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Related Party Transactions auf dem Prüfstand

Eine kritische Auseinandersetzung mit Art. 9c der Aktionärsrechterichtlinie 2017 und dessen Umsetzung in deutsches Recht

von Tobias Roth (Autor:in)
©2018 Dissertation 378 Seiten

Zusammenfassung

Im Mai 2017 wurde die Änderung der Aktionärsrechterichtlinie nach einem langanhaltenden Gesetzgebungsprozess im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Eine zentrale Norm der Richtlinie stellt Art. 9c dar, der die Geschäfte mit nahestehenden Personen und Unternehmen (sog. Related Party Transactions) einer unionsweiten Harmonisierung unterwerfen möchte. Die Arbeit untersucht, wie der Regelungsinhalt des Art. 9c möglichst harmonisch in nationales Recht umgesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund erarbeitet der Autor ein konsistentes Schutzsystem, dass zum einen dem Richtlinieninhalt vollkommen gerecht wird und zum anderen derart restriktiv ist, dass nationales Recht, insbesondere das bekannte und bewährte deutsche Konzernrecht, weitestgehend erhalten bleiben kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1: Einführung
  • A) Problemstellung
  • B) Ziel und Gang der Untersuchung
  • Kapitel 2: Status quo – Bestandsaufnahme der Related Party Transactions im deutschen Recht
  • A) Schutz bei Geschäften mit Organmitgliedern
  • I. Verträge mit Vorstandsmitgliedern, § 112 AktG
  • 1) Anwendungsbereich des § 112 AktG
  • 2) Erweiterung des Anwendungsbereichs auf nahestehende Personen?
  • 3) Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Gesellschaften, an denen das Vorstandsmitglied beteiligt ist?
  • a) Grundsätzliches
  • b) Anwendung bei Mehrheitsbeteiligung?
  • aa) Keine analoge Anwendung des § 112 AktG
  • bb) Analoge Anwendung des § 112 AktG
  • cc) Stellungnahme
  • c) Maßgebliche Beteiligung im Einzelfall
  • 4) Zwischenergebnis
  • II. Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, § 114 AktG
  • III. Kreditgewährung an Organmitglieder
  • 1) Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder, § 89 AktG
  • 2) Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder, § 115 AktG
  • IV. Organschaftliche Treuepflicht
  • 1) Bedürfnis nach organschaftlicher Treubindung
  • 2) Dogmatische Begründung
  • 3) Einzelne Ausprägungen
  • V. Sonstige Instrumente
  • VI. Zwischenergebnis
  • B) Schutz bei Geschäften mit Aktionären
  • I. Schutz in der autonomen Aktiengesellschaft
  • 1) Kapitalerhaltungsvorschriften, §§ 57, 62 AktG
  • a) Grundsätzliches
  • b) Zurechnung bei Leistungen an nahestehende Personen
  • 2) Nachgründungsrecht, § 52 AktG
  • 3) Gleichbehandlungsgebot, § 53a AktG
  • 4) Mitgliedschaftliche Treuepflicht
  • a) Grundsätzliches
  • b) Inhalt
  • c) Rechtsfolge bei treuwidrigem Verhalten
  • II. Schutz im Konzern
  • 1) Grundlegende Überlegungen zur Konzernierung
  • a) Überblick zur historischen Entwicklung
  • b) Bestandsaufnahme
  • aa) Begriff und Telos des Konzernrechts
  • bb) Motive der Konzernierung
  • 2) Der Vertragskonzern
  • a) Parteien des Vertrages
  • b) Inhalt des Beherrschungsvertrages
  • aa) Weisungsrecht
  • (1) Begriff und Rechtsnatur der Weisung
  • (2) Formen der Weisungserteilung
  • (3) Umfang des Weisungsrechts
  • bb) Erhalt des Gesellschaftsvermögens
  • c) Vertragsschluss
  • d) Sicherung außenstehender Aktionäre
  • 3) Der faktische Konzern
  • a) Grundsätzliche Konzeption
  • b) Schutzmechanismen im faktischen Konzern
  • aa) Nachteilsausgleich, § 311 AktG
  • (1) Abhängigkeitsverhältnis
  • (2) Veranlassung
  • (3) Nachteil
  • (4) Ausgleich
  • bb) Folge bei fehlendem Nachteilsausgleich
  • cc) Berichtspflicht und Prüfung des Abhängigkeitsberichts
  • (1) Der Abhängigkeitsbericht
  • (2) Prüfung durch den Abschlussprüfer
  • (3) Publikation des Abhängigkeitsberichts
  • c) Rechtspolitische Bewertung
  • d) Sonderfall: qualifizierte Nachteilszufügung
  • III. Normenverhältnis zwischen dem Konzernrecht und den Regelungen zum Aktionärsschutz in der autonomen Gesellschaft
  • C) Zusammenfassung
  • Kapitel 3: Related Party Transactions im Lichte europäischer Rechtsvereinheitlichung
  • A) Der Begriff „Related Party Transactions“ als Anknüpfungspunkt europäischer Rechtsvereinheitlichung
  • I. Related Party
  • II. Transaction
  • B) Ein Harmonisierungsgedanke in Entwicklung – Vorarbeiten zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie
  • C) Beginn des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens – der Kommissionsvorschlag vom 09.04.2014
  • I. Ziel des Kommissionsvorschlags
  • II. Inhalt des Kommissionsvorschlags
  • III. Kritische Würdigung
  • 1) Bezugsobjekt „Vermögen“
  • 2) Anwendungsbereich der Regelung
  • 3) Transaktionspublizität hinsichtlich „kleiner“ Related Party Transactions
  • a) Ad-hoc Publikation bei Abschluss der Transaktion
