von Heiligen an Kirchen, das Patroziniumsfest und die Wahl von Märtyrern zu Kirchenheiligen eingeht und auf die Verbindung zum Patronatsrecht hinweist, werden im Lexikon des Kirchenrechts, herausgegeben von Stephan Haering und Heribert Schmitz, die Stichworte Patron und Patrozinium nicht eigens bearbeitet. Herbert Kalb widmet sich unter dem Stichwort Patronat81, analog zu seinem Beitrag im aktuellen Lexikon für Theologie und Kirche, dem Patronatsrecht.

Das Patronat wird im Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht – ebenfalls nur aus vermögensrechtlicher Perspektive – von Harmut Böttcher82, Jürgen Olschewski83 und Alfred Albrecht84 jeweils aus Sicht der evangelischen und der katholischen Kirche sowie aus staatlicher Perspektive beleuchtet. Auch im Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht findet somit diejenige Tradition, welche das Patronat als Rechtsbeistand für Personen, die von einem Patron abhängig waren, eine Schutzherrschaft oder als Schutzfunktion der Heiligen bezeichnet85, keine Beachtung. Im Handbuch zum kirchlichen Vermögensrecht findet sich die Darstellung des Patronatsrechts in einem ausführlichen Kapitel mit dem Titel Das Patronat.86

Auch abseits der theologischen Nachschlagewerke wird der Terminus Patronat in der Regel mit der juristischen Verfügungsgewalt eines Kirchenstifters und der Rechtsnachfolger in Bezug auf das gestiftete Kirchengebäude gleichgesetzt, bspw. ← 30 | 31 → im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft durch Winfried Schulz87 oder im Lexikon des Mittelalters durch Richard Puza88. In Bezug auf das Lexikon des Mittelalters muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Alexander Kazhdan darin für den Zeitraum des spätantiken Christentums und die weitere Entwicklung im byzantinischen Reich den Begriff des Patronatsrechts weitet und auf die Fortführung und Adaption des antiken römischen Klientelwesens im christlichen Kontext eingeht.89 In diesem Zusammenhang weist er auf den Kampf um das patrocinium vicorum90 ebenso hin wie auf das religiöse Patronat des Bischofs über seine Diözese (offizielles religiöses Patronat) oder von religiösen Persönlichkeiten wie Styliten, Eremiten oder führenden monastischen Persönlichkeiten (inoffizielles religiöses Patronat).91 Wichtig ist der Hinweis Kazhdans, dass der Terminus προστασία, die Entsprechung zum lateinischen patrocinium, nicht konsistent in Verwendung war. So wurden als προστασία sowohl die Unterstützung und der Schutz durch irdische und überirdische Personen und Kräfte als auch die Kontrolle kirchlicher Institutionen bezeichnet.92 Schlussendlich sei an dieser Stelle noch auf Peter Leischings Beitrag zum Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte hingewiesen. Leisching stellt in seinem Beitrag zum Stichwort Patronat93 das ius patronatus dar und behandelt keine der anderen Bedeutungen des Terminus Patronat.

Terminologische Inkonsistenzen und Ausnahmen hinsichtlich der Verwendung der Termini Patron, Patronat und Patrozinium lassen sich im Bereich der Definition des Patronats bereits innerhalb der theologischen Fachpublikationen finden. So geht der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt am Beginn seiner Überlegungen zu Heiligen und Reliquien im Kapitel Der Patronat auf Inhalte ein, die sich allesamt aus dem bereits dargestellten römischen Klientelrecht ableiten ← 31 | 32 → lassen und stellt im Verlauf die Evolution von Heiligen als Patronen, das Konzept der familia eines Heiligen, die Heiligenpatrone als Rechtssubjekte sowie die Sonderfälle der Kirchenpatrozinien und der Patrone von Bruderschaften dar.94 So stellt Angenendt unter der Überschrift des Patronats Inhalte zusammen, die im theologischen Sprachgebrauch sonst eher in das Konzept des Patrons gefasst werden. Auf das stiftungsrechtliche ius patronatus wird hingegen in seiner Darstellung nicht näher eingegangen. Weitere Belegstellen für die Verwendung des Terminus Patronat im Sinne der Schutzherr- und Fürsprecherschaft der Heiligen lassen sich bei unterschiedlichen Autoren finden. Dies zeigt, dass neben der heute gängigen Praxis, den Terminus Patronat in erster Linie mit dem ius patronatus zu verbinden, die Rede von den Heiligen als Patronen nicht unüblich ist.95

