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Audi-Werbung 1909–1965

Eine medienwissenschaftliche Analyse

von Marta Potuzniková (Autor:in)
©2015 Dissertation 358 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch untersucht die Geschichte eines der großen Automobilhersteller und der traditionsreichen Marke Audi erstmals im Spiegel ihrer Werbung. Die Autorin versteht Audi-Werbung als Kulturgut, das als zeitgeschichtliches Phänomen die Erforschung der Kulturgeschichte ermöglicht. Als Kulturfaktor vermittelt diese außerdem Lebensstile, Ideologien und Trends. Unter Berücksichtigung der konkreten Unternehmens- und Markengeschichte über einen längeren Zeitraum zeigt die Autorin zudem, dass Werbung als Dokument nicht nur des Kultur-, sondern auch des Unternehmens- und Markenwandels betrachtet werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Danksagung
  • Einführung und Ziel der Arbeit
  • Aufbau, Methodik und Forschungsstand
  • I Einführung in die (Automobil-)Werbung
  • 1 Grundsätzliches zum Begriff der Werbung
  • 1.1 Bedeutung der Werbung
  • 1.2 Wirkungsbereiche der Werbung
  • 1.3 Kommunikationsmodell der Werbung
  • 1.4 Strategien und Techniken der Werbung
  • 1.5 Werbemittel und weitere Kommunikationsarten
  • 1.6 Printmedien als Werbeträger
  • 1.7 Bausteine in der Printwerbung
  • 1.7.1 Textstrukturen
  • 1.7.2 Das Bild
  • 1.7.3 Weitere visuelle Grundelemente der Printwerbung
  • 2 Die (Automobil-)Werbung als Kulturgut und Kulturfaktor
  • 2.1 Allgemeine Begriffsklärung
  • 2.2 Werbung und Werte
  • 2.2.1 Werte und Wertewandel in der Konsumgesellschaft
  • 2.2.2 Die (Automobil-)Werbung als Spiegelbild gesellschaftlicher Werte
  • 3 Werbung und Marke
  • 3.1 Historischer Rückblick: Bedeutung der Marke
  • 3.2 Markenwert durch Werbung
  • 3.3 Markenname und Markenlogo
  • 3.4 Image und Identität
  • 4 Die (Automobil-)Werbung: Von den Anfängen bis zur Nachkriegszeit
  • 4.1 Die Anfänge der Automobilwerbung in Deutschland
  • 4.2 Die (Automobil-)Werbung von der Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg
  • 4.3 Die (Automobil-)Werbung während des Ersten Weltkrieges
  • 4.4 Die 1920er Jahre: Die Werbung in der Weimarer Republik
  • 4.5 Die (Automobil-)Werbung unter dem Nationalsozialismus
  • 4.6 Die (Automobil-)Werbung in der Nachkriegszeit
  • II Methodik
  • 5 Semiotik als Analysemethode
  • 5.1 Werbung als Untersuchungsgegenstand der Semiotik
  • 5.2 Grundlagen der Semiotik
  • 5.2.1 Definition von Zeichen
  • 5.2.2 Klassifizierung der Zeichen nach Peirce
  • 5.2.3 Die Welt des Sinnes: Denotation und Konnotation
  • 5.2.4 Codes
  • 5.2.5 Isotopie
  • 5.2.6 Semiotische Struktur nach Morris: Syntaktik, Semantik, Pragmatik
