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Strategien der Selbstdarstellung russischer Unternehmen auf ihren Webseiten

von Dionisi Nikolov (Autor:in)
©2018 Monographie 318 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch stellt eine linguistische Analyse der Kommunikation ausgewählter russischer Unternehmen auf ihren Webseiten dar. Dabei stehen Texte der Sorte Mission Statement im Fokus der Untersuchung. Auf der Inhaltsebene analysiert der Autor, was die Unternehmen als Hauptzweck ihrer Existenz präsentieren, welche Grundwerte sie als handlungsleitend deklarieren, welche Regeln und Normen das korporative und individuelle Handeln leiten sollten sowie wie die ökonomische Strategie definiert wird. Parallel untersucht er detailliert die sprachliche Realisierung der kommunizierten Themen. Besonders interessante Ergebnisse können bei der Konzeptualisierung sowie der diskursiven und axiologischen Einbettung solcher Wertbegriffe wie Verantwortung, Pflicht, Effektivität und Effizienz ermittelt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis
  • I Einleitung
  • I.1 Forschungsfragen, Relevanz und Ziel der Arbeit
  • I.2 Aufbau der Arbeit
  • II Forschungsdesign der Arbeit
  • II.1 Das Unternehmen und seine Tätigkeit. Der Stakeholder-Ansatz
  • II.2 Korporative Webseiten und das Mission Statement
  • II.3 Fallbeispielauswahl
  • II.4 Sprachanalytisches Vorgehen
  • III Vorstellung und Diskussion der empirischen Ergebnisse
  • III.1 Unternehmerischer Existenzzweck
  • III.1.1 Platzierung auf der Webseite
  • III.1.2 Existenzzweck: Inhalte und sprachliche Realisierung
  • III.1.3 StatteinerZusammenfassung
  • III.2 Explizite Wertedeklaration der russischen Unternehmen
  • II.2.1 Platzierung auf der Webseite
  • III.2.2 Explizit deklarierte Wertbegriffe
  • III.2.3 Fazit
  • III.3 Kommunikation von Verhaltensnormen
  • III.3.1 Formale Eigenschaften der untersuchten Kodizes
  • III.3.2 Thematische Gliederung der Kodizes
  • III.3.3 Die konkreten Handlungsregeln
  • III.3.3.1 Dimensionen der Verbindlichkeit
  • III.3.3.1.1 Die Modalität der Notwendigkeit. Struktur und Semantik der Pflicht und die explizite deontische Verpflichtung
  • III.3.3.1.2 Die implizite Verpflichtung. Primäre und sekundäre Adressaten der Kodizes
  • III.3.3.2 Das Konzept Verantwortung
  • III.3.3.2.1 VerpflichtungscharakterderVerantwortung. StrukturderVerantwortung
  • III.3.3.2.2 Modelle der Verantwortung
  • III.3.3.2.3 Erscheinungsformen und Funktionen von Verantwortung in den untersuchten Kodizes
  • III.3.4 Diskussion der empirischen Ergebnisse
  • III.3.4.1 Objektebene
  • III.3.4.1.1 Долг und обязанность/обязательство als Marker der deontischen Notwendigkeit
  • III.3.4.1.2 Deontisch regulierte Aspekte derUntemehmenstätigkeit
  • III.3.4.1.3 Nicht-deontisch regulierte Aspekte der Untemehmenstätigkeit
  • III.3.4.2 Subjektebene
  • III.3.4.2.1 Explizit thematisierte Pflichtsubjekte und die Verbalisierung ihrer Pflicht
  • III.3.4.2.2 Verschiebung der korporativen Verpflichtung und Verantwortung
  • III.3.4.2.3 Untemehmensangehörige und Hierarchie. Die Rolle der Führungskräfte
  • III.3.4.2.4 Subjektbezogene Zuschreibung von Verantwortung
  • III.3.4.2.5 Verwendung von Pronomen im Rahmen der Kodizes
  • III.3.4.3 Pflicht und Verantwortung in den Firmenkodizes – eine Zusammenfassung
  • III.4 Die unternehmerische „Strategie“
  • III.4.1 Formale Eigenschaften der korporativen „Strategien“
  • III.4.2 Die „strategischen“ Inhalte
  • III.4.2.1 Inhaltliche Makrostruktur der korporativen „Strategien“
  • III.4.2.2 Kemteil der „Strategie-Rubriken“ – Branche, Wettbewerbsposition, Kompetenzen und Wettbewerbsvorteile
  • III.4.3 Ein Exkurs zur Axiologie – Bewertungen und Werte in der Untemehmenskommunikation
  • III.4.3.1 Die sprachliche Bewertung
  • III.4.3.2 Bewertungen in Sprechakten. Die wertende Funktion
  • III.4.3.3 Bewertungen und Werte
  • III.4.3.4 Nicht-deklarative Wertekommunikation der russischen Unternehmen
  • III.4.3.5 Erzählteil der „Strategie-Rubriken“
  • III.4.4 Эффективность – ein Begriff und dessen Konzeptualisierungen im Unternehmensdiskurs
  • III.4.4.1 Эффективность in Nachschlagewerken und in den neuen Medien
  • III.4.4.2 Эффективность im Unternehmensdiskurs
  • IV Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis

