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Wiener Slawistischer Almanach Band 79/2017

Slavistische Linguistik 2015. Referate des 41. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens in Wien. Literaturwissenschaftliche Beiträge. Texte und Materialien Rezensionen

von Aage A. Hansen-Löve (Band-Herausgeber:in) Angelika Hechtl (Band-Herausgeber:in) Renate Rathmayr (Band-Herausgeber:in) Tilmann Reuther (Band-Herausgeber:in)
©2018 Sammelband 344 Seiten

Zusammenfassung

Der Band vereinigt Beiträge deutscher, österreichischer und Schweizer slavistischer Linguistinnen und Linguisten des «Konstanzer Kreises» sowie literaturwissenschaftliche Beiträge aus Russland, Israel, den USA, der Schweiz und Deutschland.
Die linguistischen Aufsätze betreffen klassische und innovative Bereiche der Sprachwissenschaft (von Morphologie und Syntax bis Diskursanalyse und Medienlinguistik).
Die literaturwissenschaftlichen Beiträge behandeln die altrussische Poetik, das Zaubermärchens und Gogol, Detektiv-Motive von Belyjs Peterburg, Fragen der Literaturverfilmung und das Verhältnis von Kuzmin und der Achmatova.
Hinzu kommt eine vollständige Erfassung der Bibliothek N. Gumilevs.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Linguistische Beiträge: XLI. Konstanzer Slavistisches Arbeitstreffen
  • SMS nagradna igra – eine Konstruktion zwischen Syntax und Wortbildung (U. Doleschal (Klagenfurt))
  • Sprachwahl österreichischer und internationaler Unternehmen auf Webseiten für den kasachischen Markt (A. Hechtl (Wien))
  • Aspekte der Sprachverwendung in zentralen Regionen der Ukraine (G. Hentschel / J.P. Zeller (Oldenburg / Hamburg))
  • Picture-naming task: Methode und Ergebnisse einer Studie mit russisch-deutschen Bilingualen (M. Krause (Hamburg))
  • Diffuse Mitteilungen und andere totalitäre Sprechhandlungen (H. Kuße (Dresden))
  • Zur Variation von Relativpronomina im Altpolnischen: Die Rolle der Relativisatoren (I. Mendoza (Salzburg))
  • Neuere und ältere Genres in der russischen Unternehmenskommunikation (R. Rathmayr (Wien))
  • Berichterstattung zum Thema Russland. Redewiedergabe und ihre Funktion im Berichtstext (Ch. Sappok (Bochum))
  • Literaturwissenschaftliche Beiträge
  • The Place named Suri on Afansij Nikitin’s return journey through India (S. Kempgen (Bamberg))
  • Мотивы русской волшебной сказки в повести Вий (С. Шульц (Санкт-Петербург))
  • Детектив времени в «Петербурге» Белого (М. Левина-Паркер / М. Левин (Irvine))
  • Литература на экране (О. Буренина (Zürich))
  • «Выше стропила …». О брачной гипограмме в стихотворениях Кузмина и Ахматовой (Л. Панова (Москва))
  • Параллельные вселенные Давида Шраера-Петрова (Р. Кацман (Ramat-Gan, Israel))
  • Texte und Materialien
  • Материалы о библиотеке Н.С. Гумилева в собрании Пушкинского дома (В.В. Филичева (Санкт-Петербург))
  • Rezensionen
  • Natal’ja Azarova, Kirill Korčagin, Dmitrij Kuz’min, Vladimir Plungjan, Svetlana Bočaver, Boris Orechov und Evgenija Suslova, Poėzija. Učebnik (R. Grübel)
  • Isabel Wünsche, Kunst & Leben. Michail Matjuschin und die Russische Avantgarde in St. Petersburg (V. Hildebrand-Schat)
  • Dagmar Gramshammer-Hohl (Ed.), Aging in Slavic Literatures. Essays in Literary Gerontology, Bielefeld 2017 (St. Simonek)

XLI. KONSTANZER
SLAVISTISCHES ARBEITSTREFFEN

WIEN, 8. - 11. SEPTEMBER 2015

Herausgegeben von Angelika Hechtl, Renate Rathmayr und Tilmann Reuther
← 5 | 6 →

Wiener Slawistischer Almanach, Band 79 (2017), 7-13

Ursula Doleschal

SMS NAGRADNA IGRA – EINE KONSTRUKTION ZWISCHEN SYNTAX UND WORTBILDUNG

1. Einleitung

Das Phänomen, um das es an dieser Stelle geht, ist eine Struktur des Kroatischen, die offensichtlich durch Sprachkontakt mit dem Englischen entstanden ist und in dieser speziellen Ausprägung erst seit den 1990er Jahren beobachtet wird (vgl. Doleschal 1999). Dabei tritt ein Substantiv oder eine Wortgruppe – zumeist ein Name – wie z.B. Konzum, der Name einer kroatischen Supermarktkette, aber durchaus nicht immer (wie etwa in 1d und 1e, wo wir Appellativa vorfinden) in einer Nominalphrase (NP) links von einem flektierten Adjektiv auf. Dieses linke Substantiv bzw. die Wortgruppe mit Substantiv wie im Falle von omega 3, modifiziert den rechts davon befindlichen Teil der NP.

   (1) Das Phänomen: N[[A][N]]-Struktur

        a) KonzumN [[nagradnaA] [igraN]] ‘Konzum-Gewinnspiel’

        b) u bilo kojem KonzumN [[prodajnomA] [mjestuN]] ‘in jedem Konzum-Verkaufslokal’

        c) Konzum benz N [[benzinskaA] [postojaN]] ‘Konzum-benz-Tankstelle’

        d) SMSN [[nagradnaA] [igraN]] ‘SMS-Gewinnspiel’

        e) omegaN 3 [[masneA] [kiselineN]] ‘Omega-3-Fettsäuren’

Diese Struktur entspricht nicht dem Sprachsystem slawischer Sprachen. An der Stelle des linken Substantivs kann im Normalfall nur ein Adjektiv, Numerale oder adjektivisches Pronomen stehen oder ein Adverb, das das folgende Adjektiv modifiziert (vgl. Mološnaja 1975; 1985).