  • 5.3 Methodische Alternativen im Vergleich
  • 6 Überlegungen zum Analysemodell
  • 6.1 Übersicht: Forschungsarbeiten zur semiotischen Analyse
  • 6.2 Entwicklung des Analysemodells
  • 6.2.1 Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund (Stufe I)
  • 6.2.2 Firmen-, marken- und werbegeschichtlicher Hintergrund (Stufe II)
  • 6.2.3 Die Printwerbung als Forschungsobjekt der Semiotik (Stufe III)
  • 6.2.4 Die Struktur des Analysemodells
  • 6.3 Synthese in der Analyse: Kultur, Raum und Zeit
  • 6.4 Visuelle Ebene, verbale Ebene und externe Faktoren
  • 6.4.1 Visuelle Elemente
  • 6.4.2 Verbale Elemente
  • 6.4.3 Zusammenspiel: Visuelle und verbale Elemente
  • III Analyse
  • 7 Untersuchungszeitraum und Aufbau des Materialkorpus
  • 7.1 Untersuchungszeitraum und Gliederung in Zeitabschnitte
  • 7.2 Sichtung und Auswahl der Printmedien
  • 7.3 Printmotive: Korpus und Auswahl zur Analyse
  • 7.4 Weitere Werbematerialien und Informationen über die Werbung
  • 8 Chronik der Audi-Werke und der Marke Audi bis 1965
  • 9 Semiotische Werbeanalyse
  • 9.1 Die Gründung der Audi Automobilwerke GmbH
  • 9.1.1 Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
  • 9.1.2 Firmen-, marken- und werbegeschichtlicher Hintergrund
  • 9.1.3 Vier-Cylinder-Audi-Wagen (1910)
  • 9.1.4 Audi Team-Preis (1913)
  • 9.1.5 Audi-Automobile und Rotkäppchen Sekt (1914)
  • 9.2 Der Erste Weltkrieg
  • 9.2.1 Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
  • 9.2.2 Firmen-, marken- und werbegeschichtlicher Hintergrund
  • 9.2.3 Frau und Offizier (1915)
  • 9.2.4 Pyramiden in Ägypten (1916)
  • 9.2.5 Das Eiserne Kreuz (1916)
  • 9.3 Luxus und Krise in den 1920er Jahren
  • 9.3.1 Die Nachkriegszeit und der Beginn der 1920er Jahre
  • 9.3.1.1 Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
  • 9.3.1.2 Firmen-, marken- und werbegeschichtlicher Hintergrund
  • 9.3.1.3 Frau und Chauffeur (1924)
  • 9.3.1.4 Chassis des Audi-Sechszylinders (1924)
  • 9.3.2 Die Situation der Audi-Werke bis 1932
  • 9.3.2.1 Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
  • 9.3.2.2 Firmen-, marken- und werbegeschichtlicher Hintergrund
  • 9.3.2.3 Audi-Wagen in der Großstadt (1926)
  • 9.3.2.4 Die Frau am Steuer (1929)
  • 9.4 Die Gründung der Auto Union
  • 9.4.1 Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
  • 9.4.2 Firmen-, marken- und werbegeschichtlicher Hintergrund
  • 9.4.3 Der neue Audi in den Bergen (1938)
  • 9.4.4 Audi-Wagen und Flugzeug (~1939)
  • 9.4.5 Urlaub im Süden (~1939)
  • 9.5 Der Neuanfang in der Nachkriegszeit
  • 10 Resümee
  • Literatur- und Quellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
  • Bildnachweis
  • Index