Abbildungen:

Abbildung 1: Rosneft, Startseite der Website

Abbildung 2: Gazprom, Hauptrubrik „О Газпроме“

Abbildung 3: TNK-BP, Explizite Wertekommunikation

Abbildung 4: Lukoil, Explizite Wertekommunikation

Abbildung 5: Lukoil, „Кодекс деловой этики“, Kapitel „Охрана окружающей среды“

Abbildung 6: Lukoil, „Кодекс деловой этики“, Kapitel „Конфликт интересов”

Abbildung 7: TNK-BP, Ausschnitt aus „Деловой кодекс“

Abbildung 8: TNK-BP, „Кодекс деловой этики“, Kapitel 3

Abbildung 9: Gazprom, Rubrik der dritten Stufe „Транспортировка и хранение газа“

Abbildung 10: Rosneft, Rubrik der zweiten Stufe „Перспективы развития и стратегия“

Tabellen:

Tabelle 1: Unternehmerischer Existenzzweck – Ergebnisse

Tabelle 2: Explizite Wertekommunikation der russischen Unternehmen – Ergebnisse

Tabelle 3: Formale Eigenschaften der untersuchten Kodizes

Tabelle 4: Lukoil, „Кодекс деловой этики“, Kapitelverzeichnis

Tabelle 5: Gazprom, „Кодекс корпоративной этики“, Kapitelverzeichnis

Tabelle 6: Rosneft, „Кодекс деловой этики“, Kapitelverzeichnis

Tabelle 7: TNK-BP, „Кодекс деловой этики“, Kapitelverzeichnis

Tabelle 8: TNK-BP, „Деловой Кодекс”, Kapitelverzeichnis

Tabelle 9: Der Begriff „Эффективность“ und dessen Realisierungen im russischen Unternehmensdiskurs

Abkürzungen:

R1 – Hauptrubrik einer Webseite bzw. Rubrik der ersten Stufe1

R2 – Unterrubrik einer Webseite bzw. Rubrik der zweiten Stufe

R3 – Unterrubrik einer Webseite bzw. Rubrik der dritten Stufe

R4 – Unterrubrik einer Webseite bzw. Rubrik der vierten Stufe

TNK-BP 1 – Деловой кодекс von TNK-BP2

TNK-BP 2 – Кодекс деловой этики von TNK-BP

ДК – Деловой кодекс

КДЭ – Кодекс деловой этики

ККЭ – Кодекс корпоративной этики ← 9 | 10 → ← 10 | 11 →


1 Vgl. auch die Erklärung in Kapitel II.2, S. 25-26.

2 Vgl. auch die Erklärung am Anfang des Kapitels III.3.3.1, S. 117.

I Einleitung

„Schweigen ist keine Alternative. Auch wenn wir über uns nicht reden, werden andere über uns reden. Aber vielleicht nicht so, wie es uns lieb wäre.“1 Bereits vor über fünfundzwanzig Jahren hat der deutsche Sprachwissenschaftler Bernd Biere die Notwendigkeit einer intentionalen unternehmerischen Selbstdarstellung erkannt, der zwecks Konstruktion und Pflege eines angestrebten korporativen Images im Rahmen der Unternehmenskommunikation ein zentraler Platz zuzuweisen ist. Unter dem Begriff Selbstdarstellung werden hier kommunikative Strategien „zur Herstellung eines bestimmten Ansehens in der öffentlichen Meinung (positives Image, guter Ruf, Beachtung)“ sowie „die Inszenierung eines gewollten Selbst“ verstanden.2

