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Haftung wegen Bruchs der ärztlichen Schweigepflicht in Deutschland und in Korea

Eine vergleichende Untersuchung

von Hyung Sun Kim (Autor:in)
©2015 Dissertation 340 Seiten
Reihe: Recht und Medizin, Band 122

Zusammenfassung

Die Studie untersucht die Schweigepflicht des Arztes und dessen Offenbarungspflicht. Unter diesem Aspekt wird die deutsche Rechtslage mit derjenigen in Korea verglichen. Das Buch gliedert sich in fünf Teile: Im ersten Teil geht es um die Rechtsgrundlagen der ärztlichen Schweigepflicht und um deren Normzwecke in Deutschland und in Korea. Der zweite Teil behandelt die Konkretisierung des Tatbestandes der Verletzung von Privatgeheimnissen. Zentral ist der dritte Teil zu den Möglichkeiten einer Rechtfertigung der Geheimnisoffenbarung. Der vierte und der fünfte Teil sind den zivilrechtlichen Grundlagen und den Rechtsfolgen der Verletzung der Schweigepflicht sowie der Haftungsproblematik gewidmet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Teil 1: Rechtsgrundlagen der ärztlichen Schweigepflicht
  • A. Grundgesetz
  • I. Deutschland
  • II. Korea
  • B. Normzweck der Verletzung von Privatgeheimnissen
  • I. Deutschland
  • 1. Individualschutzlehre
  • 2. Gemeinschaftsschutzlehre
  • 3. Die Lehre des doppelten Schutzzwecks
  • II. Korea
  • C. Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
  • I. Deutschland
  • II. Korea
  • D. Bundesdatenschutzgesetz
  • I. Deutschland
  • II. DSG, PISG und MG in Korea
  • E. Zusammenfassung und Ergebnis
  • I. Deutschland
  • II. Korea
  • Teil 2: Tatbestand der Verletzung von Privatgeheimnissen
  • A. Geheimnis als Rechtsgut
  • I. Abgrenzung des Geheimnisbegriffs
  • 1. Deutschland
  • a) Geheimnis und Geheimhaltungsinteresse
  • b) Geheimnisse Verstorbener im Sinne des § 203 IV StGB
  • 2. Korea
  • a) Geheimnis und Geheimhaltungsinteresse in § 317 KStGB
  • b) Geheimnisse Verstorbener
  • II. Begrenzter Personenkreis
  • 1. Anforderungen an die Vertrauensbeziehung
  • 2. Anforderungen an die berufliche Rolle des Geheimnisempfängers
  • 3. Anforderungen an das Anvertrauen
  • 4. Korea
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • B. Täterschaft bei Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht
  • I. Hauptgeheimnisträger
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • II. Hauptgeheimnisträger und Gehilfen
  • 1. Anforderungen an die Tätigkeit der Gehilfen
  • 2. Gleichgestellte Personen in § 203 III StGB
  • a) Ehrenamtlich und gelegentlich tätiges Personal
  • b) Selbständig tätiges Personal
  • c) Organisatorisch tätiges Personal
  • 3. Korea
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • C. Offenbarung durch Unterlassen von Schutzvorkehrungen
  • I. Deutschland
  • II. Korea
  • D. „Unbefugt“ als Deliktmerkmal
  • I. Deutschland
  • II. Korea
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • Teil 3: Rechtfertigung der Geheimnisoffenbarung
  • A. Gesetzliche Offenbarungspflichten
  • I. Prozessuale Offenbarungspflichten
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • II. Offenbarungspflichten bei Zwangsvollstreckung und Insolvenz
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • III. Offenbarungspflichten gegenüber Behörden
  • 1. Deutschland
  • a) Infektionskrankheiten
  • b) Transplantationen
  • c) Meldebehörden
  • d) Sozialleistungsträger
  • 2. Korea
  • a) Infektionskrankheiten
  • b) Transplantationen
  • c) Meldebehörden
  • d) Sozialleistungsträger
  • IV. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • B. Gesetzliche Offenbarungsbefugnis
  • I. Wahrung berechtigter Eigeninteressen
  • 1. Rechtfertigung analog § 193 StGB
  • 2. Honorarforderungen aus privatärztlichem Behandlungsvertrag
  • 3. Honorarforderungen in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung
  • 4. Korea
  • a) Selbsthilfe im Sinne des § 23 KStGB
  • b) Rechtmäßige Handlungen im Sinne des § 20 KStGB
  • II. Berechtigte Wahrung von Rechtsgütern Dritter
  • 1. Wahrnehmung berechtigter Interessen
  • a) Garantenstellung und Garantenpflicht gem. § 13 StGB
  • b) Im Verhältnis zu Ärzten
  • c) Im Verhältnis zu Angehörigen und Sexualpartnern
  • 2. Korea
  • a) Garantenstellung und -pflicht in § 18 KStGB
  • b) Im Verhältnis zum medizinischen Personal und zu Dritten
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • C. Notstand im Strafrecht als klassische Offenbarungsbefugnis
  • I. Die einzelnen Voraussetzungen der Rechtfertigung
  • 1. Die gegenwärtige Gefahr
  • 2. Nicht anders abwendbare Gefahr
  • II. Interessen- und Güterabwägung
  • 1. Selbstgefährdung des Patienten, insbesondere Suizidgefahr
