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Turns und kein Ende?

Aktuelle Tendenzen in Germanistik und Komparatistik

von Elke Sturm-Trigonakis (Band-Herausgeber:in) Olga Laskaridou (Band-Herausgeber:in) Evi Petropoulou (Band-Herausgeber:in) Katerina Karakassi (Band-Herausgeber:in)
©2017 Konferenzband 406 Seiten
Reihe: Hellenogermanica, Band 5

Zusammenfassung

Der Band setzt sich kritisch mit «Cultural Turns» allgemein auseinander und lotet deren Anwendungsmöglichkeiten vom «post-imperial», über den «ecocritical» bis hin zum «economical turn» aus. Dabei zeigt sich das innovative Potenzial der Turns, aber auch die Notwendigkeit, sie epistemisch in den Einzeldisziplinen zu verankern. Die Symbiose der «Cultural Turns» mit Literaturwissenschaft und Komparatistik scheint etabliert zu sein. Transdisziplinarität und Kombinationen wie «Postkoloniale Germanistik» sind selbstverständlich, und die Komparatistik untersucht Diachronie und Synchronie von jeglichen Wissenssystemen. Die Beiträger nehmen sich den Umstand, dass sich Einzelphilologien und Komparatistik unter dem Vorwurf der Orientierungslosigkeit dennoch in einer Dauerkrise befinden, zum Anlass für eine Bestandsaufnahme.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Turns und kein Ende? Zur Einleitung (Elke Sturm-Trigonakis / Olga Laskaridou)
  • Standortbestimmungen – Reflexive Turn
  • Der ‚Turn-Jargon‘ und die ‚Verkulturwissenschaftlichung‘ der deutschen Literatur (Sergio Corrado)
  • Philologische Erkenntnis in den Kulturwissenschaften? (Rolf-Peter Janz)
  • Zurück in die Zukunft. Zur Erfindung mittelalterlichen Erzählens aus den Mehrdeutigkeiten seines Mediums (Joachim Theisen)
  • Der Narrative Turn zwischen Nationalliteratur und Weltliteratur
  • In Spuren gehen. Goethes Werther, Foscolos Ortis und Soutsos’ Leandros (Stefan Lindinger / Maria Sgouridou)
  • Transformationen interkulturellen Erzählens. Perspektiven eines narrative turn (Klaus Schenk)
  • Von der Wanderung zum Wandel: Die Migration des Abbas Khider in die deutsche Sprache als Traumabewältigung durch Erzählen (Katherine Anderson)
  • Herta Müllers Literatur des ‚Dazwischen‘ als deutsche Nationalliteratur? (Christina Markoudi)
  • Das Ideologische sichtbar machen. Versteinert-erstarrtes Erzählen und flüssig-flüchtiges Reflektieren im Roman Wörterbuch von Jenny Erpenbeck (Eleni Georgopoulou)
  • Postcolonial Turn – Imperial Turn
  • Neuverhandlung des „postkolonialen Blicks“: Vorschläge für postkoloniale Studien vor dem weltgeschichtlichen Horizont (Monika Albrecht)
  • Orientalismus – Ozeanismus – Pazifikismus. Fokusverschiebungen aus postkolonialer Perspektive (Thomas Schwarz)
  • Liminalität und Imperialität. Zur Kontextualisierung in postimperialen Studien (Wolfgang Müller-Funk)
  • Melancholie in der Literatur als Ausdruck des Habsburgischen und Osmanischen Mythos (Johanna Chovanec)
  • Spatial Turn
  • Die Abenteuer der Kaiserlichen Botschaft im Sog der Turns oder Franz Kafka und Jurij Lotman (Katerina Karakassi)
  • Social Turn – Economical Turn
  • Soziologie und (vergleichende) Literaturwissenschaft: Zur Anwendung funktional-soziologischer Konzepte (Arturo Parada)
  • Überleben im Exil: Der Arbeitsbegriff in Ursula Krechels Exilroman Shanghai fern von wo (2008) (Simela Delianidou)
  • Autofiktionen der Creative Industries. Subversive Selbstvermarktung als ‚Künstlerkritik‘ am richtigen Leben im falschen (Torsten Erdbrügger)
  • Ecocritical Turn
  • Rhetorik der Angst: Technologie und Religion in dystopischen Weltentwürfen (Alexandra Rassidakis)
  • Dramatiker als Ökokritiker: Heiner Müller und Christoph Ransmayr (Sonja Novak / Stephanie Jug)
  • Störfall als Öko-Dystopie. Zu Christa Wolfs Re-Lektüre von Naturlyrik nach Tschernobyl (M. Loreto Vilar)
  • Translational Turn
  • Fack ju Göhte: die Übersetzung einer kulturspezifischen deutschen Filmkomödie (Nicoletta Gagliardi)
  • Haiku und Waka als Polaroid. Nachleben der japanischen dichterischen Kurzformen bei Delius, Grünbein und Kling (Hiroshi Yamamoto)
  • Zur Problematik der Repräsentation von Canettis Tieren am Beispiel von zwei türkischen Übersetzungen (Simge Yılmaz)
  • Performative Turn
  • Freies Theater in Deutschland: Anfang einer Wende ohne Ende (Ana R. Calero Valera)
  • Iconic Turn
  • „Sich verschiebende Horizonte“: Das (Nicht-)Wissen, die Bilder und die Sprache in der Poetologie Anne Dudens (Fani Paraforou)
  • Memory Turn – Historic Turn
  • „… als er wegfuhr von Kreta, dachte er nicht mehr an Homer-Verse, sondern an ein kretisches Bergdorf!“ Täterschaft und Narration am Beispiel von Egon Günthers Roman Der Kretische Krieg (Athanasios Anastasiadis)
  • Turn innerhalb des Turns? Der ‚neue‘ Gedächtnisdiskurs und die Verarbeitung von traumatischer Vergangenheit in der zeitgenössischen Bürgerkriegsliteratur (Ioannis Pangalos)
  • Gender Studies
  • Soldatischer Habitus und Gender-Transgressionen in der österreichischen und polnischen Literatur zum Ersten Weltkrieg (Monika Szczepaniak)
  • Reihenübersicht