Heutzutage kann die korporative Webseite als die Plattform bezeichnet werden, auf der sich wirtschaftliche Organisationen einem breiten Publikum detailliert und langfristig vorstellen. Dadurch gehört die Webseite zu den wichtigsten und einflussreichsten Instrumenten der verbalen sowie nonverbalen unternehmerischen Selbstpräsentation, insbesondere dann, wenn es sich um große, international tätige Konzerne handelt. Auf ihren Internetseiten erzählen die Unternehmen ausführlich über sich selbst, über ihre Geschichte, über die aktuelle und künftige Tätigkeit, über die unterschiedlichsten Erfolge, Ziele oder Prioritäten der Organisation. Natürlich versuchen die korporativen Akteure, sich im bestmöglichen Licht zu präsentieren und somit bei den Adressaten der Kommunikation ein bestimmtes positives Image zu konstruieren. In der vorliegenden Arbeit wird am Beispiel einiger ausgewählter russischer Großkonzerne aus der Öl- und Gasbranche3 eine empirische linguistische Analyse dieser intentionalen Imagekonstruktion durchgeführt. Daher lautet die leitende Forschungsfrage folgendermaßen: Wie stellen sich russische Unternehmen auf ihren Webseiten dar?

I.1 Forschungsfragen, Relevanz und Ziel der Arbeit

Die so formulierte allgemeine Fragestellung ordnet die Untersuchung dem Bereich der Unternehmenskommunikation zu. Im Anschluss an Manfred Bruhn wird hier Unternehmenskommunikation wie folgt verstanden: „Unternehmenskommunikation bezeichnet die Gesamtheit sämtlicher Kommunikationsinstrumente und – maßnahmen eines Unternehmens, die nach innen und außen eingesetzt werden, um das Unternehmen und seine Leistungen bei den relevanten Zielgruppen der ← 11 | 12 → Kommunikation darzustellen.“4 Diese Definition ermöglicht die Spezifizierung der oben präsentierten Fragestellung und gibt zugleich die Richtung für das weitere Forschungsprogramm vor. Dabei stehen folgende zentrale Fragen im Fokus:

•   Welche Themen und Inhalte (Aspekte der Tätigkeit, handlungsleitende Prinzipien, Unternehmensqualitäten etc.) werden von den ausgewählten russischen Unternehmen bei ihrer Selbstdarstellung kommuniziert?

•   Wie werden diese Inhalte sprachlich realisiert?

•   Welche Stakeholder (Anspruchsgruppen) werden direkt oder indirekt angesprochen und wer wird als Nutznießer der korporativen Tätigkeit vorgestellt?

Die Aktualität der vorliegenden Arbeit ergibt sich aus einigen wesentlichen Aspekten. Zum einen gibt es immer noch relativ wenig wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit dem Thema Unternehmenskommunikation Online aus einer primär linguistischen Perspektive beschäftigen und dabei eine in erster Linie deskriptivanalytische Darstellung der sprachlich realisierten kommunikativen Erscheinungen anstreben. Die meisten einschlägigen Arbeiten kommen aus den Bereichen Marketing und PR, Management oder auch Kommunikationswissenschaft und zielen auf eine normative Beeinflussung des kommunikativen Verhaltens der Organisationen sowie deren Mitarbeiter ab. Darüber hinaus fokussieren sich viele der relevanten Untersuchungen auf die Durchführung eher quantitativ angelegter Inhaltsanalysen einzelner textueller Elemente mit dem Ziel der vergleichenden Quantifizierung. In der Regel wird bei einer Großzahl von (internationalen) Unternehmen eine einzige kommunikative Komponente untersucht, wobei oft mehrere methodologische Einschränkungen wie kurzer Untersuchungszeitraum, exakte Wortsuche auf der Seite oder sogar a priori ausgeschlossene Textformate die Analyse in unterschiedlichem Maße beeinflussen.5