Danksagung

An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Bernhard Dotzler, für seine fachliche Unterstützung und Betreuung meiner Promotion. Ebenfalls gilt mein Dank Prof. Dr. Christian Wolff, der die Erstellung des Zweitgutachtens übernommen hat, für seine konstruktiven Kommentare und Vorschläge.

Weiterhin möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den Mitarbeitern der AUDI AG, Audi Tradition, für die freundliche Zusammenarbeit und den informationsreichen Austausch über die Unternehmens- und Markengeschichte zu bedanken. Während meiner Recherche konnte ich insbesondere von Gesprächen mit Lothar Franz und Thomas Erdmann profitieren. Mein außerordentlicher Dank gilt der AUDI AG, Auto Union GmbH, für die finanzielle Unterstützung bei der Realisierung dieses Buches.

Für die finanzielle Förderung während meines Forschungsprojekts bedanke ich mich ferner bei dem Bayerischen Hochschulzentrum für Mittel-, Ost- und Südosteuropa an der Universität Regensburg.

Außerdem möchte ich allen Personen meinen Dank aussprechen, die mich bei der Entstehung meiner Doktorarbeit begleitet und unterstützt haben. Namentlich möchte ich Martin König und Dr. Renata Sirota-Frohnauer sowie fürs Lektorat des Buches Josef Lommer und Christina Grundl erwähnen.

Schließlich gilt meine tiefe Verbundenheit einem der Mitbegründer der Technologischen Fakultät der Tomáš-Baťa-Universität in Zlín in der Tschechischen Republik, Ing. Vlastimil Olivka, der mir immer wieder Motivation für die Anfertigung meiner Arbeit gegeben und diese leider nicht mehr miterlebt hat.

Marta Potužníková

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Einführung und Ziel der Arbeit

Seit ihrer Entstehung hat die Werbung immer mehr an Bedeutung hinzugewonnen und ist heute nicht mehr aus dem täglichen Leben wegzudenken. In der vorliegenden Arbeit wird sie als Kulturgut verstanden, das als zeitgeschichtliches Phänomen die Erforschung der Kulturgeschichte ermöglicht und gleichzeitig als Kulturfaktor, der die Lebensstile, Ideologien und Trends vermittelt. Die Werbung wird hier nicht nur als kommerzielles Kommunikationsmittel aufgefasst, das auf attraktive Weise Angebote überbringen will; dies macht nur einen kleinen Teil der Werbung aus. Sie ist vielmehr ein Spiegel der Wirtschaft und der Gesellschaft, der das soziale Umfeld reflektiert und prägt.

Die lange Tradition der Marke Audi erlaubt es, den gesellschaftlichen Wandel durch die sich verändernden Werbemotive darzustellen. Im Rahmen dieser Untersuchung bietet sich außerdem die Erforschung der Unternehmens- und der Markengeschichte an, die sich anhand der unterschiedlichen Werbemotive im Laufe der Zeit zurückverfolgen lassen. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA) Dr. Erika Emmerich äußerte sich im Werk Faszination Auto. Autowerbung von der Kaiserzeit bis heute, das anlässlich der Ausstellung Faszination Auto im Deutschen Werbemuseum e. V. erschien, einmal wie folgt: „Wer sich die Exponate im Deutschen Werbemuseum anschaut, bekommt eindrucksvoll vor Augen geführt, wie sich gesellschaftliche Veränderungen in der Werbung einer Zeit niederschlagen. Die ausgestellten Anzeigen, Plakate und Filme zeigen deshalb nicht allein die Geschichte des Automobils, sondern spiegeln auf faszinierende Weise die Geschichte dieses Jahrhunderts wieder [sic!].“1 Der sächsische Automobilhersteller mit seiner wechselvollen Geschichte seit 1909 bietet einen interessanten Blick auf das Firmen- und Markenbild und ist daher ein anregendes Untersuchungsobjekt.

Die vorliegende Studie beschränkt sich auf Printmedien als Werbeträger, weil sie im Betrachtungszeitraum dominieren. Ziel ist es, die Printwerbung (Anzeige und Plakat) als ein zeitgeschichtliches Dokument durch die Anwendung der semiotischen Analyse zu untersuchen und dabei an die Fragen heranzutreten, warum bestimmte Werbemotive abgebildet werden und was sie aussagen. Dementsprechend ist die Arbeit vor allem mit semiotischen, kulturwissenschaftlichen und markenspezifischen Fragestellungen verbunden:

  Welche Motive, Zeichen, Symbole und Codes werden in der Werbung verwendet?

  Welche konkreten Hintergründe und Wertvorstellungen der deutschen Gesellschaft werden seit dem Erscheinen des ersten Werbemotivs des Unternehmens sichtbar?

  Wie arbeitet die Werbung mit den Werten und wie versucht sie zu ihrer Entwicklung beizutragen?

  Wie spiegelt die Werbung im Laufe der Zeit die Entwicklung der Gesellschaft und des Unternehmens wider? ← 11 | 12 →

  Wie zeigt sich der Imageaufbau der Marke in der Argumentation der Werbung?

