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Goethes Römisches Haus

Ein Freimaurertempel. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage

von Almut Constanze Nickel (Autor:in)
©2020 Monographie 138 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie befaßt sich mit Goethes Werk und Wirken in Weimar und fragt nach der Relevanz, die der Freimaurerei für eine Deutung der darin enthaltenen Lebensspuren zukommt. Wie umfassend Goethe bestrebt war, seine Lebenswelt mit einem dichten System von Symbolen und Zeichen zu besetzen, wird zunächst an der Baugeschichte des Römischen Hauses gezeigt. Die Entschlüsselung der durch sie gegebenen Hinweise kommt ohne den Rekurs auf Goethes maurerische Interessen nicht aus. Dies zu erkennen, verlangte einen interdisziplinären Ansatz, mit dem die Studie bisher übliche Fragestellungen überschreitet. Ein aufschlußreiches Moment bildet in diesem Zusammenhang der Lebensbund Goethes mit Carl August von Sachsen-Weimar. Beide Freimaurer schöpften aus ihm eine Fülle von privaten Verweisungen und persönlichen Bezugnahmen, mit denen sie den obligaten Kanon der maurerischen Symbolsprache ergänzten. Auf den Niederschlag, den die im Römischen Haus und im lebensgeschichtlichen Umfeld Goethes manifest gewordene Sinngebung in Goethes Dichtung gefunden hat, geht die Studie nach einer Deutung des «Märchens» im letzten Teil erweiternd ein.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • 1. Methodologische Vorbemerkung
  • 2. Das Römische Haus – Realisation eines masonischen Bauprogramms
  • Zur Entstehung
  • Portikus und Tympanon: Der Nemesis- und der Genius-Fries
  • Das Vestibül
  • Das Blaue Zimmer
  • Das Gelbe Zimmer
  • Besonderheiten im Interieur
  • Das Untergeschoß
  • Der Östliche Durchgang
  • 3. Das symbolisch-ästhetische Umfeld des Römischen Hauses
  • Agathe Tyche
  • Die Sphinxgrotte, der Schlangenstein und die Drei Säulen
  • Das Tempelherrenhaus: Pentagramm und Symbole des Demeter-Kultes
  • Der Demeter-Stoff in Goethes und Schillers Dichtung
  • Die Herzogliche Bibliothek und der Bibliotheksturm
  • Exkurs: Zeremonien um Schillers Schädel
  • Die Fürstengruft
  • Exkurs: Goethes Freimaurer-Bestattung
  • 4. Masonische Motive in Goethes Dichtung
  • Logengedichte. „Die Geheimnisse“ und der Versuch eines Librettos für „Der Zauberflöthe zweyter Theil“. „Wilhelm Meister“: Die Turmgesellschaft
  • Exkurs: Freimaurerporträts
  • Goethes „Märchen“ als maurerischer Schlüsseltext
  • Zum Schlangenmotiv
  • Einflüsse aus der Offenbarung des Johannes
  • Zum Figuren- und Motivrepertoire: Der Fährmann
  • Von Artischocken
  • Der Alte mit der Lampe
  • Die Lilie und der Jüngling
  • Der Tempel der Humanität und die Neue Brücke.
  • Schluß
  • Literaturverzeichnis
  • Verzeichnis der Abbildungen
  • Personen- und Sachregister
  • Reihenübersicht

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1. Methodologische Vorbemerkung

Die vorliegende Studie befaßt sich mit Goethes Werk und Wirken in Weimar und fragt nach der Relevanz, die der Freimaurerei für eine Deutung der darin enthaltenen Lebensspuren zukommt. Ausgangspunkt für die daran anschließenden Beobachtungen war zunächst eine Besichtigung des Römischen Hauses im Park an der Ilm sowie die Konsultation der Forschungen zur Entstehung des Baues und seiner künstlerischen Ausgestaltung. Bei der Sichtung des Bildmaterials verfestigte sich zunehmend der Eindruck, daß der Entwurf dieses besonderen Gebäudes und seine Innengestaltung keinesfalls nur rein dekorativ zu verstehen seien. Im Fortgang des Untersuchungsprozesses sollte sich vielmehr zeigen, daß die Ausstattung als ein dichtes System symbolischer Motive und Zeichen sich verstehen läßt, in dem Goethes Privatsinngebung mit dem masonischen Bezugsrahmen eine enge Verbindung eingeht. Daran anschließend war die Verbindung zur Dichtung zu suchen, deren Anknüpfungspunkte vielfältiger als gemeinhin angenommen in Goethes Werk sich finden. Dies erforderte einen weiten Ausgriff auf Biographie und Werk, beginnend im ersten Jahrzehnt nach Goethes Ankunft in Weimar (1776–1786) und einen Rekurs auf frühere Lebensabschnitte (Frankfurt) bis zur Italienreise. Die Reise selbst (1786–1788), sowie die Zeit nach der Rückkehr bis zu Goethes letzten Lebensjahren bleiben für Goethes maurerische Lebenswelt prägend.

