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Deutungsmuster von Lehrpersonen im Literaturunterricht der Oberstufe

Eine qualitative Studie

von Angelika R. Stolle (Autor:in)
©2017 Dissertation 576 Seiten

Zusammenfassung

Diese Studie ist im Bereich der Lehrerforschung im spezifischen Teilbereich der germanistischen Literaturdidaktik zu verorten. Dabei nimmt die Autorin tieferliegende Strukturen in den Blick, die Überzeugungen und Unterrichtshandeln von Lehrpersonen – zumindest teilweise – präfigurieren. Es geht dabei um ein System von Wissensbeständen und Wertorientierungen, das sozial-historisch generiert und innerhalb eines bestimmten Geltungsbereichs tradiert und geteilt wird. Mittels der Kombination der Erhebungsmethoden aus Interviews und Unterrichtsvideografien verschiedener Lehrpersonen sowie wissenssoziologisch orientierter Auswertungsverfahren rekonstruiert die Autorin synchron geltende Deutungsmuster in Bezug auf Literatur und Lesen triangulierend.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorbemerkungen
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • Teil A: Forschungsstand und forschungstheoretische Entwicklungen
  • 2. Forschungsstand und grundlegende Forschungstheorien in der Lehrerforschung
  • 2.1 Essentielle Entwicklungen und Resultate der allgemeinen Lehrerforschung sowie ausgewählte Ergebnisse der Mathematikdidaktik
  • 2.1.1 Persönlichkeitsansatz und (berufs-)biographische Forschung
  • 2.1.2 Pädagogisch-psychologische Ansätze: Das Experten-Paradigma
  • 2.1.2.1 Lehrerwissen/ Expertisewissen
  • 2.1.2.2 Beliefs: Werte und Überzeugungen
  • 2.1.2.3 Die Relationen von Wissen, Können und Handeln
  • 2.1.3 Soziologische Ansätze: Die Professionsforschung
  • 2.1.3.1 Systemtheoretische Zugänge
  • 2.1.3.2 Strukturtheoretische Zugänge
  • 2.1.3.3 Interaktionistische Zugänge bzw. Interaktionsforschung
  • 2.1.3.4 Zentrale Forschungsergebnisse
  • 2.2 Zusammenfassung
  • 2.3 Lehrerausbildung und Wirksamkeitsforschung
  • 2.4 Forschungsstand zur deutschdidaktischen Lehrerforschung
  • 2.4.1 Einstellungen und Überzeugungen (Studien: „im Labor“ – handlungsfern)
  • 2.4.1.1 Einstellungsdispositionen und motivationale Aspekte zum Beruf des Lehrers und zum Fach Deutsch
  • 2.4.1.2 Einstellungsdispositionen zum Lesen, Literatur- und Deutschunterricht
  • 2.4.2 Wissensdimensionen und Kompetenzen (Studien: „im Labor“ – handlungsfern)
  • 2.4.3 Wissen und Können (Studien: „im Feld“ – handlungsnah)
  • 2.5 Desiderat
  • Teil B: Theoretischer Rahmen
  • 3. Zielsetzung und Positionsbestimmung
  • 4. Theoretische Grundannahmen
  • 4.1 Das Konzept der Deutungsmuster
  • 4.2 Das zugrunde liegende Sozialisationsmodell und die erkenntnistheoretischen Grundannahmen des symbolischen Interaktionismus
  • 4.2.1 Lese- und literarische Sozialisation
  • 4.3 Das Konzept Subjektive Theorien
  • 5. Konzeptualisierung: Zu den Zusammenhängen von Sozialisation, Überzeugungen und Handeln im Hinblick auf das Deutungsmusterkonzept
  • 6. Erhebungs- und Auswertungsmethodik
  • 6.1 Grundsätzliches zur Datengewinnung, -fixierung und -auswertung
  • 6.2 Erhebungsmethodik
  • 6.2.1 Das narrative Interview
  • 6.2.2 Die Videografie des Unterrichts
  • 6.2.3 Das problemzentrierte Interview
  • 6.3 Auswertungsmethodik
  • 6.3.1 Rekonstruktionslogische Verfahrensweisen
  • 6.3.1.1 Die wissenssoziologische Hermeneutik nach Soeffner
  • 6.3.1.2 Die dokumentarische Methode nach Bohnsack
  • 6.3.2 Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
  • 7. Gütekriterien der Studie
  • Teil C: Analysen und Befunde der qualitativen Untersuchung
  • 8. Fallbezogene Auswertungen: Die Einzelfallstudien
  • 8.1 Der Einzelfall Sybille Berg – Die themenorientierte Leserin
  • 8.1.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.1.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.1.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.1.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.1.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.1.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 8.2 Der Einzelfall Christine Hansen – Die interpersonelle Leserin
  • 8.2.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.2.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.2.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.2.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.2.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.2.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 8.3 Der Einzelfall Peter Schmitt – Der analytisch-kognitive Ästhet
  • 8.3.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.3.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.3.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.3.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.3.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.3.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 8.4 Der Einzelfall Bernd Koch – Der intim-konzeptgeleitete Leser mit instrumentell-leistungsorientierten Interferenzen
  • 8.4.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.4.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.4.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.4.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.4.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.4.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 8.5 Der Einzelfall Melanie Fischer – Die differenzierend-kategorisierende Leserin
  • 8.5.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.5.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.5.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.5.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.5.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.5.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 8.6 Der Einzelfall Thomas Weber – Der Lesemotivator für moderne Unterhaltungslektüre
  • 8.6.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.6.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.6.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.6.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.6.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.6.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 8.7 Der Einzelfall Andrea Peters – Die Berufsleserin
  • 8.7.1 Biogramm und Interviewsituation
  • 8.7.2 Die Befunde des narrativen Interviews
  • Zusammenfassung der Befunde des narrativen Interviews
  • 8.7.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis
  • Gesamtzusammenfassung der Befunde aus Einstiegs- und Abschlussstunde
  • 8.7.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion
  • 8.7.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews
  • 8.7.6 Zur Frage nach den Relationen
  • 9. Übersicht und Resümee
  • 10. Abschlussreflexion
  • Literaturverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Reihenübersicht

