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Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt sowie dessen Verhältnis zum Kapitalmarktrecht

von Maximilian Backhaus (Autor:in)
©2019 Dissertation 396 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch beleuchtet das Nebeneinander von Kartell- und Kapitalmarktrecht am Kapitalmarkt auf Verbots- und Sanktionsebene mit einem Fokus auf den Börsenhandel. Der Autor stellt die Anwendbarkeit des Kartellrechts abstrakt sowie an Beispielen dar. Er geht wesentlich auf die kartellrechtliche Marktabgrenzung und Einflüsse der Kapitalmarktorganisation und -struktur ein. Zum Verhältnis der Rechtsgebiete erarbeitet der Autor abstrakt und am Beispiel der Kursstabilisation, dass trotz Überschneidungspunkten die parallele Anwendung der Rechtsmaterien geboten ist und primär Verbote vorgehen. Parallele Bußgelder misst der Autor an «ne bis in idem». Abschließend entwickelt er einen Leitfaden für die Prüfung der kartellrechtlichen Verbote am Kapitalmarkt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Dedication
  • Vorwort
  • Danksagungen
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • Bedürfnis wissenschaftlicher Aufarbeitung
  • Herangehensweise der Arbeit
  • Ziel der Arbeit
  • Struktureller Aufbau der Arbeit
  • Gliederung der Arbeit
  • Wesentliche Ergebnisse der Arbeit
  • B. Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts
  • I.  Vorbemerkung
  • II. Anwendbarkeit des Kartellrechts
  • 1. Einleitung
  • 2. Indizien für Kartellrechtsanwendung am Kapitalmarkt
  • 3. Analyse der kartellrechtlichen Verbotsnormen
  • a. Europäisches Kartellrecht
  • b. Deutsches Kartellrecht
  • c. Fazit: Anwendbarkeit des Kartellrechts am Kapitalmarkt
  • 4. Kapitalmarkt als Wettbewerbsmarkt
  • a. Wettbewerb im kartellrechtlichen Sinne
  • b. Wettbewerblichkeit des Kapitalmarkts
  • 5. Zusammenfassung
  • III. Marktabgrenzung am Kapitalmarkt
  • 1. Einleitung
  • 2. Sachliche Marktabgrenzung am Kapitalmarkt
  • a. Kapitalmarkt als Anlagemarkt
  • aa. Grundlagen der sachlichen Marktabgrenzung
  • bb. Trennung der Kapitalmarktanlage von anderen Anlagemärkten
  • cc. Einteilung der Kapitalmarktprodukte in Gattungen
  • dd. Weitere grundsätzliche sachliche Unterteilungsmöglichkeiten
  • b. Sonderfall: Zweckgebundene Kapitalmarktprodukte
  • c. Zwischenfazit zu den Grundsätzen der sachlichen Marktabgrenzung
  • d. Vertiefung der sachlichen Marktabgrenzung
  • aa. Vorbemerkung
  • bb. Aktien
  • (1). Grundsatz: Ein Markt für Unternehmensbeteiligungen
  • (2). Potentielle weitere Trennung
  • (3). Ausländische Unternehmensbeteiligungen
  • (4). Zusammenfassung
  • cc. Derivate
  • (1). Einführung
  • (2). Grundsatz: Trennung nach Zwecken
  • (3). Spekulative Nutzung von Derivaten
  • (4). Börs- und außerbörslicher Handel
  • (5). Zusammenfassung
  • e. Verengung des sachlichen Markts
  • aa. Grundlagen
  • bb. Bedarfsverengende Verpflichtungen
  • (1). Grundlagen
  • (2). Berücksichtigungsfähigkeit in der Marktabgrenzung
  • (3). Erforderliche Bedarfsrelevanz für Marktverengung
  • (4). Zusammenfassung
  • cc. Anlegerpräferenzen
  • dd. Zusammenfassung zur Marktverengung
  • f. Zusammenfassung
  • 3. Räumliche Marktabgrenzung am Kapitalmarkt
  • a. Grundlagen
  • b. Grundsatz: Zumindest nationale Märkte
  • c. Europäische Märkte
  • d. Weiterreichende Märkte
  • e. Zusammenfassung
  • 4. Ergebnisse der Marktabgrenzung