  • b) Beifügung der Fairness Opinion durch einen neutralen Beobachter
  • c) Feststellung der Marktüblichkeit
  • 4) Hauptversammlungszuständigkeit
  • 5) Fairness Opinion bei “großen” Related Party Transactions?
  • 6) Der Grundsatz der “majority of the minority”
  • 7) Aggregationsklausel
  • 8) Rechtsfolgen bei richtlinienverletzendem Verhalten
  • 9) Auswirkungen auf das deutsche Konzernrecht
  • 10) „Erheblichkeit“ der Transaktion
  • IV. Zwischenergebnis
  • D) Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens – Einflüsse anderer Institutionen
  • E) Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens – die überarbeitete Richtlinie
  • I. Materiellrechtliche Anforderungen des Art. 9c
  • 1) Begriff der wesentlichen Transaktion
  • 2) Publizitätserfordernis und Fairness Opinion
  • 3) Zustimmungsvorbehalt im Falle wesentlicher Transaktionen
  • 4) Ausnahmetatbestände
  • 5) Aggregationsklausel
  • II. Kritische Würdigung
  • 1) Der Wesentlichkeitsbegriff als Grenze des Anwendungsbereichs
  • 2) Publizität und Fairness Opinion
  • 3) Zustimmungsvorbehalt
  • 4) Ausnahmsweise kein Stimmverbot
  • 5) Aggregationsklausel
  • 6) Ausnahmevorschriften
  • F) Zusammenfassung
  • Kapitel 4: Related Party Transactions Regime in ausländischen Jurisdiktionen – vergleichende Betrachtung zwischen deutschem und anglo-amerikanischem Rechtskreis
  • A) US-amerikanisches Gesellschaftsrecht
  • I. Gesellschaftsformen – insbesondere die corporation
  • II. Gesellschaftsorgane
  • III. Rechtsquellen
  • 1) State Law
  • a) Gesetzesrecht
  • b) Fallrecht
  • 2) Federal Law
  • 3) Sonstige Rechtsquellen
  • a) Corporate Governance Prinzipien
  • b) Listing Rules
  • c) Bilanzierungsgrundsätze
  • d) Articles of incorporation und bylaws
  • IV. Regelungsmodell bei Geschäften mit nahestehenden Personen
  • 1) Schutz durch Federal Law
  • 2) Schutz durch State law
  • a) Geschäfte mit Organmitgliedern
  • aa) Geschichtliche Entwicklung
  • bb) Schutzsystem de lege lata
  • cc) Zwischenergebnis
  • b) Geschäfte mit Aktionären
  • 3) Schutz durch Eigenverpflichtung
  • V. Zwischenergebnis
  • B) Gesellschaftsrecht des Vereinigten Königreichs
  • I. Gesellschaftsformen – insbesondere die Public Company Limited by Shares
  • II. Gesellschaftsorgane
  • III. Rechtsquellen
  • 1) Common law und equity
  • 2) Companies Act
  • 3) Listing Rules der FCA
  • 4) UK Corporate Governance Code
  • IV. Regelungsmodell bei Geschäften mit nahestehenden Personen
  • 1) Geschäfte mit Organmitgliedern
  • a) Geschichtliche Entwicklung
  • b) Uneingeschränkte Publikation gegenüber Direktoren
  • c) Zustimmung der Anteilseigner bei speziellen Geschäften
  • d) Sonderregeln für Korporationen, die einem premium listing unterliegen
  • 2) Geschäfte mit Aktionären
  • a) Der herrschende Aktionär als shadow-director
  • b) Anwendung der Listing Rules
  • aa) Anwendungsvoraussetzungen
  • bb) Persönlicher Anwendungsbereich – der substantial shareholder
  • cc) Sachlicher Anwendungsbereich
  • dd) Anforderungen
  • (1) Ermittlung der Transaktionsgröße
  • (2) Geschäfte, die bis 0,25 % des Vermögens betreffen
  • (3) Geschäfte, die 0,25 – 5 % des Vermögens betreffen
  • (4) Geschäfte, die über 5 % des Vermögens betreffen
  • ee) Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Anforderungen
  • V. Zwischenergebnis
  • C) Schweizerisches Gesellschaftsrecht
  • I. Gesellschaftsformen – insbesondere die Aktiengesellschaft
  • II. Gesellschaftsorgane der Aktiengesellschaft
  • III. Rechtsquellen
  • 1) Das Obligationenrecht als primäre Rechtsquelle
  • 2) Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange
  • 3) Corporate Governance Überlegungen
  • 4) Statuten der einzelnen Unternehmen
  • IV. Regelungsmodell bei Geschäften mit nahestehenden Personen
  • 1) Geschäfte mit Organmitgliedern
  • a) Anwendung allgemeiner Vertretungsregeln auf das Aktienrecht
  • aa) Behandlung von Insichgeschäften – grundsätzliche Unzulässigkeit
  • bb) Ausnahmsweise Zulässigkeit
  • (1) Genehmigung des neben- bzw. übergeordneten Organs
  • (2) Geringe Benachteiligungsgefahr
  • cc) Zusätzliches Schriftformerfordernis
  • b) Organschaftliche Treuepflicht
  • aa) Offenlegung von Interessenkonflikten
  • bb) Mitwirkung an der Meinungsbildung
  • cc) Keine Mitwirkung bei der Abstimmung
  • c) Publizitätserfordernis
  • d) Ziff. 17 Swiss Code of Best Practice (SCBP)
  • e) Art. 56 des Kotierungsreglements
  • f) Selbstregulierung durch Aufnahme in den Statuten
  • aa) Nestlé AG
  • bb) Barry Callebaut AG
  • cc) Kühne + Nagel International AG
  • dd) Fazit
  • g) Zwischenergebnis
  • 2) Geschäfte mit Aktionären
  • a) Verbot der Einlagenrückgewähr, Art. 680 Abs. 2 OR
  • b) Rückerstattungspflicht gem. Art. 678 OR
  • c) Mitgliedschaftliche Treuepflicht?
  • d) Gleichbehandlungsgebot, Art. 717 Abs. 2 OR
  • e) Gebot der schonenden Rechtsausübung
  • f) Informations– und Kontrollrechte