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1. Einleitung1

Problematik und Forschungsdesiderat

Die Anzahl der Studien im Rahmen der allgemeinen ebenso wie in der deutschdidaktischen Lehrerforschung ist in den letzten Jahren massiv angestiegen. Das wachsende Forschungsinteresse an der Person des Lehrers, an deren Biographie und kognitiven Wissensstrukturen sowie an den strukturellen Bedingungen des Unterrichts ist nicht zuletzt dem großen Aufsehen der Hattie-Studie ← 13 | 14 → zuzuschreiben. Denn die Lehrkraft wird als der entscheidende Faktor beim Lernzuwachs der SchülerInnen eingeschätzt (vgl. Hattie 2013).

Inwieweit prägen systemische, soziale, biographische und individuelle Einflussfaktoren das Denken und unterrichtspraktisches Handeln der Lehrkräfte? Welche strukturellen und systemischen Faktoren wirken auf sie ein? Von welchen Strukturen wird das Verhältnis zu den SchülerInnen beeinflusst? Wie lassen sich die Wissensstrukturen und Überzeugungsbereiche (englische Übersetzung: beliefs) klassifizieren und bestimmen? Mit diesen Fragestellungen befassen sich sowohl die allgemeine Lehrerforschung als auch – unter Berücksichtigung spezifischer Themen- und Problemstellungen – die jeweilige Fachdidaktik. Besonders hervorzuheben ist dabei die aus der Mathematikdidaktik stammende COACTIV-Studie, die mittels Fragebögen, Befragungen, Wissenstests und der Analyse von Unterrichtsmaterialien unter anderem Wissensstrukturen und Überzeugungen von Mathematiklehrkräften und von SchülerInnen untersucht sowie deren Unterricht (vgl. u.a. Baumert/ Kunter 2006). Mittels dieser empirischen Berücksichtigung der verschiedenen Dimensionen lässt sich ein komplexes Untersuchungsdesign erkennen.

Die allgemeine Lehrerforschung lässt sich in zwei maßgeblich dominierende Forschungsrichtungen einteilen: Die pädagogisch-psychologische Forschung, die vornehmlich die kognitiven Strukturen des Wissens erforscht, und die soziologische Forschung, die sogenannte Professionsforschung, die unter anderem die sozialen Voraussetzungen und Bedingungen des Lehrerhandelns untersucht. Beide Forschungsparadigmen werden in einem Großteil der Forschungsliteratur als im Kern divergierend aufgefasst. Erst in den letzten Jahren verweisen renommierte Experten zunehmend auf einige Analogien und erkennen ein großes Potential in der Synthese beider Forschungsrichtungen bzw. betonen den Einfluss biographischer Erfahrungen und sozialisatorischer Komponenten auf das Wissen und Handeln (vgl. dazu u.a. Combe/ Kolbe 2008), wobei ein Großteil dieses Wissens seitens der Subjekte nicht reflektiert werden kann und somit unbewusst bzw. implizit bleibt. So akzentuieren Combe und Kolbe die Einflüsse von Biographie und Sozialisation auf die mentalen Repräsentationen der Lehrkräfte, indem sie betonen, dass Lehrerhandeln seinen Ursprung stets in „biographisch aufgeschichteten Deutungsbeständen“ (Combe/ Kolbe 2008, 859) habe. Darüber hinaus heben sie die soziale Dimension des Wissens hervor:

Calderhead verweist bereits 1996 ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen Biographie, Sozialisation und den Wissens- und Überzeugungsstrukturen, die wiederum Einfluss auf das Handeln von Lehrpersonen haben.