  • IV. Grundsätze der Anwendung des Kartellverbots
  • 1. Einleitung
  • 2. Allgemeine Grundlagen
  • a. Anwendungsmöglichkeiten
  • b. Spürbarkeit als grundsätzliche Hürde
  • aa. Grundlagen
  • bb. Grundsatz: Große Märkte und kleine Marktanteile
  • cc. Grundsätzliche Notwendigkeit der Marktverengung
  • dd. Zwischenfazit
  • ee. Dritte Faktoren neben dem Marktanteil
  • c. Zusammenfassung
  • 3. Beispiel: Referenzzinsmanipulation
  • a. Einführung
  • b. Abstimmungserfordernis
  • c. Keine Wettbewerbsbeschränkung auf der Referenzzinsbestimmungsebene
  • d. Mögliche Wettbewerbsbeschränkung am Referenzmarkt
  • e. Mögliche Wettbewerbsbeschränkung an Märkten für referenzzinsgekoppelte Produkte
  • aa. Eingangsüberlegungen
  • bb. Keine Einschränkung der wettbewerblichen Freiheit der Manipulationsbeteiligten an Märkten für referenzzinsgekoppelte Produkte
  • cc. Keine generelle Beschränkung der Auswahl- und Betätigungsfreiheit dritter Marktteilnehmer als deren wettbewerbliche Freiheit
  • dd. Zwischenfazit
  • ee. Wettbewerbsverfälschung durch künstliche Veränderung der Wettbewerbsbedingungen und Senkung der Wettbewerbsintensität
  • ff. Fazit: Keine generelle Wettbewerbsbeschränkung durch abgestimmte Referenzzinssteuerung an Märkten für referenzzinsgekoppelte Produkte
  • f. Informationsaustausch
  • g. Spürbarkeit
  • h. Zusammenfassung
  • 4. Beispiel: Emissionskonsortien
  • a. Einleitung
  • b. Angebot der Emissionserbringung durch das Konsortium
  • aa. Möglicher Verstoß gegen das Kartellverbot
  • bb. Mögliche Rechtfertigung als Arbeitsgemeinschaft
  • cc. Zusammenfassung
  • c. Angebot des Emissionsprodukts durch das Konsortium
  • aa. Möglicher Verstoß gegen das Kartellverbot
  • bb. Mögliche Rechtfertigung des Kartellverstoßes
  • (1). Eingangsüberlegungen
  • (2). Konsortium als wirtschaftliche Einheit
  • (3). Zulässige Nebenabrede zur Konsortialbildung
  • cc. Zusammenfassung
  • d. Sonderfall: Konsortialmitglieder als Mittler
  • e. Zusammenfassung
  • 5. Zusammenfassung zum Kartellverbot
  • V. Grundsätze der Anwendung des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
  • 1. Einleitung
  • 2. Allgemeine Grundlagen
  • a. Marktbeherrschende Stellung
  • aa. Einleitung
  • bb. Marktanteil
  • (1). Eingangserläuterungen
  • (2). Große Märkte als Hürde der Marktbeherrschung
  • (3). Höherer Marktanteil durch Marktverengung
  • (4). Relativer Marktanteil
  • (5). Einfluss der Börsenfunktion
  • (6). Zeitliche Limitierung der Marktverengung
  • (7). Fazit: Marktgröße als Hürde der marktbeherrschenden Stellung
  • cc. Dritte Marktbeherrschungsfaktoren
  • (1). Einleitung
  • (2). Beispiel: Finanzkraft
  • (3). Beispiel: Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten
  • dd. Zusammenfassung
  • b. Missbrauch
  • aa. Grundlagen
  • bb. Einflüsse von Kapitalmarktorganisation und -struktur
  • cc. Zusammenfassung
  • 3. Beispiel: Preismissbrauch
  • a. Einleitung
  • b. Marktbeherrschende Stellung
  • aa. Allgemeine Erwägungen
  • bb. Besonderheiten bei Bedarf einzelner Anleger
  • cc. Keine Sperrwirkung durch § 20 Abs. 1 GWB
  • dd. Fazit: Bestätigung der Grundsätze zur Marktabgrenzung
  • c. Missbrauch
  • aa. Grundlagen der Bestimmung missbräuchlicher Preise
  • bb. Räumlicher Vergleichsmarkt
  • cc. Sachlicher Vergleichsmarkt
  • dd. Zeitlicher Vergleichsmarkt
  • ee. Probleme bei Bestimmung missbräuchlicher Preise