  Welche Strategien und Techniken der Werbung werden verwendet?

  Wie ändert sich die Gestaltungsart der Werbemotive im Laufe der Zeit?

Die Arbeit will ferner die Entwicklung der Audi-Werbung und die laufende Veränderung ihrer Darstellungs- sowie weiterer Kommunikationsformen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausarbeiten. Das bedeutet: Es werden auch Prospekte und Kataloge sowie Ausstellungen und Motorsportveranstaltungen berücksichtigt, die jedoch im Detail nicht untersucht, sondern im Rahmen der Geschichte der Unternehmens- und Markenkommunikation im Analyseteil herangezogen werden.

Die Analyse ermöglicht darüber hinaus, sich mit dem mehr als 100 Jahre alten Gegenstand der Werbung, dem Automobil, und seiner gesellschaftlichen Bedeutung auseinanderzusetzen. Das Automobil als ein Symbol der Mobilität und des technischen Fortschritts ist seit seiner Erfindung zu einem wesentlichen Bestandteil im Leben der Menschen geworden. Zu Beginn dieser Ära war kaum daran zu denken, dass das Auto das gesellschaftliche Leben so stark beeinflussen würde. Es wird nicht nur darum gehen, wie die Werbemotive das Auto zeigen, d. h. wie die Werbung der Marke Audi die Fahrzeuge ihrer Zielgruppe präsentiert, sondern auch darum, wie sich das Automobil im Leben der Menschen allmählich etabliert und selbstverständlich wird. ← 12 | 13 →


1      Emmerich, E., in: Pelser, A. von, Scholze, R. (Hg.): Faszination Auto. Autowerbung von der Kaiserzeit bis heute, 1. Aufl., Frankfurt am Main, Berlin: Westermann-Kommunikation, 1994, S. 6.

Aufbau, Methodik und Forschungsstand

Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile: Einführung in die (Automobil-)Werbung, Methodik und Analyse. Der erste Teil wird in vier Kapitel untergliedert. Das erste Kapitel befasst sich mit einigen Grundlagen, die von einer allgemeinen Begriffsklärung, dem Kommunikationsmodell Werbung, über Strategien und Techniken von Werbung und Werbemitteln, bis hin zu Printmedien als Werbeträger sowie den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Betrachtung von Werbekommunikation mit Schwerpunkt Printanzeige und Plakat reichen. Grundlegend für die Arbeit ist das darauffolgende Kapitel über Werbung als Kulturgut und Kulturfaktor; der Fokus liegt dabei auf dem Thema Werbung und Werte. Das dritte Kapitel beinhaltet die Erkenntnisse auf den Forschungsgebieten Werbung und Marke, und der vierte und letzte Abschnitt im ersten Teil fokussiert sich auf die allgemeine historische Entwicklung der Automobilwerbung seit ihren Anfängen in Deutschland. Zur Darlegung dieser Grundlagen wird vornehmlich auf Fachliteratur vom Ende des 19. Jahrhunderts und aus dem jeweiligen Betrachtungszeitraum hingewiesen. Als Fachpublikationen über Werbung erschienen z. B. Werke von Rudolf Cronau (1887), Robert Exner (1892), Tony Kellen [1899], Richard Kropeit (1908), Victor Mataja (1910), Rudolf Seyffert (1914), Theodor König (1924), Edmund Lysinski (1924), Erwin Paneth (1926) und Theodor Geiger (1943). Auch die aktuelle Fachliteratur wird berücksichtigt, um die Erkenntnisse aus heutiger Zeit nicht zu vernachlässigen.

Im zweiten Teil, der sich mit der Methodik befasst, werden die Grundlagen der analytischen Vorgehensweise zusammengefasst; die Semiotik erweist sich als überzeugende Methode, um Werbemotive fachübergreifend zu behandeln und zu entschlüsseln (siehe auch Kapitel 5.3). Entsprechend der Fragestellung der Dissertation wird ein Analysemodell entwickelt, dem allgemein-, firmen-, marken- und werbegeschichtliches Hintergrundwissen zugrunde liegt. Hierzu gehören außerdem Ansätze der Werbewissenschaft verbunden mit text-, bild-, produkt- und zielgruppenbezogenen Faktoren, die unter dem semiotischen Gesichtspunkt behandelt werden.