In der Literatur findet sich nur bei Naylor (1982) ein früherer Hinweis auf eine vergleichbare dreiteilige Nominalphrase, in der das englische Adjektiv portable als indeklinables Element sozusagen „mitimportiert“ wurde: portabl pisaća mašina ‚tragbare Schreibmaschine‘. Dieser Fall ist aber insofern anders, als das indeklinable linke Glied in der Ausgangssprache ebenfalls ein Adjektiv ist und daher auch in der Zielsprache als solches angesehen werden kann. ← 7 | 8 → Es stellt sich daher die Frage, wie man mit diesen neuartigen Strukturen aus grammatikographischer und grammatiktheoretischer Sicht umgehen soll.

In der kroatistischen Literatur werden die N(AN)-Strukturen, wie ich sie nennen möchte, stets in einem Atemzug mit einer viel älteren Struktur behandelt, den sogenannten polusloženice oder Semikomposita, bei denen zwei oder mehr Substantive zusammengefügt werden (vgl. Horvat, Štebih Golub 2010; Sapunar Težević, Togonal 2012; Badurina, Marković, Mičanović 2008, 147; Starčević 2006). Diese Strukturen entsprechen dem, was man in anderen Sprachen einfach als Komposita bezeichnen würde: Sie bilden eine morphosyntaktische Einheit, d.h., die Bestandteile können nicht getrennt werden, und flektiert wird nur das rechteste Glied, das den Kopf der Struktur bildet, z.B.

In der Kroatistik werden diese polusloženice (Semikomposita) von den eigentlichen složenice (Komposita) unterschieden, weil die zusammengefügten Wörter ihren eigenständigen Akzent und ihre Semantik behalten und weil sie außerdem kein Fugenelement enthalten wie ein echtes Kompositum wie z.B. vod-o-pad (Barić, Malić 1976). Im Übrigen wird das erste Glied als Determinans und das zweite als Determinatum beschrieben, d.h., es besteht zwischen den Gliedern eine „attributive Beziehung“. Babić (1986, 32) betrachtet die Semikomposita als ein Phänomen an der Grenze zwischen Syntax und Wortbildung. Diese Bemerkung ist insofern interessant, als sie die Besonderheit der N(AN)-Struktur als Phänomen zwischen Morphologie und Syntax vorwegnimmt, ohne dass dafür syntaktische Gründe bestünden. Nichtsdestoweniger handelt es sich bei Semikomposita um Wörter, nicht um Phrasen, vgl.:

In der Kroatistik werden Semikomposita heute dennoch stets zusammen mit den N(AN)-Strukturen behandelt, und es drängt sich daher die Frage auf, ob es sich dabei tatsächlich um zwei Spielarten desselben Phänomens handelt.

Dieser Frage lohnt es sich nachzugehen. Als erster Schritt soll jedoch die Produktivität der N(AN)-Struktur überprüft werden.

2. Ist die N[AN]-Struktur produktiv?

Aus den kroatistischen Arbeiten geht nicht hervor, ob die N[AN]-Struktur häufig auftritt und ob sie produktiv ist. Es könnte ja sein, dass es sich dabei um ein ← 8 | 9 → unkontrolliertes Auftreten in den 1990er Jahren gehandelt hat, das danach durch sprachpflegerische Maßnahmen wieder verschwunden ist.

Das Auffinden von N[AN]-Strukturen ist trotz elektronischer Korpora nicht automatisch möglich, sondern es ist notwendig, nach bestimmten Syntagmen zu suchen, die man bereits vorher kennt, bzw. Textsorten, bei denen diese Strukturen erwartbar sind, systematisch auf Vorkommensfälle zu prüfen. In den 1990er Jahren trat die Struktur lediglich in Werbetexten auf (s. Doleschal 1999).

Daher habe ich im Internet zunächst nach dem bereits in den 1990er Jahren vorhandenen Syntagma nagradna igra gesucht. Und tatsächlich gibt es eine eigene Webseite1, auf der aktuelle Gewinnspiele veröffentlicht werden können. Auf dieser Seite tritt die gesuchte Struktur gehäuft auf. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass sie generell sehr häufig ist. Daher habe ich weitere Texte im Internet und in Zeitschriften überprüft.

Ich habe zwei kroatische Zeitschriftenhefte des Jahres 2014 (Sensa Nr. 74, Februar 2014, und Autoklub Nr. 713, 14. Februar 2014) vollständig ausgewertet und darin jeweils acht bzw. drei Vorkommensfälle gefunden. Weiterhin habe ich die Webseiten der Supermarktkette Konzum, einer kroatischen Firma, durchsucht und davon 15 Unterseiten unter der Rubrik „Usluge kupcima“ ‚Dienstleistungen für Kunden‘ ausgewertet.2 Dort waren insgesamt vier Vorkommensfälle zu verzeichnen. In allen Fällen handelte es sich um Werbe- oder PR-Texte. Die Semikomposita hingegen kamen auf diesen Seiten und auch in den Zeitschriften viel häufiger vor, und was noch auffällt – Semikomposita kommen in verschiedenen Textsorten vor, sind also stilistisch nicht beschränkt.

Selbstverständlich sind solche pragmatische Faktoren jedoch kein hinreichender Grund für eine morphologische Analyse. Betrachten wir daher nun die N[AN]-Struktur genauer, vielleicht kommen wir dadurch zu einer Lösung für beide Strukturen.