  • g) Minderheitsschutz durch eine Mehrheit-der-Minderheit-Regel?
  • h) Konzernrechtliche Besonderheiten
  • aa) Grundlagen
  • bb) Schutz Außenstehender in der herrschenden Gesellschaft
  • cc) Schutz Außenstehender in der abhängigen Gesellschaft
  • (1) Grundsätzliche Anwendbarkeit der bereits dargestellten Regelungen
  • (2) Spezielle konzernrechtliche Schutzinstrumente
  • D) Österreichisches Gesellschaftsrecht
  • I. Die Grundkonzeption österreichischen Gesellschaftsrechts
  • II. Regelungsmodell bei Geschäften mit nahestehenden Personen
  • 1) Geschäfte mit Organmitgliedern
  • a) Insichgeschäfte, § 97 öAktG
  • b) Kreditgewährung, § 80 öAktG
  • c) Organschaftliche Treuepflicht des Vorstandsmitglieds
  • d) Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, § 95 Abs. 5 Nr. 12 öAktG
  • e) Sonstige zustimmungspflichtige Geschäfte, § 95 Abs. 5 öAktG
  • f) Ex-Post Kontrolle durch Publizitätsvorschriften
  • g) Corporate Governance Kodex
  • 2) Geschäfte mit Aktionären
  • a) Nachgründungsrecht, § 45 öAktG
  • b) Verbot der Einlagenrückgewähr, § 52 öAktG
  • c) Mitgliedschaftliche Treuepflicht
  • d) Gleichbehandlungsgebot, § 47a öAktG
  • e) Konzernrecht
  • aa) Grundlegendes
  • bb) Minderheitenschutz im Rahmen von Konzernsachverhalten
  • (1) Verbot der Nachteilszufügung
  • (2) Sonstige Maßnahmen
  • E) Gewonnene Erkenntnisse
  • Kapitel 5: Das Schutzsystem de lege ferenda – ein Umsetzungsentwurf
  • A) Die Art und Weise der Umsetzung – Chance zur Etablierung eines einheitlichen Schutzsystems!
  • B) Entwicklung eines konsistenten Schutzkonzepts
  • I. Etablierung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation
  • II. Umsetzung der Publikationsvorschrift
  • 1) Maßgebliche Werthürden
  • 2) Bewertungskriterien – Erstellen einer Fairness Opinion?
  • 3) Art der Veröffentlichung
  • III. Zuständigkeit zur Zustimmung der Transaktion
  • 1) Maßgebliche Werthürde
  • 2) Zuständiges Organ
  • a) Zustimmung durch den Aufsichtsrat als Gesamtorgan
  • aa) Problemaufriss – die Ausgangslage im deutschen Aufsichtsrat
  • bb) Das Stimmverbot des Aufsichtsratsmitglieds
  • cc) Überlegungen de lege ferenda
  • (1) Ausweitung des Stimmverbots
  • (2) Gesetzliche Fixierung eines unabhängigen Aufsichtsratsmitglieds
  • (a) Das unabhängige Aufsichtsratsmitglied
  • (b) Der Vorschlag Spindler/Seidels
  • (c) Obligatorische Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat?
  • (aa) Meinungsstand
  • (bb) Verfassungsrechtliche Bedenken
  • (cc) Zwischenergebnis
  • (d) Anzahl der Minderheitsvertreter
  • (aa) Meinungsstand
  • (bb) Einschränkung
  • (cc) Einsetzung
  • (3) Zwischenergebnis
  • b) Ausschuss des Aufsichtsrats
  • aa) Sinn, Zweck und Vorteile einer Ausschussbildung
  • bb) Das „Ob“ der Delegation
  • (1) Unvereinbarkeit mit Art. 9c Abs. 4 RL?
  • (2) Unvereinbarkeit mit nationalem Recht?
  • cc) Das „Wie“ der Delegation
  • (1) Der Vorschlag Vetters
  • (2) Der Vorschlag Spindler/Seidels
  • (3) Der Vorschlag Bungert/Wanslebens
  • (4) Der Vorschlag Rhiels
  • (5) Der Vorschlag Temmings
  • (6) Eigener Ansatz
  • (a) Der Ausschuss aus der Mitte eines mitbestimmten Aufsichtsrats
  • (b) Der Ausschuss aus der Mitte eines mitbestimmungsfreien Aufsichtsrats
  • dd) Zwischenergebnis
  • 3) Ausnahmsweise keine Zustimmung
  • IV. Gesetzliche Fixierung relevanter Rechtsbegriffe
  • 1) Persönlicher Anwendungsbereich
  • 2) Sachlicher Anwendungsbereich
  • V. Notwendigkeit geeigneter Ausnahmeregelungen
  • 1) Hauptversammlungszustimmung trotz Aufsichtsratsvorbehalt?
  • 2) Geschäfte, die im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb und zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen wurden
  • a) Die Begriffe der Marktüblichkeit und des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs
  • b) Verantwortlichkeit für die Beurteilung
  • 3) Quo vadis Konzernrecht?
  • a) Vertragskonzernrecht
  • b) Faktisches Konzernrecht
  • 4) Anwendung auf die geschlossene Gesellschaft?
  • VI. Aggregation unwesentlicher Geschäfte
  • VII. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Schutzsystem
  • 1) Keine Nichtigkeit im Außenverhältnis!
  • 2) Sanktionen bei Nichtetablierung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation
  • 3) Sanktionen bei Verstoß gegen die Publikationspflicht
  • a) Zivilrechtliche Sanktionen
  • b) Strafrechtliche Sanktionen
  • 4) Sanktionen bei Verstoß gegen den Zustimmungsvorbehalt
  • a) Anwendung allgemeiner Haftungsmaßstäbe, §§ 116 Abs. 1, 93 Abs. 2 AktG
  • b) Restriktive Anwendung der Aufsichtsratsuntreue, § 266 StGB
  • c) Rechtsfolge fehlerhafter Aufsichtsratsausschussbeschlüsse
  • VIII. Vereinbarkeit mit deutschem Recht de lege lata?
  • C) Vorschlag für eine gesetzliche Regelung
  • Kapitel 6: Schlussbetrachtung in Thesen
  • Literaturverzeichnis
  • Materialien
  • Reihenübersicht