Der dritte Teil dieser Arbeit, die Analyse, befasst sich zunächst mit dem Untersuchungszeitraum und seiner Gliederung in Zeitabschnitte sowie dem Aufbau des Materialkorpus (d. h. Informationen über die Materialsammlung). Im darauf folgenden Kapitel geht es um die chronologische Zusammenfassung der wichtigsten Stationen, von der Gründung der Audi Automobilwerke GmbH bis zur Wiedergeburt der Marke Audi im Jahr 1965. Anschließend wird das beschriebene Analysemodell angewandt. Diskutiert werden dabei die Gedankenwelt der Menschen nach der Erfindung des Automobils und deren veränderte Einstellungen durch den soziologischen, ökonomischen und kulturellen Wandel. Parallel dazu werden die Firmen- und Markengeschichte sowie die Werbekommunikation erforscht. Diese Betrachtungsprozesse sollen als Hintergrundwissen für die daran anschließende Analyse der repräsentativen Werbebeispiele aus der Printwerbung dienen.2 Sowohl die wechselvolle Firmen- und Markengeschichte als auch die unter ← 13 | 14 → schiedlichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ereignisse, die die modernen Industrienationen prägten, können sich in Werbemotiven äußern und tun dies auch. An den Analyseteil, der zahlreiche Abbildungen von historischen Werbemitteln beinhaltet, schließen sich die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung im Resümee an.

Auf den Bereich der Automobilwerbung spezialisierten sich beispielsweise Gabriele Bechstein (1987), Gerhard J. Schmidt (1989), Kristina Vaillant (1995), Andreas Steinert (2003) und Manuela Brenn (2008). Bildbände mit anschaulichen Beispielen aus der Geschichte der Automobilwerbung erschienen von Michael Kriegeskorke (1994), Annette von Pelser/Rainer Scholze (1994) und Udo Anderson (1984). Den Wertewandel aus soziologischer Perspektive untersuchte Joachim Roth (1996) und die Automobilwerbung aus interkultureller Perspektive berücksichtigen Mirko Minucci (2008) und Bettina Temath (2011). Es gibt eine Reihe von Forschungsarbeiten, die allgemein die Printwerbung mittels semiotischer Untersuchung behandeln; bei vielen Arbeiten dominiert jedoch der sprachwissenschaftliche Schwerpunkt. Manche von diesen Arbeiten beschäftigen sich mit Wechselwirkungen der Bild-Text-Relation bzw. mit Werbestrategien, die die Analyse hervorbringt. Es gibt eher einen Mangel an Werbeforschung, bei der die soziokulturellen Determinanten Beachtung finden bzw. nicht nur am Rande berücksichtigt werden. Gerade die vorliegende Arbeit soll hier einen Beitrag dazu leisten, mit der Betrachtung des gesellschaftlichen Hintergrunds die Werbung als Kulturgut und Kulturfaktor zu verstehen und analysieren zu können. Darüber hinaus soll auch durch Einbindung der konkreten Unternehmens- und Markengeschichte in einen längeren Zeitraum gezeigt werden, dass die Werbung als Dokument nicht nur des Kultur- sondern auch des Unternehmens- und Markenwandels betrachtet werden kann. Diese kommen auf eine gewisse Art und Weise in den Werbemotiven zum Ausdruck. An dieser Stelle muss weiterhin angemerkt werden, dass die historische Entwicklung der Unternehmenskommunikation dahingehend, also im Spiegel der Werbung, noch nicht behandelt und bisher noch keine derartige Forschungsarbeit zur Werbegeschichte der Marke Audi veröffentlicht wurde. Es haben bisher bei weitem nicht alle Automobilhersteller die Geschichte ihrer Werbung erschlossen und zu diesem Thema publiziert (Ausnahmen sind z. B. Mercedes-Benz3, Škoda4 und Volkswagen5). Diese Arbeit soll daher mit ihrer chronologischen Untersuchung der Audi-Werbung eine Lücke schließen. ← 14 | 15 →