Elke Sturm-Trigonakis / Olga Laskaridou /
Evi Petropoulou / Katerina Karakassi (Hrsg.)

Turns und kein Ende?

Aktuelle Tendenzen in Germanistik
und Komparatistik

Herausgeberangaben

Elke Sturm-Trigonakis lehrt Vergleichende Literaturwissenschaft an der Aristoteles-Universität Thessaloniki.

Olga Laskaridou lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Athen.

Evi Petropoulou und Katerina Karakassi lehren Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Athen.

Über das Buch

Der Band setzt sich kritisch mit Cultural Turns allgemein auseinander und lotet deren Anwendungsmöglichkeiten vom post-imperial über den ecocritical bis hin zum economical turn aus. Dabei zeigt sich das innovative Potenzial der Turns, aber auch die Notwendigkeit, sie epistemisch in den Einzeldisziplinen zu verankern. Die Symbiose der Cultural Turns mit Literatur-wissenschaft und Komparatistik scheint etabliert zu sein. Transdisziplinarität und Kombinationen wie ‚Postkoloniale Germanistik‘ sind selbstverständlich, und die Komparatistik untersucht Diachronie und Synchronie von jeglichen Wissens-systemen. Die Beiträger nehmen sich den Umstand, dass sich Einzelphilologien und Komparatistik unter dem Vorwurf der Orientierungslosigkeit dennoch in einer Dauerkrise befinden, zum Anlass für eine Bestandsaufnahme.

Zitierfähigkeit des eBooks

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Inhalt

Elke Sturm-Trigonakis, Olga Laskaridou

Turns und kein Ende? Zur Einleitung

Standortbestimmungen – Reflexive Turn

Sergio Corrado

Der ‚Turn-Jargon‘ und die ‚Verkulturwissenschaftlichung‘ der deutschen Literatur

Rolf-Peter Janz

Philologische Erkenntnis in den Kulturwissenschaften?

Joachim Theisen

Zurück in die Zukunft. Zur Erfindung mittelalterlichen Erzählens aus den Mehrdeutigkeiten seines Mediums

Der Narrative Turn zwischen Nationalliteratur und Weltliteratur

Stefan Lindinger, Maria Sgouridou

In Spuren gehen. Goethes Werther, Foscolos Ortis und Soutsos’ Leandros

Klaus Schenk

Transformationen interkulturellen Erzählens. Perspektiven eines narrative turn

Katherine Anderson

Von der Wanderung zum Wandel: Die Migration des Abbas Khider in die deutsche Sprache als Traumabewältigung durch Erzählen

Christina Markoudi

Herta Müllers Literatur des ‚Dazwischen‘ als deutsche Nationalliteratur?