Lediglich unter Berücksichtigung dieser Größen von Biographie und Sozialisation lassen sich Erklärungsansätze schaffen, die ein Verstehen dieser komplexen Prozesse ermöglichen und erst auf dieser Grundlage des Verstehens lassen sich Veränderungen und Verbesserungen im Rahmen der Debatte um die Lehrerausbildung und -fortbildung erzielen. Terhart führt aus der Perspektive der Lehrpersonen diese unterschiedlichen Dimensionen an:

Der enorme Einfluss von biographischen Erfahrungen und des hochkomplexen Faktors Sozialisation, mit deren Berücksichtigung bereits in der Lesesozialisationsforschung zentrale Erkenntnisse gewonnen werden konnten (vgl. Kapitel 4.2.1), findet zwar mittlerweile Beachtung im Kontext des (berufs-)biographischen Forschungszweiges zur Lehrerforschung (vgl. Kapitel 2.1.1), es besteht allerdings nach wie vor ein eklatanter Mangel darin, dass die zwei maßgeblichen pädagogisch-psychologischen und soziologischen Forschungsparadigmen unter Einbezug der biographischen Perspektive miteinander verknüpft werden.

Doch eine solche Verknüpfung ist sowohl in der allgemeinen als auch in der spezifisch deutschdidaktischen Lehrerforschung bisher kaum erfolgt. Zwar nehmen die Forschungsperspektiven zu, die biographische Aspekte (vgl. Stelmaszyk 1999) einbeziehen, doch der Einfluss von Sozialisation und demzufolge den Subjekten nicht bewussten sozialen Tatbeständen auf die Wissens- und Überzeugungsstrukturen und ergo auf das konkrete Handeln im Unterricht, der zwar stets vermutet wird, findet allerdings in den forschungstheoretischen Konzepten kaum Berücksichtigung – insbesondere nicht im Rahmen deutschdidaktischer Forschung. ← 15 | 16 →

Was in der deutschdidaktischen Lehrerforschung bisher vorliegt, sind vornehmlich Studien zu handlungsfernen Einstellungsdispositionen, die außerhalb des Feldes und dementsprechend außerhalb der Unterrichtspraxis mittels Leitfadeninterviews gewonnen wurden. Wenngleich Gölitzer als Erste neue Maßstäbe setzt und das unterrichtspraktische Handeln der Lehrpersonen in den Blick nimmt und damit das ‚know-how‘ (deutsche Übersetzung: Wissen wie) bzw. das ‚savoir faire‘ (Anderson-Levitt 1987, 173 f.; vgl. auch Gölitzer 2008, 60 f.) rekonstruiert, besteht auch diesbezüglich kaum ein Erklärungsmodell. Obwohl wiederholt der Einfluss biographischer Erfahrungen und sozialisatorischer Komponenten vermutet wird (vgl. u.a. Wieser 2008; Anselm 2011), konnten diese Einstellungen und das unterrichtspraktische Handeln bisher nicht ansatzweise fundiert erklärt werden. Wie sollte dies auch möglich sein? Die Studien bewegen sich entweder im Rahmen des pädagogisch-psychologischen oder des soziologischen Forschungsparadigmas. Zudem zielt die Mehrheit der deutschdidaktischen Studien auf eine manifeste Sinnebene, die vornehmlich explizite Verbalisierungen mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse auswertet. Doch ein Großteil des Wissens ist implizit und kann von den Subjekten daher nicht reflektiert und demzufolge auch nicht verbalisiert werden, weshalb standardisierte Erhebungsmethoden zur Erfassung dieser latenten Sinnstrukturen nutzlos sind (vgl. dazu u.a. Neuweg 2011).

Vorhaben der Studie: Deutungsmusteransatz und Zielsetzung

Aufgrund dieser Umstände besteht die Notwendigkeit, tiefer liegende Strukturen in den Blick zu nehmen, die Einstellungen bzw. Überzeugungen und Unterrichtshandeln – zumindest teilweise – generieren bzw. präfigurieren. Es geht dabei um ein System von Wissensbeständen und Wertorientierungen, das sozial-historisch generiert und innerhalb eines bestimmten Geltungsbereichs tradiert und geteilt wird. Zusammenfassend lässt sich dieser Ansatz mit dem Modell der „sozialen Deutungsmuster“ beschreiben, das von Oevermann in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt worden ist (Oevermann 2001 a/ b). Das wissenssoziologische Konzept schließt die Lücke zwischen Individuum (Mikro) und Gesellschaft (Makro) bzw. bietet die Chance, ein relationales Verhältnis zwischen beiden Ebenen herzustellen, weshalb eine Rekonstruktion geltender Deutungsmuster in Bezug auf Literatur und Lesen erzielt werden soll.

