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Digitalisierung und Freiheit

Mediale Lebenswelten und reformatorische Erkenntnis im Diskurs

von Ulrich Beuttler (Band-Herausgeber:in) Markus Mühling (Band-Herausgeber:in) Martin Rothgangel (Band-Herausgeber:in)
©2018 Sammelband 118 Seiten

Zusammenfassung

Die neuen Medien beförderten die freiheitlichen Gedanken der Reformationszeit vor 500 Jahren, und die heutige Digitalisierung verspricht grenzenlose Freiheit. Oder schränkt sie die errungene Freiheit geradewegs wieder ein? Wie verhalten sich das Versprechen und der Preis der Digitalisierung zueinander? Und was bedeutet die digitalisierte Welt für unser Bild vom Menschen? Die Beiträge dieses Jahrbuches dokumentieren die Jahrestagung 2017 der Karl-Heim-Gesellschaft zum Thema «Der digitalisierte Mensch, die mediale Welt und die reformatorische Freiheit». Digitale Lebenswelten und ihr Realitätsverständnis kommen in Diskurs mit reformatorisch-theologischen Grundbegriffen wie «Freiheit», «Menschenbild», «Selbst- und Wirklichkeitsverständnis», so dass ihre «Verheißung», aber auch ihre Ambivalenz zur Sprache kommen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title
  • Copyright
  • About the author(s)/editor(s)
  • About the book
  • This eBook can be cited
  • Contents
  • Einleitung: Digitalisierung und Freiheit (Ulrich Beuttler)
  • Macht und Ohnmacht in der digitalen Gesellschaft. Digitalisierung zwischen „gut“ und „böse“ (Johanna Haberer)
  • Freiheit, das Potential der Reformation (Ulrich Beuttler)
  • Gutenberg und sein Erbe: Reformation und Buchdruck (Christian Herrmann)
  • Unendlich viel seltsamer: Digitale Lebenswelten und die Frage nach der Wirklichkeit (Elke Hemminger)
  • Dataismus statt Humanismus? Theologische Bemerkungen zur Ideologie der digitalen Revolution (Werner Thiede)
  • Autorenverzeichnis

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Ulrich Beuttler

Einleitung: Digitalisierung und Freiheit

Die Digitalisierung stellt eine gewaltige technische und kulturelle Revolution dar, der sich kaum jemand entziehen kann. In wenigen Jahrzehnten erfolgte in allen Teilen der Welt ein fast überall möglicher Zugang zum Internet und zu neuen Medien und Geräten. Nur die Älteren werden sich noch an die ersten Homecomputer seit den 1980er Jahren erinnern und an den erstmalig möglichen Zugang zu Internet und e-mail in den späten neunziger Jahren. Obwohl in nur 20 Jahren erfolgt, und also den Aufstieg der Medien des 20. Jh. wie Radio und Fernsehen um ein Vielfaches des Zeitentwicklungstempos überholend, erscheint es den Heutigen so, dass Digitalisierung, Internet und neue Medien wie Smartphone, Laptop und Tablett schon immer verfügbar gewesen wären.

Digitalisierung und neue Medien nötigen zur Auseinandersetzung, da sie eben nicht nur die technischen und medialen Möglichkeiten betreffen, sondern das kulturelle Selbstverständnis überhaupt. Medien waren zwar schon immer ein Thema der Kultur- und Sozialwissenschaften, aber sie sind es heute in hervorgehobenem Maße. Bedenken wir nur den Satz und Buchtitel des IT-Entwicklers und -Reflektors Jaron Lanier „Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne, du bist ihr Produkt“, bedenken wir nur, dass der Literaturwissenschaftler Roberto Simanowski, Professor für Digitale Medien, die ganze Gesellschaft als „Facebook-Gesellschaft“ beschreibt und charakterisiert, und bedenken wir, dass der Kultursoziologe Andreas Reckwitz in seiner „Gesellschaft der Singularitäten“ von der Digitalisierung als dem Aufstieg einer Kulturmaschine hin zur kombinierten Singularisierung spricht, dann wird deutlich, dass es nicht um die Anwendung und Nutzung neuer Medien, sondern um ein neues kulturelles und existentielles Selbstverständnis, um ein neues Sein des Menschen geht.