Eleni Georgopoulou

Das Ideologische sichtbar machen. Versteinert-erstarrtes Erzählen und flüssig-flüchtiges Reflektieren im Roman Wörterbuch von Jenny Erpenbeck←5 | 6→

Postcolonial Turn – Imperial Turn

Monika Albrecht

Neuverhandlung des „postkolonialen Blicks“: Vorschläge für postkoloniale Studien vor dem weltgeschichtlichen Horizont

Thomas Schwarz

Orientalismus – Ozeanismus – Pazifikismus. Fokusverschiebungen aus postkolonialer Perspektive

Wolfgang Müller-Funk

Liminalität und Imperialität. Zur Kontextualisierung in postimperialen Studien

Johanna Chovanec

Melancholie in der Literatur als Ausdruck des Habsburgischen und Osmanischen Mythos

Spatial Turn

Katerina Karakassi

Die Abenteuer der Kaiserlichen Botschaft im Sog der Turns oder Franz Kafka und Jurij Lotman

Social Turn – Economical Turn

Arturo Parada

Soziologie und (vergleichende) Literaturwissenschaft: Zur Anwendung funktional-soziologischer Konzepte

Simela Delianidou

Überleben im Exil: Der Arbeitsbegriff in Ursula Krechels Exilroman Shanghai fern von wo (2008)

Torsten Erdbrügger

Autofiktionen der Creative Industries. Subversive Selbstvermarktung als ‚Künstlerkritik‘ am richtigen Leben im falschen←6 | 7→

Ecocritical Turn

Alexandra Rassidakis

Rhetorik der Angst: Technologie und Religion in dystopischen Weltentwürfen

Sonja Novak, Stephanie Jug

Dramatiker als Ökokritiker: Heiner Müller und Christoph Ransmayr

M. Loreto Vilar

Störfall als Öko-Dystopie. Zu Christa Wolfs Re-Lektüre von Naturlyrik nach Tschernobyl

Translational Turn

Nicoletta Gagliardi

Fack ju Göhte: die Übersetzung einer kulturspezifischen deutschen Filmkomödie

Hiroshi Yamamoto

Haiku und Waka als Polaroid. Nachleben der japanischen dichterischen Kurzformen bei Delius, Grünbein und Kling

Simge Yılmaz

Zur Problematik der Repräsentation von Canettis Tieren am Beispiel von zwei türkischen Übersetzungen

Performative Turn

Ana R. Calero Valera

Freies Theater in Deutschland: Anfang einer Wende ohne Ende

Iconic Turn

Fani Paraforou

„Sich verschiebende Horizonte“: Das (Nicht-)Wissen, die Bilder und die Sprache in der Poetologie Anne Dudens←7 | 8→

Memory Turn – Historic Turn

Athanasios Anastasiadis

„… als er wegfuhr von Kreta, dachte er nicht mehr an Homer-Verse, sondern an ein kretisches Bergdorf!“ Täterschaft und Narration am Beispiel von Egon Günthers Roman Der Kretische Krieg

Ioannis Pangalos

Turn innerhalb des Turns? Der ‚neue‘ Gedächtnisdiskurs und die Verarbeitung von traumatischer Vergangenheit in der zeitgenössischen Bürgerkriegsliteratur

Gender Studies

Monika Szczepaniak

Soldatischer Habitus und Gender-Transgressionen in der österreichischen und polnischen Literatur zum Ersten Weltkrieg ←8 | 9→

