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Politische Literatur und Good Governance

Untersucht an frankophonen, schwarzafrikanischen Romanen der ‹Postkolonie› und an deutschsprachigen Romanen der «Nachkriegszeit»

von N’Tchombitché Séidou (Autor:in)
©2018 Dissertation 334 Seiten

Zusammenfassung

Die Sklaverei und die Kolonisation brachten westliche und schwarzafrikanische Länder nicht nur formal zusammen. Mit ihnen sind auch Folgen verbunden, die bis heute reichen. Dass diese Folgen tiefer sitzen als man es auf beiden Seiten oft wahrhaben will, demonstriert dieser Band. Anhand von politischen Romanen aus der deutschen Nachkriegszeit und der frankophonen, schwarzafrikanischen Postkolonialzeit zeigt der Autor, dass selbst der Wille zum besseren Regieren des eigenen Staates sowie zur besseren ‹Entwicklungszusammenarbeit› nicht selten der Restauration von tradierten Praxen dient, statt der Erneuerung und dem Gemeinwohl. Die Ergebnisse werden als Perspektiven für eine Verbesserung bzw. für ein Korrektiv formuliert, und zwar sowohl ‹des Eigenen›, als auch ‹des Fremden› und ‹des Gemeinsamen›.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Dedication
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Erster Teil: Die frankophone, schwarzafrikanische Literatur der ‚Postkolonie‘
  • 1 ‚Am Anfang‘ war eine fremde Zwangsherrschaft. Jean-Marie Adiaffis „La carte d’identité“ (1980)
  • 1.1 Einführung
  • 1.2 Weshalb schreibt Adiaffi zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit noch einen anti-kolonialistischen Roman? Zur Frage des Hintergrunds und der Wirkungsabsicht von „La carte d’identité“
  • 1.3 ‚Mélédouman‘ oder der ‚Nullpunkt‘ einer besseren Identitätsbildung nach der Kolonisation
  • 1.4 Mélédouman oder die ‚Wiederschöpfung‘ Afrikas in zwei Wochen. Eine Woche Besinnung: Die Schöpfung des schöpferischen Menschen
  • 1.5 Mélédouman oder die ‚Wiederschöpfung‘ Afrikas in zwei Wochen. Eine Woche praktische Gestaltung: Ein Entwurf
  • 1.6 Unabhängigkeit zwischen Selbstbehauptung und besserer Regierungsführung. Die Frage des Kolonialerbes
  • 1.7 Die Mehrwertschöpfung der Opposition. Der ‚Adiaffisme‘ oder die Metapher des ‚chaos vital‘
  • 2 Unabhängigkeit zwischen Ideal und Praxis. Yves-Emmanuel Dogbés „L’incarcéré“ (1980)
  • 2.1 Einführung
  • 2.2 Das Regime in Sachelle als Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit der Frage einer guten Regierungsführung
  • 2.3 Das Tandem Sénam vs. Adri oder über einen Ausweg aus der Sackgasse der Militärdiktatur
  • 2.4 Die politische Gefangenschaft und die Herausforderung, unbeirrt und unbestechlich zu bleiben
  • 2.5 Der selbstbeauftragte Sénam und der Legitimierungsversuch seines Kampfs. Die Rhetorik der Argumentation
  • 2.6 Der Einsatz Sénams für das Volk und im Namen des Volkes. Die Desillusionierung und der Authentizitätsanspruch
  • 2.7 Der Authentizitätsanspruch und das Risiko einer Verständnis- und Leserlenkung durch den Erzähler
  • 3 Unabhängigkeit zwischen Kaltem Krieg und Nation-Building. Jean-Pierre Makouta-Mboukous „Le Contestant ou un pasteur chez les Carmélites“ (1973)
  • 3.1 Einführung
  • 3.2 Die sozialistische ‚Revolution‘ in Kalawala, eine ‚Parodie des wissenschaftlichen Sozialismus‘
  • 3.3 Das Protestieren Jean Kayilous, erster Teil: Jean Kayilou, der Pastor ‚ohne weißen Kragen‘
  • 3.4 Das Protestieren Jean Kayilous, zweiter Teil: Jean Kayilou, der ‚freiwillige Gefangene‘
  • 3.5 Das Protestieren Jean Kayilous. Ein zwiespältiges Fazit
  • 3.6 Macht und Verantwortung. Jean Kayilou, der selbstbeauftragte Vollstrecker der politischen Moralität
  • 3.7 Das Protestieren Jean Kayilous. Zum Entwicklungsstand der afrikanischen Staaten seit der Unabhängigkeit
  • 4 Unabhängigkeit zwischen Pessimismus und Optimismus. Théo Ananissohs „L’invitation“ (2013)
  • 4.1 Einführung
  • 4.2 „L’invitation“ oder die gönnerhaften und missbräuchlichen Ansprüche eines fremden Geldgebers
  • 4.3 „L’invitation“ oder das Motiv des Umbruchs: ‚Man sollte nicht dahin gehen, wo man erwartet wird‘
  • 4.4 „L’invitation“ oder über die postkoloniale Beziehung von frankophonen, afrikanischen Staaten zu Frankreich
  • 4.5 ‚Das frankophone Afrika hält sich selbst gefangen‘. „L’invitation“ oder die ‚dezentrierte Wahrheit‘
  • 4.6 „L’invitation“, ein Appell an das frankophone Afrika, sich von der Hegemonialmacht Frankreichs zu befreien
  • Zweiter Teil: Die deutschsprachige Literatur der ‚Nachkriegszeit‘
  • 5 Zwischen Trümmern und Wiederaufbau: Über die Form und den Inhalt eines guten Neubeginns und Regierens im Westdeutschland der Nachkriegszeit. Wolfgang Koeppens „Treibhaus“ (1953)
  • 5.1 Einführung
  • 5.2 Keetenheuve oder über die Programmatik einer politischen Neuordnung nach Diktatur und Krieg
  • 5.3 Der politische Neubeginn zwischen Theorie und Praxis. Deutschland war ein öffentliches ‚Treibhaus‘
  • 5.4 Der parlamentarische Kampf eines Einzelgängers. Keetenheuve zwischen Moralismus und dem Geist der Gesetze
  • 5.5 Das Scheitern des Gewissenhaften und Moralisten oder über die Herbeiführung von gutem Regieren
  • 5.6 Das Tandem (pragmatische) Realpolitik vs. (subjektives, ideales) gutes Regieren. Ein Fazit
  • 6 Kapital zwischen Macht, Allmachttraum und soziopolitischer Verantwortung. Dieter Wellershoffs „Sieger nimmt alles“ (1983)
  • 6.1 Einführung
  • 6.2 Zwischen Kriegserfahrung, Verlassenheit und Ohnmacht vor der Entwicklung der Verhältnisse. Vogtmanns Lebensgeschichte, ein Motiv für Wellershoffs engagierte moderne Literatur
  • 6.3 Geld zwischen Macht und Fassade. Vogtmanns plötzliche und verhängnisvolle ‚Erweckung‘
  • 6.4 „Der Sieger nimmt alles“ oder die martialische Betriebspolitik eines geltungssüchtigen ‚Niemand‘
  • 6.5 ‚Weder Moral noch Gefühle‘. Über die ökonomische Macht und die soziopolitische Verantwortung
  • 6.6 Die ‚Fragen eines lesenden Arbeiters‘ (Brecht) oder das Plädoyer des neuen Horst Reichenbach
  • 7 Politische Machtausübung zwischen etabliertem System und gutem Regieren. Martin Walsers „Finks Krieg“ (1996)
  • 7.1 Einführung
  • 7.2 Infragestellung der Versetzung Finks als Frage nach der Berufung von Politik und Beamtentum
  • 7.3 Der Beamte Fink zwischen moralisch-rechtlichem Engagement, Ideal und persönlichem Interesse
  • 7.4 Das Scheitern des Beamten Fink oder über die BRD vor und im Übergang zur Wiedervereinigung
  • 7.5 Die Selbstentzweiung Finks oder über das Verhängnis der Verhältnisse in der BRD
  • 7.6 Die Versöhnung Finks mit sich selbst und sein neues Engagement als Ausweg aus dem Verhängnis der Verhältnisse
  • 8 Gutes Regieren als Neubestimmung der sozio-politischen Grundsätze. Christoph Heins „Napoleon-Spiel“ (1993)
  • 8.1 Einführung
  • 8.2 Wörle oder wie ein Einzelner sich in ihm widerlichen Verhältnissen zu seines Glückes Schmied machte
  • 8.3 Die Briefkorrespondenz Wörles mit seinem Anwalt, ein aufschlussreiches Bekenntnis zur Tötung
  • 8.4 „Das Napoleon-Spiel“. Die totale Negation der Negativfigur Wörle als persönliche Abrechnung
  • Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis

←14 | 15→

Einleitung

Die Kontakte zwischen den schwarzafrikanischen Ländern und einstigen westeuropäischen Kolonialmächten waren von alters her Herrschaftsverhältnisse. Sei es während der Sklaverei oder des Kolonialismus: Die westeuropäischen Länder waren Mutter- und Musterländer und die schwarzafrikanischen ‚überseeische Gebiete‘ bzw. Kolonien. Die Mentalität, die Sitten, Gebräuche und der Glaube der Westlichen waren die Kultur und sollten die vermeintlich barbarische Mentalität, die Sitten, Gebräuche und den Glauben in Schwarzafrika ersetzen. Die Westlichen waren ‚die Herren‘ und die Schwarzafrikaner die Sklaven, Kolonisierten und Eingeborenen. Selbst die Hautfarbe der Westlichen wurde zur Norm erhoben – so sehr, dass sie die Schwarzafrikaner mit anderer Hautfarbe ‚Farbige‘ nannten.1 Die Westlichen waren Besitzer und die Schwarzafrikaner Besitzlose, denen man Almosen gab. Dass die Almosen der Ersteren der eigentliche Besitz der Letzteren waren, stand nicht zur Debatte, durfte es nicht.2 Mit der Unabhängigkeit der schwarzafrikanischen Länder in den 1960er Jahren kam diese Konstellation, die Jahrhunderte gedauert hatte, zu einem Ende. Zum ersten Mal seit Bestehen dieser Kontakte dürfen die schwarzafrikanischen Länder selbst bestimmen und sich selbst regieren. Doch auch den westlichen Ländern, die aus der Kolonisation ausscheiden, steht zu Hause kaum Geringeres bevor. Der Zweite Weltkrieg hat auch sie in einem vergleichbar desolaten Zustand zurückgelassen wie dem, der nun in den schwarzafrikanischen Ländern herrscht. Auf beiden Seiten hieß es daher: ‚Besser wiederaufbauen‘, ‚besser regieren‘.