  • 2. Akute Todesgefahr des Patienten
  • 3. HIV und andere Infektionskrankheiten
  • 4. Schutz der Allgemeinheit
  • 5. Korea
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • D. Einwilligung
  • I. Verbrechenssystematische Einordnung
  • 1. Einwilligung im Sinne des § 203 StGB
  • 2. Die Rechtsnatur der Einwilligung in Verbindung mit der Willenserklärung
  • 3. Korea
  • a) Einwilligung im Sinne des § 24 KStGB
  • b) Die Rechtsnatur der Einwilligung
  • 4. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • a) Deutschland
  • b) Korea
  • II. Voraussetzungen der wirksamen Einwilligung
  • 1. Einwilligungsfähigkeit
  • 2. Korea
  • 3. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • a) Deutschland
  • b) Korea
  • III. Sonstige Voraussetzungen der wirksamen Einwilligungserklärung
  • 1. Einwilligung und Geheimhaltungswille
  • 2. Schriftform vor allem bei der vom BDSG erfassten Datenweitergabe
  • a) Schriftformerfordernis gem. § 4a BDSG?
  • b) Wirksamkeit einer formularmäßigen Einwilligung
  • 3. Möglichkeit der ordnungsgemäßen Willensbildung
  • a) Einwilligende und die Inhalte der Aufklärung
  • b) Tierärztliche Information
  • 4. Einwilligung und Aufklärung in Korea
  • 5. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • a) Deutschland
  • b) Korea
  • IV. Arten der Einwilligung
  • 1. Ausdrückliche und stillschweigende Einwilligung
  • 2. Die mutmaßliche Einwilligung
  • a) Rechtliche Bedeutung und Voraussetzungen
  • aa) Rechtliche Grundlage
  • bb) Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung
  • b) Mutmaßliche Einwilligung in Bezug auf Angehörige
  • 3. Korea
  • 4. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • a) Deutschland
  • b) Korea
  • V. Widerruflichkeit, Anfechtbarkeit und Rückwirkung
  • 1. Widerruf der Einwilligungserklärung
  • 2. Anfechtbarkeit der Einwilligungserklärung
  • 3. Rückwirkung und Genehmigung
  • 4. Korea
  • 5. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • a) Deutschland
  • b) Korea
  • Teil 4: Offenbarungsbefugnis, -pflicht und zivilrechtliche Haftung
  • A. Die haftungsrechtlichen Grundlagen
  • I. Deutschland
  • 1. Vertragliche Grundlagen
  • 2. Deliktische Haftung
  • II. Korea
  • 1. Vertragliche Grundlagen
  • 2. Deliktische Haftung
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • B. Offenbarungsbefugnis und Haftung des Arztes auch für Gehilfen
  • I. Deutschland
  • 1. Gewohnheitsrecht
  • 2. Befugnis des Arztes zur Datenweitergabe an Dritte gem. §§ 399, 402 ff. BGB?
  • 3. Notstand (§§ 228, 904 BGB)
  • 4. Die Geschäftsführung ohne Auftrag
  • a) GoA als Rechtfertigungsgrund
  • b) Tatbestände der GoA
  • c) Schutzgegenstand und Fahrlässigkeit bezüglich der Gefahrenlage
  • 5. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
  • 6. Die Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen
  • II. Korea
  • 1. Gewohnheitsrecht
  • 2. Factoring und Subrogationsrecht
  • 3. Der zivilrechtliche Notstand und KGoA
  • 4. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
  • 5. Die Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • C. Offenbarungspflicht im Verhältnis zu Angehörigen
  • I. Deutschland
  • 1. Bevollmächtigte und Vertreter
  • 2. Das elterliche Sorgerecht gem. §§ 1626, 1631 BGB
  • 3. Erben als Einwilligungsberechtigte gem. §§ 1922 ff. BGB
  • 4. Einsichtnahme in die Krankenunterlagen des Patienten
  • a) Herausgabe der Krankenunterlagen
  • b) Dokumentationspflicht des Arztes
  • II. Korea
  • 1. Bevollmächtigte und Vertreter
  • 2. Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren
  • a) GesMKG
  • b) Der strafrechtliche Schutz
  • c) Der zivilrechtliche Schutz
  • 3. Vererblichkeit der Entbindungsbefugnis und Einsichtnahme
  • III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • D. Rechtsfolge: Schadensersatz, Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts und ungerechtfertigte Bereicherung
  • I. Schadensersatzanspruch wegen Geheimnisoffenbarung
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • II. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gem. § 134 BGB
  • 1. Deutschland
  • a) Normzweck und Tatbestand des § 134 BGB
  • b) Gesamtnichtigkeit
  • c) Teilnichtigkeit
  • 2. Korea
  • a) Die Zweckmäßigkeit des Rechtsgeschäfts im Sinne des § 103 KBGB
  • b) Sittenwidrigkeit oder Sozialordnungswidrigkeit
  • c) Tatbestand des § 103 KBGB
  • d) Nichtigkeit gem. § 103 KBGB
  • III. Rückforderung aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung
  • 1. Deutschland
  • 2. Korea
  • Teil 5: Vergleichende Schlussbetrachtung
  • Anhang
  • Schrifttum
  • Deutsches Schrifttum
  • Koreanische Literatur