Zum anderen gibt es im Bereich der russischen Unternehmenskommunikation Online wenig empirische linguistische Untersuchungen. Dies könnte u. a. auch daran liegen, dass mehrere Texte, die aus sprachwissenschaftlicher Sicht besonders interessant sind, erst seit einigen Jahren auf den korporativen Webseiten präsentiert werden und dadurch für eine empirische Untersuchung leichter zugänglich sind. Dies gilt vor allem für bestimmte Texte der Sorte Mission Statement, die hier im Fokus des Forschungsinteresses stehen. In Anlehnung an das s. g. Ashridge-Modell wird in der vorliegenden Arbeit unter Mission Statement ein kommunikatives ← 12 | 13 → Instrument verstanden, das aus vier Hauptkomponenten besteht und funktional in erster Linie der unternehmerischen Selbstdarstellung vor einem breiten Publikum dient.6 Die meisten der hier untersuchten Mission Statement–Elemente wie z. B. die Ethikkodizes der russischen Konzerne oder die explizite Deklaration der korporativen Grundwerte wurden erst ab den Jahren 2008/09 kreiert bzw. ausformuliert und auf der jeweiligen Firmenseite präsentiert. Daher ist es interessant zu sehen, wie diese neuen Erscheinungen im russischsprachigen Kontext konzipiert und instrumentalisiert werden.

Das primäre Ziel dieser Untersuchung ist eine ausführliche linguistische Analyse aller ermittelten Komponenten der Mission Statements der ausgewählten Unternehmen. Dabei fokussiert sich die empirische Analyse sowohl auf die Ermittlung der von den russischen Unternehmen kommunizierten Inhalte als auch auf die intensive Auseinandersetzung mit deren sprachlicher Realisierung. Der ausgewählte analytische Vorgang erlaubt einen tiefergehenden Einblick hinter die Maske der mehr oder weniger standardisierten Webauftritte großer internationaler Konzerne, die im Kontext der heutigen Globalisierung zwangsläufig vorhanden sind. Dabei können im Rahmen der Untersuchung einige sehr interessante Auffälligkeiten in der Kommunikation der russischen korporativen Akteure ermittelt werden.

Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in erster Linie für interdisziplinär forschende Linguisten7 und im besonderen Maße für Slavisten relevant, da hier vor allem Phänomene und Erscheinungen aus dem Bereich der (verbalen) russischsprachigen Unternehmenskommunikation behandelt werden. Darüber hinaus können aber auch Vertreter anderer Disziplinen wie Kommunikations- und Kulturwissenschaften oder auch PR und Marketing interessante Erkenntnisse für sich gewinnen, die sowohl die Kommunikation als auch die gesamte Tätigkeit der ausgewählten russischen Konzerne betreffen. Nicht zuletzt könnten die ermittelten empirischen Ergebnisse auch für jene Anspruchsgruppen vom Interesse sein, die einen direkten Kontakt zu den untersuchten Unternehmen haben wie beispielweise potentielle (ausländische) Geschäftspartner oder öffentliche Organisationen. ← 13 | 14 →

I.2 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Untersuchung besteht aus einer Einleitung, zwei Hauptkapiteln und der abschließenden Zusammenfassung. In der Einleitung werden die leitenden Forschungsfragen formuliert, die Relevanz, das Ziel sowie der Aufbau der Arbeit vorgestellt.

Im Kapitel II wird das Forschungsdesign der Untersuchung relativ knapp präsentiert. Zunächst wird aus einer interdisziplinären Perspektive (Management, Marketing, Kommunikationswissenschaft) ein Überblick über die wesentlichen Charakteristika eines (internationalen) Unternehmens, seiner Tätigkeit sowie seiner Kommunikation angeboten. Dabei wird vor allem auf den s. g. Stakeholder-Ansatz gesondert eingegangen. Im Anschluss daran wird das hier angewendete Modell des kommunikativen Instruments Mission Statement vorgestellt, das die Grundlage für die nachfolgende Analyse bildet. Bevor es mit dem empirischen Teil der Arbeit weiter geht, werden noch die Kriterien und Gründe für die getroffene Fallbeispielauswahl sowie das methodische Vorgehen bei der nachfolgenden linguistischen Analyse erörtert.