2      An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die Werbeanalyse von der Interpretation der Verfasserin abhängt. Auf einen subjektiven Anteil kann daher nicht verzichtet werden. Sicherlich kann es für die Themen der Werbemotive unterschiedliche Codes (zum Begriff Code vgl. Kapitel 5.2.4) geben bzw. damalige Rezipienten konnten die Werbemotive nicht vom Standpunkt des heutigen Forschers interpretieren. Der subjektive Anteil soll durch die weiter oben erwähnten Erkenntnisse aus der Kultur- und Unternehmensgeschichte verringert werden. Sie werden in die Analyse miteinbezogen und sollen für den interpretativen Rahmen als Belege dienen.

3      Mühr, V.: Markenkommunikation Mercedes-Benz Pkw von den Anfängen bis zur Gegenwart, Daimler AG (Hg.), 1. Aufl., Königswinter: HEEL Verlag GmbH, 2011.

4      Králík, J., Nachtmann, L.: 100 Jahre Škoda-Werbung von L&K bis zur Gegenwart. Druckwerbung des Automobilwerks L&K – Škoda, herausgegeben für Škoda Auto, MotoPublic, 2006.

5      Stern-Redaktion (Hg.): 50 Jahre Volkswagen Werbung. STERN spezial, Hamburg/Berlin: Gruner + Jahr, 2002; Schlegelmilch, J.: VW – er läuft und läuft und läuft … vier Jahrzehnte VW-Werbung, Königswinter: HEEL Verlag GmbH, 2006.

I

Einführung in die (Automobil-)Werbung

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1  Grundsätzliches zum Begriff der Werbung

1.1  Bedeutung der Werbung

Als Form der Massenkommunikation wird Werbung1 strategisch geplant, um das Publikum in ihrer ganzen Vielfalt zu beeindrucken und ständig von etwas zu überzeugen. Sie verfügt durch den Einsatz visueller, sprachlicher, akustischer, taktiler und olfaktorischer Elemente über ein großes Wirkungspotenzial.2 Als allgemeines, kommunikatives, soziologisches, psychologisches und ökonomisches Phänomen3 erhält sie die Eigenschaft eines „nicht mehr wegzudenkende[n] Bestandteil[s] unserer Alltagskultur“4, der ein Spiegelbild der menschlichen Kultur darstellt. Die Stile der Werbung sind „Gestaltungsstile eines bestimmten Stadiums“ sowohl künstlerischer, kultureller und gesellschaftlicher als auch politischer und technologischer Evolution.5

In den 1920er Jahren definiert der Wirtschaftspsychologe Edmund Lysinski die geschäftliche Werbung als „alles planmäßige Bemühen um Erhaltung und Gewinnung von Kunden“6. Sie ist ein Teil der wirtschaftlichen Werbung, der „Werbung im Dienste irgend welcher volkswirtschaftlicher Ziele“7. Dieser Begriffsbestimmung der geschäftlichen Werbung steht aus heutiger Sicht die Definition der Werbung als Marketinginstrument8 nahe. So definiert sie Philip Kotler als „alle bezahlten Formen nicht persönlicher ← 17 | 18 → Präsentation und Förderung von Ideen, Gütern oder Dienstleistungen in Massenmedien wie Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen oder Hörfunk […]“9. Lysinski zufolge werden Werbung und geschäftliche Werbung zumeist gleichgesetzt; dies sei jedoch eine sehr engherzige Auffassung, denn „die geschäftliche Werbung ist nur ein ganz beschränktes Teilgebiet der Werbung überhaupt. [Ihr] […] stehen zahlreiche andere Gebiete der Werbung von gleichem Umfang und gleicher Wichtigkeit zur Seite.“10