Dieses Deutungsmusterkonzept kann eine Synthese des pädagogisch-psychologischen und des soziologischen Paradigmas leisten und damit erste Erklärungsansätze für Einstellungsdispositionen und konkretes Unterrichtshandeln liefern, da sie als ‚Derivate von Deutungsmustern‘ gelten (Lüders/ Meuser 1997, 60). Deutungsmuster werden definiert „[…] als sozial geltende, mit Anleitungen zum ← 16 | 17 → Handeln verbundene Interpretationen der äußeren Welt und der inneren Zustände.“ (Plaß/ Schetsche 2001, 523) Oevermann definiert 2001 ganz aus wissenssoziologischer Perspektive, dass es sich bei Deutungsmustern um hauptsächlich kognitive Formationen, als einen „Typus“ innerhalb der enormen Bandbreite des impliziten Wissens („tacit knowledge“) handelt (vgl. Oevermann 2001b, 60), welchem jedoch gleichzeitig – obwohl dies den Subjekten nicht bewusst ist – eine Realität sui generis zukommt, die unabhängig von ihm existiert (vgl. ebd., 52). Denn „[r]ein logisch muß aber jede Deutung, jede wissensartige Repräsentation von Welt eine repräsentierte Welt als gegeben voraussetzen so wie jede Rahmung ein Gerahmtes voraussetzen muß.“ (Ebd., 53)

Somit können Deutungsmuster zwar als soziale Tatbestände betrachtet werden, denen eine Realität eigener Art zukommt, gleichzeitig werden diese sozialen Tatbestände, in die das Individuum sozialisiert wird, als mentale und somit wissensförmige Repräsentationen gespeichert und als Deutungen auf die Umwelt sowie die innere Situation angewandt (vgl. Plaß/ Schetsche 2001, 523). Dieser Ansatz vereint kognitiv psychologische und soziologische Ansätze, die bis heute in scheinbar unüberwindbarer Differenz zueinander stehen.

Anwendung und Methodik

Für die Datenerfassung im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion der Deutschlehrkräfte in Bezug auf Literatur und Lesen werden nicht-standardisierte Erhebungsmethoden benötigt. Das narrative Interview, das die biographische Perspektive berücksichtigt und sich an den Impuls und die Vorgehensweise der Untersuchungen von Dawidowski (2009) anlehnt, berücksichtigt die Mikro-Ebene der Deutung in Bezug auf Literatur und Lesen. Die Lehrpersonen konstruieren und deuten in diesem Zusammenhang ihre eigene Lesebiographie (vgl. Kapitel 4.1 Das Konzept der Deutungsmuster; 5. Konzeptualisierung; 6.2.1 Das narrative Interview). Die Videografie der Einstiegs- und Abschlussstunde der entsprechenden Lehrperson zu einer literarischen Ganzschrift in der Oberstufe zielt auf die interaktionale Meso-Ebene im Rahmen der Unterrichtspraxis. Dieser liegen ebenfalls wertende Deutungen und Konstruktionsprozesse hinsichtlich Literatur und Lesen zugrunde, die sich in den Lehrervorträgen, -kommentaren und den abstrahierenden Unterrichtsgesprächen manifestieren. Diese Ebene ist deshalb so zentral, da unter anderem durch die systematische Sozialisation – wie sie durch die formelle Sozialisationsinstanz der Schule erfolgt – die Kollektivität von Deutungsmustern durch den Transfer und den Austausch zwischen den Subjekten gewährleistet wird, sodass diese wiederum in zukünftigen Interaktions- und Deutungsprozessen reproduziert werden. Plaß und Schetsche bezeichnen „diese ← 17 | 18 → Weitergabe bereits geltender Deutungsmuster als reproduktiven Mustertransfer“ (Plaß/ Schetsche 2001, 523f.), der in hohem Maße unbewusst durch die Lehrpersonen erfolgt (vgl. Kapitel 4.1 Das Konzept der Deutungsmuster; 5. Konzeptualisierung; 6.2.2 Die Videografie des Unterrichts). Durch die jeweilige Auswertung mittels rekonstruktiver Methoden (vgl. Kapitel 6.3 Auswertungsmethodik) sollen die Deutungsmuster in Bezug auf Literatur und Lesen durch die Synthese der jeweiligen Ergebnisse aus den Einzelfallanalysen triangulierend rekonstruiert werden, die nicht nur in Form von impliziten Wissensstrukturen vorliegen, sondern zugleich als soziale Tatbestände bestehen, in die die Lehrkräfte sozialisiert worden sind.