Dennoch kann festgehalten werden, dass der Terminus Patronat in erster Linie mit dem kanonistischen Konzept des Patronatsrechts als juristischer Verfügungsgewalt eines Kirchenstifters und der Rechtsnachfolger in Bezug auf ein Kirchengebäude identifiziert wird. Die Bedeutung des Patronats als Schutzbefohlenheit im Sinne des römischen Rechts ist in der Entwicklung der theologischen Fachsprache im Laufe der Jh. in den Hintergrund getreten, jedoch nicht vollends verloren gegangen, wie zahlreiche – nicht systematisierbare – Belegstellen aufzeigen. Im Sinne terminologischer Klarheit soll im Rahmen dieser Arbeit das Konzept des Patronatsrechts als ius patronatus bezeichnet werden, die Rechtsbeistandschaft für Personen, welche von einem Patron abhängig waren, eine Schutzherrschaft oder die Schutzfunktion der Heiligen gegenüber Personen(-schaften) und Orten als Patronat.

1.3  Patrozinium

Heinrich Georges gibt als Übersetzung des lateinischen Terminus patrocinium – abgeleitet von patronus – die Vertretung und den Schutz vor Gericht, sowie für patrocinia die Klienten und Schützlinge an.96 Niermeyer unterscheidet fünf verschiedene Bedeutungen des Terminus patrocinium:

  1. Die Schutzherrschaft über einen freigelassenen Sklaven,
  2. die Schutzherrschaft unter die ein freigelassener Sklave gestellt ist bzw. unter die sich eine freie Person selbst begibt, ← 32 | 33 →
  3. jemanden vor Gericht vertreten,
  4. eine Reliquie und
  5. ein Wunder.97

Das Deutsche Rechtswörterbuch enthält keinen gesonderten Eintrag zum Patrozinium, kennt aber das Verbum patrozinieren in den Bedeutungen „jn. vor Gericht vertreten“98 und „jn. für ein Kirchenamt vorschlagen“99.

In der Antike bezeichnete der Terminus Patrozinium ein, bereits in den Ausführungen zum Konzept des Patrons umrissenes, Rechtsverhältnis zwischen einem Patron und den ihm unterstellten Personen. Das Patrozinium verkörperte auf diese Weise ein gestaltendes Element der Form und Verfassung der antiken Gesellschaften und wurde somit zu einer der wesentlichen Prämissen für das Rechtsgefüge der frühmittelalterlichen Gesellschaft.100 In der Adaption und Weiterentwicklung durch das Christentum war mit dem Patrozinium die dem römischen Recht entnommene Vorstellung verbunden, dass Heilige oder Märtyrer – ähnlich einem Schutzherren oder Rechtsbeistand101 – die Schutzpflicht für ein Kirchengebäude und die mit diesem verbundenen Gläubigen übernahmen.102 Diese Vorstellung wurde unter germanischen Rechtsverhältnissen besonders lebendig, als eine Auffassung dominierte, derzufolge der spezifische Altar, das Kloster oder das Kirchengebäude „im Besitz des betreffenden Heiligen [stehe]. Auch die persönliche Hinwendung zu Gott und zu den Heiligen übernimmt Motive aus dem germanischen Lehenswesen: Die Hingabe begründet ein auf gegenseitiger Treue basierendes persönliches Verhältnis.“103