3. Zwei Analysemöglichkeiten

In (Doleschal 1999; 2016) habe ich die N[AN]-Struktur als A[AN]-Struktur interpretiert und das indeklinable Nomen links als indeklinables Adjektiv angesehen. Mein Hauptargument war, dass es sich einerseits in der syntaktischen Position eines attributiven Adjektivs befindet, andererseits auch die Semantik eines adjektivischen Attributs hat und drittens in der Regel durch ein Possessivadjektiv ersetzt werden kann (aber vgl. unten (4)). Obwohl für die Analyse des indeklinablen Nomens als indeklinables Adjektiv einiges spricht (vgl. Doleschal 2016) ist sie dennoch unbefriedigend, weil sie eine Verdoppelung des Wortartstatus für eine uneingeschränkte Anzahl an Substantiven nach sich zieht. ← 9 | 10 →

In der Zwischenzeit haben sich auch zwei kroatische Linguisten der Sache angenommen: Anđel Starčević und Ivan Marković. Sie plädieren für eine Analyse des Ganzen als Appositionskonstruktion, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Starčević (2016) zeigt, dass die fraglichen Lexeme in vielen Fällen von der linken auf die rechte Seite verschoben werden können – ein klassischer Test zur Bestimmung von Appositionen (vgl. Meyer 1992, 41). Die Semantik seines Beispiels Iris grupa (4) ‚Iris-Gruppe‘ zeigt auch deutlich, dass es sich hier um eine rein onymische Funktion handelt, um eine semantische Relation, die bedeutet, dass es sich um eine Entität des Namens Iris handelt, eine zentrale Funktion von Appositionen (vgl. Meyer 1992, 76). Das wird durch die Unmöglichkeit eines Ersatzes durch ein Possessivadjektiv in diesem Fall deutlich:

Starčević schreibt in weiterer Folge, dass die NN- und NAN-Strukturen (die auch er zusammen behandelt), jedoch auch andere semantische Relationen symbolisieren, wobei stets das linke Glied das rechte modifiziert. Eine NP wie Konzum prodajno mjesto ‚Konzum-Verkaufslokal‘ kann also eine Attributrelation zwischen Konzum und prodajno mjesto aufweisen, die z.B. Possessivität bedeutet; oder eine typische Eigenschaft des Kopfes wie in Billa usluge ‚Billa-Dienste‘, eine lokale Relation wie in internet usluge ‚Internetdienste‘, Zweck shopping kartica ‚Shoppingkarte‘, Inhalt jagoda cocktail ‚Erdbeercocktail‘ u.a.

Dieses Oszillieren zwischen den Bedeutungen der Modifikation und der Namensgebung ist laut Starčević erwünscht und macht den Reiz dieser Strukturen aus. Starčević analysiert somit nur einen Teil seiner (zahlreichen) Beispiele als Appositionen, die anderen als substantivische Attribute. Er plädiert dementsprechend auch für die Anerkennung einer neuen syntaktischen Struktur im Kroatischen:

Einen etwas anderen Standpunkt vertritt Marković (2008; 2010). Erstens erklärt er, dass Adjektive im Kroatischen immer auch im Prädikat stehen können und es sich daher bei Wörtern wie portabl (s.o.) nicht um Adjektive handelt. Zweitens plädiert er für eine einheitliche Struktur der Appositionskonstruktion im Kroatischen, sodass die Apposition immer rechts (als Determinans) von ihrem Bestimmungswort zu stehen kommt. Dennoch möchte er solche Fälle wie Mazda prodajno mjesto (5) als Appositionskonstruktionen analysieren, und zwar so, ← 10 | 11 → dass Mazda in diesem Falle deonymisiert wäre und eine bestimmte Art von Objekten verträte, die durch das rechte Substantiv als Apposition näher bestimmt würde, also z.B. ‚Mazda, Verkaufslokal‘ im Gegensatz zu ‚Mazda, Limousine‘ (5b); analog zu Marko mačak ‚Marko, der Kater‘ und Marko učitelj ‚Marko, der Lehrer‘ (5a):

Dagegen spricht jedoch ein anderer Teil seiner Analyse – dass nämlich der Kopf der Appositionskonstruktion immer das erste linke Glied sei wie bei hotel Kolovare ‚dass.‘ (6a) – in unserem Beispiel wird aber das rechte Substantiv, bzw. die ganze rechte NP, flektiert, also prodajno mjesto (6b vs. c).

Dieser Widerspruch zwischen den Vorannahmen von Marković (2008) – dass das linke Glied einer Appositionskonstruktion der Kern ist und in dieser Eigenschaft auch flektiert wird, während die rechts davon befindliche Apposition unflektiert bleiben kann – und der morphologischen Realität sprechen gegen diese Analyse.

Aber auch Starčevićs Vorschlag mit dem Namen als linksseitiger Apposition, wenn dieser eine rein onymische Funktion erfüllt, ist problematisch. Er entspricht nicht den Gepflogenheiten der kroatischen Grammatikschreibung: In der Regel wird der Name als Kern, als Kopf einer Konstruktion betrachtet, weil er das Glied mit dem geringsten Bedeutungsumfang ist, also z.B. gospođa Mijić, wo traditionell gospođa als Apposition zum Namen analysiert wird (vgl. Znika 2008; 2009 und als Gegenposition Marković 2008). Und vor allem Fälle wie Zagreb centar ‚Zagreb Zentrum‘ oder Zagreb mjesto ‚Zagreb Stadt‘ können nicht als Appositionskonstruktion mit dem linken Glied in Funktion des Determinans, also der Apposition, gesehen werden, ebensowenig wie Marko student ‚Marko, der Student‘. In diesen Fällen hat das rechte Substantiv die Funktion des Determinans, welches die Referenz des Namens einschränkt, und nicht umgekehrt, die Funktion der Bezeichnung eines Objekts, dessen Name dieses näher bestimmt. Somit bleibt auch die Analyse als Apposition unbefriedigend. ← 11 | 12 →

4. Was also tun?

Intuitiv entsprechen die N[AN]-Konstruktionen Komposita. Die deskriptive Grammatik der slawischen Sprachen kennt wie gesagt keine entsprechende Wortstruktur – wie übrigens auch die Grammatik des Deutschen. Im Deutschen treten derartige Beispiele jedoch so gut wie nicht auf. (Einmal habe ich FIS alpine Schiweltmeisterschaft gelesen, das war aber die einzige Beobachtung).