Dazu kommt, dass der Zweite Weltkrieg Europa und die Welt nicht nur in einem desolaten Zustand zurückgelassen, sondern auch in zwei große Werte- und Gesellschaftssysteme gespalten hat: den Kapitalismus im Westen und den Sozialismus im Osten. Während der Sozialismus für den kapitalistischen Westen eine Konkurrenz und eine Gefahr darstellt, die man bekämpfen müsse, sehen die von ihm unabhängig gewordenen schwarzafrikanischen Länder, deren erste Wortführer meist nationalistisch gesinnt waren, im Sozialismus ein Modell, von dem sie sich inspirieren lassen können, um ihre jungen Nationen mit volksrepublikanischen Werten der Gerechtigkeit und der Solidarität auszustatten. Ansonsten um ihre einstigen Kolonialmutterländer zu hindern, wieder Einfluss ←15 | 16→auf ihre Entwicklung zu nehmen. Aufgrund ihres kapitalistischen Imperialismus empfanden sie die westlichen einstigen Kolonialmächte als einen ‚gemeinsamen Feind‘ von ihnen und den sozialistischen Ländern.3 Die Unabhängigkeit in den schwarzafrikanischen Ländern erweist sich so als Übergang zu einer neuen Form von Machtverhältnissen mit den einstigen Kolonialmächten. Mit dem Unterschied gleichwohl, dass Erstere nun ein Mitspracherecht bzw. die Wahl haben. Die einstigen Kolonialmächte, die das nicht verkennen, stellen sich nicht länger als ‚Herren‘ vor wie bisher, sondern als Helfer, die an der Entwicklung der jungen Staaten interessiert seien. Die Ära der Entwicklungshilfe ist damit angebrochen. Mit ihr versuchen nun die einstigen Kolonialmächte, sich bei den schwarzafrikanischen Staaten auch beliebt zu machen, wie ihre Konkurrenten und Gegner im Osten es tun bzw. es zum Teil schon sind.4 Mithilfe von einheimischen Handlangern – meist Oppositionellen –, denen sie zur Macht verhelfen,5 gelingt es ihnen in etlichen Staaten, wieder Einfluss auf die dortige Entwicklung ←16 | 17→zu nehmen, vor allem auf dem politischen und wirtschaftlichen Sektor.6 Und als der Kalte Krieg 1990 zu Ende geht mit dem Sieg des Westens über den Osten, stehen die einstigen Kolonialmächte in diesen Staaten fast wieder da, wo sie in den Jahren vor der Unabhängigkeit auch schon gestanden haben.

Erneut erscheinen die kapitalistischen einstigen Kolonialmächte nicht länger als Helfer, die bedingungslos und selbstlos helfen wollen wie bisher, sondern, nicht zuletzt weil mit dem Zerfall des Sozialismus die ideologische Konkurrenz ausfällt, nun als Geber, die den schwarzafrikanischen Nehmerländern ihre Konditionen diktieren.7 Unter diesen Konditionen steht offiziell die Etablierung der Good Governance in den Nehmerländern als zugleich zentrales Förderkriterium und vorrangiges Förderziel.8 Offiziös aber verfolgen die Geberländer, die sich der Globalisierung und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Konkurrenz mit anderen Industrieländern bewusst sind, auch wirtschaftliche Interessen. Sie versuchen daher, mit den Nehmerländern privilegierte Handelsbeziehungen aufzubauen. Die Entwicklungshilfe wird zugunsten der Entwicklungszusammenarbeit aufgegeben. Die Nehmerländer sollen künftig als Gegenleistung für die Förderung den Geberländern Zugang zu ihren Rohstoffen und Märkten gewähren. Weil aber die einheimischen Handlanger der Geberländer mittlerweile in der Mehrheit dieser Nehmerländer an der Macht sind (ebd.), bleiben wollen und deshalb kein Interesse an der Etablierung von Good Governance haben; die westlichen Geberländer selbst kein Interesse daran haben, dass ihnen feindliche, nationalistisch gesinnte Oppositionelle (ebd.) in diesen Ländern an die Macht kommen, wird bald klar, dass die Forderung nach Good Governance nicht länger im Vordergrund der Konditionen steht.9 Die Entwicklungszusammenarbeit, die anfangs bemüht war, „weltweite Unterschiede in der sozioökonomischen Entwicklung“10 abzubauen, indem sie gutes Regieren auf globaler Ebene fördere, ←17 | 18→wird so zu einem internationalen „Geschäft“11 degradiert, wo jedes Land auf den eigenen Interessen beharrt.12 In den schwarzafrikanischen Staaten sind dies meist der Machterhalt und die Bereicherung von korrupten Regierenden;13 für die westlichen Industrieländer, die die politische Entwicklung in diesen Ländern nicht länger hinterfragen, die wirtschaftlichen Interessen. Bald nehmen sie aus diesen eigentlichen Nehmerländern zumindest genauso viel, wie sie ihnen geben.14 Der Neokolonialismus ist damit institutionalisiert.