Anders als in bisherigen Veröffentlichungen zum Geheimbundwesen in Weimar und Goethes Beitrag dazu – in neueren Arbeiten durchaus kontrovers diskutiert – wird hier die Auffassung vertreten, daß die ästhetische Auseinandersetzung Goethes mit der Freimaurerei um vieles umfassender ist als bislang angenommen. Dennoch hat das Thema in der Goethe-Rezeption bisher keine seiner Bedeutung entsprechende Beachtung erfahren. Dabei hat eine Reihe von älterer, vornehmlich masonischer Literatur wiederholt auf einschlägige Themen in Goethes Werk verwiesen, auf ihren Niederschlag im Wilhelm Meister, im Märchen als Schluß der Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, in der Lyrik. Zu erweitern ist dies auch auf Goethes Bautätigkeit, die mit Eingriffen in die Parkgestaltung nach seiner Berufung nach Weimar begannen. Die daran anknüpfende Frage, warum all dieses in der Goetheforschung und der Erforschung Weimars zur Regierungszeit Carl Augusts bislang nicht bekannt geworden, hängt sicher auch mit der geforderten Interdisziplinarität zusammen. Bedeutsamer aber erscheint, daß Goethes und Carl Augusts Hinweise auf ihre Maurerei neben erkennbar kanonischen Freimaurersymbolen eine Anzahl privater ← 9 | 10 → Elemente enthalten, die Zeugnis eines besonderen Freundschaftsbundes und Beweis eines lebenslangen, beiderseitigen Festhaltens daran sind. Dies ist der hier zu verfolgende Faden, woraus sich eine geradezu verblüffende Stetigkeit in Goethes Lebenspraxis in immer weiteren Schaffensschichten nachweisen läßt. Der Schlüssel für das Verständnis liegt dabei im Symbolverständnis selbst. Denn wie sich Goethes Dichtung ohne Eindringen in ihre Symbolik im Kleinen wie im Großen verschließt, bleibt auch jede andere seiner künstlerischen Äußerungen ohne dies unverstanden.

Das Römische Haus, erbaut von 1791 bis 1797 und künstlerisch vollendet 1798, ist seit frühen Reiseberichten aus Weimar Gegenstand von bau- und kunstgeschichtlichen Betrachtungen. Sowohl das Gebäude mit seiner künstlerischen Ausgestaltung, als auch die Interieurs und die Einbettung in den Landschaftsgarten werden thematisiert. (Abb. 1) Seit den 1950er Jahren haben verschiedene Publikationen den tempelartigen Prostylos behandelt, hervorhebenswert etwa die Broschüre der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten Weimar von 19671 und das entsprechende Kapitel in der grundlegenden Arbeit Der Klassizismus in der Baugeschichte Weimars (1975).2 Schon hier resümierten die Autoren A. Jericke und D. Dolgner, daß die Stellung des Römischen Hauses für die deutsche Architekturgeschichte weiter ins Bewußtsein gerückt zu werden verdiene, eine Würdigung von Goethes Wirken eingeschlossen.3 Die Einbindung des Hauses in das Weltkulturerbe der Unesco (1998) und die Sanierung des Gebäudes 1997–1999 haben eine Aktualisierung und Bündelung des Forschungsstandes bewirkt, so daß die 2003 von A. Beyer herausgegebene Dokumentation zur Entstehung des Römischen Hauses, seinem baulichen Erstzustand, späteren Veränderungen und der Sanierungsgeschichte die Forschungslücken geschlossen zu haben schien. Unter den genannten Gesichtspunkten ist vieles an Material zusammengetragen und sind historische Referenzen benannt worden, doch haben Autoren in diesem Zusammenhang auch auf Verständnis-Defizite hingewiesen. So spricht etwa H. Ziegler von den bislang nicht freigelegten „verschiedenen Sinnschichten“ des Römischen Hauses und bietet im Zusammenhang mit der Darstellung im Tympanon eine auf die Figur der Nemesis fokussierte Neuinterpretation an, deren Ausgangspunkt eine Vorzeichnung für die erste Giebelgestaltung von Johann ← 10 | 11 → Heinrich Meyer bildet.4 I. Boettcher bezeichnet in ihrem Beitrag zur künstlerischen Ausgestaltung die Darstellungen im unteren, Östlichen Durchgang als „Bilderrätsel“5, ohne darauf weiter zurückzukommen.