  • ff. Lösungsansatz: Kombinierter sachlich-zeitlicher Vergleich
  • d. Ergebnis zum Preismissbrauchsbeispiel
  • 4. Fazit zum Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
  • VI. Fazit zur Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts
  • C. Das Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht
  • I.  Einleitung
  • II. Keine Sperrwirkung des Kapitalmarktrechts
  • 1. Grundsätzliches
  • 2. Keine abschließender Charakter des Kapitalmarktrechts
  • 3. Kein sonderkartellrechtlicher Charakter des Kapitalmarktrechts
  • a. Kein Sonderkartellrecht und keine Verdrängungswirkung
  • b. Bestätigung durch Zwecke des Kapitalmarktrechtrechts
  • c. Kein Sonderkartellrecht durch faktischen Wettbewerbsschutz
  • d. Zusammenfassung
  • 4. Beispiele für faktisch wettbewerbsschützende kapitalmarktrechtliche Verbote
  • a. Einleitung
  • b. Beispiel: Art. 14 lit. c der Marktmissbrauchsverordnung
  • aa. Vorbemerkungen
  • bb. Möglicher Verstoß gegen das Kartellverbot
  • (1). Vorbemerkung
  • (2). Abgestimmte Verhaltensweise
  • (3). Wettbewerbsbeschränkung
  • (4). Zusammenfassung
  • cc. Verstoß gegen Art. 14 lit. c der Marktmissbrauchsverordnung
  • (1). Vorbemerkung
  • (2). Offengelegte Informationen als Insiderinformationen
  • (3). Weitergabe von Informationen an Wettbewerber als erfasster Fall
  • dd. Kein sonderkartellrechtlicher Charakter
  • c. Beispiel: Art. 12 Abs. 2 lit. a der Marktmissbrauchsverordnung
  • aa. Vorbemerkungen
  • bb. Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot
  • cc. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 2 lit. a der Marktmissbrauchsverordnung
  • (1). Vorbemerkungen
  • (2). Marktbeherrschung i.S.d. des Kapitalmarktrechts
  • (3). Sicherung der Stellung und Preisfestsetzung
  • dd. Kein sonderkartellrechtlicher Charakter
  • 5. Parallele Anwendung von Kartell- und Kapitalmarktrecht
  • III. Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht auf Verbotsebene
  • 1. Eingangsüberlegungen
  • 2. Einseitige kapitalmarktrechtliche Verbote
  • a. Grundsätzliche Einordnung
  • b. Mögliche Sperrwirkung kartellrechtlicher Zulässigkeit
  • c. Zusammenfassung und Beispiel
  • 3. Einseitige kartellrechtliche Verbote
  • a. Eingangsüberlegungen
  • b. Normenhierarchie
  • c. Analyse der Bedeutung von Kartell- und Kapitalmarktrecht
  • aa. Vorbemerkungen
  • bb. Vorranganspruch der kartellrechtlichen Verbote aus kartellrechtlicher Sicht
  • cc. Berücksichtigungserfordernis aus kapitalmarktrechtlicher Sicht
  • (1). Vorbemerkung
  • (2). Grundsätzliche Bedeutung des Kapitalmarktrechts
  • (3). Kein genereller Vorrang kapitalmarktrechtlicher Zulässigkeit
  • (4). Kapitalmarktrechtliche Zulässigkeitsregelung nicht als lex specialis
  • (5). Kapitalmarktrechtliches Berücksichtigungserfordernis
  • (6). Zusammenfassung der Ergebnisse
  • dd. Entwicklung eines Verhältnisses von kapitalmarktrechtlicher Zulässigkeit und kartellrechtlichem Verbot auf Basis der Bedeutung der Rechtsmaterien
  • ee. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Bedeutungsanalyse
  • d. Abschließende Darstellung des Rangverhältnisses von Kartell- und Kapitalmarktrecht unter Kombination von Normenhierarchie und Bedeutungsanalyse
  • aa. Vorbemerkungen
  • bb. Verhältnis von Art. 101, 102 AEUV zu kapitalmarktrechtlicher Zulässigkeit
  • cc. Verhältnis von §§ 1, 19 GWB zu kapitalmarktrechtlicher Zulässigkeit
  • dd. Genereller Vorrang kartellrechtlicher Verbote