Das Problem ist dabei das Ineinandergreifen von Syntax und Wortbildung, die spätestens seit dem Strukturalismus als strikt getrennt und voneinander autonom angenommen werden – mit gelegentlichen Versuchen einer Öffnung, wie in der generativistischen Diskussion um „anaphoric peninsulas“ in den 1980er Jahren. Neuerdings bietet die Konstruktionsgrammatik3 eine derartige Alternative an: phrasal names (Booij 2004, 169–192). Booij (2004, 185) analysiert die [AN]-Syntagmen ähnlich gelagerter Fälle des Niederländischen wie wereld rode wijn ‚Weltklasserotwein‘ als feste Wortverbindungen und damit als lexikalisiert. Vor allem aber kann das fragliche Adjektiv nicht modifiziert werden, ohne dass sich die Bedeutung des Syntagmas verändern würde. Unter diesen Bedingungen können in diesem Grammatikmodell NPs die Basis von Komposita sein.

Um diese Analyse als „phrasal names“ auf die N[AN]-Strukturen des Kroatischen zu übertragen, bedarf es einer eingehenden Untersuchung der Vorkommensfälle im Hinblick auf die von Booij genannten Bedingungen. Diesem Thema werden wir uns bei einem der nächsten Treffen widmen.

Literatur

Primärquellen

Autoklub, Broj 713, 14. veljače 2014, Zagreb: EPH.

Sensa. Magazin za sretniji život, Veljača 2014, Broj 74, Zagreb: Adria Media. www.nagradneigre.hr, Zugriff vom 29.04.17.

http://www.konzum.hr/Usluge-kupcima, Zugriff vom 18.09.2015.

Sekundärliteratur

Badurina, L., Marković I., Mićanović K. 2008. Hrvatski pravopis. Drugo izdanje, Zagreb: Matica hrvatska.

Babić, S. 1986. Tvorba riječi u hrvatskom književnom jeziku. Nacrt za gramatiku, Zagreb: JAZU.

Booij, G. 2004. Construction Morphology, Oxford: Oxford University Press. ← 12 | 13 →

Doleschal, U. 1999. »Milka«, »Duracell« und andere adjektivische Wortungereimtheiten“, in: Anstatt, T., Meyer, R., Seitz, E. (Hg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik aus Deutschland und Österreich, München: Sagner, 87-98.

Doleschal, U. 2015. »Završena velika Konzum nagradna igra« – on the status of premodifying nouns in Croatian, Fluminensia 27, (2015), 191-202. hrcak. srce.hr/file/223577 (02.08.2016)

Horvat, M., Štebih Golub, B. 2010. Posledice internacionalizacije u hrvatskome jeziku“, Rasprave instituta za hrvatski jezik i jezikoslovlje 36/1 (2010), 1-21.

Marković, I. 2008. Hrvatska apozitivna sintagma i sintaksa imenâ, Folia onomastica croatica 17, (2008), 119-137. http://hrcak.srce.hr/43385 (02.08.2016)

Marković, I. 2010. Uvod v pridjev, Zagreb: Disput.

Meyer, C. F. 1992. Apposition in contemporary English, Cambridge: Cambridge University Press.

Mološnaja, T. N. 1975. Substantivnye slovosočetanija v slavjanskih jazykah, Moskva: Nauka.

Mološnaja, Tatjana N. 1985. Ad"jektivnye slovosočetanija v slavjanskih i balkanskih jazykah, Moskva: Nauka.

Naylor, K. 1982. Phonology Affecting Morphology: The Case of Serbocroatian Indeclinables, International Journal of Slavic Linguistics and Poetics, 25-26, (1982), 291-295.

Sapunar Težević, A., Togonal, M. 2012. „Hrvatski jezični standard u jeziku javne komunikacije. Uloga medija u oblikovanju hrvatske jezične svijesti i kulture“, Medianali 6/12 (2012), 18-34.

Starčević, A. 2006. Imenice kao atributi – nove strukture u hrvatskom jeziku“, in: Granić, Jagoda (Hg.), Jezik i mediji: zbornik, Split: Hrvatsko Društvo za Primijenjenu Lingvistiku, 645-655.

Znika, M. 2008. Sintaktički i semantički položaj apozicije“, Jezik. 55/4 (2008), 129-143. http://hrcak.srce.hr/63109 (02.08.2016)

Znika, M. 2009. Apozicija i sročnost, Jezik. 56/2 (2009), 64-70. http://hrcak.srce.hr/92113 (02.08.2016).

Abstract

Croatian constructions as Konzum nagradna igra or omega 3 masne kiseline pose a problem for traditional grammatical description, since they contain an inflected adjective between two nouns in what looks like a compound. Two analyses from the literature are presented and discarded as unsatisfactory. Construction morphology seems to offer a way out of the dilemma. ← 13 | 14 → ← 14 | 15 →


1       www.nagradneigre.hr, Zugriff vom 29.04.17.

2       http://www.konzum.hr/Usluge-kupcima, Zugriff vom 18.09.2015.

3       Ich danke den Teilnehmer_innen am Konstanzer Treffen 2015 für den Hinweis auf die Konstruktionsgrammatik.

Wiener Slawistischer Almanach, Band 79 (2017), 15-36

Angelika Hechtl

SPRACHWAHL ÖSTERREICHISCHER UND INTERNATIONALER UNTERNEHMEN AUF WEBSEITEN FÜR DEN KASACHISCHEN MARKT

1. Einleitung

Im Rahmen dieser Untersuchung wird der Frage nachgegangen, welche Sprachwahl internationale und österreichische Unternehmen für ihre Webpräsenz in Kasachstan treffen und wie sie diese Webseiten lokalisieren.