Deutschland musste zwar nach dem Ersten Weltkrieg seine Kolonien in Afrika an die Siegermächte England und Frankreich abgeben und sich zurückziehen; die geschilderten Verhältnisse betreffen es aber nicht weniger. Der Zweite Weltkrieg hat es nicht nur in Trümmern zurückgelassen, sondern auch, neben der Abtretung von Gebieten, sein Territorium in die kapitalistische BRD im Westen und in die sozialistische DDR im Osten gespalten – mit all den soziopolitischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Spannungen, die das mit sich bringt.15 Nicht zuletzt, weil beide Staaten an einer Wiedervereinigung interessiert waren. Auch der Entwicklung in den afrikanischen Staaten steht die Bundesrepublik Deutschland – die westliche wie die wiedervereinigte – nicht reserviert ←18 | 19→gegenüber,16 auch wenn sie nicht immer im Vordergrund steht, wie bei den letzten Kolonialmutterländern Frankreich, England oder Belgien.17

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie die Literatur in frankophonen, schwarzafrikanischen Ländern und in Deutschland den Wiederaufbau in den jeweiligen Ländern darstellt. Anhand von ausgewählten Romanen18 aus der frankophonen, schwarzafrikanischen Literatur der ‚Postkolonie‘19 und der deutschen Literatur der ‚Nachkriegszeit‘20 wird danach gefragt, wie die jeweilige (politische) Romanliteratur diesen Prozess in den jeweiligen, teils fiktionalisierten, Ländern verarbeitete und diskutierte und wie man ihre ästhetischen ←19 | 20→Konstruktionen und Sinnentwürfe für die Reflexion über die heute noch aktuelle Frage eines besseren Wiederaufbaus und Regierens fruchtbar machen könnte. Ferner werden die Ergebnisse auf beiden Seiten zwecks der Beantwortung der Frage nach einem Entwicklungsmodell und -stand in den jeweiligen Räumen gegenübergestellt. Abschließend soll nach einem Erklärungsmodell gesucht werden, das über Kontakte, die beide Räume heute zueinander pflegen, aufklären könnte; des Weiteren welche Erkenntnisse für eine bessere Gestaltung dieser Kontakte gemäß der Berufung der Entwicklungszusammenarbeit gewonnen werden könnten.21

Diese Arbeit steht unter dem Titel ‚Politische Literatur und Good Governance‘. Damit ist sie nicht nur eine Rekonstruktion des entwicklungsgeschichtlichen Verlaufs von Wiederaufbau und Regieren in den jeweiligen Räumen des ausgewählten Korpus. Vielmehr will sie diesen Verlauf an den Idealen messen, die sich das jeweilige Land, der literarischen Fiktion zufolge, dabei gesetzt hat. Die Bestandsaufnahme soll hier einer Reflexion über Staat und Gemeinwesen, Ideal und Praxis von Good Governance und nicht zuletzt über gutes Regieren in einer globalisierten Welt dienen. Sie beruht auf der Prämisse, dass Literatur nicht nur „Reflex der geschichtlichen Prozesse“22 ist, sondern auch „Rat und Antwort auf […] Zeitprobleme“23 sein kann. Im Sinne einer „Literatur der Ungleichzeitigkeit“ nach Leo Kreutzer24 behandelt sie die herangezogenen Romane als „Niederschriften“,25 die, weil sie „Linien, Risse und Verwerfungen ←20 | 21→der Geschichte“26 im Sinne von „Fehlentwicklungen“27 aufzeigen, „wieder ins Spiel gebracht“28 werden29 sollen zwecks Befragung über ihre gegenwärtige Relevanz, aber auch ihre Zukunftsfähigkeit. Der interkulturelle Suchende und Interpret, als den ich mich verstehe, will dabei nicht nur entdecken, konstatieren und eins-zu-eins vergleichen – was auch „abgelesen“30 werden kann –, sondern auch nach „Anlass“31 und „Impulsen“32 zu einer besseren Entwicklung fragen – im „eigenen“ wie im „fremden“ Raum und im „gemeinsamen“ symbolischen ‚Raum der Kontakte und der Zusammenarbeit‘.33 Eine solche interkulturelle Vorgehensweise setzt weder ‚das Eigene‘ noch ‚das Fremde‘ als Norm voraus, von der man lernen sollte – höchstens könnte. Vielmehr will sie über die für den Entwicklungsprozess und -stand der jeweiligen Räume typischen „Fehlentwicklungen“ ←21 | 22→(ebd.) reflektieren, die die Romane ästhetisch modellieren. Die unausbleibliche Herausarbeitung von typischen Wahrnehmungs-, Wertungs- und Verhaltensmustern, die auf beiden Seiten in den Werken wiederkehren und bedeutungstragend sind, dient hier nicht zu einer wertenden Einteilung in ‚schwarzes Schlechtes‘ und ‚weißes Besseres‘, sondern soll zu mehr Bewusstsein über ‚das Eigene‘ und zu einem besseren Verständnis ‚des Fremden‘ beitragen. Denn das Wissen bzw. das Bewusstsein über die Zusammenhänge in den beiden Räumen lässt nicht nur „Handlungsspielräume“34 erkennen, man kann sie auch für die Entwicklung ‚des Eigenen‘, ‚des Fremden‘ und ‚des Gemeinsamen‘ nutzen.35 Das ist nämlich das Verständnis einer interkulturellen Literaturwissenschaft/Germanistik,36 für die u.a. Leo Kreutzer, Serge Glitho und Norbert N’Dong plädierten, dass sie sich als Entwicklungsforschung nützlich machen könne und solle.37