  • ee. Praktische Rechtsanwendung
  • 4. Kartellrechtliche Analyse kapitalmarktrechtlich zulässiger Kursstabilisation
  • a. Einleitung
  • b. Kartellverbot
  • aa. Möglicher Verstoß gegen das Kartellverbot
  • bb. Für Emissionskonsortien geltenden Ausnahmen
  • cc. Freistellung vom Kartellverbot
  • (1). Vorbemerkungen
  • (2). Effizienzvorteile
  • (3). Grundsätzliches Überwiegen der Effizienzvorteile
  • (4). Angemessene Verbraucherbeteiligung
  • (5). Unerlässlichkeit der Beschränkungen
  • (6). Kein Ausschluss eines wesentlichen Teils des Wettbewerbs
  • dd. Ergebnis
  • c. Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
  • aa. Missbrauch durch Stabilisation
  • bb. Fehlende Missbräuchlichkeit der Stabilisation
  • (1). Ausnahme durch Effizienzvorteile
  • (2). Anwendung auf die Kursstabilisation
  • cc. Ergebnis
  • d. Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht mit Blick auf potentielle kartellrechtliche Verbote der Kursstabilisation
  • aa. Ergebnisse der kartellrechtlichen Bewertung kapitalmarktrechtlich zulässigen kursstabilisierenden Verhaltens
  • bb. Anwendung des entwickelten Rangverhältnisses
  • cc. Fazit: Vorrang der kartellrechtlichen Verbote vor der kapitalmarktrechtlichen Zulässigkeitsregelung im Falle einer Kursstabilisation
  • 5. Zusammenfassung des Verhältnisses auf Verbotsebene
  • IV. Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht auf Sanktionsebene
  • 1. Einleitung
  • 2. Einseitige Bußgelder
  • 3. Parallele Bußgelder
  • a. Einführung
  • b. Geltung von ne bis in idem im deutschen Recht
  • aa. Keine Anwendung Art. 103 Abs. 3 GG
  • bb. Geltung eines rechtsstaatlichen Grundsatzes ne bis in idem
  • c. Geltung von ne bis in idem im europäischen Recht
  • aa. Keine Geltung der Kodifizierungen von ne bis in idem
  • bb. Geltung eines rechtsstaatlichen Grundsatzes ne bis in idem
  • d. Verständnis von ne bis in idem im Bußgeldbereich
  • aa. Einleitung
  • bb. Faktisches Verständnis
  • (1). Darstellung
  • (2). Anwendung
  • cc. Erweiterung um Erfordernis der Rechtsgutidentität
  • (1). Darstellung
  • (2). Anwendung
  • dd. Ablehnung der Einschränkung des faktischen Verständnisses
  • (1). Vorbemerkungen
  • (2). Durchbrechung eines einheitlichen Grundsatzes
  • (3). Unvereinbarkeit mit der Bedeutung von ne bis in idem
  • (4). Weniger Einzelfallabhängigkeit
  • ee. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • e. Geltungsreichweite von ne bis in idem
  • f. Folgen für parallele Bußgelder
  • aa. Grundregel
  • bb. Vorteile einer geregelten Wahrnehmung des Bebußungsrechts
  • cc. Mögliche Regelungen
  • g. Einfachgesetzliche Regelungen im deutschen Recht
  • aa. Vorbemerkungen
  • bb. Parallele Bußgelder durch nationale Behörden
  • cc. Zuständigkeit zur Wahrnehmung des Bebußungsrechts
  • dd. Keine Relevanz von § 19 OWiG
  • ee. Involvierung europäischer Stellen
  • 4. Fazit zum Verhältnis auf der Sanktionsebene
  • V. Zusammenfassung: Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht
  • D. Abschließende Zusammenfassung und Schlussfolgerung sowie Kernthesen und praktischer Prüfungsleitfaden
  • I.  Vorbemerkung
  • II. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Arbeit
  • III. Vorschlag eines Prüfungsleitfadens für die Prüfung kartellrechtlicher Verbote neben dem Kapitalmarktrecht
  • IV. Kernthesen dieser Arbeit
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