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Einleitung

Die ärztliche Schweigepflicht beruht historisch auf dem Eid des Hippokrates, in dem das Schweigen des Arztes als „heilige Pflicht“ charakterisiert wird1. Sie ist im Verhältnis zum Patienten von substantieller Bedeutung. Mittlerweile wird die ärztliche Schweigepflicht einerseits aus verschiedenen Rechtsgrundlagen,
z. B. dem Verfassungsrecht, dem Strafrecht, dem öffentlichen Recht und besonderen Gesetzen sowie aus dem Standesrecht für Ärzte hergeleitet, andererseits verliert sie im Verhältnis zwischen Arzt und Patient an Bedeutung, weil sie durch unterschiedliche gesetzliche Regelungen eingeschränkt wird2. Da die Schweigepflicht des koreanischen Arztes grundsätzlich Gegenstand des Strafrechts ist, gibt es in Korea zu ihr noch keine zivilrechtliche Diskussion. Das koreanische Zivilrecht enthält keine Vorschriften über den ärztlichen Behandlungsvertrag, sondern die Vorschriften über die ärztliche Schweigepflicht liegen in Form von Sondergesetzen und im Strafrecht gewissermaßen vereinzelt vor. In der Medizin haben der beschleunigte technische Fortschritt und die zunehmende Arbeitsteilung zwischen Ärzten, Verrechnungsstellen und Patienten zur Folge, dass die Patienten der Gefahr des Informationsverrates ausgesetzt sind3. Seit der deutschen Schuldrechtsreform des Jahres 2002 werden in Deutschland die Besonderheiten der Arzthaftung vor allem im Hinblick auf §§ 280 ff. BGB nicht berücksichtigt4. In diesem Zusammenhang treten im Haftungsrecht komplexe Probleme auf. Dies liegt daran, dass sich alle Gesetze in Normzweck, Anwendungsbereich und Rechtsfolge voneinander unterscheiden. In Korea hat sich zu diesen Problemen bisher weder eine Rechtsprechung noch eine juristische Theorie herausgebildet. Daher ist es erforderlich, dass die uns gestellte Aufgabe sowohl auf der gesetzlichen wie auf der theoretischen Ebene erörtert wird. In der vorliegenden Arbeit soll diese Aufgabe wie folgt gelöst werden: Im ersten Teil geht es darum, die Rechtsgrundlagen der ärztlichen Schweigepflicht in Deutschland und in Korea sowie die zwischen diesen Grundlagen bestehenden Beziehungen zu skizzieren. Der zweite Teil behandelt die Schweigepflicht, so wie sie als Tatbestand in § 203 StGB geregelt ist. Der dritte Teil ist einer Analyse der Rechtfertigung der Geheimnisoffenbarung gewidmet. Der vierte und letzte Teil behandelt die Rechtsfolgen der Verletzung der Schweigepflicht im Rahmen der zivilrechtlichen Grundlagen und die Haftung.

1 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 634; Grömig, NJW 1970, 1209; Kern, MedR 2006, 205; Marx, GA 1983, 160, 161; Roxin/Schroth/Braun, Medizinstrafrecht, S. 224; Schlund, JR 1977, 265; Stucki-Gallwoszus, Pflichtenkollision von Schweigepflicht und Aufklärungspflicht des Arztes, S. 2, Fn. 1 für Rieger; Lenckner; Eb. Schmidt; F. Sauter; W. Spann.; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 10 MBO, Rn. 1; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, 1988, S. 20; v. Lewinski, MedR 2004, 95; diesbezüglich näher Bartsch, Ärztliche Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht, S. 13 ff.

2 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 640 f.

3 Laufs, Arztrecht, Rn. 420; ders., NJW 1991, 1525; zu Risiken des Informationsverrates wegen bestimmter technischer Entwicklungen Bull, NJW 2006, 1619 f.; vgl. zum Kreis der Wissenden Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 360, andererseits Rn. 370 und 372.