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Kapitel 1:  Einführung

A)  Problemstellung

Im Jahr 2018 feiert das deutsche Aktiengesetz bereits seinen 53. Geburtstag. Seit seiner Geburtsstunde im Jahre 1965 wurde es permanent überarbeitet, aktualisiert und an veränderte Gegebenheiten rechtlicher oder tatsächlicher Art angepasst. Den terminus technicus „Related Party Transactions“ sucht man im Aktiengesetz – bis dato zumindest – vergebens. Lediglich die deutschsprachige Übersetzung der „related party“ hat vereinzelt gesetzlichen Niederschlag gefunden (vgl. §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG). Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs auf nahestehende Personen erscheint aber geboten, um eine Umgehung der besonders gefahrträchtigen Vorschriften durch Zwischenschalten eines Dritten zu verhindern. Außerhalb des Aktiengesetzes werden Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen etwas extensiver nur im Rahmen der Rechnungslegung behandelt. So sind im Anhang des Jahresabschlusses wesentliche Geschäfte aufzunehmen, die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen sind (§ 285 Nr. 21 HGB).1 Dass die Kodifizierung eines gesonderten aktienrechtlichen Related Party Schutzsystems lange Zeit nicht auf der Agenda des deutschen Gesetzgebers stand, ist bei Lichte betrachtet nicht verwunderlich, waren doch keine schwerwiegenden Mängel bei Geschäften mit nahestehenden Personen und Unternehmen im deutschen System de lege lata erkennbar. Ein Systemversagen deutschen Rechts, das eine umfassende Umstrukturierung rechtfertigen würde, liegt nicht vor.2

Diese Sichtweise, sicherlich begründet auf eine isolierte Bewertung nationalen Rechts, wird vom europäischen Gesetzgeber nicht geteilt. Seit geraumer Zeit ← 23 | 24 → greift dieser – fortwährender und ausbauender Europäisierung sei Dank – in die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten durch den Erlass von Rechtsakten (Verordnungen/ Richtlinien) ein.3 Ziel dessen ist es, eine übernationale Harmonisierung voranzutreiben und damit ein einheitliches rechtliches Konstrukt, unabhängig von territorialen Grenzen, zu etablieren. Dabei trifft den europäischen Gesetzgeber die nicht ganz einfache Aufgabe, während des Gesetzgebungsprozesses möglichst alle Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten im Blick zu behalten, um ein Aushöhlen nationalen Rechts durch europäische Einflüsse zu verhindern. Im Unterschied zu Verordnungen entfalten Richtlinien keine unmittelbare Wirkung im jeweiligen Mitgliedsstaat. Erst durch deren Umsetzung werden die Richtlinieninhalte zu nationalem Recht. Zum Zwecke der Umsetzung erhalten die nationalen Gesetzgeber nach Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens eine angemessene Umsetzungsfrist. Die Mitgliedsstaaten ihrerseits sind, wie sich aus Art. 288 Abs. 3 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV ergibt, zur Umsetzung verpflichtet. Die Umsetzungspflicht wird dadurch konkretisiert, dass die Gesetzgeber im Rahmen des Umsetzungsgesetzes bekannte und bewährte Rechtssetzungs- und Rechtsspruchpraxis im Blick behalten müssen und dafür zu sorgen haben, dass europäische Einflüsse möglichst harmonisch in das jeweilige nationale Recht umgesetzt werden. Diese Pflicht besteht solange, bis der Europäische Gerichtshof die Richtlinie für nichtig erklärt.