←26 | 27→

A. Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit und den Grundsätzen der Anwendung des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt sowie mit dem mit diesen Fragenkomplexen verbundenen Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht. Der Begriff Kapitalmarkt ist insoweit erkennbar von zentraler Bedeutung für diese Arbeit. Er ist das Objekt der Erörterung von Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts. Das Verständnis des Begriffs im Sinne dieser Arbeit sei daher hier einleitend näher erläutert. Kapitalmarkt meint den Handel mit Kapitalmarktprodukten, v.a. an Märkten, die wie Börsen kapitalmarktrechtlich organisiert sind, sowie zu Anlagezwecken. Er erfasst also primär Märkte, an denen Kapitalmarktprodukte als Kapitalanlage angeboten und nachgefragt werden. Ein Fokus der Arbeit liegt auf dem Handel mit Unternehmensbeteiligungen als Anlageprodukt und mit Derivaten, jeweils vor allem an Börsen als organisiertem Markt. Dieses Verständnis des Kapitalmarkts erfasst v.a. die Bereiche des Handels, die das Kapitalmarktrecht regelt. Das begründet sich damit, dass sich diese Arbeit mit dem Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht am Kapitalmarkt auseinandersetzt. Im Kern meint Kapitalmarkt mithin den Handel mit Kapitalmarktprodukten an organisierten Märkten zwecks Anlage, bspw. den börslichen Handel mit Unternehmensbeteiligungen.

Bedürfnis wissenschaftlicher Aufarbeitung

Es bedarf einer grundlegenden Auseinandersetzung mit den bislang allenfalls partiell aufgearbeiteten Fragen, ob und in welchen Grenzen das Kartellrecht am Kapitalmarkt zur Anwendung kommen kann und in welchem Verhältnis es zum Kapitalmarktrecht steht.

Eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung dieser Fragen spielt der strukturelle Umstand, dass das Kapitalmarktrecht ein Rechtsgebiet ist, das spezifisch Belange des Kapitalmarkts regelt und das Kapitalmarktgeschehen als sachnahes Marktrecht organisiert. Es definiert maßgeblich den Kapitalmarktrechtsrahmen und bestimmt Grenzen zulässigen Kapitalmarktverhaltens. Gerade diese speziellen kapitalmarktrechtlichen Vorgaben bieten im Zusammenspiel mit den allgemeinen kartellrechtlichen Rahmenbedingungen für ein wettbewerbliches Marktgeschehen Raum für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den vorgenannten Fragestellungen. Kartell- wie Kapitalmarktrecht regeln Grenzen zulässigen Marktverhaltens. Es ist zu beleuchten, wie sich die beiden Rechtsgebiete gegenseitig in der Anwendung bedingen.

Diese Arbeit soll daher insgesamt untersuchen, ob und wie das allgemein wettbewerbliches Marktverhalten regelnde Kartellrecht neben dem spezifisch Kapitalmarktverhalten regelnden Kapitalmarktrecht am Kapitalmarkt tatsächlich Geltung beanspruchen kann und welche Besonderheiten in Anbetracht der Existenz des ←27 | 28→spezifisch kapitalmarktbezogenen Kapitalmarktrechts für die Kartellrechtsanwendung zu beachten sind.