Die Werbung ist älter als die Menschheit selbst; sie ist ein Phänomen in der Pflanzenwelt wie im Tierreich. Die Biologen sprechen von „plakatfarbigen“ Riff-Fischen oder von „Werbegesängen“ von Vögeln. Sie ist eine Naturerscheinung, eine Art der Partner- bzw. Eigenwerbung, die dazu dient, Aufmerksamkeit zu erregen.11 Neben der geschäftlichen Funktion kommt also ihre soziale Bedeutung zur Geltung. Auf eine andere Art und Weise betont diese Bedeutung 1914 Othmar Spann, der über die große Vielfalt des Gesellschaftslebens in einzelnen Lebensbereichen (Religion, Bildung, Kunst) und über unterschiedliche Aspekte wie Bildungsstand, Charakter und Erziehung der Menschen schreibt. Das Wesen der Werbung sieht er darin, als ein positives Mittel für eine Angleichung dieser Zersplitterung zu sorgen. Sie soll die Menschen in einen Bezug zueinander bringen.12 Zum einen kann sie im Verhältnis zwischen zwei Individuen eine Rolle spielen, zum anderen kommt sie „um so mehr in Massengruppierungen [zum Einsatz] […], je mehr die Massen organisiert sind. […] Die Parteien und Gruppen leisten […] auch mit ihrer Werbung, indem sie dabei […] bis auf Fragen der Weltanschauung zurückgehen, eine nicht geringe Aufklärungs- und Bildungsarbeit im Volke.“13 Die erzieherische Einflussnahme der Werbung besteht weiterhin darin, dass diese „nachdrückliche und unermüdliche [Werbe-]Sprache […] die Kenntnis von Neuerungen und Fortschritten [verbreitet] [und] […] der Masse höherwertige, feinere Bedürfnisse [angewöhnt] […]“14. Wenn die Werbung dabei gute ← 18 | 19 → Argumente bringt, kann sie positive Inhalte (Freundschaft, Toleranz), gesunde Produkte, eine Kultur der Nächstenliebe, eine Kultur des Friedens oder einen guten Zweck (Spendenaufruf) fördern.15 Sie ist also ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Ihre kulturelle Bedeutung betont Lysinski folgendermaßen:

Die Werbung ist nicht nur eine Einheitsfunktion, ohne welche die menschliche Gesellschaft als Ganzes überhaupt unmöglich wäre; sie ist nicht nur die unerläßliche Voraussetzung der Möglichkeit der Gesellschaft überhaupt; sie ist auch zugleich eines der wichtigsten Mittel alles Kulturfortschrittes. Alle die Menschheit, die Völker, Nationen und Massen beherrschenden großen Ideen sind nur durch unermüdliche Werbung aus kleinen Anfängen zu ihrer weltumspannenden Bedeutung gekommen.16

Neben den angeführten Einwirkungen auf das menschliche Leben darf nicht übersehen werden, dass die Werbung einen Einfluss auf das Geistesleben ausübt. „Die Aufgabe, auffallend zu wirken, eine Darstellung zu schaffen, die sich dem Gedächtnis einprägt, den Beschauer fesselt und die gewünschten Empfindungen auslöst, diese Aufgabe ist fähig auf künstlerischem Wege gelöst zu werden […].“17 Nicht nur, dass die Werbung einen Einfluss auf das Geistesleben eines Künstlers oder Grafikers ausübt, sie profitiert von der Kunst und ihrer ästhetischen Funktion, um eigene strategische Ziele zu verfolgen.