Vor mittlerweile rund acht Jahren, im März 2010, verabschiedete der europäische Gesetzgeber die Strategie „Europa 2020“, ein zukunftsorientiertes Wirtschaftsprogramm, durch das bis zum Jahre 2020 eine Verbesserung des Unternehmensumfelds erreicht und die soziale Marktwirtschaft insgesamt gestärkt werden sollte.4 Infolgedessen veröffentlichte die Kommission im Dezember 2012 einen Aktionsplan zum europäischen Gesellschaftsrecht und zur Corporate Governance. Intention war es, die Transparenz zwischen Unternehmen und Aktionären genauso zu erhöhen, wie das langfristige Engagement der Aktionäre und das Wachstum bzw. die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu fördern. Weite Teile dieser Ziele sollten durch die Änderung der seit 2007 bestehenden Aktionärsrechterichtlinie erreicht werden.5 Neben der in dieser ← 24 | 25 → Arbeit zu besprechenden Verbesserung der Transparenz und Überwachung von Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen (Art. 9c RL), adressiert die Richtlinie unter anderem die angemessene Verteilung der Vorstandsvergütung (Art. 9a RL) als auch Transparenzregeln für institutionelle Investoren (Art. 3g RL). Am 20.05.2017 wurde das förmliche Gesetzgebungsverfahren mit Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union beendet. Die Umsetzung in nationales Recht hat durch den deutschen Gesetzgeber bis zum 10.06.2019 zu erfolgen (Art. 2 Abs. 1 RL). Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz am 18.09.2017 eine Expertenkommission zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie unter dem Vorsitz von Ulrich Seibert einberufen.6 Zu erwarten ist, dass im Jahre 2018 erste Umsetzungsvorschläge unterbreitet werden.

Rechtspolitisch wurde die Richtlinie – insbesondere der Richtlinienvorschlag der Kommission – von der deutschen Literatur aufs Schärfste kritisiert. So berge, nach Meinung Schneiders, die Umsetzung der Richtlinie ein großes Potential an „rechtspolitische[m] Leid“.7 Ganz ähnlich ist die Einschätzung Simons, der das Einschreiten des europäischen Gesetzgebers gar als eine „sinnlose Regulierung des deutschen Gesellschaftsrechts durch die EU“8 illustriert. Diese Haltung änderte sich selbst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, wenn überhaupt, nur geringfügig. So stellte Koch in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme fest, dass die Aktionärsrechterichtlinie 2017 „trotz Abwendung schlimmster systematischer Verwerfungen weiterhin tiefe Eingriffe in das deutsche Aktienrecht mit sich“9 bringt. Gerade vor dem Hintergrund des geltenden Subsidiaritätsgedankens (Art. 5 Abs. 3 EUV), wird man sich zwangsläufig mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine unionsweite Regulierung zielführend ist. ← 25 | 26 →

Bezugnehmend auf das gerade Festgestellte ist zu konstatieren, dass der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung einer Herkulesaufgabe gegenübersteht.10 Denn auch wenn deutsches Recht den Begriff der nahestehenden Person nur sehr restriktiv handhabt, kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass keinerlei Schutzvorkehrungen bestehen. Telos eines Related Party Schutzsystems ist es, die Korporation sowie Anteilseigner vor solchen schädigenden Geschäften zu schützen, die ihre Grundlage im Missbrauch einer faktischen Machtposition haben. Davon umfasst sind Geschäfte zwischen der Korporation und dem Vorstand, Aufsichtsrat oder dem beherrschenden Aktionär. Im Hinblick auf diese Konstellationen ist die Gefahr groß, dass das Geschäft für die Korporation nachteilig ist und damit letzten Endes zulasten der Anteilseigner geht. Dieses abstrakte Gefährdungspotential, das bei Kapitalgesellschaften Konsequenz des Prinzipal-Agent-Konflikts ist, hat der deutsche Gesetzgeber aber keineswegs übersehen. Deutsches Aktiengesetz begegnet diesem Konflikt – im Unterschied zur Idee des europäischen Gesetzgebers – vielmehr mit einem „Bündel von Einzelinstrumenten.“11 Damit ist der Ansatzpunkt, den das Gesetzesvorhaben aus Brüssel verfolgte, nämlich ein in sich geschlossenes System zu errichten, konträr zu bestehendem deutschen Recht de lege lata. Es wird zu untersuchen sein, wie und ob diese gegensätzlichen Standpunkte vereinbar sind.

B)  Ziel und Gang der Untersuchung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dem deutschen Gesetzgeber eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie Art. 9c der Aktionärsrechterichtlinie möglichst harmonisch in nationales Recht eingebettet werden kann. Es wird zu zeigen sein, dass der europäische Gesetzgeber in der veröffentlichten Richtlinie ausreichend Spielraum lässt, um nicht nur deutsches Konzernrecht, sondern große Teile des Aktienrechts unberührt zu lassen. Zu diesem Zweck wird die Arbeit in insgesamt sechs Teile untergliedert.