Konkret ergeben sich zwei Fragen, deren Klärung es bedarf. Ersten ist zu prüfen, ob das Kartellrecht am Kapitalmarkt anwendbar ist und wie sich die Kapitalmarktorganisation und -struktur auf diese Anwendung auswirkt, ohne jedoch schon das Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht zu betrachten. Dies ist Gegenstand der zweiten Frage. Es bedarf insoweit der Aufarbeitung des Verhältnisses von Kartell- und Kapitalmarktrecht in der Anwendung auf den Kapitalmarkt. Dieses Verhältnis und seine Auswirkungen auf die Kartellrechtsanwendung sind wissenschaftlich und praktisch nicht minder erörterungswürdig.

Herangehensweise der Arbeit

Diese Arbeit vermag die vorgenannten Themenkomplexe sicherlich nicht allumfassend zu beleuchten. Sie soll aber u.a. einen grundlegenden Überblick über die bisherige Aufarbeitung der adressierten Fragen in nur bedingt vorhandener Rechtsprechung und Behördenpraxis sowie der juristischen Literatur geben.

So hat die Europäische Kommission in der Vergangenheit etwa Absprachen zur Steuerung von Referenzzinssätzen wegen damit verbundener Auswirkungen auf Märkten für referenzzinsgekoppelte Kapitalmarktprodukten kartellrechtlich geahndet.1 Sie sieht mithin das Kartellrecht als auf den Kapitalmarkt anwendbar an. Auch deutsche Gerichte haben sich bereits, wenn auch nur rudimentär, mit der Anwendbarkeit des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt beschäftigt. So hat sich das LG Stuttgart mit einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot von Aktien auseinandergesetzt, hat aber die Frage der Anwendbarkeit des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung neben dem Kapitalmarktrecht ausdrücklich offen gelassen, weil es das Verbot an der nach Ansicht des Gerichts nicht bestehenden marktbeherrschenden Stellung scheitern ließ.2 Das Gericht setzte sich mithin gerade nicht mit der wesentlichen Frage des Verhältnisses von Kartell- und Kapitalmarktrecht sowie der potentiellen Auswirkungen des Verhältnisses auf die Kartellrechtsanwendung auseinander. Neben dem LG Stuttgart hat sich das LG Braunschweig mit der Kartellrechtsanwendung neben dem Kapitalmarktrecht befasst. Laut LG Braunschweig kann das Kartellrecht bei kapitalmarktrechtlich relevantem Verhalten einschlägig sein. Das Gericht merkt aber zugleich an, dass das Verhältnis von Kartellrecht und Kapitalmarktrecht einer grundlegenden Aufarbeitung harrt.3 Es besteht ein Bedürfnis zur grundlegenden Aufarbeitung der Frage nach der Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt neben dem Kapitalmarktrecht. Zur ←28 | 29→adäquaten Beantwortung dieser Frage müssen die Grundsätze der Kartellrechtsanwendung auf dem Kapitalmarkt und ein Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht erarbeitet werden.

Auch Stimmen in der Literatur setzen sich mit der Kartellrechtsanwendung auf dem Kapitalmarkt auseinander. Zu den erörterten Themenbereichen, die auch diese Arbeit adressiert, gehören der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Anbieter von Kapitalmarktprodukten, die Referenzzinsmanipulation sowie Aktienemission und Kursstabilisation durch Emissionskonsortien.

Wichtiger als die bloße Auseinandersetzung mit diesen Aufarbeitungen soll die Entwicklung eigener Ansätze zur Anwendung des Kartellrechts auf dem Kapitalmarkt sowie zum Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht sein. Bei den in dieser Arbeit entwickelten Ansätzen handelt es sich insbesondere um Prinzipien zur Abgrenzung von Märkten für Kapitalmarktprodukte und zur Lösung von Konflikten zwischen Kartell- und Kapitalmarktrecht auf Verbots- und Sanktionsebene, die aus der in dieser Arbeit zugrunde gelegten grundsätzlichen parallelen Anwendung der beiden Rechtsmaterien folgen.

