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Albert Camus und das Kreuz

von Raphael Maercker (Autor:in)
©2017 Dissertation 130 Seiten

Zusammenfassung

Das Kreuz ist und bleibt ein Skandal. Nicht nur in öffentlichen Gebäuden und gesellschaftlichen Debatten, sondern auch bei Theologen erregt der Anblick des Gekreuzigten immer wieder Ärgernis.
Der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus, der zeitlebens nach dem Sinn menschlicher Existenz angesichts des Todes fragte, bringt die Zweifel am christlichen Erlösungsglauben in seinen Werken exemplarisch zum Ausdruck. Er sieht in Jesus Christus sowohl den absurden Menschen, der in seiner Not von Gott verlassen ist, als auch den Revoltierenden, der sich gegen das Böse auflehnt und sein Leben für die anderen opfert.
In Auseinandersetzung mit Camus sucht die Studie nach einer zeit- und evangeliumsgemäßen Kreuzestheologie, die weder den Skandal leugnet noch die christliche Hoffnung verschweigt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1. Einführung: Der Skandal des Kreuzes
  • 1.1 Das „scandalum“ als „virtus Dei“
  • 1.2 Kreuzestheologie in der Moderne
  • 2. Biographischer Zugang
  • 2.1 Das verlorene Paradies
  • 2.2 Sehnsucht und Sinnsuche
  • 2.3 Ein „Heiliger ohne Gott“?
  • 3. Philosophischer Zugang
  • 3.1 Das Absurde
  • 3.1.1 Eine „eigentümliche Dreieinigkeit“
  • 3.1.2 „(Non) Credo, quia absurdum est“
  • 3.1.3 Sisyphos – ein glücklicher Mensch?
  • 3.2 Die Revolte
  • 3.2.1 Zwischen Ja und Nein
  • 3.2.2 Die Natur des Menschen
  • 3.2.3 Reich Gottes – Person oder Geschichte?
  • 4. Theologischer Zugang
  • 4.1 Theologische Grundfragen
  • 4.1.1 Gott und Leid
  • 4.1.2 Freiheit oder Gnade?
  • 4.2 Christologische Betrachtungen
  • 4.2.1 Der Verlassenheitsruf Jesu
  • 4.2.2 Rebell und Stellvertreter
  • 4.2.3 Solidarität und Hingabe
  • 4.2.4 Gekreuzigt und auferstanden
  • 5. Ausblick auf eine Verkündigung des Kreuzes als „virtus Dei“
  • 6. Bibliographie

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Vorwort

Eine Theologie des Kreuzes zu bearbeiten und zu durchdenken, gehört wohl zu den anspruchsvollsten und brisantesten Themen einer fundamentaltheologischen Fragestellung. Bereits ein kurzer Blick auf Paulus (cf. 1Kor 1,18–24) genügt, um das „scandalum“ des Kreuzestodes Christi zu erahnen. Den Blick in die heutige Welt hinzunehmend, die geprägt ist von fundamentalistischen Strömungen in allen Schattierungen, welche auch bisweilen vor Terror, Gewalt und Schmach gegenüber dem Menschen nicht zurückschrecken, gewinnt die Thematik noch einmal mehr an Aktualität und Zuspitzung. In dieser Publikation, zu der die Ehre ich habe, ein einleitendes Vorwort zu schreiben, wird Albert Camus mit in die Debatte genommen, dessen philosophisch-theologischer Beitrag auf dem Gebiet der Theologie meist – man möchte dies bedauern – beiseitegelassen wird. Was dieser aber einem Theologen zu denken aufgibt und fruchtbringend in die theologische Diskussion miteinbringt, um »nach einer sowohl zeit- als auch evangeliumsgemäßen Kreuzestheologie zu fragen«, das will vorliegende Veröffentlichung, die aus der Diplomarbeit des Autors erwachsen ist, untersuchen. Camus, der sich Zeit seines Lebens in einer Art Seelen- und Heimatverwandtschaft mit dem Kirchenvater Augustinus betrachtete, hatte sich – hierin ganz ähnlich seinem spätantiken Vorfahren – in seinen Suchbewegungen einem verschrieben, »zu lieben und zu bewundern«. Über das Leben beider Gottsucher ließe sich als Antriebsmotor für alles philosophisch-theologische Mühen folgerichtig das sagen, was der Heilige aus Thagaste einmal so umschrieb: „Stets müssen wir wachsam sein, daß wir nicht Schein für Wahrheit nehmen, daß arglistige Rede uns nicht betrügt, die Finsternis eines Irrtums unsern Blick nicht verdunkelt, daß wir nicht Böses für gut, Gutes für böse halten, uns weder durch Furcht von Pflicht­erfüllung abhalten, noch durch Begierde zu pflichtwidrigem Tun hinreißen lassen, die Sonne nicht über unserm Zorn untergehen, uns auch nicht durch Feindschaft verleiten lassen, Böses mit Bösem zu vergelten. Wir müssen wachen, daß uns nicht unziemliche Traurigkeit niederdrücke, Undankbarkeit träge mache wohlzutun, üble Nachrede gutes Gewissen lähme, voreiliger ← 7 | 8 → Verdacht uns an anderen irre, falscher Verdacht anderer uns mutlos mache.“ (De civ. dei XXII, 23)