Elke Sturm-Trigonakis, Olga Laskaridou

Turns und kein Ende? Zur Einleitung

Unter diesem Motto fand im Dezember 2015 eine Tagung der Griechischen Gesellschaft für Germanistische Studien in Athen statt, auf welcher eine kritische Auseinandersetzung mit turns, Wendungen und Tendenzen in der Germanistik und ihren Nachbardisziplinen zur Diskussion stand. Die Resonanz war überaus positiv, ganz offensichtlich trug das Thema angesichts einer immer unübersichtlicheren Forschungslandschaft einem generellen Ordnungsbedürfnis Rechnung. Durch die disziplinäre Herkunft der KonferenzteilnehmerInnen bestätigte sich auch, dass wissenschaftliche Wenden in erster Linie als eine literaturwissenschaftliche Angelegenheit betrachtet werden; die linguistische Beteiligung fiel bedeutend geringer aus und spiegelt einmal mehr das Auseinanderdriften der Germanistik in Literaturwissenschaft und Linguistik wieder.1 Turns scheinen eher von einer kulturwissenschaftlich ‚infizierten‘ Literaturwissenschaft auszugehen (Auer, 27) und die disziplinäre Grenze zwischen einer noch immer in erster Linie an der deutschen Sprache ausgerichteten Literaturwissenschaft und einer sich als universell verstehenden Linguistik zu zementieren. Für Deutschland konstatiert Clemens Knobloch: „Weil es an den Schulen das Pflichtfach ‚Deutsch‘ gibt, wird an den Universitäten Germanistik vorgehalten. In den Lehrplänen der Deutschlehrerausbildung arbeiten germanistische Sprach- und Literaturwissenschaftler zusammen. Sonst nirgends.“ (29)

Der Begriff turn wurde durch Richard Rortys Sammelband The Linguistic Turn (1967) populär, wobei die von Rorty und den übrigen Autoren verfochtene Fokussierung auf die Sprache als realitätskonstituierendes Medium wegen ihres universellen Anspruchs einen echten Paradigmenwechsel im Sinn Thomas Kuhns darstellte und damit weit über die Turns im heutigen Verständnis hinausging (Hahn, 96–97). In einem Aufsatz anlässlich des vierzigjährigen Jubiläums der von der Universität Siegen herausgegebenen Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) zeichnet Achim Geisenhanslüke die Etappen auf dem Weg vom linguistic turn zu den aktuellen Turns in der Germanistik nach: „Gegen die←9 | 10→ historische Herkunft des Faches aus der älteren Literaturwissenschaft kam der Innovationsschub in den 1960ern von Seiten der Sprachwissenschaft, die im Zeichen des Strukturalismus lieber Linguistik heißen wollte.“ (116) Aus dieser Hinwendung zur Linguistik als erster Zäsur resultierte eine „Stärkung der Literaturtheorie als wissenschaftliche Grundlegung des Faches ebenso sowie die Erweiterung der Nationalphilologie zu einer Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft.“ (Geisenhanslüke, 116) Die Mediävistik verlor viel von ihrer Eigenständigkeit und hielt sich nur teilweise innerhalb der Historischen Sprachwissenschaft einerseits und der Literaturwissenschaft andererseits. Das Auseinanderdriften der germanistischen Disziplinen wurde nur durch den Zwang zur Lehrerausbildung verhindert, der dem Fach eine gewisse Einheit sicherte (Geisenhanslüke, 116).

Die zweite Zäsur kam in den 1990ern mit dem cultural turn und seinen zahlreichen Ausdifferenzierungen. Er führte zum „Zurücktreten literaturtheoretischer Fragen, einer Marginalisierung der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, die sich institutionell in Deutschland nie hat durchsetzen können, und einer Neuausrichtung der Germanistik“, wobei dieses Mal die Linguistik an Boden verliert, da sich der Schwerpunkt des wissenschaftlichen Interesses von der Sprache als gemeinsamem Bezugspunkt auf einen „meist diffuse[n] Begriff von Kultur“ verlagert (Geisenhanslüke, 117). Positiv sei dabei die Öffnung der Literaturwissenschaft hin zu neuen Diskursen, auf der Verlustseite hingegen sieht Geisenhanslüke die philosophische Ästhetik, die Psychoanalyse und die Ethnologie. Ferner wertet er die im Zuge der Favorisierung der Kognitionswissenschaften entstandene Hinwendung zur empirischen Forschung (gerade auch in der Didaktik) als Aufgeben des politisch motivierten Verantwortungsbewusstseins des Fachs, das sich in den 1960ern mit Diskursanalyse und Dekonstruktion als Träger eines Bildungsauftrags verstand und mit seiner nationalistischen Vergangenheit brechen wollte. Insofern geschah die Innovation durch den linguistischen Turn aus dem Innern heraus, während der kulturelle auch durch äußere Zwänge wie die „Modularisierung der Fächer und den damit verbundenen Evaluationsprozessen“ nach Bologna an das Fach herangetragen wurde (Geisenhanslüke, 118).