Aufgrund der nicht zu vernachlässigenden praktischen Relevanz der Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts am Kapitalmarkt strebt diese Arbeit nicht nur eine rechtstheoretische Einschätzung der beschriebenen Fragenkomplexe an, sondern soll anhand von einzelnen Fallgruppen und Praxisbeispielen auch die praktischen Auswirkungen der entwickelten Grundsätze der Kartellrechtsanwendung neben dem Kapitalmarktrecht darstellen. So ist sicherlich allein schon rechtstheoretisch z.B. interessant, wie das Kartellverbot und das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung an Märkten für Kapitalmarktprodukte Anwendung finden können und welche Folgen dies für das Kapitalmarktrecht hat. Darzustellen ist aber sodann zugleich auch, welche praktische Konsequenz mit den jeweils theoretisch entwickelten Grundsätzen einhergeht. Dafür werden jeweils Beispiele in die Bearbeitung eingebracht.

Ferner soll im abschließenden Teil dieser Arbeit ein grundsätzlicher Leitfaden für die Prüfung der kartellrechtlichen Verbote am Kapitalmarkt präsentiert werden, der die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit widerspiegelt.

Ziel der Arbeit

Ziel der Arbeit ist es, ein grundsätzliches Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen der Kartellrechtsanwendung am Kapitalmarkt zu entwickeln und kapitalmarktbezogene Besonderheiten zu identifizieren, die in der Kartellrechtsanwendung am Kapitalmarkt grundsätzlich zu beachten sind. Dazu gehört sicherlich in erster Linie die Darstellung der Grundsätze der Anwendung des Kartellrechts. Diesbezüglich ist v.a. die Marktabgrenzung wesentlich, für die ein Ansatz entwickelt wird. Daneben ist das Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht zwingend darzustellen, um ein Verständnis für die Kartellrechtsanwendung auf dem Kapitalmarkt entwickeln zu können. Diesbezüglich liegt der Fokus der Arbeit auf der Entwicklung eines allgemeinen Verhältnisses der beiden Rechtsmaterien sowie der Erarbeitung ←29 | 30→von Lösungsansätzen für das Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht bei Überschneidungsfällen auf der Verbots- und Sanktionsebene.

Struktureller Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in zwei wesentliche Teile und eine abschließende Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Arbeit. Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit der Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt aus primär kartellrechtlicher Sicht. Betrachtet wird zudem, wie sich die Kapitalmarktorganisation und -struktur aus kartellrechtlicher Sicht auf die Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts auswirken. Dieser Teil der Arbeit lässt in diesem Zusammenhang das sodann im zweiten Teil zu erörternde Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht grundsätzlich noch außen vor.

Der strukturelle Hintergrund für diese das Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht erst an zweiter Stelle erörternde Betrachtungsreihenfolge ist, dass es zunächst einer Aufarbeitung der Anwendbarkeit und des Anwendungsspielraum des Kartellrechts am Kapitalmarkt aus kartellrechtlicher Sicht bedarf. Nur so können die Grenzen definiert werden, in denen eine Erörterung des Verhältnisses von Kartell- und Kapitalmarktrecht überhaupt erforderlich ist. Hierbei ist zu beachten, dass das Kartellrecht markt- und wettbewerbsliberalisierend ist, während der Kapitalmarkt in Teilen organisiert ist. Das Kapitalmarktgeschehen kann standardisiert sein, u.a. im Börsenhandel. Der Organisationsgrad des Kapitalmarkts wirft die Frage auf, ob das markt- und wettbewerbsliberalisierende Kartellrecht auf einen organisierten sowie in Teilen nach standardisierten Verfahren funktionierenden und damit möglicherweise nicht liberalen Kapitalmarkt unter Umständen schon aus kartellrechtlicher Sicht nicht anwendbar ist. Ist eine Anwendung des Kartellrechts bereits aus kartellrechtlicher Sicht ausgeschlossen, erübrigt sich die Frage nach dem Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht. Ist aber aus kartellrechtlicher Sicht das Kartellrecht auf den Kapitalmarkt anwendbar, muss beleuchtet werden, wie die Besonderheiten des Kapitalmarkts in die Kartellrechtsanwendung einwirken. Vor allem ist zu erörtern, ob sie die Kartellrechtsanwendung limitieren. Verbleiben trotz der Besonderheiten des Kapitalmarkts aus kartellrechtlicher Sicht Anwendungsmöglichkeiten, sind aber die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt noch nicht abschließend beurteilt. Sodann ist auch das Kapitalmarktrecht in die Betrachtung einzubeziehen, um ein Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht herauszufiltern und zu entwickeln.