Karl Schrod führt in seinem Beitrag in Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon für das Patrocinium drei Bestimmungen an. So geht er zuerst auf das Patrozinium als ← 33 | 34 → Titel zweier Feste im Kirchenjahr104 der lateinischen Kirche ein, bevor er darauf hinweist, dass in der deutschsprachigen Liturgiewissenschaft – nicht aber im Sprachgebrauch der Universalkirche – die Festfeier zu Ehren eines Kirchen-, Orts oder Landespatrons als Patrozinium bezeichnet wird. Schlussendlich ergänzt er, dass im mittelalterlichen Schrifttum des Öfteren die Reliquien der Heiligen selbst als Patrozinien, als patrocinia sanctorum, bezeichnet werden.105 So klingt bei Schrod in seinen Ausführungen „[d]ie älteste u. kirchengeschichtl[ich] wichtigste Form des Heiligenpatronats“106, das Kirchenpatrozinium, an. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Terminus Patrozinium im engeren Sinn den Festtag der Dedikation einer Kirche oder eines Altars bezeichnet. Erst im weiteren Sinn bezeichnet das Patrozinium auch die Weihe eines Altars oder einer Kirche, die Weihe von Städten, Ländern, Personen und Gruppen, Berufs- und Lebensständen, eines Monats sowie bestimmter menschlicher Nöte und Anliegen an die Gottesmutter Maria, einen Engel oder Heiligen.107 Verbunden mit dem Patrozinium war die Vorstellung, dass der Heilige oder Märtyrer, ähnlich einem Schutzherren oder Rechtsbeistand, die Schutzpflicht für das Kirchengebäude und die mit ihm ← 34 | 35 → verbundenen Gläubigen übernimmt.108 Von Schwierigkeiten begleitet ist in manchen Fällen die Unterscheidung zwischen dem Heiligen des Weihetags der Kirche und dem Patrozinium, welche nicht notwendig identisch sein müssen.109

Die Bezeichnung der Reliquien als patrocinia sanctorum war auf die Zeit des Mittelalters beschränkt. In die erste Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche wurde dieser Hinweis nicht mehr aufgenommen. Unter dem Stichwort Patrozinium wurde somit nur auf die Schutzherrschaft eines Heiligen oder eines Glaubensgeheimnisses über ein Kirchengebäude und auf das Fest des Patrons hingewiesen.110 In der zweiten Auflage des Nachschlagewerks ist der Verweis nur mehr auf das Fest des Patrons111, was dem gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch in gewisser Weise entspricht. In der aktuellen dritten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche findet sich wiederum kein eigener Eintrag unter dem Stichwort Patrozinium, jedoch enthält der Beitrag zum Konzept des Patrons112 einen eigenen Unterpunkt zum Kirchenpatrozinium.113 Diese Fokussierung des Terminus Patrozinium auf das Konzept des Patroziniums an Kirchen durch die theologische Wissenschaft und den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch geht einher mit einer intensiven Beschäftigung mit dem Konzept des Patroziniums seitens der geschichtswissenschaftlichen Stadtkern- und Siedlungsforschung seit der Mitte des 19. Jh. So ist es kaum verwunderlich, dass in der aktuellen theologischen Fachliteratur der Terminus Patrozinium ausschließlich in der engen Bedeutung des jährlichen Festtages der Dedikation114 bzw. in einer weiteren Bedeutung der Schutzherrschaft der Heiligen an einer speziellen Kirche115 anzutreffen ist. ← 35 | 36 →

Gemäß den Bestimmungen der Normae universales de anno liturgico et de calendario116 sowie der Instruktion Calendaria particularia117 sind die Jahrestage der dedicatio ecclesiae und der Jahrestag des Kirchentitels jährlich als Hochfeste zu begehen.118 In vielen Fällen wurden Kirchen nicht nach Heiligen benannt, sondern Gott, einer der göttlichen Gestalten der Trinität oder einem Glaubensgeheimnis dediziert. In diesen Fällen spricht man nicht von einem Patrozinium, sondern einem Titel.119 Das jährlich zu begehende Fest zum Gedenken der Dedikation wird präziser als Titularfest120 oder Titelfest121 bezeichnet.

Details

Seiten
408
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631717073
ISBN (ePUB)
9783631717080
ISBN (MOBI)
9783631717097
ISBN (Hardcover)
9783631717066
DOI
10.3726/b10788
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Schlagworte
Patrozinium Titulus ecclesiae Heiligungsdienst Heilige Orte Kirchengebäude Kirchenrecht/Rechtsgeschichte
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 408 S.

Biographische Angaben

Andreas E. Graßmann (Autor:in)

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Titel: Das Patrozinium
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