In vorliegendem Buch wird mit einem sensiblen Gespür und durch eine äußerst präzise Herausarbeitung des philosophischen und theologischen Gedankenguts ein Panorama eröffnet, das die theologische Debatte nur befruchten kann. Der Autor, Herr Maercker, entgeht dabei der plumpen Gefahr, in eine stumpfe christliche Apologetik zu verfallen, die den Verdacht hegen könnte, der französische Existenzphilosoph sei eben entweder nur böswillig „atheistisch“ gesinnt oder es fehle ihm schlicht eine vom Glauben genährte Weitsicht und Denkschärfe, die dann versteckt als Dummheit entlarvt würde. In beeindruckender Manier wird dabei zuerst durch ein mitfühlendes Verstehen – was oftmals in theologischen Abhandlungen ein Desiderat bleibt – der biographische Zugang zu Camus eröffnet, der auf eindrucksvolle Weise Sehnsucht und Sinnsuche des französisch-algerischen Denkers vor Augen führt. In einem weiteren Schritt folgt eine fundamentaltheologische Begutachtung der Kreuzesthematik, um so abschließend Ausblicke auf eine zeitgemäße, von Camus inspirierte Kreuzestheologie zu wagen.

Behutsam stellt der Autor so dem Denken Camus’ aktuelle Theologumena verschiedener Autoren (z. B. M. H. Kessler, K.-H. Menke, M. Striet, J.-H. Tück, H. Verweyen) gegenüber, die mögliche Denk- und intellektuell verantwortbare Glaubensbewegungen aufzeigen, ohne je dabei jedoch in eine pure Apologetik zu verfallen. Ebenso wenig ist es dem Autor in offener und sympathischer (im eigentlichen Sinn des Wortes!) Weise daran gelegen, den Stachel der Theodizeefrage aus dem gläubigen Theologenfleisch ein für alle Mal ziehen zu wollen, d. h. die Spannung zwischen einem „Ja und Nein“ hinsichtlich der Gottesfrage wird aufrecht erhalten und ausgehalten, ohne dabei Camus nur durch eine einseitige Brille der Glorifizierung zu betrachten. Vielmehr werden kritische Anfragen stets an der richtigen Stelle platziert, ohne ihn jedoch als Gesprächspartner für die Theologie zu diskreditieren.