Mit den anklingenden Zweifeln an der bisherigen Deutung und neuen Fragestellungen wird ein grundsätzliches Problem im wissenschaftlichen Umgang mit dem Bauwerk deutlich. Zwar haben die Interpreten das Römische Haus stets zu Goethes Italienreise in bezug gesetzt, es wurde aber nicht als Bestandteil seines Werks im engeren Sinne verstanden, sondern als eine Auftragsarbeit für den Fürsten. So wurde das Haus zwar aus kunst-, bau- und gartengeschichtlicher Perspektive eingehend betrachtet, doch eben innerhalb von Fachstudien, die den philologischen Bezug und die Interdisziplinarität meist vermissen lassen. Trotz der Ausgangslage, daß es sich um einen Auftrag Carl Augusts und ein Objekt handelt, das von fremder Hand ausgeführt wurde, verwundert es dennoch, daß ein weiterer Blick der Goetheforschung auf das Römische Haus zu fehlen scheint. Und dies, obwohl es Goethes einziges Vorhaben für einen Neubau war, der nicht von baulichen Gegebenheiten abhängig war, wie das Haus am Frauenplan oder das Gartenhaus.

An diesem Punkt wäre die Frage zu stellen, welche Ideen über das Haus zwischen Goethe und Carl August in der Anfangsphase ausgetauscht worden waren und auf die sich manche Briefpassage Goethes an den Herzog bezieht. Dabei liegt die Folgerung nahe, daß die Zusage des Fürsten für Goethes Planungshoheit und Bauaufsicht entscheidender Impuls für eine Ausweitung der Bemühungen Goethes war. Dafür, daß Goethe dem Bauwerk noch einen weiteren Sinn einschreiben wollte, spricht die jahrelange Arbeit an dem komplexen Bildprogramm. Eine rein dekorative Ausgestaltung hätte kaum so viele Überlegungen Goethes erfordert, auch nicht die intensive Beschäftigung Meyers, der für Vorarbeiten sogar nach Italien reiste. Vor diesem Hintergrund ohne weitere Erklärung für das Ausstattungsprogramm auszukommen, wäre als zu geringer Ertrag im Verhältnis zu der eingehenden Auseinandersetzung des Dichters mit dem „Ding“ (Carl August) zu bewerten, und auch, wenn Goethe allein ein „architektonisches ← 11 | 12 → Lehrgebäude“6 habe schaffen wollen. Noch lange nach Beendigung der Bauarbeiten hat Goethe sich mit Gestaltungsdetails am Römischen Haus beschäftigt.

Unter diesen Voraussetzungen nimmt die folgende Studie Bezüge zwischen Bauwerk, Bild und Text in den Blick, um zu einem umfassenderen Verständnis dieses besonderen Gebäudes und seiner darin aufgehobenen Bedeutung zu gelangen. Hierbei sollen sowohl das Äußere, als auch die Innengestaltung der Betrachtung unterzogen werden, um in einem nächsten Schritt das symbolisch-ästhetische Umfeld des Römischen Hauses zu ermitteln. Ein weiteres Kapitel untersucht Referenzen in der Dichtung Goethes auf Basis der gewonnen Erkenntnisse. Angesichts der Materialfülle war es nötig im Verfolg des Themas und im Sinne der angestrebten Stringenz sich ergebende Seitenverweise, sei es literatur- oder kunstgeschichtlich, zurückzustellen, und auf Kompilationen des bau- und kunstgeschichtlichen Wissensstandes, wo inhaltlich nicht erforderlich, zu verzichten.


1 Alfred Jericke: Das Römische Haus. Hrsg. v. d. Nationalen Gedenk- und Forschungsstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar. Berlin u. Weimar 1967.

2 Alfred Jericke u. Dieter Dolgner: Der Klassizismus in der Baugeschichte Weimars, Weimar 1975, S. 137–162.

Details

Seiten
138
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631832325
ISBN (ePUB)
9783631832332
ISBN (MOBI)
9783631832349
ISBN (Hardcover)
9783631832103
DOI
10.3726/b17425
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juni)
Schlagworte
Weimar Freimaurerei Baugeschichte Goethes Märchen Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach Symbolik Friedrich von Schiller
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, 2020. 138 S., 26 s/w Abb.

Biographische Angaben

Almut Constanze Nickel (Autor:in)

Almut Constanze Nickel studierte Deutsche Philologie, Komparatistik und Geschichte an den Universitäten Marburg und Kassel. Sie promovierte mit einer Studie über das literarische Nachtstück. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen: Literatur der Goethe-Zeit und der (Schwarzen) Romantik, Stoff- und Motivforschung, Literatur und andere Künste.

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Titel: Goethes Römisches Haus
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