Im Kapitel III, das als Kernstück der Untersuchung zu bezeichnen ist, werden die empirischen Ergebnisse präsentiert und ausführlich diskutiert. Es wird u. a. gezeigt, was die ausgewählten russischen Unternehmen als Hauptzweck ihrer Existenz bezeichnen (Kapitel III.1), welche Grundwerte sie als handlungsleitend deklarieren (Kapitel III.2), welche Standards und Regeln das korporative, kollektive und individuelle Handeln regulieren sollen (Kapitel III.3) sowie was den Kern der jeweiligen ökonomischen „Strategie“ bildet (Kapitel III.4). In all diesen Kapiteln werden allerdings nicht nur die empirischen Ergebnisse vorgestellt, sondern auch unterschiedliche für die Untersuchung relevante theoretische Ansätze präsentiert und erörtert. So, beschäftigt sich ein ausführlicher Abschnitt der Arbeit (Kapitel III.4.3) mit der Axiologie-Problematik im Rahmen der unternehmerischen Selbstdarstellung und liefert Antworten auf Fragen wie z. B. – wie explizit wird auf den korporativen Webseiten bewertet, kann eine Grenze zwischen (impliziter) Selbstbewertung und bloßer Deskription ermittelt werden, welche Werte werden von den Unternehmen neben den explizit deklarierten noch kommuniziert und wie werden die entsprechenden Wertbegriffe diskursiv verbalisiert. In anderen Teilen der vorliegenden Arbeit wird die Verwendung und Konzeptualisierung schwerer polysemer russischer Begriffe8 im Unternehmensdiskurs ausführlich analysiert, wobei mehrere besondere Auffälligkeiten ermittelt werden können. Bei der Analyse ← 14 | 15 → der unternehmerischen Ethikkodizes wird in den Kapiteln III.3.3 sowie III.3.4 die Semantik, der Gebrauch sowie die pragmatische und axiologische Zuordnung solcher Begriffe wie „ответственность“ (deutsch „Verantwortung“ und „Haftung“) und „долг“ (deutsch „Pflicht“ und „Verpflichtung“) erforscht. Kapitel III.4.4 beschäftigt sich mit der Verwendung des äußerst produktiven polysemen Begriffs „эффективность“ (deutsch „Effektivität“ und „Effizienz“) auf den ausgesuchten Webseiten und analysiert die unterschiedlichen Möglichkeiten seiner Konzeptualisierung im wirtschaftlichen Diskurs.

Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Analyse zusammengefasst präsentiert sowie die interessantesten Auffälligkeiten in der Kommunikation der ausgewählten russischen Konzerne noch einmal gesondert thematisiert. ← 15 | 16 → ← 16 | 17 →


1 Vgl. Biere (1991), S. 29.

2 Vgl. Ebert / Piwinger (2007), S. 205.

3 Es handelt sich um die Unternehmen Gazprom, Rosneft, Lukoil und TNK-BP – vgl. ausführlich Kapitel II.3.

4 Vgl. Bruhn (1992), S. 8. Zu Bruhns Begriffsdefinition – vgl. auch Derieth (1995), S. 25-33.

5 Vgl. ausführlich Kapitel II.2.

6 Vgl. ausführlich Kapitel II.2.

7 In der vorliegenden Arbeit wird das generische Maskulinum als Form verwendet, d. h. der Gebrauch der maskulinen Form bezieht sich sowohl auf männliche als auch auf weibliche Personen. Diese Entscheidung wird in erster Linie aufgrund der empirischen Spezifik der vorliegenden Untersuchung getroffen. Die russischen Unternehmen verwenden im Rahmen ihrer Kommunikation ausschließlich maskuline Formen wie „сотрудник“, „работник“ oder „руководитель“ und sprechen dabei alle ihre Angehörigen geschlechtsneutral an. Damit bei der ausführlichen Diskussion der empirischen Ergebnisse im Kapitel III kein Formendurcheinander entsteht, wird auch im deutschen Text das generische Maskulinum als Form ausgewählt.

8 In der vorliegenden Arbeit werden die Termini „Begriff“, „Lexem“ und „Wort“ synonym verwendet, da eine Unterscheidung für die hier ermittelten Ergebnisse nicht als absolut notwendig angesehen wird. Für andere Konzeptionen vgl. z. B. Krause (2007a), S. 126-128.

II Forschungsdesign der Arbeit

II.1 Das Unternehmen und seine Tätigkeit. Der Stakeholder-Ansatz

Schon seit längerer Zeit wird in der Management- und Marketingliteratur genau so wie in zahlreichen Beiträgen zur Unternehmenskommunikation postuliert, dass Wirtschaftsunternehmen sowohl ökonomische als auch soziale Akteure darstellen, als solche handeln sollten und ihr Handeln auch auf diese Weise kommunizieren sollten. In der einschlägigen Literatur werden folglich zwei wesentliche Dimensionen der unternehmerischen Tätigkeit unterschieden – die ökonomische und die soziale bzw. gesellschaftspolitische.1 Bei der ersten handelt es sich um Aspekte des korporativen Handelns, die sich unmittelbar auf das Erreichen der primären und übergeordneten Formal- bzw. Erfolgsziele eines Unternehmens beziehen – Gewinn, Wirtschaftlichkeit, Produktivität, d.h. auf rein ökonomischen Erfolg ausgerichtet sind. Im Vordergrund stehen dabei das erwünschte Resultat des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses und die Handlungen, die dieses Resultat betreffen.2 Bei Aktiengesellschaften (wie die hier ausgewählten russischen Unternehmen) gehören auch Erscheinungen wie Marktwert, Aktienwert, Dividendenausschüttung etc. zu den Kernaspekten des unternehmerischen Daseins. Die soziale Dimension dagegen impliziert Aktivitäten eines Unternehmens, die in der Regel mit dem wirtschaftlichen (operativen, finanziellen etc.) Erfolg nichts zu tun haben und von den Unternehmen meistens freiwillig ausgeführt werden.3