Kontrastieren wir dann das Heute mit dem Aufstieg der Medien, der mit dem Buchdruck und der Verbreitung von Kulturgütern im 16. Jh. begann und als 500. Reformationsjubiläum 2017 gefeiert wurde, dann wird deutlich, dass eine Auseinandersetzung ansteht. Die neuen Medien wie Buchdruck und Flugblätter, Bibelübersetzung und Volksschriften beförderten die freiheitlichen Gedanken der Reformationszeit vor 500 Jahren, und die heutige Digitalisierung verspricht grenzenlose Freiheit. Oder schränkt sie die errungene Freiheit geradewegs wieder ein? Wie verhalten sich das Versprechen und der Preis der Digitalisierung zueinander? Und was bedeutet die digitalisierte Welt für unser Bild vom Menschen? ← 7 | 8 →

Das vorliegende Jahrbuch der Karl-Heim-Gesellschaft, nunmehr im 31. Jahrgang erscheinend, widmet sich diesem hochaktuellen Thema im Schnittfeld technischer und kultureller Revolution. Es dokumentiert unter anderem eine Tagung und eine Vortragsreihe, die vom Verfasser dieser Einleitung organisiert wurden, darunter die Jahrestagung der Karl-Heim-Gesellschaft 2017 zum Thema „Der digitalisierte Mensch, die mediale Welt und die reformatorische Freiheit“. Der Focus ist hier nicht die technische und pragmatische oder politische Seite der Digitalisierung, die von allen Seiten der politisch Verantwortlichen im flächendeckenden Ausbau des schnellen Internets propagiert und vollzogen wird.

Der Focus liegt auf der sozialwissenschaftlichen, ethischen und theologischen Reflexion, was in diesem Prozess geschieht, jeweils bezogen auf Sache und Begriff der Freiheit. So kommen quasi ein reformatorisch-theologischer Zentralbegriff und ein aktuelles Phänomen in einen Diskurs. Es wird deutlich, was jedem hermeneutisch wachen Beobachter immer schon klar war. Es sind nicht nur Sachen, um die es hier geht, es geht zwingend auch um Deutungen, Einschätzungen, Bewertungen, eben weil es um nicht weniger als das menschliche und christliche Selbstverständnis in einer sich kulturell rasant wandelnden medialen Welt geht. Es ist deshalb richtig und wichtig, dass die Karl-Heim-Gesellschaft, der es, wie der Gründungstitel sagt, um die „Förderung einer christlichen Orientierung in der wissenschaftlich-technischen Welt“ geht, nun den kultur- und sozialwissenschaftlichen sowie theologisch-hermeneutischen Blick anlegt, im Focus von „Digitalisierung und Freiheit“.

Der einführende Beitrag von Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg, betrachtet das Phänomen der Digitalisierung unter dem Erleben von „Macht und Ohnmacht“, also unter der Frage, wie der Einzelne mit diesen neuen, technischen Optionen zu kommunizieren, zurechtkommt und umgeht, und wie sich das Leben des Einzelnen und der Gruppe durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien verändert. Es wird eine Differenz und Ambivalenz zwischen der „Verheißung“ und dem „Vermögen“ der Digitalisierung deutlich, die unter den Stichworten „Beschleunigung“, „Entgrenzung“, „Anonymität“, aber auch „Übergriffigkeit“, „Destabilisierung“, „Überwachung“ thematisiert wird.

Der Vortrag von Ulrich Beuttler zum Reformationsjubiläum 2017 thematisiert Potential und Realisierung der reformatorischen Grunderkenntnis unter dem Begriff „Freiheit“. Freiheit war nicht nur zentrales Thema und Anliegen der Reformation. Der Beitrag zeigt, dass Luthers Begriff der Freiheit primär religiös-theologisch geprägt war und erst indirekt, über Aufklärung und Neuprotestantismus, auch kirchen- und gesellschaftspolitisch wirksam wurde. ← 8 | 9 →

Der Beitrag von Christian Herrmann, Bibliothekswissenschaftler an der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und Leiter der Abteilung Historische Sammlungen und der Sammlung Alte und Wertvolle Drucke sowie der Bibelsammlung, entfaltet die kulturelle Bedeutung und fundamentale Innovationswirkung der Erfindung Gutenbergs. Der Buchdruck veränderte nicht nur die Praxis und Verfügbarkeit von Büchern, namentlich der Bibel, sondern auch deren Selbstverständnis und Zielgruppe. An konkreten Beispielen und Zahlenerhebungen des Buchdrucks in Straßburg, Basel und Tübingen wird auch deutlich, wie die Reformation mit Luthers Bibelübersetzung den Buchdruck und das Buchverständnis nachhaltig beeinflusste.

Details

Seiten
118
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631774144
ISBN (ePUB)
9783631774151
ISBN (MOBI)
9783631774168
ISBN (Hardcover)
9783631774137
DOI
10.3726/b14909
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Virtuelle Realität Buchdruck Reformation Mediatisierung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 117 S., 13 s/w Abb.

Biographische Angaben

Ulrich Beuttler (Band-Herausgeber:in) Markus Mühling (Band-Herausgeber:in) Martin Rothgangel (Band-Herausgeber:in)

Ulrich Beuttler ist außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie in Erlangen und Pfarrer in Backnang. Markus Mühling ist Professor für Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Martin Rothgangel ist Professor für Religionspädagogik in Wien.

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Titel: Digitalisierung und Freiheit
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