4 MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB, Rn. 99; Spickhoff, NJW 2002, 2530 ff.

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Teil 1: Rechtsgrundlagen der ärztlichen Schweigepflicht

A. Grundgesetz

I. Deutschland

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet die Möglichkeit autonomer Selbstentfaltung und die nach außen gerichtete Selbstdarstellung5. Es sichert u. a. einen besonders geschützten Bereich privater Lebensgestaltung6. Das Persönlichkeitsrecht ist deshalb von zentraler Bedeutung für die Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt, für seinen Schutz gegenüber unerwünschtem Einblick Dritter und in Bezug auf den Umfang und den Inhalt seiner Kommunikationsbeziehungen zu anderen Menschen7. Es umfasst auch das Recht des Einzelnen, selbst zu entscheiden, in welchem Umfang und bei welcher Gelegenheit er persönliche Lebenssachverhalte Dritten offenbaren möchte. Diese Befugnis wird zusammenfassend als „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnet8. Die informationelle Selbstbestimmung ist Voraussetzung der kommunikativen Kompetenz des Einzelnen9. Sie ist von besonderer Bedeutung, weil der Mensch als soziales Wesen nur im Ausnahmefall auf Kommunikation verzichten kann. Verfassungsrechtliche Grundlage des Persönlichkeitsrechts ist Art. 2 Abs. 1 GG. Dies leuchtet unmittelbar ein, denn die freie Entfaltung der Persönlichkeit muss die Entscheidung über Umfang und Inhalt der Kommunikation mit anderen einschließen. Auch die ärztliche Schweigepflicht wird im Allgemeinen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet. Allerdings wird zur Rechtsgrundlage des Persönlichkeitsrechts nicht nur auf Art. 2 I GG, sondern fast durchgängig auch auf Art. 1 I GG Bezug genommen10. Folgen ← 17 | 18 → ergeben sich vor allem für die Möglichkeit einer Beschränkung oder eines Eingriffs. Während die freie Entfaltung der Persönlichkeit von der Schrankentrias des Art. 2 I GG begrenzt wird, ist die Menschenwürde durch Art. 1 I GG vorbehaltlos gewährleistet. Auch wenn von einem einheitlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgegangen wird, sind die Schutzbereiche von Art. 2 und Art. 1 GG deshalb auseinanderzuhalten11. Während Art. 2 I GG auf den Schutz einer aktiven Handlungsfreiheit ausgerichtet ist, dient Art. 1 I GG dem eher passiven Schutz der Persönlichkeitssphäre vor Beeinträchtigungen von außen. Beide Ziele stehen aber in einem wechselseitigen Zusammenhang12. Zu beachten ist auch, dass sich die Grundrechte ganz allgemein nicht vollständig von der Gewährleistung der Menschenwürde lösen lassen, sondern in unterschiedlichem Ausmaß, ganz besonders aber bei der Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, mit „Menschenwürdestandards“ aufgeladen sind13. Eine Auslegung der Grundrechte muss deren „Menschenwürdekern“ im Auge behalten. Die angeführte Diskussion ergibt sich aus der Frage, wie beide Artikel in systematischem Zusammenhang zu verstehen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich des Schutzes des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ die sog. Sphärentheorie14 entwickelt. Die in Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG geschützten Rechtsgüter gelten demnach im Kernbereich privater Lebensgestaltung – auch Intimsphäre genannt – als absolut „unantastbar“15. Die außerhalb des Intimbereichs liegende Privat- oder Geheimsphäre ist dagegen nicht mehr unmittelbar von Art 1. I GG ← 18 | 19 → geschützt, weil sie bereits einen Sozialbezug aufweist. Eingriffe sind möglich, müssen aber durch überwiegende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt sein16. Die Bezugnahme auf Art. 1 I GG verweist in diesem Bereich nicht auf eine anzuwendende Norm, sondern als Verweis auf die Menschenwürde auf einen bei der Auslegung von Art. 2 I GG besonders zu berücksichtigenden Aspekt17. Mit zunehmender Nähe zum Intimbereich steigen damit die Anforderungen an einen Eingriff18. Daten zu Anamnese, Diagnose, Therapie werden nicht zum unantastbaren Kernbereich gerechnet. Sie sind aber als Teil des privaten Bereichs in den Schutz durch Art 2 I GG i. V. m. Art 1 I GG einbezogen19. Eingriffe sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse möglich20. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht dem intimen Kernbereich zugeordnet und wird deshalb als „beschränkbar“ in Bezug auf die Kommunikationsfreiheit angesehen21. Andererseits soll es im Bereich der automatisierten Verarbeitung von Daten trotz seiner Zugehörigkeit zur sog. Sozialsphäre nur unter eng definierten Voraussetzungen einschränkbar sein. Der Schutz von Daten wird einheitlich gewährleistet, unabhängig von der Sphäre, aus der sie stammen22.