Um zu klären, ob und inwieweit es sich bei den Einstellungen der Lehrpersonen um ‚Derivate von Deutungsmustern‘ handelt, werden zudem die individuellen didaktischen Theorien, in Anlehnung an das entworfene Konzept von Kunze (2004) mit den in dieser Arbeit rekonstruierten Deutungsmustern im Rahmen der jeweiligen Einzelfallanalysen ins Verhältnis gesetzt. Die Erfassung erfolgt mittels eines problemzentrierten Interviews und zielt im Gegensatz zur Deutungsmusterrekonstruktion auf die manifeste, bewusste und reflektierbare Ebene (vgl. Kunze 2004; vgl. auch Kapitel 4.3 Das Konzept Subjektive Theorien). Diese Zielsetzung wird in einem zweiten und untergeordneten Schritt erfolgen. Die Schwerpunktsetzung liegt somit eindeutig auf der Deutungsmusterrekonstruktion.

Aufbau der Arbeit und Darstellung der Ergebnisse

Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine rein qualitative Studie, die das Ziel verfolgt, aus den Deutungsmusterrekonstruktionen in Bezug auf Literatur und Lesen und deren jeweiliger Relation zu den entsprechenden individuellen Einstellungen (individuellen didaktischen Theorien) der Lehrpersonen die Generierung von Hypothesen zu ermöglichen. Dieses rekonstruktive und sehr aufwändige Vorgehen soll einen Beitrag dazu leisten, Einstellungen und Unterrichtshandeln zu einem gewissen Grad zu verstehen und die soziale Dimension des Wissens zu eruieren. Gleichzeitig soll es eine Bestandsaufnahme im Bereich der deutsch- bzw. literaturdidaktischen Lehrerforschung liefern, indem Deutungsmuster in Bezug auf Literatur und Lesen rekonstruiert werden, die gleichzeitig als soziale Tatbestände vorhanden sind und denen demzufolge ein gewisser Einflussbereich zugeschrieben werden kann. Ein quantitatives Vorgehen wird dabei als Möglichkeit einer anschließenden Hypothesenprüfung eingestuft.

Die Gliederung und der Aufbau der Arbeit sollen zu dem entwickelten Modell und dem daraus hervorgehenden Procedere hinführen, um dessen Relevanz ← 18 | 19 → zu verdeutlichen. Folglich soll sich die Vorgehensweise aus dem Aufbau der Arbeit heraus schlüssig ergeben, um der „Dynamik zwischen Gegenstand, Fragestellung und methodischem Konzept“ (Steinke 2013, 324) gerecht zu werden.

Da diese Abhandlung im Bereich der Lehrerforschung verortet ist, muss notwendigerweise der Forschungsstand zur Lehrerforschung aufgearbeitet werden. Dies geschieht zunächst hinsichtlich grundlegender forschungstheoretischer Entwicklungen und Befunde aus der allgemeinen Lehrerforschung, wobei darüber hinausgehend auf einige zentrale Erkenntnisse aus der Mathematikdidaktik verwiesen wird, die beeindruckende Resultate hinsichtlich des Verhältnisses der Wissensdimensionen von Lehrpersonen vorzuweisen hat (vgl. dazu Kapitel 2.1; 2.2 Zusammenfassung; 2.3). Daraufhin wird auf zentrale deutschdidaktische Forschungsprojekte eingegangen (vgl. Kapitel 2.4). In Bezug auf einige deutsch-bzw. literaturdidaktische Studien zur Lehrerforschung der letzten Jahre erfolgt teilweise eine ausführlichere Darstellung, da im weiteren Verlauf einige Bezugspunkte hergestellt werden. Abschließend wird unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse sowohl zur allgemeinen als auch zur spezifisch deutschdidaktischen Lehrerforschung ein Forschungsdesiderat (Kapitel 2.5) formuliert.