Es ist gerade Camus, der dem Theologen deutlich ins Stammbuch schreibt, das „scandalum“ des Kreuzes ernst zu nehmen und nicht vorschnell glattzubügeln, so dass der Autor in seiner Publikation deutlich herausstreicht, die menschliche Freiheit weder zu hoch noch zu gering zu schätzen, um so den christlichen Glauben vor einem Ideologieverdacht zu ← 8 | 9 → bewahren. Vielmehr ergibt sich die Aufgabe, das Kreuz als „virtus Dei“ derart verständlich zu machen, um in eine solidarische Praxis hineinzufinden, die »schon jetzt Einheit und Versöhnung unter den Menschen bewirkt« im Vertrauen darauf, dass in solch einer versöhnungsbereiten „Revolte“ auf geheimnisvolle Weise ein Gott bei Seite steht. Sehr schön kann der Autor am Ende zeigen, dass eine christliche Theologie und Verkündigung nur gelingen kann, wenn sie sich aus der Einseitigkeit einer Kreuzestheologie befreit und, aus einer breiteren Gesamtfülle des Glaubens gespeist, bemüht ist, das Kreuz als Akt der Liebe den Menschen nahezubringen. Um die Theologie vor Einseitigkeiten zu bewahren, kann Herr Maercker so Camus als ernsthaften Gesprächspartner für den Theologen ausmachen, um der Gefahr zu entgehen, dem Kreuz entweder gar keine Beachtung zu schenken, oder – noch schlimmer – es gar einseitig zu instrumentalisieren. Dass es christliche Theologie ohne Kreuz nicht geben kann, diese aber am Ende nur in einem größeren Gesamtzusammenhang christlicher Botschaft zu verorten ist, ist die gewinnbringende Frucht der niveauvollen Auseinandersetzung mit Camus und verweist den Theologen auf sein Geschäft und seine Kunst, die darin besteht, dass es das Ganze nur im Fragment gibt, im Fragment aber stets das Ganze zu suchen ist. Gerade von daher ist in vorliegender Publikation ein nicht unbedeutsamer Gewinn für weitere Theologieansätze in heutiger Zeit zu sehen, so dass diesem Beitrag ein weiter Leserkreis nur zu wünschen ist, der achtsam darauf bemüht sein müsste, „was er um der Liebe zur Wahrheit willen festhalten und was er um der Liebespflicht willen tun muß“ (Augustinus, De civ. dei XIX, 19). Durch die Lektüre der von meinem Schüler Herrn Maercker verfassten Arbeit wird solch eine aktive Achtsamkeit geschärft und eingefordert. Ihm und den Lesern möchte ich zum Abschluss eine Eloge auf Albert Camus mitgeben, welche mein väterlicher Freund und Mitbruder P. Julius Jakob Vogt († 2014) vor Jahren verfasst hat, die somit auch meine besten Wünsche für des Autors weiteren Weg sein mögen.

Eine Eloge auf Albert Camus

O, Du Suchender am Abgrund des Nichts.
Wie oft hast Du Deine Fragen schon hineingeworfen?
Wie viele Tränen sind aus wehem Herzen dort hineingefallen? ← 9 | 10 →

Doch von den Fragen und den Tränen allen
hat sich der Abgrund nicht gefüllt.
Es bleibt verhüllt,
was Du am innigsten erflehst,
wenn Du am Abgrund Deiner Sehnsucht stehst.

Du heimatloser Liebender,
Du reine Seele zwischen Staub und Not.
Du suchst und schreist nach Gott
und liegst doch dem Gekreuzigten zu Füßen.
Erkennst Du Deinen Meister nicht –
die Liebe im zerschlagenen Gesicht?

Gott fließt in Blut und Tränen durch die Welt
und Stiefelsohlen knirschen auf den Knochen seiner Kinder.
Geschändet ist Dein Leib und Herz,
doch Deine Asche fällt in seinen Grund.
Gott ist kein Plappermund,
er ist das Leiden und die Auferstehung selber.

Du fällst immerfort in ihn hinein,
es darf nicht nur, es kann nicht anders sein:
Auch aus zerquetschten Beeren quillt der Wein,
aus dem Ofen rinnt das reine Gold
und aus dem Lebensbecher rollt
in reinen Perlen Deine Seligkeit.

(Aus: P. JULIUS JAKOB VOGT, Mit Dir durch Schatten und Licht, Norderstedt 2012, 65)

Details

Seiten
130
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631729472
ISBN (ePUB)
9783631729489
ISBN (MOBI)
9783631729496
ISBN (Paperback)
9783631729465
DOI
10.3726/b11508
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juni)
Schlagworte
Theologie Philosophie Skandal Absurdität Revolte Christologie
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 130 S., 1 s/w Abb., 2 farb. Abb.

Biographische Angaben

Raphael Maercker (Autor:in)

Raphael Maercker studierte Katholische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster.

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Titel: Albert Camus und das Kreuz
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