Insbesondere spannend ist die Frage, ob die Wahl auf (1) Russisch als eine weit verbreitete Sprache im postsowjetischen Raum sowie offizielle Sprache des Landes, (2) Kasachisch als Staatssprache oder (3) auf Englisch als globale Wirtschaftssprache fällt. Eine weitere in Frage kommende Sprache ist im Fall des österreichischen Standortes des Mutterunternehmens (4) Deutsch.

Hierfür wurden sämtliche verfügbare Webseiten in Kasachstan tätiger österreichischer Unternehmen aufgerufen, ein Korpus K1 mit den Funden erstellt, sowie die entsprechenden Stellen annotiert und für die Analyse vorbereitet.

Um einen Vergleich anstellen zu können wurden Webseiten jener Firmen untersucht, die von der kasachischen Regierung als Erfolgsunternehmen eingestuft wurden. Hierbei handelt es sich um große internationale Firmen, die der Einschätzung der kasachischen Regierung zufolge besonders erfolgreich am kasachischen Markt sind. Diese vergleichsweise kleinere Gruppe ist im Korpus K2 archiviert.

Die Korpora sind über die Plattform github1 zugänglich sowie im Repository archiviert. Sämtliche Beobachtungen können somit nachvollzogen werden. Da es sich bei Webseiten um einen Forschungsgegenstand handelt, der raschen Veränderungen unterworfen ist, wurden im April 2017 sämtliche Webseiten ins Internetarchiv2 geladen und sind dort abrufbar.

Zielsetzung dieser Untersuchung ist es herauszufinden, welche Sprache von den Unternehmen als geeignetste Verkehrssprache für den kasachischen Markt angesehen wird. ← 15 | 16 →

2. Sprachensituation in Kasachstan und methodischer Zugang

Um die sprachlichen Funde auf den Webseiten besser einordnen zu können, bedarf es zunächst einer kurzen Skizzierung der aktuellen Sprachensituation im zentralasiatischen Staat Kasachstan.

2.1. Sprachensituation in Kasachstan

Die russische Sprache war jahrzehntelang die dominante Sprache der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 gingen sprachenpolitische Änderungen einher: So wurde 1991 per Erlass festgelegt, dass Kasachisch als Sprache der Titularnation als einzige Staatssprache fungiert.

Alpatov (2000), Orusbaev et al. (2008) sowie Smagulova (2008) halten jedoch fest, dass das Kasachische noch nicht so weit entwickelt war, dass es die russische Sprache in all ihren Domänen ersetzen hätte können. Vor allem urbane Räume waren und sind russischsprachig geprägt, ebenso dominierte das Russische weiterhin in vielen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen sowie auch im Wirtschaftssektor (vgl. Smagulova 2011, 28).

Bereits 1995 wurde dem Russischen erneut der Status einer offiziellen Sprache zuerkannt, wobei einzig Kasachisch als „Staatssprache“ bezeichnet und Russisch als „offizielle Sprache“ betitelt wurde (Smagulova 2008). Sämtliche legislativen Dokumente und offiziellen Ankündigungen sind sowohl auf Kasachisch als auch auf Russisch verfügbar. Dennoch wird für Rechtsgeschäfte empfohlen, das Kasachische zu benutzen (vgl. Smagulova 2008, 180 ff).

In Kasachstan ist der Sprachwechsel vom dominanten Russischen zum Kasachischen jedenfalls noch nicht vollständig durchgeführt (vgl. hierzu Pavlenko 2008). Aneta Pavlenko ist es auch, die eine allgemeine Einschätzung zur aktuellen Situation des Russischen in Zentralasien liefert: “[T]he spheres of Russian language use have narrowed down in Central Asia, both as a result of language politics and as an outcome of migration (Pavlenko 2008, 22).“

Erhebungen der letzten drei Volkszählungen belegen die Wirkung der Sprachenpolitik auf die sprachliche Situation des Landes.

Die untenstehende Tabelle bezieht sich auf die Sprachbeherrschung der Bevölkerung Kasachstans beim sowjetischen Zensus 1989 und bei den letzten zwei Volkszählungen 1999 und 2009: ← 16 | 17 →

Hieraus wird deutlich, dass Einwohner*innen Kasachstans in mehreren Sprachen über ein höheres Sprachniveau verfügen. Kompetenzen in der Sprachverwendung sowohl des Russischen als auch des Kasachischen nehmen zu. Zwischen 1999 und 2009 bleiben die Sprachkenntnisse innerhalb der kasachischen Bevölkerung weitgehend stabil.

Die kasachische Regierung setzt seit geraumer Zeit weitreichende Maßnahmen, um die Mehrsprachigkeit innerhalb der Bevölkerung zu fördern: so etwa wurde 1997 ein Programm mit dem Titel „Kasachstan 2030“ verabschiedet, auf dessen Grundlage sämtliche Geschicke des Landes gelenkt werden sollen. Ein gewichtiger Punkt dieses Plans betrifft die Sprachenfrage – darin ist im Abschnitt „Die Mission Kasachstans“ folgendes festgehalten:

Wesentlich erscheint hier die geforderte Dreisprachigkeit (Kasachisch, Russisch und Englisch) der Landesbevölkerung. 2013 wurde das Programm „Kasachstan 2030“ erfolgreich evaluiert und die Ziele für erreicht erklärt. Bald darauf wurde vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nazarbaev ein neuerliches Dokument zur Entwicklung des Landes vorgelegt: „Kasachstan 2050“. Hier wird im Vergleich zum vorangehenden Plan wesentlich ausführlicher, immerhin auf einer ganzen Seite, die bis 2050 angestrebte Entwicklung der Sprachensituation im Land beschrieben. ← 17 | 18 →

Ziel ist es, dass bis zum Jahr 2025 bereits 95% der Bevölkerung des Kasachischen mächtig sind. Ebenfalls bis 2025 soll das Kasachische auf die Latinica umgestellt werden.3

Explizierter wird hier die Rolle beschrieben, die dem Englischen zugedacht wird:

    Мы должны сделать рывок в изучении английского языка. Владение этим «лингва франка» современного мира откроет для каждого гражданина нашей страны новые безграничные возможности в жизни. (Nazarbaev 2012, 28)

    Wir müssen einen Sprung nach vorne beim Erlernen der englischen Sprache machen. Das Beherrschen dieser „Lingua franca“ der modernen Welt eröffnet jedem Bürger unseres Landes neue unbegrenzte Möglichkeiten im Leben. (Übersetzung A. H.)

Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die für die Bevölkerung geforderte gelebte Mehrsprachigkeit nicht zu funktionieren scheint: Das Strategiepapier Kasachstan 2050 ist nur in den Sprachen Russisch und Kasachisch abrufbar, in englischer Sprache ist es nicht verfügbar. Dennoch ist es beachtenswert, dass dem Englischen ein derart prominenter Stellenwert beigemessen wird.

Auch an anderer Stelle, nämlich im Strategiepapier „100 konkrete Schritte“ (zur Umsetzung der Ziele aus „Kasachstan 2050“) wurde am 20. Mai 2015 unter dem Punkt „Industrialization and economic growth“ die Bedeutung der englischen Sprache zweifach hervorgehoben: (1) soll Englisch die Sprache des Finanzsektors werden: „72. Making English the official language of the financial center. Its independent legislation must be developed and applied in English language.”; (2) wird gefordert, mehr Ausbildungsangebote auf Englisch anzubieten und somit die Chancen der Bürger*innen am Jobmarkt zu erhöhen: „79. Stage-by stage transition to the use of the English language in the education system. The main aim is to increase competitiveness of students when they leave and position the educational sector as attractive for international students.”

Die aktuellsten Daten zur Sprachbeherrschung des Englischen liegen vom Zensus 2009 vor: 15,4% gaben an, gesprochene englische Sprache zu verstehen; 10,2% der Bevölkerung sagten aus, dass sie gut lesen könnten und 7,7% fühlten sich in ihrer schriftlichen Kompetenz im Englischen sicher. Umso ambitionierter erscheint in diesem Zusammenhang die Aussage des kasachischen Präsidenten, festgehalten im Bericht zur Volkszählung 2009: „Therefore, I believe that by 2020 the number of people speaking English should reach at least 20% of the population.” (Agency 2011, 22). Sprachkenntnisse des Englischen sind in Ka ← 18 | 19 → sachstan vor allem in urbanen Räumen gegeben, während am Land die englische Sprache nur eine sehr geringe Rolle spielt (Agency 2011, 22). Bezogen auf die Webseiten bedeuten diese sprachenpolitischen Gegebenheiten und die Ergebnisse der Volkszählungen, dass das Russische aufgrund seiner Verbreitung in der kasachischen Bevölkerung und der jahrzehntelangen Dominanz im Wirtschaftssektor mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin eine bedeutende Rolle spielen wird.

Die ausländischen Firmen wären jedoch aufgrund der wachsenden Bedeutung des Kasachischen gut darin beraten, ihre Webseiten auch auf Kasachisch anzubieten. Wollen sie sich ebenfalls international positionieren und die angestrebte Dreisprachigkeit verfolgen, ist es hilfreich, auch eine englischsprachige Version anzubieten.

2.2 Russisch als lingua franca

Als eine lingua franca4 wird häufig eine Sprache bezeichnet, die in einem bestimmten Raum von Sprecher*innen benutzt wird, deren Erstsprache nicht diese benutzte Sprache ist. Sprachliche Diversität in einer Region begünstigt das Zurückgreifen auf eine Verkehrssprache (vgl. hierzu Samarin 1987; Brosch 2015).

Als eine solche Verkehrssprache fungierte in den Staaten des heutigen Zentralasiens jahrzehntelang die russische Sprache, zunächst im Russischen Imperium und danach in der UdSSR. Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Nachfolgestaaten Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan wurde die Sprachensituation jeweils neu ausgehandelt (Kellner-Heinkele und Landau 2011).

Die Rolle des Russischen als der Hauptverkehrssprache im gesamten postsowjetischen Raum blieb nur teilweise bestehen, insbesondere gilt das jedenfalls für den zentralasiatischen Raum. Begünstigt ist dies durch den Umstand, dass die Sprachen der Titularnationen Zentralasiens unterschiedlichen Sprachfamilien zuzurechnen sind: so gehören Kasachisch, Kirgisisch, Usbekisch und Turkmenisch typologisch zu den Turksprachen, Tadschikisch jedoch zur iranischen Sprachfamilie. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Minderheitensprachen, die wiederum anderen Sprachfamilien angehören.

In anderen Gebieten, in denen der Einfluss der russischen Sprache früher stärker war, wie etwa im Kaukasus oder in den Baltischen Staaten, verlief der Prozess der Entrussifizierung wesentlich rascher (s. Zevelev 2001). Begünstigt war dies durch folgende Umstände: (1) Die Sprachengesetzgebungen der jewei ← 19 | 20 → ligen Staaten verfolgen eine Einsprachenpolitik; (2) die Sprecher*innen sind der Sprache der Titularnation gegenüber sehr loyal eingestellt; (3) das Russische wird von dieser Gruppe als nicht prestigeträchtig angesehen und ihre Einstellung zur russischen Sprache ist reserviert sowie (4) die russischsprachige Diaspora ist in den meisten Fällen nicht (mehr) stark vertreten. Einige Länder (u.a. Kasachstan) führten nach einigen Jahren der Stärkung des Kasachischen erneut eine prorussische Sprachgesetzgebung ein, um ein Abwandern qualifizierter Arbeitskräfte zu verhindern (vgl. Pavlenko 2006, 84 f).