Auch wenn dem Konzept ‚Good Governance‘ die wirtschaftliche Entwicklung oft als Ziel zugeschrieben wird, wird in dieser Arbeit ‚Entwicklung‘ bzw. ‚Fehlentwicklung‘ nicht nur als wirtschaftliche verstanden. Sie bezeichnet auch das Vorankommen bzw. den Rückstand der in den Romanen fingierten Staaten in ihren Bemühungen bzw. Verwerfungen, Errungenschaften bzw. in ihrem Versagen hin zur Konkretisierung von Good Governance, so wie diese Staaten sie auffassen und sich als Ziel setzen. Aus den in den Romanen kontrovers diskutierten Inhalten werden Schlussfolgerungen gezogen und mit anerkannten, außerfiktionalen Prinzipien von Good Governance konfrontiert.38 Auf dieser Basis soll der ←22 | 23→Stand des fraglichen Modells und Kurses festgehalten und eine Perspektive für eine Verbesserung bzw. für ein Korrektiv hergeleitet werden. Die Interpretation der Romane ist werkimmanent,39 rezeptionsästhetisch40 und nicht zuletzt interkulturell41 angelegt. Mehr als nach der wirtschaftlichen Entwicklung der darin fingierten Länder fragt die Arbeit nach dem Wohl ihres Gemeinwesens.

←23 | 24→

In der Praxis der ‚Literatur der Ungleichzeitigkeit‘ (ebd.) muss man, wie Leo Kreutzer schreibt, nicht nur auf ‚Niederschriften‘ zurückgreifen und sie ‚wieder ins Spiel bringen‘ zwecks des Zugewinns an Erkenntnissen für die Gegenwart und die Zukunft (ebd.), sondern man muss auch „suchen, auswählen und aktiv eingreifen“.42 Das beginnt schon mit der Themenstellung und der Zusammensetzung des zu untersuchenden Korpus. Es ist in dieser Arbeit nicht anders.

Die frankophonen, schwarzafrikanischen Länder,43 die in den 1960er Jahren unabhängig geworden sind, sahen sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, Staat und Gemeinwesen selbst weiter zu gestalten.44 Die demokratisch-rechtsstaatliche Staatsform, die die ausscheidenden Kolonialmächte hinterließen, wurde von vielen als Bezugspunkt für die weitere Ausgestaltung und Regierungsführung übernommen. Sie beinhaltet die Gewaltenteilung im Sinne von Montesquieus „Geist der Gesetze“.45 Doch inhaltlich mussten Intellektuelle und andere Akteure noch Maßstäbe – u.a. eine Verfassung – erarbeiten, von denen sie sich leiten lassen können, um das übernommene rechtsstaatliche System zu funktionalisieren. Oder sie mussten ein besseres System etablieren. Ganz gleich, wie dieser Prozess sich entwickeln sollte: Ihr oberstes Ideal, ‚besser‘ wiederaufzubauen und zu regieren als die einstigen Kolonialherren (ebd.), kündigte an, dass es ihnen um Good Governance ging. Fünfzig Jahre später46 sprechen nicht wenige über ←24 | 25→frankophone, schwarzafrikanische Staaten als ‚failed states‘ mit einer ‚bad governance‘. Ebenso frankophone Schwarzafrikaner, die künftig lieber im Ausland als in der Heimat leben wollen. Die kamerunische Wirtschaftswissenschaftlerin Axelle Kabou z.B. spricht diesbezüglich von Afrika als einem Kontinent von „Widersprüchen“ und „Negativrekorden“.47

Wie die frankophonen, schwarzafrikanischen Staaten hat die BRD den Parlamentarismus von den Siegermächten Amerika, England und Frankreich übernommen bzw. auferlegt bekommen. Auch der Auftrag und die Ideale waren gegeben. Die BRD sollte künftig demokratisch und friedlich regiert werden. „Wichtige Schritte zur Erreichung dieses Ziels sind die Ausschaltung des Nazismus und des Militarismus in jeder Form, die sofortige Verhaftung der Kriegsverbrecher zum Zwecke der Bestrafung, die industrielle Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands mit langfristiger Kontrolle des deutschen Kriegspotentials.“48 Deutschland unterzeichnete die Kapitulationsurkunde, in der diese Punkte enthalten sind, am 7. Mai 1945, womit es sich verpflichtete, diesen Anforderungen zu genügen und ‚besser‘ als die Nationalsozialisten zu regieren (ebd.). Doch schon ab 1952 sollte die BRD Soldaten in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) abstellen. Seit 1955 hat sie ein eigenes Militär. Ehemalige Nationalsozialisten wurden in Politik und Verwaltung übernommen. Industriell gilt sie mittlerweile als ‚hochentwickelt‘.49 Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wird sie als erfolgreicher Staat gefeiert. Der Prozess des Wiederaufbaus gilt seitdem als erfolgreich verlaufen und abgeschlossen. Doch fragt man nach dem Wohlbefinden des Einzelnen und nicht nach seinem Wohlstand, spricht die Literatur eher von ‚Scheitern‘.50 Der deutsche Soziologe Heinz Bude z.B. spricht ←25 | 26→diesbezüglich von der BRD als „ironische[r]‌ Nation“; den offiziell gefeierten Erfolg des Landes bezeichnet er als „moralische Katastrophe“.51