In der Fachliteratur gibt es jedoch auch kritische Ansätze bezüglich der Werbung: Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichnet Gustav Schmoller das ganze Reklamewesen als unlautere Kunst, die das Publikum belügt. Sie sei mehr auf Täuschung und Dummheit als auf wahre Belehrung eingestellt und wirke eher durch Lüge als durch Wahrheit.18 In den 1920er Jahren schreibt Hermann Behrmann von der Unbeliebtheit derjenigen, die die Werbung machen, weil sie – überspitzt formuliert – Unkosten verkaufen und Geld gewinnen wollen.19 Ende der 1950er Jahre kritisiert der US-Amerikaner Vance Packard in seinem Buch Die geheimen Verführer die Überredung der Konsumenten durch Werbung, indem er über den tiefenpsychologischen Weg schreibt, das Konsumentenverhalten zu beeinflussen, und das Thema „unterschwellige Werbung“ ans Licht bringt. Für ihre „Unterschwelligkeit“ wird sie auch von dem italienischen Fotografen Oliviero Toscani scharf kritisiert, der die Werbung als „ein parfümiertes Stück Aas“20 bezeichnet.

Das Verständnis der Werbung entwickelte sich auch in einem anderen Sinne weiter. Sie stellt nicht mehr nur eine Kulisse dar, die dem Publikum auf Plakaten, in Anzeigen, im Radio oder in Filmen begegnet, ← 19 | 20 → sondern wird selbst zu einem Kultobjekt, dem große Aufmerksamkeit zuteil wird. Historische Werbearchive werden gegründet, Werbemuseen entstehen oder zumindest Ausstellungen zum Thema Werbung veranstaltet. Jährlich werden unter anderem das Cannes Lions International Festival of Creativity sowie die große internationale Werbemesse Polygraf in Prag veranstaltet. Legendäre Markenprodukte haben ihre Namen durch die Werbung im kulturellen Gedächtnis verewigt, Kneipen werden mit Blechreklameschildern dekoriert und der Londoner Piccadilly Circus ist durch große Neon-Reklametafeln bekannt geworden.21

1.2  Wirkungsbereiche der Werbung

Die Tragweite der Werbung und ihre Anwendungsmöglichkeiten sind vielseitig. In der Fachliteratur wird Werbung aufgrund ihrer Erscheinungsformen verschieden kategorisiert.22 Abb. 1 soll nun einen Überblick über Wirkungsbereiche der Werbung geben. Die folgende Unterteilung richtet sich nach Werbeobjekten bzw. dem Werbezweck.

img

Abb. 1: Wirkungsbereiche der Werbung

Quelle: Verfasserin ← 20 | 21 →

In manchen Fachbüchern taucht in Schemadarstellungen immer wieder der Terminus PR (Public Relations) auf.23 Im Allgemeinen ist PR ein publizistisches Komplement, das bis zu einem gewissen Grad in allen Gebieten öffentlicher Kommunikation zu beachten ist.24 Es gibt unterschiedliche Meinungen über PR und so wie Franz Ronneberger und Manfred Rühl anführen, die sich mit der Theorie der PR ausführlich auseinandersetzten, gibt es eine Fülle an PR-Definitionen. PR hat inzwischen einen selbstständigen Charakter angenommen und ist mehr als nur ein Begriff des Marketingmix25 oder ein Teil der Werbung. Heutzutage ist „Öffentlichkeitsarbeit […] auch ein Instrument zur Bereinigung und Vorbeugung gesellschaftlich-wirtschaftlicher Konflikte im Übergang von der Industrie- zur Kommunikationsgesellschaft auf dem Wege zum ‚Weltdorf‘ (Marshall McLuhan)“26. Klaus Brüne zufolge ist PR

Details

Seiten
358
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653058529
ISBN (ePUB)
9783653963526
ISBN (MOBI)
9783653963519
ISBN (Hardcover)
9783631665251
DOI
10.3726/978-3-653-05852-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Januar)
Schlagworte
Printmedien Semiotik Markengeschichte Kulturgut
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 358 S., 156 farb. Abb.

Biographische Angaben

Marta Potuzniková (Autor:in)

Marta Potužníková studierte Medien-, Kommunikations- und Kulturwissenschaft in Zlín, Paderborn sowie in Regensburg, wo sie auch promovierte. Der Fokus ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit liegt auf Medien- und Werbeforschung.

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Titel: Audi-Werbung 1909–1965
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