II. Korea

Es ist nicht umstritten, dass die ärztliche Schweigepflicht des § 317 KStGB23 auf privacy right des Art. 17 der koreanischen Verfassung (im Folgenden KV)24 i. V. mit dem Art. 10 KV (Menschenwürde) beruht25. Der Schutzbereich des Geheimnisses und der Freiheit der persönlichen Lebenssphäre betrifft die zum ← 19 | 20 → konkreten Inhalt der Menschenwürde gehörende freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Rechtsicherheit. Der Inhalt der Privatsphäre, die Ehre und das Vertrauen des Einzelnen usw., welche als beschränkbare Schutzgegenstände verstanden werden und deshalb dem Abwehrrecht unterliegen, sind unverletzlich. Im positiven Sinne zielt der Schutz des Geheimnisses und der Freiheit des Privatlebens auf die Gewährleistung der freien Entfaltung des Privatlebens und zugleich der freien Entscheidung der persönlichen Tätigkeit ab26. Auch Art. 17 KV umfasst das Recht auf Selbstverwaltung und -kontrolle der Information, d. h. das informationelle Selbstbestimmungsrecht über sich27. Daher ist das als negativ angesehene Geheimnis des Privatlebens ein Gegenstand der gesetzlichen Gewährleistung. Demgegenüber betreffen die Freiheit des Privatlebens und das informationelle Selbstverwaltungsrecht und -kontrollrecht die Rechtsfähigkeit28. Die Einschränkungen des Grundrechts auf Privatgeheimnisse werden in der Literatur nur wenig diskutiert. Allgemeine Einschränkungen sind in Art. 37 II KV geregelt. Da Gründe der „Staatssicherheit“, der öffentlichen „Ordnung“ oder des „Gemeinwohls“ Eingriffe rechtfertigen, scheinen weitgehende Beschränkungen des Rechts auf Privatgeheimnisse möglich. Die Auslegung nähert sich jedoch dem deutschen Rechtsstandpunkt an, weil ebenso wie in Art. 1 I GG die Menschenwürde gem. Art. 10 KV unverletzlich ist29. Auch wenn das privacy right aus einem in Art. 37 II KV genannten Grund eingeschränkt wird, müssen solche Einschränkungen auf einem Gesetz beruhen.

B. Normzweck der Verletzung von Privatgeheimnissen

I. Deutschland

1. Individualschutzlehre

Die Begründungen der Individualschutzlehre unterscheiden sich je nachdem, ob ihr Schwerpunkt auf der verfassungsrechtlich diskutierten Sphärentheorie oder auf einer viktimologischen Betrachtungsweise beruht. Die auf der Sphärentheorie ← 20 | 21 → beruhende Betrachtungsweise geht von dem einen „unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung“ einschließenden informationellen Selbstbestimmungsrecht aus30. § 203 StGB reagiert darauf, dass die Privatperson von der Kommunikation und der Interaktion mit bestimmten Funktions- und Berufsgruppen abhängig ist. Es geht also nicht um ein Gemeinschaftsgut, sondern um den Schutz der Grundrechte aus Art. 2 I GG i. V. mit Art. 1 I GG31. In diesem Sinne schützt § 203 StGB die „Intimsphäre des Einzelnen“32. Im Gegensatz dazu besteht der Unterschied zu einer anderen Lehre darin, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „beschränkbar“ gilt33. Diese Lehre verbindet das in § 203 StGB geschützte Rechtsgut mit der Privatsphäre34. Die Allgemeinheit wird nur „mittelbar“ geschützt35. Demgegenüber kommt die viktimologische Betrachtungsweise zu derselben Auffassung, indem das Interesse des Einzelnen an dem Schutz seiner Geheimnisse gegenüber Dritten hervorgehoben wird. Die Gefahr für die Belange des Einzelnen liege in der „Besonderheit von faktischen Verhältnissen“, in denen der Betroffene Rat und Hilfe zur Offenbarung von Geheimnissen in Anspruch nehmen müsse36. Die zweit- und die drittgenannte Variante der Individualschutzlehre stimmen darin überein, dass § 203 StGB den Schutz des individuellen ← 21 | 22 → Interesses bezweckt37. Der zweitgenannten Lehre ist jedoch der Unterschied zwischen dem verfassungsrechtlichen und dem strafrechtlichen Schutzzweck entgegenzuhalten. Die Verfassungsnorm richtet sich auf das individuelle Interesse an der jeweiligen Freiheit. Die strafrechtliche Schutzpflicht kennt demgegenüber keinen individuell unterschiedlichen Schutz, weil im Strafrecht nur der Tatbestand der Rechtsgutsverletzung als strafbares Verhalten geregelt ist38. Deshalb ist es auch unzutreffend, das Vertrauen in die von § 203 StGB erfassten Berufsgruppen als „mittelbar“ zu bezeichnen39. Gegenüber der viktimologischen Betrachtungsweise ist nicht nur die gleiche Kritik möglich, und diese Betrachtungsweise fehlt auch in Bezug auf den Geheimnisschutz Verstorbener40.

2. Gemeinschaftsschutzlehre

Diese Lehre beruft sich in erster Linie auf den Schutz eines allgemeinen Vertrauens41 in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe42. Das in § 203 StGB genannte Personal muss seine Aufgabe unter Beachtung strenger beruflicher Anforderungen erfüllen43. Der Arzt dient dem Gesundheitswesen und der Gesunderhaltung der Bevölkerung. In diesem Punkt wird das individuelle ← 22 | 23 → Geheimhaltungsinteresse dem Interesse der Allgemeinheit nachgeordnet44. Somit ist auch die Möglichkeit der freien Auswahl der Vertrauensperson kein entscheidendes Kriterium45. Aber es ist zweifelhaft, ob das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit des Arztes teleologisch an den Normzweck des § 203 StGB angeknüpft werden kann46, denn das Vertrauen zwischen Arzt und Patient bezieht sich auf die Verschwiegenheit und die Dispositionsbefugnis47. In diesem Zusammenhang stehen die Kommunikation und die Interaktion der Ärzte mit ihren Patienten im Vordergrund48. Es geht freilich um das persönliche Geheimnis der Einzelnen und damit um dessen Interessenschutz49. Daher muss die Auffassung von Cierniak/Pohlit § 203 StGB als individualschützende Norm angesehen werden50.