Auch auf dem Feld der jeweiligen (politischen) Literaturwissenschaft lassen sich nicht nur ähnliche Rekonstruktionen und Reflexionen analog zu den oben dargestellten finden. Sie zeigen auch, dass der Prozess auf beiden Seiten sich jeweils in vier Schwerpunkten herausarbeiten lässt, wenn diese auch „ungleichzeitig“ sind (ebd.).52 Auf der frankophonen, schwarzafrikanischen Seite sind es: (1) der unmittelbare Wiederaufbau der Staaten durch Intellektuelle mit den Idealen Freiheit und Identität; (2) die Periode von Militärputschen und Diktaturen, die in vielen dieser Länder darauf folgte; (3) das Experimentieren mit dem Sozialismus in manchen dieser Länder; und (4) die heutige Ära der Entwicklungszusammenarbeit mit westlichen Ländern und einstigen Kolonialmächten. Auf deutscher Seite zählt man: (1) die Anfänge der Bonner Republik und ihre Ideale Demokratie und Frieden; (2) den wirtschaftlichen Erfolg der 1950–1960er Jahre, der die BRD zum „Wohlstands- und Wirtschaftswunderland“53 machte, wohin Ostdeutsche flohen und von dem Westdeutsche politisch kaum noch etwas erwarteten, weil sie sich auch selbst verwirklichen konnten; und die Wiedervereinigung, die ohne Reformen erfolgte, obwohl aus der Innenperspektive der lange Zeit als uneingeschränkt wünschenswert angesehenen BRD mittlerweile ein Kontrast zwischen Ideal und bundesrepublikanischer Wirklichkeit auffiel und politisch verhandelt wurde – und zwar (3) einmal aus westdeutscher, dann (4) aus ostdeutscher Sicht.

„Sucht“ man im Sinne Leo Kreutzers näher (ebd.), so findet man eine Reihe von „Niederschriften“, die „geeignet sind, Entwicklungsstufen der [jeweiligen] Gesellschaft zu erinnern“54 – Romane, die den oben geschilderten Prozess in den ←26 | 27→beiden Räumen literarisch verarbeitet haben. „Ausgewählt“ (ebd.) wurde jeweils ein Roman, der eine der vier genannten Entwicklungsstufen in dem jeweiligen Raum thematisiert. Aufseiten der frankophonen, schwarzafrikanischen Literatur sind diese – in der thematischen Reihenfolge, so wie sie oben skizziert wird: „La carte d’identité“ (1980) des Ivorers Jean-Marie Adiaffi; „L’incarcéré“ (1980) des Togolesen Yves-Emmanuel Dogbé; „Le Contestant ou un pasteur chez les Carmélites“ (1973) des Kongolesen (Republik Kongo) Jean-Pierre Makouta-Mboukou und „L’invitation“ (2013) des Togolesen Théo Ananissoh. Aufseiten der deutschsprachigen bzw. deutschen Literatur sind es – auch thematisch geordnet: „Das Treibhaus“ (1953) von Wolfgang Koeppen; „Der Sieger nimmt alles“ (1983) von Dieter Wellershoff; „Finks Krieg“ (1996) von Martin Walser – alle drei Autoren sind Westdeutsche – und „Das Napoleon-Spiel“ (1993) des Ostdeutschen Christoph Hein. Diese Romane stellen das Untersuchungsmaterial für die vorliegende Arbeit dar.

Das Konzept der Good Governance, das Ende der 1980er als Zusatz zu ‚Governance‘ (im 15. Jahrhundert aufgekommen) entstand, von deren Praxis man zunächst angenommen hatte, dass sie im Rahmen eines bestimmten Gesellschaftssystems ‚gut‘ sein würde,55 wurde sehr früh von internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit „als positive Umkehrung der negativen Erfahrung aufgenommen“.56 „Es handelte sich um eine Antwort auf die negativen Folgen der Strukturanpassungsprogramme vom [Internationalen Währungsfonds] und der Weltbank.“57 Doch wie bereits oben erwähnt, kann die internationale Entwicklungszusammenarbeit selbst Ziele verfolgen, die im Widerspruch zum Konzept der Good Governance stehen, vor allem politische und wirtschaftliche. So verlor das Konzept mit der Zeit an Konturen58 und ←27 | 28→schließlich an Inhalt. Auch die zunehmende Erfahrung im Umgang mit Good Governance in Form von Berichten, Programmen, Essays und praktischer Entwicklungspolitik vermag es nicht, mehr Klarheit mit sich zu bringen. Im Gegenteil: „Je mehr Anklang das Konzept in der entwicklungspolitischen Debatte fand“, so Bernhard Vogels anschauliche Feststellung, „desto unübersichtlicher wurde diese.“59 Nicht zuletzt, weil sie oft von der Dialektik ‚Forderer und Förderer‘ vs. ‚Empfänger‘ behaftet ist, wobei nicht nur angenommen wird, dass der Forderer und Förderer es besser wisse und mache, sondern auch seine Anforderungen gerade das seien, was der Empfänger brauche. Das Beispiel von frankophonen, schwarzafrikanischen Staaten und der BRD soll zeigen, dass scheinbar ‚erfolgreiche Staaten‘ genauso viel in Sachen Good Governance nachzuholen haben können wie scheinbar ‚gescheiterte Staaten‘ und dass eine verantwortungsbewusste Zusammenarbeit eine Chance für ihre Etablierung bzw. Verstärkung in den ←28 | 29→kooperierenden Räumen darstellen kann. Anders als der gewöhnliche Anspruch und die Forderung bzw. Förderung, ‚schneller, höher, weiter‘ zu kommen,60 will diese Arbeit die Entwicklungsgeschichte des Konzepts ‚Good Governance‘ in den fingierten Staaten der Romane, hinter denen indes ‚reale‘ Staaten stehen, herausarbeiten, Widersprüche aufzeigen, kritisch über sie reflektieren und, ausgehend davon, eine Perspektive daraus herleiten. Denn seit Anfang des Wiederaufbaus dieser Staaten wollte man schon immer ‚gut regieren‘. Und dafür gab es nicht nur gute Gründe, sondern auch gute Ideale (s. o.).