Daher spreche ich bei der nachfolgenden empirischen Analyse von ökonomischen oder betriebswirtschaftlichen Aspekten der korporativen Tätigkeit, wenn die Unternehmen bei ihrer Selbstdarstellung Themen wie die nachfolgenden kommunizieren – Umsatz und Gewinn; Markt- und Aktienwert; Herstellung und Vertrieb von Produkten und alle damit zusammenhängenden Aktivitäten (in meinem Fall hier – Prospektion, Förderung, Verarbeitung, Lieferung usw.); Marktstellung und Marktanteile; Ressourcen des Unternehmens wie Fundstätten, technologische Ausstattung, Fabriken, Terminale, Pipelines etc. Als soziale Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit können dagegen solche Erscheinungen bezeichnet werden wie z. B. Engagement im Bereich des Umweltschutzes und der ökologischen Nachhaltigkeit, gezielte Unterstützung der Regionen der Tätigkeit, Durchführung von sozialen und kulturellen Projekten, freiwillige Maßnahmen im Bereich der Personalpolitik, Wohltätigkeit oder Sponsoring. ← 17 | 18 →

Aufgrund dessen, dass die Konzerne ihre Tätigkeit als äußerst komplex darstellen, ist zumindest auf Kommunikationsebene eine strikte Unterscheidung dieser Aspekte nicht immer möglich. Nicht selten werden bei der Thematisierung eines bestimmten Sachverhalts unterschiedliche unternehmerische Ziele und Prioritäten attributiv und argumentativ so verstrickt, dass eine bunte thematische Mischung entsteht. Dennoch kann in den meisten Fällen festgestellt werden, was im Fokus einer konkreten sprachlichen Äußerung steht. Daher werde ich im Folgenden probieren, ökonomische (primäre) von sozialen (sekundären) Dimensionen des korporativen Handelns zu unterscheiden, um zu zeigen, wie die ausgewählten russischen Unternehmen ihr positives Image zu konstruieren versuchen.

Eng verbunden mit der gegebenen oder zumindest kommunizierten hohen Komplexität der Tätigkeit großer internationaler Konzerne, ist die Entstehung und Weiterentwicklung eines theoretischen Ansatzes, der seit ca. dreißig Jahren als fester Bestandteil der Managementforschung zu bezeichnen ist. Es handelt sich um den s. g. Stakeholder-Ansatz.4 Nach dem Stakeholder-Ansatz „stehen Unternehmen grundsätzlich mit verschiedenen Akteuren in Beziehung, die im weitesten Sinne ein Interesse, eine Forderung oder einen Anspruch (= stake) an das Verhalten des Unternehmens haben“5. Da der Erfolg sowie das langfristiges Bestehen einer wirtschaftlichen Organisation vom Verhalten dieser Akteure abhängt, sollten Unternehmen im Rahmen eines Stakeholder-Managements ihr Handeln und ihre Entscheidungen nicht nur an den Aktionären (die s. g. „Shareholder“), sondern auch an den Ansprüchen vieler anderer Akteure ausrichten.6