Die Untersuchung beginnt mit einer ausführlichen Grundlagenarbeit. Hierzu befasst sich das zweite Kapitel mit dem Status quo des deutschen Rechts hinsichtlich des Schutzes bei Geschäften mit nahestehenden Personen und Unternehmen. Um etwaige Schutzdefizite aufzudecken, wird der Schutz bei Geschäften mit Organmitgliedern getrennt vom Schutz bei Geschäften mit dem herrschenden Aktionär, unter Berücksichtigung deutschen Konzernrechts, dargestellt und bewertet. Sodann ← 26 | 27 → wird im dritten Kapitel die Genese der Richtlinie veranschaulicht. Besonderer Fokus liegt auf dem Vorschlag der Kommission, der eingehend dargelegt und im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit deutschem Recht kritisch beurteilt wird. Das dritte Kapitel schließt mit der Darstellung und Bewertung von Art. 9c der Aktionärsrechterichtlinie. Der internationale Aspekt, der dem gesetzgeberischen Tätigwerden auf Gemeinschaftsebene ohnehin inhärent ist, wird im vierten Kapitel aufgegriffen und ausgedehnt. Da der Richtlinienvorschlag der Kommission weite Teile des englischen Rechts adaptierte, wird der Frage nachgegangen, wie der anglo-amerikanische (USA, England) und deutschsprachige (Schweiz, Österreich) Rechtskreis, die Gesellschaft und Anteilseigner im Falle von Related Party Transactions schützt. Der Fokus liegt im vierten Kapitel bewusst auf einer schematischen Darstellung des gesamten Schutzsystems, denn auf Einzelproblemen innerhalb des Rechtskreises.12 Auf Grundlage dieser Vorarbeiten wird im fünften Kapitel ein konsistentes Schutzsystem entwickelt, an das ein Vorschlag für eine gesetzliche Regelung anschließt. Die Arbeit schließt im sechsten und letzten Kapitel mit einer Schlussbetrachtung, in welchem die Ergebnisse in Thesen zusammengefasst werden. ← 27 | 28 →


1 Zu berücksichtigen ist, dass der Begriff der nahestehenden Person genauso auszulegen ist, wie ihn die internationalen Rechnungslegungsstandards in IAS 24 in der jeweils gültigen Fassung verstehen. Die Rechnungslegungsstandards IAS 24 wurden ihrerseits durch die Verordnung Nr. 632/2010 veröffentlicht im Amtsblatt am 20.07.2010, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32010R0632&from=DE [zuletzt geprüft: 15.07.2018] erlassen.

2 Ähnlich: DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2015, 54 Rn. 75 – „die vorgeschlagenen Regelungen nicht erforderlich“; Bungert/de Raet, Der Konzern 2015, 289 (289) – „das bewährte Schutzsystem“; J. Vetter, ZHR 179 (2015), 273 (325) – „das der Deutschland zumutbare Regelungsbedarf für eine stärkere Kontrolle von Related Party Transactions gering ist“.

3 Das hat zur Folge, dass weite Teile des Kapitalmarktrechts heute mehr denn je von europäischen Einflüssen geprägt sind.

4 Vgl. dazu: https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/economic-and-fiscal-policy-coordination/eu-economic-governance-monitoring-prevention-correction/european-semester/framework/europe-2020-strategy_de [zuletzt geprüft: 15.07.2018].

5 Gemeint ist damit die Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017L0828&from=EN [zuletzt geprüft: 15.07.2018].

6 Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 27.09.2017, Online unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2017/092717_Aktionaersrechterichtlinie.html [zuletzt geprüft: 15.07.2018]. Als Mitglieder der Expertenkommission wurden Ulrich Noack, Dirk Andreas Zetsche, Jessica Schmidt, Tim Florstedt und Jochen Vetter ernannt.

7 Schneider, EuZW 2014, 641 (642).

8 Simon, DB 2015, Heft 04, S. M5.

9 Koch, BB, Die erste Seite 2017, Nr. 15–16.

10 Diese Aufgabe wird freilich dadurch erschwert, dass sich die Bundesrepublik Deutschland seit der Bundestagswahl Ende 2017 in einer Regierungskrise befindet.

11 Selzner, ZIP 2015, 753 (755).

12 In jüngerer Vergangenheit wurden einige Arbeiten mit rechtsvergleichendem Schwerpunkt veröffentlicht, vgl.: Riehl, Related-Party Transactions, S. 1 ff., der einen Vergleich zwischen deutschem und US-amerikanischem Recht im Rahmen der faktischen Konzernierung darstellt; Klene, Related Party Transactions, S. 9 ff. und Tarde, Related Party Transactions, S. 47 ff. die sich in ihren Abhandlungen mit dem englischen Recht auseinandersetzen. Darüber hinaus stellt Klene Überlegungen zum australischen Recht an.

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Kapitel 2:  Status quo – Bestandsaufnahme der Related Party Transactions im deutschen Recht

Bevor die Änderungsrichtlinie und die Umsetzung dergleichen diskutiert wird, soll der Status quo hinsichtlich der „Related Party Transactions“ im deutschen Recht aufgezeigt werden. In diesem Kapitel werden zunächst die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Schutzinstrumente näher dargestellt und damit zur Grundlage vorliegender Ausarbeitung. Aufgrund eines unterschiedlichen Schutzniveaus bietet sich eine Zweiteilung an: Zunächst werden diejenigen Schutzinstrumente herausgearbeitet, die das deutsche Aktiengesetz bei Transaktionen mit den eigenen Organmitgliedern zur Verfügung stellt. Im Anschluss daran wird darauf einzugehen sein, wie die Gesellschaft vor Transaktionen mit den eigenen Aktionären geschützt wird. Dafür wird auf sekundärer Ebene zwischen dem Schutz bei Geschäften mit einem Aktionär in der autonomen Gesellschaft und im Konzern differenziert.