Weniger als ein Konzept, das „sich mit einem neuen Leitbild der Staatlichkeit befasst, das aufbaut auf funktionsfähigen staatlichen Institutionen, auf dem Respekt vor den Menschenrechten, auf der Betonung der Rechtsstaatlichkeit, auf wirtschaftlicher Vernunft in der Politik und auf der Notwendigkeit der Partizipation aller Schichten und des sozialen Ausgleichs und Friedens“,61 versteht diese Arbeit das Konzept der Good Governance nach wie vor als ein „verantwortungsbewusstes Regierungs- und Verwaltungshandeln, d.h. als den verantwortungsvollen Umgang des Staates mit politischer Macht und öffentlichen Ressourcen“62. Die in der ersten Definition genannten Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit sind zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen für das Erreichen von Good Governance, sodass ein politisch verantwortungsbewusstes und gutes Handeln bleibt.63 Was ‚verantwortungsbewusstes‘ oder ‚gutes‘ Handeln ist bzw. ←29 | 30→wäre, lässt sich aber erst aus den spezifischen Fällen heraus erschließen. Das breit aufgestellte Korpus dieser Arbeit führt in dieser Hinsicht durch verschiedene ‚literarisierte Staaten‘64 in unterschiedlichen Epochen mit verschiedenen Idealen und damit letztlich durch Formen, Vorstellungen und die Praxis von Governance. Die mit Blick sowohl auf die eigenen Ideale dieser ‚Staaten‘ als auch auf textexterne, anerkannte Prinzipien guten Regierens kritisch ausgestaltete Analyse macht, romanimmanent, sichtbar, womit nicht nur Good Governance gelingen, sondern auch woran sie scheitern kann.

Dieser Ansatz folgt der Logik, dass das Konzept der Good Governance zwar „eine Reihe von Themen und Forderungen [bündelt], die ihrerseits zum klassischen Instrumentarium moderner Staatsziele gehören“,65 aber diese Themen und Forderungen staatspolitisch „nichts Neuartiges“ bzw. „nichts Revolutionäres“ beinhalten – „jedenfalls nicht auf den ersten Blick“.66 Nicht zuletzt deshalb – so der „aktive Eingriff“ dieser Arbeit im Sinne Leo Kreutzers (ebd.) – kann ein Rückgriff auf ‚Niederschriften‘, die von Bemühungen wie Verwerfungen, Entwicklungen wie Fehlentwicklungen im Erreichen von Good Governance zeugen, und deren ‚Wieder-ins-Spiel-bringen‘ (ebd.) aufschlussreich sein für das Verständnis des (kultur-, staaten- und epochenspezifischen) Umgangs mit der Machtausübung und darüber hinaus mit dem Ideal der Good Governance. Solch eine Vorgehensweise, die „auf der Anerkennung der Gleichursprünglichkeit und Gleichberechtigung“67 der jeweiligen Kulturräume beruht und „das Wissen um wechselseitige Bedingtheiten des Einen durch den Anderen“ dieser (kooperierenden) Räume einschließt,68 kann zu (kultur-)typischen, wertneutralen Erkenntnissen führen und, soweit die Romane sie formulieren oder ←30 | 31→zulassen, „Rat und Antwort“ (ebd.) für das Erreichen von Good Governance in dem jeweiligen, aber auch im gemeinsamen Raum der Kontakte und Zusammenarbeit bieten. Sie stellt die Entwicklungszusammenarbeit zwischen frankophonen, schwarzafrikanischen Ländern und der BRD bzw. westlichen Ländern nicht infrage, die, wie zu zeigen sein wird, in anderen Bereichen ertragreich ist, sondern soll ein Beitrag zur Reflexion und Diskussion über ein Konzept sein, das bisher westeurozentriert ist, selten in westeuropäischer Praxis hinterfragt wird und nun hier wie dort zunehmend als ‚schlecht‘ und als ‚Scheitern‘ (ebd.) angeprangert wird: Good Governance.

1Vgl. Frantz Fanon: Peau noire, masques blancs. Paris 1952.

2Vgl. Reymer Klüver: Die letzten Tage des Patrice Lumumba. In: Geo Epoche Nr. 66: Afrika 1415–1960. Die Geschichte eines Kontinents. März 2014, S. 141–151.