3. Die Lehre des doppelten Schutzzwecks

Diese Lehre wendet sich gegen die Betonung nur eines Schutzzwecks. Zwar steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Vordergrund, § 203 StGB zielt aber neben dem Interesse des Einzelnen an seiner Geheimnissphäre auch auf den Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität der in § 203 StGB genannten Berufsgruppen ab51. Daraus folgt, dass die Fusion von Elementen des Individualschutzes mit solchen des Geheimnisschutzes in einer modernen und kommunikativ verfassten Gesellschaft hervorgehoben werden sollte52. Daher ← 23 | 24 → kann das individuelle Interesse durch den Rechtfertigungsgrund i. V. mit der Interessenabwägung hinter das soziale Interesse zurücktreten53.

II. Korea

§ 317 KStGB regelt die ärztliche Schweigepflicht. Im Hinblick auf den Normzweck dieser Vorschrift findet sich noch keine Rechtsprechung. Das Problem wird lediglich im Schrifttum behandelt. Früher ist die Auffassung vertreten worden, dass sich § 316 KStGB (Geheimnisverletzung) und § 317 KStGB (Bruch des Berufsgeheimnisses) in ihrem geschichtlichen Hintergrund voneinander unterschieden und in keinem theoretischen Zusammenhang miteinander stünden. Daher gehöre das Geheimnis im Sinne des § 317 KStGB zu einem gemeinschaftlichen Rechtsgut54. Zurzeit werden die Individualschutzlehre und die Lehre des doppelten Schutzzwecks befürwortet. Nach der erstgenannten Lehre zielt § 317 KStGB nur auf den Schutz des in beruflicher Eigenschaft erlangten persönlichen Geheimnisses ab. Somit wird das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe nur mittelbar geschützt55. Gegen diese Auffassung werden aber Einwände erhoben: Nach einer Ansicht verliert die Einbeziehung der in § 317 KStGB genannten Personen an Bedeutung, wenn nur das persönliche Geheimnis als Rechtsgut geschützt wird. Somit sei auch das allgemeine Interesse an der Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe ein Schutzgegenstand. In diesem Sinne sei das Rechtsgut das persönliche Geheimnis, das offenbart werden und von Angehörigen bestimmter Berufe nicht verletzt werden dürfe56. Nach einer anderen Ansicht kann sich der Grund für das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe als mittelbar geschütztes Rechtsgut einzig darin finden, dass § 317 KStGB systematisch nur in den Abschnitt „Straftaten gegenüber dem persönlichen ← 24 | 25 → Rechtsgut“ einbezogen werde57. Schutzgegenstand sei das Individualinteresse an der Geheimhaltung und zugleich das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe58.

C. Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot

I. Deutschland

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO und das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO schließen an die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB an. Diese Verbindung ergibt sich aus der strafrechtlich gesicherten Schweigepflicht des Arztes im Verhältnis zum Patienten einerseits und aus dem Schweigerecht im Verhältnis zum Gericht andererseits59. Demgegenüber ist der Unterschied zwischen § 203 StGB und § 53 StPO im Hinblick auf den Normzweck und den Tatbestand60 und auf das prozessuale Geheimnis61 im Auge zu behalten. Diese Forderung ist auch dadurch begründet, dass der berufliche Personenkreis in § 203 StGB einerseits und in §§ 53, 53a, 97 StPO andererseits unterschiedlich geregelt ist62. Daher können das Zeugnisverweigerungsrecht und das Beschlagnahmeverbot nach einigen strafprozessualen Auffassungen ← 25 | 26 → gerade nicht aus der strafrechtlichen Schweigepflicht hergeleitet werden63. Dennoch ist es nicht erforderlich, dass die angeführten Unterschiede im Rahmen des Verhältnisses zwischen Arzt und Patient hervorgehoben werden, weil beide Vorschriften auch vom Vertrauensschutz des Patienten ausgehen64. Es kommt vielmehr darauf an, wie beide Vorschriften trotz Differenzen im Geltungsbereich und auf der Ebene der Rechtswidrigkeit harmonisch interpretiert werden können65. Beim Verhältnis zwischen § 53 StPO und § 97 StPO geht es in der Regel um die Interessenlage beim Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO um die Tragweite der Beschlagnahme gem. § 97 StPO in Bezug auf den Beschuldigten und auf den (Mit-)Gewahrsam des Arzthelfers66. Dies bezweckt in erster Linie den Schutz der grundrechtlich garantierten Geheimhaltungsinteressen des Patienten. Insoweit werden diese Vorschriften als komplementär gekennzeichnet67.