A)  Schutz bei Geschäften mit Organmitgliedern

Bei Geschäften der Aktiengesellschaft mit ihren Organmitgliedern besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, zu äußerst günstigen Konditionen kontrahiert und dadurch Nachteile zulasten der Anteilseigner entstehen.13 Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen stellt das durch den Gesetzgeber aufoktroyierte Leitungssystem der Aktiengesellschaft dar. Grundsätzlich ist zwischen dem international vorherrschenden monistischen14 und dem gerade im deutschsprachigen Raum üblichen dualistischen Leitungssystem zu unterscheiden. Charakteristisch für das dualistische System (two-tier System) ist die Aufteilung der Organe in einen Vorstand, der die Geschäftsführung und Vertretung nach außen übernimmt, und einen Aufsichtsrat, der als Kontrollorgan der Gesellschaft den Vorstand überwacht. Dadurch erwachsen dem dualistischen System drei Eigenarten: 1) die Unvereinbarkeit eines Aufsichtsrats- mit einem ← 29 | 30 → Vorstandsposten, 2) die Weisungsfreiheit des Vorstands und 3) die erschwerte Abrufbarkeit des Vorstands.15 Demgegenüber zeichnet sich das monistische Leitungssystem dadurch aus, dass neben der Hauptversammlung nur ein weiteres Organ besteht, in der Regel der Verwaltungsrat. Gleichwohl setzt sich der Verwaltungsrat Mittlerweile aus zwei Arten von Mitgliedern, den „Executives“ und „Non-Executives“ zusammen, weshalb eine Annäherung an das dualistische System zu verzeichnen ist.16

I.  Verträge mit Vorstandsmitgliedern, § 112 AktG

Das dualistische System wird in der zwingenden Norm des § 112 AktG zum Ausdruck gebracht. Dieser bildet die Ausnahmeregelung zu § 78 AktG, wonach der Vorstand die Befugnis zur Vertretung der Korporation hat. In sachlicher Hinsicht erstreckt sich die Vertretungsmacht auf alle Angelegenheit der Gesellschaft. Davon macht § 112 AktG eine Ausnahme, indem dem Vorstand die Vertretungsmacht bei Geschäften mit der Korporation gänzlich entzogen und auf den Aufsichtsrat übertragen wird.17 Telos der Norm ist die Vermeidung potentieller Interessenkonflikte und damit zumindest mittelbar die angemessene Wahrung des Gesellschaftsinteresses.18 Ansatzpunkt des § 112 AktG ist die abstrakte Gefährdungslage, sodass eine typisierende Betrachtungsweise anzustellen ist.19 Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme eines Interessenkonfliktes müssen aus Gründen der Rechtssicherheit und –klarheit zu Recht nicht existieren.20

Dass man keine Geschäfte mit sich als Vertreter schließen darf, ist dem deutschen Recht nicht neu. So erkannte man schon früh das Schutzbedürfnis des Vertretenen im Falle einer Interessenkollision durch den Vertreter.21 Die schon im römischen Privatrecht geltenden Grundsätze „tutor rem pupilli emere ← 30 | 31 → non potest“22 und „tutor in rem suam fieri non potest“23 wurden durch die Gründungsväter des BGB aufgegriffen, generalisiert und in § 181 BGB niedergeschrieben. Aus der systematischen Stellung des § 181 BGB im Allgemeinen Teil des BGB ergibt sich, dass dieser nicht nur auf die Vorschriften des BGB Anwendung findet.24 Das führt zu der Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen § 112 AktG und § 181 BGB.25 Inhaltlich muss bei § 181 BGB zwischen zwei Alternativen unterschieden werden: § 181 Alt. 1 BGB erfasst den Fall des Selbstkontrahierens, wonach der Vertreter mit sich selbst ein Geschäft vornimmt. Davon zu unterscheiden ist der Fall der Mehrfachvertretung, § 181 Alt. 2 BGB. Namentlich handelt es sich dabei um Fälle, bei denen der Vertreter auf beiden Seiten als solcher auftritt.26 Ausgehend vom Wortlaut der Norm ist eine Gestattung des Rechtsgeschäfts durch den Vertretenen möglich.

§ 112 AktG ist spezialgesetzlich geregelt und damit grundsätzlich lex specialis zu § 181 BGB, sofern dessen Anwendungsbereich eröffnet ist.27 Von diesem Konkurrenzverhältnis sind die Fälle des Selbstkontrahierens erfasst (§ 181 Alt. 1 BGB), da eine Vertretung durch den Vorstand in diesem Fall durch § 112 AktG unmöglich ist und § 181 Alt. 1 BGB keine Anwendung finden kann.28 Eine Gestattung des Insichgeschäfts durch die Satzung ist aufgrund des Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 V AktG) nicht möglich. § 112 AktG ist zwingend.29

Von § 112 AktG nicht erfasst ist der Fall der Mehrfachvertretung, sodass § 181 Alt. 2 BGB nicht von § 112 AktG verdrängt wird.30 Für solche Fälle kann entweder die Satzung der AG ein Einverständnis vorsehen oder es kann vom Aufsichtsrat ← 31 | 32 → erteilt werden.31 Festzuhalten bleibt, dass § 112 AktG der Anwendung des § 181 Alt. 1 BGB als lex specialis Regelung vorgeht.