3„Es bedarf keiner näheren Erläuterung“, so Alois Wierlacher, „dass Blockdenken auch nach der Auflösung weltpolitischer Blockbildung mitverantwortlich dafür ist, dass in der westlichen Welt [das gilt auch für die schwarzafrikanischen Länder – genauso gut wie die Kolonisation und die Sklaverei, H.v.m., N.S.] das Fremde und das Eigene immer noch als Oppositionsbegriffe verstanden werden wie […] ‚hell und dunkel‘, ‚gut und böse‘. […] Von diesem Denken rückt die interkulturelle Germanistik [unter deren Fachbegriff die vorliegende Arbeit steht, H.v.m., N.S.] dezidiert ab, indem sie nicht mehr den Kontrast zwischen Identität und Alterität, sondern ihre wechselseitige Konstitution ins Zentrum der Kommunikationsprozesse rückt.“ Bereits bei ihrer Vorstellung 1985 verband Wierlacher die „interkulturelle Germanistik“ mit einem Fach, wo die „kulturelle Vielfalt der Ausgangspositionen, Fragestellungen und Annäherungsweisen nicht für ein Handicap [gehalten werden], sondern für einen Vorteil […], der im Dialog der Kulturen praktisch werden und zur internationalen Zusammenarbeit befähigen“ solle. Ders.: Vorwort. In: Alois Wierlacher/Andrea Bogner (Hrsg.): Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart 2003, S. IX–XII, hier S. IX; Ders.: Interkulturalität. In: Ders. (Hrsg.): Ebd., S. 257–264, hier S. 260.

4Vgl. Rudolf Dolzer: Good Governance. Genese des Begriffs, konzeptionelle Grundüberlegungen und Stand der Forschung. In: Rudolf Dolzer et al. (Hrsg.): Good Governance. Gute Regierungsführung im 21. Jahrhundert. Freiburg 2007, S. 13–23, hier S. 18; Volker Seitz: Afrika wird arm regiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann. München 2012, S. 167.

5Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kalter_Krieg. Unter „Dialog und Verlagerung in Drittländer“, „Stellvertreterkriege in der Dritten Welt“; „geheime Kriege“ oder „schmutzige Kriege“ (gesehen am 25.10.2015).

6Afrika heute ‚ein unfertiges Haus‘ – Interview mit Andreas Eckert. In: Geo Epoche Nr. 66. Ebd., S. 152–155, hier S. 154 f.; Volker Seitz: Afrika wird arm regiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann. A. a. O., S. 81; Brigitte Seeberg: VR Benin. Entwurf und stille Liquidation des sozialistischen Weges durch die Militärregierung. In: Reiner Steinweg/Bernhard Moltmann (Hrsg.): Militärregime und Entwicklungspolitik. Frankfurt a.M. 1989, S. 151–168.

7Vgl. Rudolf Dolzer: Good Governance. Genese des Begriffs, konzeptionelle Grundüberlegungen und Stand der Forschung. A. a. O., S. 18.

8Bernhard Vogel: Einführung. In: Rudolf Dolzer et al. (Hrsg.): Ebd., S. 7–12, hier S. 8.

9Vgl. Karl Lamers: Globale Sicherheit als außenpolitisches Ziel. In: Rudolf Dolzer et al. (Hrsg.): Ebd., S. 88–106, hier S. 96; Volker Seitz: Ebd., S. 24, 163.

10Unter https://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklungszusammenarbeit (gesehen am 06.09.2016).

11Volker Seitz: Ebd., S. 154.

12Karl Lamers spricht diesbezüglich von „Paktieren mit Diktaturen“. Ders.: Globale Sicherheit als außenpolitisches Ziel. A. a. O., S. 96.

13„Politisch werden die Regierungen von den Supermächten umworben, auch finanziell. Doch das Geld, das die jungen Staaten erhalten, investieren viele Herrschende nicht in Infrastruktur, Bildung oder Gesundheitssystem, sondern kaufen sich Waffensysteme oder behalten die Millionen gleich für sich. In den gut drei Jahrzehnten seiner Herrschaft über den Kongo wird Mobutu mehrere Milliarden Dollar beiseiteschaffen. Auch die Herrscher in anderen afrikanischen Staaten […] bereichern sich maßlos, während die Einheimischen darben.“ Reymer Klüver: Die letzten Tage des Patrice Lumumba. Ebd., S. 151. Vgl. Ahmed S. El-Kosheri: Good Governance aus der Perspektive der Empfängerländer. In: Geo Epoche Nr. 66: Ebd., S. 36–44; Axelle Kabou: Weder arm noch ohnmächtig. Eine Streitschrift gegen schwarze Eliten und weiße Helfer. Basel 1993, S. 150; Volker Seitz: Ebd., Klappentext.

Details

Seiten
334
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631764077
ISBN (ePUB)
9783631764084
ISBN (MOBI)
9783631764091
ISBN (Hardcover)
9783631748589
DOI
10.3726/b14506
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Postkolonialismus Wiederaufbau Gute Regierungsführung Nachkriegsliteratur Engagierte Literatur Entwicklungszusammenarbeit
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 333 S.

Biographische Angaben

N’Tchombitché Séidou (Autor:in)

N´Tchombitché Séidou studierte Germanistik mit dem Schwerpunkt Politische Literatur in Lomé und Mainz und promovierte anschließend an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er war als Wahlbeobachter und Assistent der EU-Wahlbeobachtungsmission in Togo sowie als Projektleiter und Repräsentant von Togo-Kinder Zukunftschance e.V. tätig.

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Titel: Politische Literatur und Good Governance
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