Breitere Definitionen dieses Ansatzes sehen viele Gruppen und Individuen als typische Stakeholder (deutsch Anspruchsgruppen) eines großen internationalen Konzerns – Eigentümer oder Aktionären, Investoren, Kunden, Management und Mitarbeiter, Geschäftspartner und Konkurrenten, Banken, Gewerkschaften und Verbände, Medien sowie unterschiedliche staatliche und gesellschaftliche Organisationen. Dabei ist die meist verbreitete Untergliederung der ermittelten Anspruchsgruppen in interne (Eigentümer, Mitarbeiter, Management) und externe (Kunden, Geschäftspartner, Konkurrenten etc.).7 Ausgehend von stärker instrumentellen Ansätzen können die Stakeholder einer profitorientierten Organisation aber auch in primäre (direkte) und sekundäre (indirekte) kategorisiert werden. Die primären Stakeholder sind diese Gruppen, „die in einem direkten Austauschverhältnis zum Unternehmen stehen und dadurch das Zielerreichen des Unternehmens beeinflus ← 18 | 19 → sen“8. Somit haben solche Stakeholder auch größere Bedeutung für den ökonomischen Erfolg der Organisation. Als primäre Anspruchsgruppen wären daher u. a. die Aktionäre und Investoren, die Mitarbeiter oder auch die Kunden zu bezeichnen. Als sekundäre können dagegen folgende Akteure betrachtet werden – die Medien, die Einwohner der Regionen, in denen die Konzerne tätig sind, unterschiedliche NGOs usw. Im Zuge eines strategischen Managements sollten die Unternehmen ihre relevanten Stakeholder identifizieren und auch feststellen, welche Ansprüche sie an das Unternehmen stellen. Daher ist neben der Frage, welche Aspekte der Tätigkeit die russischen Korporationen im Rahmen ihrer Selbstdarstellung kommunizieren und hervorheben, auch folgende Frage von besonderem Interesse – welche Akteure werden dabei als zentrale korporative Stakeholder identifiziert, wer wird direkt oder indirekt angesprochen und als Nutznießer der beschriebenen Tätigkeit präsentiert?

II.2 Korporative Webseiten und Mission Statement

Jede korporative Webseite, aber vor allem die Seite eines großen internationalen Konzerns, bietet eine sehr große Menge an Informationen über das Unternehmen und seine Tätigkeit. Die meisten Webseiten bestehen aus mehreren Rubriken und Unterrubriken, die unterschiedliche Aspekte des unternehmerischen Handelns präsentieren.9 Als erste Hauptrubrik fungiert in der Regel eine Rubrik unter dem Namen „Über uns“ (russisch „О нас“), „Über das Unternehmen“ („О компании“) oder einfach „Über + den Konzernnamen“ wie beispielsweise im Falle von Gazprom – „О Газпроме“. Auch bei den hier ausgewählten russischen Unternehmen sieht es ähnlich aus. Außer Gazprom entscheiden sich alle anderen Organisationen für die Bezeichnung „О компании“.10

In den Unterrubriken dieser ersten Hauptrubrik geben die Unternehmen unterschiedliche allgemeine Informationen über sich preis – sie erzählen über frühere oder aktuelle Aktivitäten und stellen einige zentrale Eckdaten vor, kommunizieren ihre Ziele und Prioritäten aus den diversen Bereichen der Firmentätigkeit, deklarieren ihre Grundwerte und Prinzipien, stellen ihre ökonomische Strategie dar, präsentieren die korporative Geschichte sowie die Unternehmensführung usw. Einige der Texte aus dieser Hauptrubrik bilden auch den wesentlichen Gegenstand der nachfolgenden empirischen Untersuchung, da sie funktional für eine langfristige unternehmerische Selbstdarstellung konzipiert sind. ← 19 | 20 →

Neben der eher allgemeinen ersten Rubrik, bestehen die Internetseiten der hier ausgewählten Unternehmen aus mehreren zusätzlichen Hauptrubriken, die zum einen unterschiedliche Bereiche der Unternehmenstätigkeit konkreter behandeln, zum anderen der Kommunikation mit verschiedenen Anspruchsgruppen dienen. Beispiele fürs erstere wären Rubriken wie „Продукция и производство“, „Разведка и добыча“ oder „Переработка и сбыт“. Andere Rubriken enthalten primär Auskünfte für bestimmte Stakeholder. So, hat jedes der russischen Unternehmen eine gesonderte Hauptrubrik unter dem Namen „Акционерам и инвесторам“, die aus zahlreichen Informationen für die korporativen Aktionäre und Investoren besteht, sowie eine Rubrik „Пресс центр“, die für aktuelle Nachrichten und die Kooperation mit den Medien zuständig ist. Zusätzlich haben alle Unternehmen eine oder zwei Hauptrubriken kreiert, in denen sie ausschließlich die sozialen Aspekte der Tätigkeit beschreiben. Dies ist bereits an den jeweiligen Namen deutlich zu sehen – bei Gazprom heißen die entsprechenden Rubriken „Охрана природы“ und „Социальная ответственность“, bei Lukioil „Окружающая среда“ und „Социальная политика“, bei TNK-BP „Политика по охране труда, промышленной безопасности и охране окружающей среды“ und „Социальная ответственность“ und bei Rosneft „Устойчивое развитие“. In all diesen Rubriken werden Aspekte wie Umweltschutz, Betriebssicherheit, Personalpolitik oder auch Themen wie Wohltätigkeit und Sponsoring ausführlich behandelt. Neben den Texten auf der Oberfläche der Webseite, enthalten die meisten Rubriken auch viele Dokumente zum Herunterladen. Wenn im Folgenden bei der empirischen Analyse ein Beispiel präsentiert wird, wird immer angegeben, aus welcher Rubrik bzw. aus welchem Dokument die konkrete Äußerung stammt.