Einen Meilenstein in der deutschsprachigen Diskussion stellte die Publikation von Doris Bachmann-Medicks Monographie Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften von 2006 dar. Ihr Buch beschränkt sich zwar – unter Ausblendung des britischen und französischen – auf den US-amerikanischen kulturwissenschaftlichen Diskurs innerhalb der Humanities, der sich seit dem Trauma des Vietnamkrieges intensiv mit der Politik gegenüber Minoritäten bezüglich←10 | 11→ sex, gender and race und deren symbolischen Repräsentationen auseinandersetzte, gab der Diskussion aber dennoch einen entscheidenden Anstoß.

Im Gegensatz zum innerhalb einer wissenschaftlichen Gemeinschaft als Quantensprung auftretenden Paradigmenwechsel nach Kuhn (Bachmann-Medick, 17) verlaufen Turns gemächlicher und sind stets interdisziplinär; Voraussetzung sind die „Entdeckung und Identifizierung neuer Gegenstandsbereiche, auf die sich die Forschung quer durch die Disziplinen hindurch konzentriert“, schreibt Bachmann-Medick und präzisiert: „Von einem turn kann man erst sprechen, wenn der neue Forschungsfokus von der Gegenstandsebene neuartiger Untersuchungsfelder auf die Ebene von Analysekategorien und Konzepten ‚umschlägt‘, wenn er also nicht mehr nur neue Erkenntnisobjekte ausweist, sondern selbst zum Erkenntnismittel und -medium wird.“ (Bachmann-Medick, 26) Gegen die themenfixierten deutschsprachigen Kulturwissenschaften (als Beispiel nennt sie Ute Daniels Kompendium Kulturgeschichte) plädiert sie für ein „‚Umschlagen‘ von Themen zu Analysekategorien“ und verspricht im „Durchgang durch die verschiedenen Forschungswenden ein Methodenbewusstsein und eine Theoriebildung, mit denen die kulturwissenschaftlichen (etwa literatur- oder geschichtswissenschaftlichen) Kategorien selbst reformuliert werden können“ (Bachmann-Medick, 31), ein Versprechen, dass dann jedoch bei der Diskussion der einzelnen Turns nicht konkretisiert wird. Insbesondere ist Hartmut Böhme zuzustimmen, wenn er die Absenz einer fundamentalen Auseinandersetzung mit dem linguistic turn kritisiert, denn „von heute her gesehen haben sich […] die sprachanalytischen Fundierungen wissenschaftlicher Erkenntnis (sofern sie denn überhaupt etwas Neues waren) durch die nachfolgenden turns keineswegs erledigt“ (Böhme, 1). Dem ist nur zuzustimmen, denn die Dominanz der Literaturwissenschaft in Bereichen wie Gender Studies, Postkolonialismus oder Medienwissenschaft mit ihrer Kontextfokussierung hat die Sprache als Basismaterial der ja letztlich stets auch sprachlich vermittelten Zeugnisse kultureller Praktiken als Untersuchungsobjekten aus dem Blickfeld geraten lassen, sehr zum Nachteil der Tiefenschärfe jeglicher Analysen. Gerade die Komplexität sowohl der Kontexte im Zeichen der Globalisierung als auch der vielmals sprachlich und kulturell hybriden Forschungsgegenstände verlangt nach einer Neukonfiguration von Theorie und Methodik unter Einbeziehung linguistischer Expertise sowohl in einer einzelsprachlichen Philologie wie der Germanistik als auch in der Komparatistik (Sturm-Trigonakis, im Druck).

Details

Seiten
406
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631730461
ISBN (ePUB)
9783631730478
ISBN (MOBI)
9783631730485
ISBN (Hardcover)
9783631730454
DOI
10.3726/b11575
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (September)
Schlagworte
deutschsprachige Literatur Kulturwissenschaft Vergleichende Literaturwissenschaft Postkolonialismus Ecocriticism Literaturtheorie
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 406 S.

Biographische Angaben

Elke Sturm-Trigonakis (Band-Herausgeber:in) Olga Laskaridou (Band-Herausgeber:in) Evi Petropoulou (Band-Herausgeber:in) Katerina Karakassi (Band-Herausgeber:in)

Elke Sturm-Trigonakis lehrt Vergleichende Literaturwissenschaft an der Aristoteles-Universität Thessaloniki. Olga Laskaridou lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Athen. Evi Petropoulou und Katerina Karakassi lehren Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Athen.

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Titel: Turns und kein Ende?
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