II. Korea

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 149 KStPO68 und das Beschlagnahmeverbot nach § 112 KStPO stehen ebenfalls in einem komplementären Verhältnis zueinander. Im Vergleich mit dem deutschen Recht richtet sich der Blick der meisten koreanischen Juristen nur auf den Anwendungsbereich beider Paragraphen in Verbindung mit dem Normzweck. Zwar gehen diese Autoren davon aus, dass die Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts verlorengehe, wenn die Aufzeichnungen über die Behandlung des Arztes beschlagnahmt werden könnten, § 112 KStPO ziele aber auf den Schutz des privacy right ab und nehme ← 26 | 27 → auf das Vertrauen zwischen der in der Vorschrift genannten Person und dem Auftraggeber Bezug69. In diesem Sinne unterscheide sich sein Normzweck von dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 149 KStPO, der sich auf die berufliche Ethik auch ohne besondere Vertrauensbeziehung beziehe. Daher sei der Anwendungsbereich des § 112 KStPO enger als der des § 149 KStPO70. In Bezug auf den Normzweck des § 149 KStPO erscheint diese Argumentationsstruktur als unlogisch. Zum einen hängt das Geheimnis des Auftragsgebers mit einem privacy right und mit der beruflichen Tätigkeit zusammen, zum anderen gehört die berufliche Schweigepflicht auch zur beruflichen Ethik. Der Normzweck des § 149 KStPO knüpft an ein privacy right und zugleich an eine berufliche Ethik an71. In diesem Punkt ist es zweifelhaft, ob Schweigepflicht und Schweigerecht allein aus der beruflichen Ethik hergeleitet werden können. Es kann auch nicht geleugnet werden, dass § 317 KStGB und §§ 112, 149 KStPO den Vertrauensschutz zwischen Arzt und Patienten bezwecken und dadurch die berufliche Tätigkeit des Arztes schützen72. Vertraulichkeit und ärztliche Tätigkeit können nicht voneinander getrennt werden, weil die berufliche Tätigkeit ohne das Vertrauensverhältnis beim Abschluss des Behandlungsvertrags und bei der Offenbarung nicht möglich ist. Auch im Hinblick auf die methodische Betrachtungsweise ist dem angeführten Standpunkt nicht zuzustimmen. Der Schweigepflicht und dem Zeugnisverweigerungsrecht liegt die berufliche Ethik zugrunde, jedoch sollte für beide vonseiten des Selbstbestimmungsschutzes sowohl des Patienten als auch des Arztes eine gesetzliche Grundlage vorhanden sein. Im Verhältnis zu dem Arzt kann auch nicht geleugnet werden, dass personenbezogene Daten einem besseren Service für den jeweils gerade behandelten als auch für den zukünftigen Patienten hinsichtlich des wirtschaftlichen Inter-esses des Arztes einerseits sowie der Behandlung des Patienten andererseits dienen können. In diesem Sinne sind sie bei der Berufsausübung des Arztes auch von praktischer Bedeutung. Nach Art. 15 KV haben alle Koreaner das Recht auf Freiheit der Berufswahl. Daraus wird die freie Berufsausübung abgeleitet. Zudem richtet sich die verfassungsrechtliche Auffassung im Schrifttum ← 27 | 28 → eigentlich auf die Schranken der Berufsausübung73. Die Verletzung der Schweigepflicht steht nicht nur unter Strafandrohung gem. § 317 KStGB und gem. § 88 Medizingesetz (KMG)74, sondern kann auch zum Entzug der Zulassung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren nach § 317 KStGB oder zugleich bis zu zwei Monaten gem. § 4 „Die medizinische Regelung über die Disposition der Verwaltung (KMDR für V)“ führen. Das Zeugnisverweigerungsrecht sollte als ein in Art. 37 I KV i. V. mit Art. 15 KV genanntes Grundrecht gewährleistet werden, sofern die Zeugnisverweigerung gegenüber dem Gericht als ein Recht angesehen wird. Diese Freiheit strahlt auf § 12 KMDG aus. Nach der Vorschrift dieses Paragraphen darf niemand in die Heilkunst eingreifen. In diesem Zusammenhang kann die personenbezogene Tatsache als Inhalt der Freiheit zur Ausübung der Heilkunst geschützt werden, zumindest soweit die Identifikation zwischen dem Geheimnisgeschützten und dem Patienten anerkannt wird. Daraus kann sich eine Grundlage des Zeugnisverweigerungsrechts des Arztes ergeben. Dieses Recht verweist auch auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arztes Art. 17 KV i. V. mit Art. 10 KV, weil es bei ihm eigentlich auf den Willen des Arztes ankommt. Darüber hinaus kann der Auffassung zugestimmt werden, dass das Gericht mittels der Gewährleistung des freiwilligen Zeugnisverweigerungsrechts sowohl die freie Berufsausübung als auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arztes berücksichtige und schütze. Umgekehrt darf dieses Selbstbestimmungsrecht das Recht des anderen nicht verletzen. In diesem Zusammenhang werden das privacy right des Patienten aus Art. 17 KV i. V. mit Art. 10 KV einerseits und die Schweigepflicht z. B. aus § 317 KStGB und § 19 KMG als gesetzliche Pflicht des Arztes andererseits abgeleitet.