Nach der Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand (Teil A) finden sich innerhalb des theoretischen Rahmens (Teil B) unter Kapitel 3. die genaue Zielsetzung und Positionsbestimmung sowie unter Kapitel 4. die Explikation der theoretischen Grundannahmen. Darunter wiederum fallen die Definitionen der Konzepte der Deutungsmuster (Kapitel 4.1) und Subjektiven Theorien (Kapitel 4.3). In engem Zusammenhang mit dem Deutungsmusteransatz stehen die dieser Arbeit zugrunde liegenden Grundannahmen des symbolischen Interaktionismus und die Überlegungen zum Sozialisationsbegriff (Kapitel 4.2). Da spezifische Deutungsmuster in Bezug auf Literatur und Lesen rekonstruiert werden sollen, ist selbstredend die Lese- bzw. literarische Sozialisation als ein Teilaspekt von Sozialisation in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung (Kapitel 4.2.1). Im Anschluss wird die Konzeptualisierung (Kapitel 5.) dieser Arbeit dargelegt, die die zentralen Dimensionen und Überlegungen aufgreift und in einer Abbildung (Abbildung 1) zusammenfassend strukturiert. An dieser Stelle werden bereits die Erhebungsmethoden aufgegriffen. Eine detaillierte und begründete Form der Erhebungs- und Auswertungsmethodik erfolgt unter Kapitel 6. Die Reflexion der Gütekriterien qualitativer Forschung zu dieser Studie kann unter Kapitel 7 nachvollzogen werden.

Die Darstellung der Analysen sowie die Explikation der Ergebnisse und Schlussfolgerungen finden sich unter Teil C: Analysen und Befunde der qualitativen Untersuchung. Die Untersuchungen und Rekonstruktionen verlaufen dabei ← 19 | 20 → detailliert am Einzelfall, um der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit (vgl. Steinke 2013, 324), einem der zentralen Gütekriterien qualitativer Forschung (vgl. ebd., 324 f.), zu genügen. Um den LeserInnen dennoch die Option zu offerieren, die Rezeption abzukürzen und darüber hinaus die Übersichtlichkeit zu gewährleisten, sind im Rahmen der jeweiligen Einzelfallanalysen im Anschluss an die (Teil-)Analysen des narrativen Interviews (vgl. entsprechendes Kapitel 8.X.22 Die Befunde des narrativen Interviews) sowie der Einstiegs- und Abschlussstunden (vgl. Kapitel 8.X.3 Die Befunde aus der Handlungspraxis) Kurzzusammenfassungen angefügt. Die vollständige Rekonstruktion des bzw. der Deutungsmuster (vgl. dazu Kapitel 8.X.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion) erfolgt durch die Synthese bzw. die vergleichende Betrachtung der Befunde des narrativen Interviews (vgl. Kapitel 8.X.2) und der Handlungspraxis (vgl. Kapitel 8.X.3). Unter Kapitel 8.X.5 Die Befunde des problemzentrierten Interviews finden sich die Einstellungsdispositionen der Lehrpersonen die mittels des Konzepts der individuellen didaktischen Theorien (vgl. Kapitel 4.3 Das Konzept Subjektive Theorien) nach Kunze (2004) im Rahmen eines problemzentrierten Interviews (vgl. Kapitel 6.2.3) erfasst worden sind. Diese Ergebnisse werden anschließend (vgl. Kapitel 8.X.6 Zur Frage nach den Relationen) in Relation zu den rekonstruierten Deutungsmustern (Kapitel 8.X.4 Synopse im Hinblick auf die Deutungsmusterrekonstruktion) gesetzt, um zu bestimmen, ob und inwieweit gegebenenfalls eine Derivation besteht.

Kapitel 9. Übersicht und Resümee widmet sich dem Vergleich der Einzelfälle und expliziert die Kernaussagen und Tendenzen, bevor unter Kapitel 10. Abschlussreflexion Hypothesen generiert werden und eine Einordnung vorgenommen wird.


1 Diese Studie ist im Bereich der Lehrerforschung im spezifischen Teilbereich der germanistischen Literaturdidaktik verortet. Sie ist im Rahmen des Projekts „Ko-Konstruktion von literarischen Bildungsvorstellungen im Verlauf der gymnasialen Oberstufe“ (Laufzeit 2014–2016) von Christian Dawidowski entstanden, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde. Der Ansatz der „Ko-Konstruktion“ berücksichtigt die Dynamik des Sozialisationsprozesses bzw. das interdependente Verhältnis „von individuellem Handeln und überindividueller Sozialisationsinstanz“ (vgl. Groeben/ Schroeder 2004, 306). Das Konzept der Ko-Konstruktion beinhaltet, dass der Einzelne aktiv in Form einer Selbstsozialisation an den Prozessen mitwirkt, indem er Konstruktionen vornimmt – gleichzeitig wird er jedoch von seinem sozialen Umfeld beeinflusst. Dadurch wird das Subjekt verändert und wirkt wiederum verändernd auf sein soziales Umfeld ein (vgl. Pieper 2010, 91–93; 113). Das DFG-Projekt untersucht schwerpunktmäßig die Fragestellung, wie „Vorstellungen und Werthaltungen (Deutungsmuster) über Literatur bei SchülerInnen am Ende der Sek. II“ (DFG-Antrag) entstehen und sich konsolidieren. Dabei sind folgende Ebenen Gegenstand der Untersuchung: Zum einen die Ebene der SchülerInnen, die anhand narrativer Interviews zu Beginn und zum Ende der Oberstufe in einer Längsschnittuntersuchung erfasst wird, und zum anderen die Ebene der Lehrpersonen, die mittels einmalig erhobener narrativer Interviews zu Beginn des Projekts untersucht wird. Durch das Erhebungsinstrument der narrativen Interviews wird die Rekonstruktion bestehender „Vorstellungen und Werthaltungen (Deutungsmuster)“ intendiert. Darüber hinaus werden beide Untersuchungsebenen durch das Moment der „Ko-Konstruktion“ verbunden, das auf der Basis von Videografien von Einstiegs- und Abschlussstunden einer Unterrichtseinheit zu einer literarischen Ganzschrift berücksichtigt wird. In den Einstiegsstunden werden am ehesten Anschauungen und Grundeinstellungen – insbesondere der Lehrpersonen – im Hinblick auf die zu behandelnde Ganzschrift deutlich; in den Abschlussstunden erfolgen komplexere und umfassendere Formen der Deutung und (Be-)Wertung. Diese Arbeit fokussiert den Teilbereich der Lehrpersonen (narrative Interviews) und deren praktisches Unterrichtshandeln (Videografien). Im Rahmen dieses DFG-Projekts nehmen sieben Kurse und folglich sieben Lehrpersonen verschiedenen Alters und Geschlechts aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen teil.