1)  Anwendungsbereich des § 112 AktG

Ausgehend vom Wortlaut scheint der Anwendungsbereich in personeller Hinsicht klar umrissen. Danach sind die amtierenden Vorstandsmitglieder und deren Vertreter vom Schutzzweck der Norm erfasst.32 Andernfalls könnte man diese Norm durch einen vorgelagerten Vertreter mit Leichtigkeit aus den Angeln heben. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Vorstandsmitglied rechtswirksam bestellt wurde. Denn auch bei einem faktischen Vorstandsmitglied liegt die Möglichkeit eines Interessenkonflikts auf der Hand.33

Darüber hinaus wird § 112 AktG extensiv auf zukünftige sowie ausgeschiedene Vorstandsmitglieder erweitert. Zukünftige Vorstandsmitglieder sind solche die schon in Aussicht genommen wurden. Für diese ergibt sich schon aus der gesetzlichen Kompetenzverteilung nach § 84 AktG, dass der Aufsichtsrat für die Einstellung der Vorstandsmitglieder vertretungsbefugt ist.34 Einzige Voraussetzung dafür sind Rechtshandlungen, die im Rahmen des Abschlusses des Anstellungsvertrages stattfinden (zum Beispiel: Spesenersatz). Im Hinblick auf die Gewährleistung der Handlungsfreiheit des Aufsichtsrats darf es allerdings nicht darauf ankommen, ob der Bewerber tatsächlich eingestellt wird.35

Im Ergebnis zutreffend, wird von der h. M. vertreten, dass die Norm auch für ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied gelten müsse.36 Voraussetzung dafür ist, dass die zu behandelnde Angelegenheit in Zusammenhang mit der ursprünglichen ← 32 | 33 → Vorstandstätigkeit steht.37 Es wird damit argumentiert, dass nur so der Gesetzeszweck des § 112 AktG erreicht und zur Rechtssicherheit beigetragen wird, um damit eine unvoreingenommene Vertretung der Gesellschaft zu gewährleisten.38 Festzuhalten bleibt, dass die Rechtsprechung und große Teile der Literatur den Anwendungsbereich des § 112 AktG über den Wortlaut hinaus auf künftige und ausgeschiedene Vorstandsmitglieder erweitert.

In sachlicher Hinsicht erstreckt sich der Anwendungsbereich auf die Prozessführung und alle Geschäfte gegenüber Vorstandsmitgliedern. Das umfasst auch Geschäfte des täglichen Lebens, wobei eine teleologische Reduktion aufgrund eines marginalen Gefahrenpotentials nicht in Betracht kommt.39

2)  Erweiterung des Anwendungsbereichs auf nahestehende Personen?

Vor dem Hintergrund dieser extensiven Auslegung stellt sich die Frage, ob § 112 AktG anwendbar ist, wenn die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, mit nahestehenden Personen (zum Beispiel: Ehefrau/-mann oder Kind) eines Vorstandsmitglieds kontrahiert. Denn auch hier liegt die Vermutung einer abstrakten Gefährdungslage nahe. Einschränkend beachtet werden muss aber, dass es sich bei § 112 AktG um eine Ausnahmevorschrift handelt, welche nicht ohne Weiteres extensiv erweitert bzw. analog ausgelegt werden darf.40

Zu dieser Frage hat sich der für das Gesellschaftsrecht zuständige 2. Senat des BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 geäußert.41 Danach seien auch nahe Angehörige vom Anwendungsbereich umfasst, soweit es sich um Fragen handele, die ihre Grundlage im Vorstandsverhältnis haben.42 Diese Einschränkung ← 33 | 34 → sei durch den Ausnahmecharakter der Vorschrift geboten.43 Zudem fehle es für eine Auslegung bezogen auf weitere nahestehende Personen an der gesetzlichen Grundlage. So hatte sich der Senat in dem gerade erwähnten Judiz mit Rentenansprüchen einer Witwe zu beschäftigen, die aus der früheren Vorstandstätigkeit des verstorbenen Ehemanns erwachsen sind. Für solche Fälle, so der BGH, sei der Aufsichtsrat ausschließlich zuständig.44 Diese Rechtsprechung ist aus zweierlei Hinsicht zu begrüßen. Zum einen steht der Aspekt der Rechtssicherheit im Fokus, da dadurch immer gleiche Entscheidungen gewährleistet werden. Zum anderen ist bei diesen Geschäften eine abstrakte Gefahr naheliegend, welche die Anwendung des § 112 AktG rechtfertigt.

Details

Seiten
378
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631769768
ISBN (ePUB)
9783631769775
ISBN (MOBI)
9783631769782
ISBN (Hardcover)
9783631769751
DOI
10.3726/b14742
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Richtlinie 2017/828 Wesentlichkeitsschwelle Geschäfte mit nahestehenden Personen und Unternehmen Aufsichtsratszuständigkeit Hauptversammlungszuständigkeit
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 378 S.

Biographische Angaben

Tobias Roth (Autor:in)

Tobias Roth studierte Rechtswissenschaften an der Universität Trier. Er war dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht tätig, wo auch die Promotion entstand.

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