Zur Illustration sowie zum besseren Verständnis der letzten Ausführungen werden zwei Abbildungen (Screenshots) der korporativen Webseiten von Rosneft und Gazprom präsentiert. Abb. 1 zeigt die Startseite von Rosneft, d. h. diese Seite, die bei der Angabe der Internetadresse www.rosneft.ru zuerst erscheint. Man sieht die sechs Hauptrubriken, einige der Unterrubriken sowie andere aktuelle Informationen über das Unternehmen. Abb. 2 zeigt die erste Hauptrubrik der Webseite von Gazprom – „О Газпроме“.11 Am linken Rand sind die unterschiedlichen Unterrubriken der zweiten Stufe12 aufgezählt wie z. B. „Газпром сегодня“, „Руководство“, „История“ oder auch „Стратегия“. Einigen Texte aus diesen Unterrubriken werden im Rahmen der empirischen Analyse detailliert behandelt. ← 20 | 21 →

Es liegt nahe, dass in der vorliegenden Arbeit nicht alle Rubriken, Texte und Dokumente, die sich auf den Webseiten befinden, untersucht werden können. Um die vorher formulierten Forschungsfragen beantworten zu können, muss eine gewisse textuelle Einschränkung eingeführt werden, die eine sinnvolle und gleichzeitig realisierbare Analyse erlaubt. Daher wird als Gegenstand der empirischen Untersuchung eines der zentralsten und verbreitetsten Instrumente innerhalb der Unternehmenskommunikation sowie der langfristigen unternehmerischen Selbstdarstellung ausgesucht – das Mission Statement. Gleich muss hinzugefügt werden, dass unter Mission Statement nicht einfach eine kurze und lakonische Mitteilung über den primären Unternehmenszweck verstanden wird, sondern ein breiter kommunikativer Ansatz, der aus vier Hauptkomponenten besteht und weiter unten ausführlich vorgestellt wird.

Zunächst sollte jedoch vermerkt werden, dass die Erscheinung Mission Statement in der einschlägigen Literatur auf unterschiedlichste Weise definiert und instrumentalisiert wird. Unter den meisten Wissenschaftlern besteht keine strikte Übereinstimmung über dessen Inhalt, Umfang, Komponenten und Funktionen. Manche Autoren behaupten, dass es sich dabei um eine knappe und prägnante Botschaft handelt bzw. handeln sollte, die das absolut Wichtigste über die Haupttätigkeit eines Unternehmens aussagt sowie sein primäres Ziel kommuniziert. Andere Forscher entwickeln komplexe Modelle, die bis zu neun Elementen enthalten und ausführliche Informationen über alle Aspekte des korporativen Lebens vermitteln sollten.14 Zusätzlich wird im deutschsprachigen Raum darüber diskutiert, ob zwischen den Begriffen Mission Statement und Unternehmensleitbild differenziert werden sollte oder nicht.15 Diese Diskussion wird hier allerdings nicht aufgegriffen.

Details

Seiten
318
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631737651
ISBN (ePUB)
9783631737668
ISBN (MOBI)
9783631737675
ISBN (Paperback)
9783631737644
DOI
10.3726/b12319
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (November)
Schlagworte
Russische Unternehmenskommunikation Mission Statement Stakeholder-Ansatz Wertekommunikation Ethikkodizes Korporative Verantwortung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018., 317 S., 2 farb. Abb., 6 s/w Abb., 8 Tab.

Biographische Angaben

Dionisi Nikolov (Autor:in)

Dionisi Nikolov ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Wirtschaftsuniversität in Wien. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Pragmalinguistik, Diskurslinguistik, Axiologie, Unternehmenskommunikation sowie interkulturelle Kommunikation.

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