2 Das X steht dabei als Variable für die Nummerierung des entsprechenden Einzelfalls. Diese Definition gilt auch im Folgenden.

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Teil A: Forschungsstand und forschungstheoretische Entwicklungen

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2. Forschungsstand und grundlegende Forschungstheorien in der Lehrerforschung

„Der Teufel […] ist nicht die negative, kriminelle und inkompetente Lehrperson, sondern die durchschnittliche, die sagt: ‚Wir gehen den Lehrplan durch. Benehmt euch und seid möglichst fleißig. Wir gehören doch alle zusammen.‘ Ihr ist nicht klar, welchen Schaden sie damit anrichtet.“ (Hattie 2013, 304)

Im Zusammenhang mit Schule und Unterricht wird durch die Hattie-Studie betont, dass die Wirkfähigkeit der Lehrperson als ein zentraler Faktor für die Lernfortschritte von SchülerInnen gewertet werden kann (vgl. Hattie 2013, 280 ff.). Die Bedeutung und der Einfluss dieser Größe stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den Ergebnissen in der empirischen Forschung. Bereits im Ausblick der Hattie-Studie wird kritisiert, dass grundlegende Innovationen bzw. Investitionen im Bildungssektor ohne die notwendige empirische Absicherung und somit ohne jegliche Evidenz erfolgen (vgl. dazu auch Baumert/ Kunter 2006, 469). Sicherlich sind in den letzten Jahren Fortschritte erzielt worden – insbesondere im Bereich der pädagogisch-psychologischen Forschungsrichtung, an der sich anknüpfend auch die Forschung der Mathematikdidaktik orientiert (vgl. u.a. Baumert/ Kunter 2006) –, doch neben diesen allgemeinorientierten Studien besteht weiterhin die Notwendigkeit fachspezifischer Forschungen dieser Art.

Um zunächst einen ersten Überblick zur Lehrerforschung zu ermöglichen, orientiert sich das Vorgehen an verschiedenen Forschungsansätzen zur allgemeinen Lehrerforschung. Grundsätzlich kann derzeit zwischen zwei vorherrschenden Forschungsrichtungen differenziert werden: Den pädagogisch-psychologischen Ansätzen, die verstärkt auf kognitive Strukturen des Lehrerwissens ausgerichtet sind, sowie den soziologischen Ansätzen, die vermehrt die interaktionale und strukturelle Ebene des Lehrerhandelns berücksichtigen. Zunehmend wird aufgrund seiner hohen Relevanz und seines ihm beigemessenen Einflusses ebenfalls der biographische Faktor als Größe einbezogen. Darüber hinaus sollen neueste Forschungserkenntnisse aus der Mathematikdidaktik einfließen, die – wie bereits erwähnt – in den letzten Jahren Ergebnisse im Rahmen der COACTIV-Studie hervorgebracht hat, in denen bestehende Wissens- und Überzeugungsbereiche von Lehrpersonen sowie deren Relationen untereinander bestimmt werden konnten. Da in dieser Arbeit intendiert wird, bereits auf theoretischer bzw. methodologischer Ebene soziologische mit pädagogisch-psychologischen Ansätzen zu verbinden und zudem die biographische Dimension einzubeziehen, ist es erforderlich, alle drei Forschungsrichtungen basal zu skizzieren. ← 23 | 24 →

Nach dieser allgemeineren Darstellung erfolgt die Spezifizierung auf die Lehrerforschung in der Deutschdidaktik, insbesondere mit differenzierter Explikation einiger Studien, die in den letzten Jahren erschienen sind (Kunze 2004, Wieser 2008, Gölitzer 2008, Anselm 2011, Lindow 2013, Scherf 2013).

