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Diesseits des Don Juan-Mythos

Zwischen Immunisierungsdynamiken und Affirmation des Lebens

von Giulia Ghionzoli (Autor:in)
©2019 Dissertation 196 Seiten

Zusammenfassung

Die Untersuchung der Dynamiken, die den Mythos Don Juans begründen und über die üblichen Befunde zur Dialektik von Verführung und göttlicher bzw. gesellschaftlicher Bestrafung hinausgehen, steht im Mittelpunkt dieses Buches. Ausgehend von der Analyse der Funktionen und Performativität der mythischen Formen offenbart sich am Beispiel von Molières Le festin de Pierre (Dom Juan) (1683) und da Pontes Don Giovanni (1787) der Konflikt zwischen Mechanismen von Regulierung und De-Regulierung, welche einander bedingen: Die Kraft des Lebendigen tritt mit Don Juan gegen die (Lebens-)Formen an und provoziert sie. Regulierungs- bzw. Deregulierungsprozesse kreisen um die Gefährlichkeit des Lebens, die durch den Mythos funktionalisiert und zum Stillstand gebracht wird.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 2. Mythos und Wissen
  • 2.1 Der Mythos als Erzählform
  • 2.2 Materialisierungen und Paradoxie
  • 2.2.1 Die zwei Dimensionen der Materialisierung: Diskurse (Reduktionen) und Resistenzen
  • 2.2.2 Paradoxie
  • 2.2.3 Poetologie des Wissens
  • 2.3 Der Einsatz des Körpers in der Politik über das Leben
  • 3. Wissen und Wahrheit: Genealogie und Anarchäologie als Methode
  • 4. Materialisierung und Ästhetik
  • 4.1 Der Text als Inszenierung
  • 4.1.1 Materialität des Textes
  • 4.1.2 Materialität der Sprache
  • 4.2 Forme-di-vita
  • 5. Der Mythos als Immunisierungsprozess
  • 6. Molières Dom Juan: Eine Poetologie des Wissens im 17. Jahrhundert
  • 6.1 Die Krise der Repräsentation und die Notwendigkeit der Immunisierung
  • 6.2 Die Immunisierungsformen der Staatsräson
  • 6.2.1 Souveränität als Immunisierungsparadigma: Der Leviathan
  • 6.2.2   Die Ökonomien des Wissens
  • 6.3 Molières Dom Juan als Immunisierungsprozess
  • 6.3.1 Die Sprache als Immunisierungsdispositiv und das Machtdispositiv der Beichte
  • 6.3.2 Das Verhältnis zwischen Schuld, Leben und Tod: Der Sündenbock
  • 7. Eine Re-Lektüre der Erzählung des Don Giovanni von da Ponte: Die ersten Spuren einer neuen Subjektivität im Zeitalter der Aufklärung
  • 7.1 Das Dispositiv des appetito im Rahmen der Vorführung/Verführung
  • 7.1.1 Freundschaft als Kompensationsdynamik
  • 7.1.2 Das Binom Leben und Tod: die Spuren einer neuen Immunisierung
  • 7.2 Prekäres Leben und Notwendigkeit der compensatio
  • 7.2.1 contrat social als Immunisierungsparadigma
  • 7.2.2 Glückseligkeit als Kompensationsdynamik während des aufgeklärten Absolutismus der theresianisch-josephinischen Epoche
  • 7.2.3 Das Sexualitätsdispositiv als Immunisierungsdynamik
  • 7.2.4 Die Relation zum Materiellen: einige Überlegungen über Moral und Religion
  • 7.2.5 Glaubwürdigkeitscode: zwischen Leben und Theater
  • 8. Schlusswort
  • 9. Bibliographie
  • 9.1   Literarische Quellen
  • 9.2   Elektronische Quellen
  • 9.3   Unveröffentlichte Quellen

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1. Einleitung

Die Geschichte des Don Juan ist die Inkarnation eines Mythos, der im 17. Jahrhundert dank Tirso de Molina ‚in die Welt gesetzt‘1 und der ab diesem Zeitpunkt auf Bühnen verschiedener Länder gezeigt wurde. Die Behandlung des Mythos im Rahmen der Motivforschung verfehlt indes das Potential des Don-Juan-Stoffes. Betrachtet man die Don Juan-Werke als Darstellungen eines Mythos, so erkennt man darin die Bearbeitung von Grundkonflikten der menschlichen Existenz (wie Leben und Tod). Diesen gibt der Mythos als „wahrsagende“ Erzählung nicht hinterfragbare Antworten. Wenn man aber auf die Materialität des Mythos eingeht, wird erkennbar, dass es sich auch um die Darstellung eines Spiels handelt, das die irdischen sowie die überirdischen bzw. metaphysischen Dispositive reguliert und dabei die Frage der Moral einschließt.

Ein Auszug aus El burlador de Sevilla y convidado de piedra (1630) von Tirso de Molina, dessen erste Don Juan-Fassung als Vorlage für die folgenden Werke gilt, soll an dieser Stelle dazu dienen, diese Annahme zu verdeutlichen und zugleich das in allen Fassungen der Neuzeit wiederkehrende Muster einzuführen. Es handelt sich um den ersten Akt, in dem Don Juan seinem Onkel erzählt, er habe die Herzogin Isabella verführt.

DON JUAN:

[…] yo engañé y gocé a Isabela,

la duquesa.

[…]

Fingí ser el duque Octavio.

DON PEDRO:

[…]

Di, vil: ¿no bastó emprender

con ira y con fuerza extraña,

tan gran traición en Espagña

con otra noble mujer,

sino en Nápoles, también

y en el Palacio real,

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con mujer tan principal?

¡Castíguete el Cielo, amén!2

Für seine Vefehlungen gegenüber dem Himmel muss Don Juan letztlich mit seinem Leben bezahlen. So erscheint am Ende die Statue des Komturs, den Don Juan getötet hatte. Sie nimmt seine Hand und setzt den Verführer in Brand:

DON GONZALO:

        Dame esa mano;

no temas la mano darme.

DON JUAN:

[…]

¡Que me abraso! No me abrases

con tu fuego.

DON GONZALO:

[…]

Las maravillas de Dios

son, don Juan, investigables,

y así quiere que tus culpas

Details

Seiten
196
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631791035
ISBN (ePUB)
9783631791042
ISBN (MOBI)
9783631791059
ISBN (Hardcover)
9783631714751
DOI
10.3726/b15668
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Mai)
Schlagworte
Materialisierungen Produktionsmechanismen Wahrheitsspiele Immunisierungsprozesse Regulierung Deregulierung Lebensformen
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 195 S.

Biographische Angaben

Giulia Ghionzoli (Autor:in)

Giulia Ghionzoli studierte Germanistik, Anglistik und Romanistik an der Fakultät „Lingue e Letterature Straniere" der Universität Pisa und an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie war als Lehrbeauftragte an den Instituten für Germanistik und Romanistik der Universität Chongqing (China) und später in Düsseldorf tätig, wo auch ihre Promotion als Stipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs Materialität und Produktion erfolgte.

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