D. Bundesdatenschutzgesetz

I. Deutschland

§ 1 BDSG bezweckt den Schutz vor dem durch unbefugte Datenverarbeitung verursachten Eingriff in den Freiheitsraum der informationellen Selbstbestimmung75. Das BDSG gilt für die Datenverarbeitung der nichtöffentlichen und der öffentlichen Stellen des Bundes76. Für die öffentlichen Stellen der Länder gilt ← 28 | 29 → das BDSG, soweit sie Bundesrecht ausführen oder als Organe der Rechtspflege außerhalb von Verwaltungsverfahren handeln. Für die öffentlichen Stellen der Länder gelten im Übrigen die Landesdatenschutzgesetze. Soweit solche Gesetze nicht bestehen, gilt das BDSG auch für die öffentlichen Stellen der Länder77. Die Tätigkeit der Ärzte ist – abgesehen von den Ausnahmen der bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften angestellten oder der beamteten Ärzte (Amtsärzte, Ärzte in Justizvollzugsanstalten) – nicht öffentlich-rechtlicher Natur, so dass für ihre Datenverarbeitung das BDSG gilt. Die von § 203 StGB erfassten Vorgänge können dabei gleichzeitig Datenverarbeitung i. S. des BDSG sein. Notwendig ist dies jedoch nicht. Grundvoraussetzung der Anwendung des BDSG für nicht-öffentliche Stellen ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG, dass Daten in Datenverarbeitungsanlagen oder aus Dateien verarbeitet werden. Dabei muss es sich nicht unbedingt um Daten handeln, die dem Arzt anvertraut worden sind. Die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Arztes besteht in Bezug auf alle ihm anvertrauten Umstände, also auch auf solche, die nicht in Datenverarbeitungsanlagen oder in einer Datei (dazu würde auch die Karteikarte gehören) gespeichert und verarbeitet werden78. Nach einer Ansicht treten datenschutzrechtliche Vorschriften hinter die des Strafrechts zurück79. Somit gehe es um eine echte Tatbestandskonkurrenz80. Die Strafbarkeit gem. § 43 I Nr. 1 BDSG sei wegen der Spezialität des § 203 StGB von vornherein ausgeschlossen, wenn der Verstoß gegen das Datenschutzrecht gleichzeitig ein Bruch der Schweigepflicht ist81. In Bezug auf die materiellen Regeln des BDSG über die Datenverarbeitung stellt sich die Frage, ob das BDSG im Hinblick auf § 1 III BDSG für von der ärztlichen Schweigepflicht erfasste Daten gilt. Die strafrechtliche Sanktion für einen Bruch der Schweigepflicht stellt keine bereichsspezifische Datenschutzregelung im Sinne von § 1 III ← 29 | 30 → S. 1 BDSG dar82. § 203 I Nr. 1 StGB ist keine „gesetzliche Geheimhaltungspflicht“ im Sinne von § 1 III S. 2 BDSG, weil sich beide Vorschriften in dem subjektiven Tatbestand und dem Normzweck im Vergleich mit dem § 4 BDSG voneinander unterscheiden83. Daher wird die ärztliche Schweigepflicht als „untergesetzliche Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses“ im Sinne von § 1 III S. 2 BDSG angesehen84. Auf Grund dieser Tatsache wird die Anwendung des BDSG nur durch sonstige Regelungen oder andere Rechtsvorschriften ausgeschlossen85. Das BDSG gilt deshalb im Hinblick auf die Datenverarbeitung, soweit das Schutzniveau der Berufsgeheimnisse hinter das Niveau des BDSG zurücktritt86. Für den Umgang mit den in der ärztlichen EDV oder in einer manuell geführten Datei wie etwa einer Kartei gespeicherten Daten sind dagegen die Regeln des BDSG zu beachten. Betroffen sind vor allem formale Fragen der Einwilligung in die Übermittlung von Daten an Dritte87.

II. DSG88, PISG89 und MG in Korea

Details

Seiten
340
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653051841
ISBN (ePUB)
9783653972184
ISBN (MOBI)
9783653972177
ISBN (Hardcover)
9783631660058
DOI
10.3726/978-3-653-05184-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
Verletzung von Privatgeheimnissen Geheimnisoffenbarung Haftungsproblematik ärztliche Offenbarungspflicht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 340 S.

Biographische Angaben

Hyung Sun Kim (Autor:in)

Hyung Sun Kim studierte Jura an der Cheongju Universität (Korea), der Universität Dongguk (Korea), der Universität Regensburg und der Universität Göttingen. Zurzeit ist er als Senior Researcher am Institute for Legal Studies der School of Law an der Konkuk Universität in Seoul tätig.

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Titel: Haftung wegen Bruchs der ärztlichen Schweigepflicht in Deutschland und in Korea
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