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Bedeutung des Russischen in seiner Funktion als lingua franca in den letzten Jahrzehnten durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und das „empowerment“ der Sprachen der jeweiligen Titularnationen kontinuierlich schwindet. Gerade aber für den zentralasiatischen Raum und insbesondere für Kasachstan gilt, dass das Russische weiterhin weit verbreitet ist und als lingua franca Verwendung findet.

Zu ergänzen ist, dass die russischsprachige Forschungsliteratur für die Beschreibung dieses Phänomens häufig nicht den Terminus lingua franca wählt, sondern auf Begriffe wie „jazyk meždunarodnoj kommunikacii“, „jazyk mežkul’turnoj kommunikacii“ oder auch „jazyk meždunarodnogo obščenija“ zurückgreift (Kryuchkova 2001).

2.3. Webseiten und Lokalisierung

Als Lokalisierung von Webseiten wird ein Prozess verstanden, in dem die jeweilige Internetpräsenz an den Sprach- und Kulturraum des Zielpublikums angepasst wird. Die Anforderungen an Lokalisierungen sind in den letzten Jahren größer geworden, da Webseiten über das Potential verfügen, die lokale Präsenz in anderen Märkten zu ergänzen und zu ersetzen. Lokalisierung von Webseiten verfolgt das Ziel, dass die Webseiten für das Zielpublikum „natürlich“ erscheinen und nicht fremd wirken (Cyr und Trevor-Smith 2004; Shneor 2012).

Jedenfalls wird gefordert, dass die Informationen strukturiert und auffindbar sind:

Theo Schewe legt auf Basis einer empirischen Studie ein Konzept vor, wie Webseiten in Bezug auf ihre Marketingstrategie klassifiziert werden können und führt sieben Möglichkeiten in „web site language design strategies“ an. Er fasst diese wiederum in drei Hauptgruppen zusammen: ein-, zwei- und mehrsprachige Webauftritte. ← 20 | 21 →

Die Internetpräsenzen charakterisiert er folgendermaßen:

(1) Einsprachige Webauftritte: Hier liegen zwei Subformen vor. Zunächst der (1a) einsprachige Webauftritt in der lokalen Sprache. Hierbei zielt das Marketing auf den heimischen Binnenmarkt ab. Ist der (1b) einsprachige Webauftritt in englischer Sprache, so wird eine globale Marketingstrategie verfolgt. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo sich Englisch bereits als lingua franca etabliert hat.

(2) Zweisprachige Webauftritte: Der (2a) zweisprachige Webauftritt in der lokalen Sprache und mit Teilen in Englisch verfolgt eine erweiterte Binnenmarktstrategie, während dem (2b) zweisprachigen Webauftritt meist in Englisch mit Teilen in lokaler Sprache eine internationale Marketingstrategie ohne Anpassung an lokale Märkte zugrunde liegt.

(3) Mehrsprachige Webauftritte: Bei (3a) mehrsprachigen Webauftritten in der lokalen Sprache und mehreren anderen Sprachen liegt eine mehrfache Binnenmarktstrategie für eine (begrenzte) Anzahl an Fremdmärkten vor; (3b) mehrsprachige Webauftritte in Englisch und mehreren anderen Sprachen verfügen über eine globale Marketingstrategie mit lokaler Anpassung; (3c) mehrsprachige Webauftritte in Englisch oder der lokalen Sprache sowie mehrere voneinander unabhängige lokale Webauftritte in den entsprechenden lokalen Sprachen. Hierbei handelt es sich um eine echte Global-Player-Strategie.

Eine andere Herangehensweise wählt Rose Lockwood (2000, 15) in Bezug auf die Lokalisierung von Webseiten. Im Unterschied zum vorgenannten Schema steht hier nicht die Marketingstrategie des jeweiligen Unternehmens im Zentrum, sondern die Vorgehensweise bei der Durchführung der Lokalisierung der Webpräsenz. Sie charakterisiert folgende Ansätze: (1) monarchistischer Ansatz, (2) anarchistischer Ansatz und (3) föderalistischer Ansatz.

Beim (1) monarchistischen Ansatz wird der Webauftritt zentral verwaltet, ebenso die Übersetzung der Webseite. Die Seiten sind vollkommen ident, was Stil, Format und Inhalt aller Versionen angeht. Während der hohe Grad an Kontrolle über das Webmarketing und Publishing ein Vorteil ist, ist die fehlende Berücksichtigung lokaler Besonderheiten und Kundenanforderungen von Nachteil.

Der anarchistische Ansatz (2) beschreibt einen Zugang, der keine erkennbare Unternehmensstrategie für den weltweiten Webauftritt aufweist. Lokale Webseiten werden mit eigenem Design unabhängig erstellt und verwaltet, die jeweiligen Kosten sind hoch, da bereits erstellte Inhalte nicht wiederverwendet werden. Zudem entsteht kein Corporate-Image.

Unter dem (3) föderalistischen/subsidiären Ansatz GRL (global-regional-local) fasst Lockwood einen Zugang, bei dem Inhalte auf unterschiedlichen Ebenen erstellt und spezifisch weiterverwendet werden. Inhalte werden a) auf globaler Ebene erstellt, wenn es sich um globale, wiederverwendbare Informati ← 21 | 22 → onen handelt; b) auf regionaler Ebene erstellt bei spezifischen Teilinhalten z.B. technischer Spezifizierung oder regionalen Gesetzesvorgaben, sowie c) auf lokaler Ebene erstellt, bei Relevanz nur für einen spezifischen lokalen Bereich. Globale und regionale Inhalte werden übersetzt und oft anhand unterschiedlicher Layouts und Formate lokalisiert. Lokale Inhalte werden meist direkt in der lokalen Sprache erstellt. (Lockwood 2000)

Einen anderen Zugang wählen Nitish Singh und Arun Pereira, sie schlagen in “The Culturally Customized Web Site” (2005) fünf Stufen der Anpassung von Webseiten in Bezug auf Lokalisierung vor:

(1) Die erste Stufe stellt die standardisierte Webseite dar, mit lediglich einer Webpräsenz für den globalen Markt.