2.1 Essentielle Entwicklungen und Resultate der allgemeinen Lehrerforschung sowie ausgewählte Ergebnisse der Mathematikdidaktik

Die Schwierigkeit der Darstellung besteht darin, dass die verschiedenen Forschungsansätze und Konzepte zur Lehrerforschung größtenteils keine einheitliche theoretische Grundlage aufweisen bzw. darüber hinaus ganz unterschiedlichen Forschungsrichtungen entstammen. Daher wird im Folgenden eine zusätzliche Differenzierung nach thematischen Schwerpunktsetzungen erfolgen. Die gewählten Forschungskonzepte orientieren sich teilweise an den Unterscheidungen aus dem „Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf“, welches zwischen dem Persönlichkeitsansatz, dem Experten-Paradigma, dem (strukturtheoretischen) Professionsansatz, dem kulturtheoretischen Ansatz und nicht zuletzt der (Inter-)Aktionsforschung differenziert (vgl. Terhart/ Bennewitz/ Rothland 2011). Die derzeit maßgeblich dominierenden Strömungen, die nicht minder Auswirkungen auf die übrigen in diesem Zusammenhang dargestellten Konzepte haben, stellen das Experten-Paradigma sowie die Professionsforschung dar. Während unter das Experten-Paradigma pädagogisch-psychologische Ansätze fallen, kann die Professionsforschung zunächst generell in einen soziologisch ausgerichteten Forschungskontext gestellt werden. Die unterschiedlichen Zugänge zur Professionsforschung lassen sich wiederum in systemtheoretische, strukturtheoretische und interaktionistische Ansätze klassifizieren. Diese sollen unter der entsprechenden Rubrik ebenfalls skizziert werden. Ergänzend hinzuzufügen ist, dass gegenwärtig zudem (berufs-) biographische Forschungsperspektiven einbezogen werden (vgl. Helsper/ Krüger/ Rabe-Kleberg 2000; vgl. als Überblick Ophardt 2006; vgl. auch Bauer 2000).

Für viele ForscherInnen stellen die pädagogisch-psychologischen und die soziologischen Ansätze zwei im Kern divergierende Forschungsrichtungen dar. Lediglich einige wenige erkennen das Potential, das eine Synthese bieten könnte (vgl. dazu u.a. Combe/ Kolbe 2008). Darauf wird in Kapitel 2.5 Desiderat detailliert eingegangen. ← 24 | 25 →

2.1.1 Persönlichkeitsansatz und (berufs-)biographische Forschung

Die Persönlichkeitsforschung, die die Lehrerpersönlichkeit mit Beginn der 1920er Jahre in den Mittelpunkt der Überlegungen3 stellte, ist auch heute noch von Bedeutung. Allerdings haben sich die Prioritäten in diesem Forschungsbereich verschoben. Während anfangs von einer nicht erlernbaren Persönlichkeit im Hinblick auf den Lehrerberuf ausgegangen wird und der Terminus des sogenannten „geborenen Erzieher[s]“ (Lamszus 1948, 33) aufkommt, werden seit Beginn der neunziger Jahre (vgl. Bauer 2000) unterdessen der Einfluss von biographischen, motivationalen oder selbstregulativen Merkmalen erforscht, die sich größtenteils (berufs-) biographischen Entwicklungstendenzen zuordnen lassen. Im Folgenden sollen einige ausgewählte Überlegungen und Resultate der Persönlichkeits- und darüber hinaus insbesondere der Biographieforschung zum Lehrerberuf dargestellt werden (vgl. Krauss 2011, 185).4

Details

Seiten
576
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631728314
ISBN (ePUB)
9783631728321
ISBN (MOBI)
9783631728338
ISBN (Hardcover)
9783631727836
DOI
10.3726/b11507
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
Lehrerforschung Empirische Literaturdidaktik Sozialwissenschaften Interviews Unterrichtsvideografien
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 576 S., 8 s/w Abb., 21 s/w Tab.

Biographische Angaben

Angelika R. Stolle (Autor:in)

Angelika Ruth Stolle studierte die Fächer Germanistik und Katholische Theologie an der Universität Osnabrück. Nach ihrem Abschluss promovierte sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen des DFG-Projekts «Ko-Konstruktion von literarischen Bildungsvorstellungen im Verlauf der gymnasialen Oberstufe».

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Titel: Deutungsmuster von Lehrpersonen im Literaturunterricht der Oberstufe
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