(2) Die zweite Kategorie ist die der semi-lokalisierten Webseite. Hierbei wird der Webauftritt für den globalen Markt konzipiert, für regionale Kund*innen werden jedoch Kontaktdaten der örtlichen Niederlassung bereitgestellt.

(3) Die dritte Kategorie stellt die lokalisierte Webseite dar, die länderspezifische Unterseiten enthält.

(4) Die vierte Kategorie ist die hoch lokalisierte Webpräsenz, die durch länderspezifisch befüllte Webseiten gekennzeichnet ist, die übersetzt sind und mit zusätzlichen Adaptionsmarkern wie Zeit, Postleitzahl, Geschäftszahlen, etc. versehen sind.

(5) Die fünfte Kategorie ist die kulturell angepasste Webpräsenz eines Unternehmens, die dadurch charakterisiert ist, dass die Seiten nicht nur in der Sprache5 des Ziellandes gehalten sind, sondern darüber hinaus an die Kultur angepasst wird. Dies erfolgt beispielsweise durch die Verwendung länderspezifischer Symbolik.

Im Folgenden sollen nun die Webauftritte in Zentralasien tätiger exportorientierter Unternehmen näher untersucht werden.

3. Datenmaterial, Aufbereitung und Annotation

Die Webseiten der Unternehmen aus K1 und K2 wurden aufgerufen und in die Kategorien von Schewe, Lockwood und Pereira/Singh eingeordnet. So soll festgestellt werden, inwiefern der Webauftritt an einen spezifischen geografischen oder auch soziokulturellen Raum angepasst wurde und welche Lokalisierungsstrategien hierbei von den Unternehmen verfolgt werden.

Zusätzlich stützt sich diese qualitative Untersuchung bei der Analyse auf eine von Peter Sandrini (2007) durchgeführte Studie mit dem Titel „Weblokalisierung im regionalen Raum“. Für die beiden Korpora K1 und K2 wurden für die ← 22 | 23 → Auswertung in Anlehnung an Sandrini folgende Fragestellungen herangezogen: (1) Ist die Web-Repräsentation des Unternehmens mehrsprachig? Wenn ja, welche Sprachen sind vorhanden? (2) Gibt es für den kasachischen Markt eine länderspezifische Webseite? (3) Welcher Stellenwert wird den einzelnen Sprachen beigemessen? (4) Wie erfolgt das Umschalten zwischen den Sprachversionen? (5) Gibt es angepasste Inhalte in den einzelnen Sprachvarianten? Ist der Inhalt unterschiedlicher Sprachversionen identisch? Welche Teile der Webseite wurden angepasst? (6) Wie viele neue Beiträge gibt es? Wie intensiv wird diese Seite betreut? (7) Wie benutzer*innenfreundlich ist die mehrsprachige Navigation gestaltet?

Mit Hilfe eines Webcrawlers wurden die entsprechenden Webseiten heruntergeladen und als Bild archiviert. In einem weiteren Schritt wurden diese Bilder in das für qualitative Datenanalyse geeignete Programm Atlas.ti importiert und entsprechend kodiert. Da es sich bei den Webseiten um interaktive Daten handelt, wurden diese zusätzlich in das Internetarchiv http://archive.org geladen, um die Interaktivität der Webseiten (zumindest teilweise) längerfristig zu erhalten. Insgesamt wurden die Webseiten von 38 österreichischen Unternehmen in Kasachstan (K1) und neun „Internationalen Erfolgsunternehmen“6 (K2) untersucht.

Auf die analysierten Webseiten erfolgten drei Zugriffszyklen: der erste im September 2015, der zweite im Mai 2016, sowie zuletzt der dritte im April 2017. Nachdem es sich bei Internetauftritten von Unternehmen um einen rasch verändernden Untersuchungsgegenstand handelt, stellt diese Untersuchung nur eine des „Ist-Zustands“ vom April 2017 dar.

4. Analyse

Zu Beginn werden allgemeinere Tendenzen aufgezeigt, die in den jeweiligen Korpora beobachtbar sind. Im Anschluss daran werden drei besonders interessante Unternehmen aus Korpus 1 und ein Unternehmen aus Korpus 2 ausführlich besprochen.

Details

Seiten
344
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631755037
ISBN (ePUB)
9783631755044
ISBN (MOBI)
9783631755051
ISBN (Paperback)
9783631749456
DOI
10.3726/b14019
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Januar)
Schlagworte
Linguistik Slavistik Morphologie Syntax Diskursanalyse Medienlinguistik Literaturwissenschaft Intermedialität Film-Literatur Altrussische Literatur Detektivroman und symbolistische Prosa Bibliothek Gumilevs
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018., 343 S., 4 farb. Abb., 21 s/w Abb., 24 Tab.

Biographische Angaben

Aage A. Hansen-Löve (Band-Herausgeber:in) Angelika Hechtl (Band-Herausgeber:in) Renate Rathmayr (Band-Herausgeber:in) Tilmann Reuther (Band-Herausgeber:in)

Aage A. Hansen-Löve habilitierte an der Universität Wien (russische Literaturwiss.) und war von 1987 bis zur Emeritierung 2013 Professor am Institut für Slavische Philologie der Universität München. Angelika Hechtl studierte an der Universität Wien Russisch, Germanistik und Ukrainistik und ist Assistentin am Institut für slawische Sprachen der Wirtschaftsuniversität Wien Renate Rathmayr habilitierte an der Universität Innsbruck und war von 1989 bis zur Emeritierung Professorin am Institut für slawische Sprachen der Wirtschaftsuniversität Wien. Tilmann Reuther studierte Lehramt für Russisch und Mathematik in Wien und wurde an der Universität Klagenfurt habilitiert. Er ist Professor für russische Sprachwissenschaft in Klagenfurt.

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Titel: Wiener Slawistischer Almanach Band 79/2017
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