Gliederung der Arbeit

Konkret leitet der erste Teil dieser Arbeit mit der Frage der Anwendbarkeit des Kartellrechts am Kapitalmarkt aus kartellrechtlicher Sicht ein. Anschließend werden die Grundsätze der Marktabgrenzung für Kapitalmarktprodukte dargestellt, bevor auf die Anwendung des Kartellverbots und des Verbots des Missbrauchs ←30 | 31→einer marktbeherrschenden Stellung eingegangen wird. Die Marktabgrenzung ist vor die Klammer der Erörterung der Anwendungsgrundsätze zu den kartellrechtlichen Verboten gezogen, da die Marktabgrenzung große Märkte für Kapitalmarktprodukte ergeben kann. Diese sind eine grundsätzliche Anwendungshürde für das Kartellrecht am Kapitalmarkt. Daher ist die Entwicklung der Grundsätze zur Marktabgrenzung ein wesentlicher Aspekt des ersten Teils. Die Darstellung der Marktabgrenzung und Anwendungsgrundsätze der kartellrechtlichen Verbote am Kapitalmarkt fokussieren auf den Kapitalmarkt als Markt für Kapitalanlage und den diesbezüglichen Handel mit Kapitalmarktprodukten als Anlageprodukte. Der Börsenhandel mit Wertpapieren steht im Vordergrund, v.a. der Handel mit Unternehmensbeteiligungen. Die Marktabgrenzung wird abstrakt dargestellt sowie an Aktien und Derivaten als Beispielen vertieft. Außerdem wird auf die Möglichkeiten einer Verengung von Märkten, die über die dargestellten Grundsätze hinausgeht, eingegangen. Im Anschluss an die Marktabgrenzung werden die Grundsätze der Anwendung des europäischen und deutschen Kartellverbots in Art. 101 und § 1 GWB sowie des europäischen und deutschen Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Art. 102 AEUV und § 19 GWB in Bezug auf den Handel mit Kapitalmarktprodukten dargestellt. Die Darstellung erfolgt abstrakt und an von Beispielen. Auf abstrakter Ebene werden primär die tatsächlichen Auswirkungen der spezifischen Kapitalmarktorganisation und -struktur auf die Anwendung der Verbote analysiert. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Frage, wie sich die potentielle Größe der Märkte für Kapitalmarktprodukte auf die praktische Anwendung der Verbote auswirkt. Als Beispiele werden in Bezug auf das Kartellverbot die Referenzzinsmanipulation und Emissionskonsortien erörtert. Für das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wird die Forderung hoher Preise durch einen Anbieter börsengehandelter Unternehmensbeteiligungen, der deren Angebot vereint, als Beispiel für einen Preismissbrauch dargestellt.

Der zweite Teil der Arbeit setzt sich sodann damit auseinander, wie sich Kartell- und Kapitalmarktrecht in der Anwendung am Kapitalmarkt beeinflussen. Dabei wird weniger geprüft, welchen Einfluss das Kartellrecht auf das Kapitalmarktrecht hat. Im Fokus steht vielmehr die relevantere Frage, wie sich das besondere und in Bezug auf den Kapitalmarkt sachnähere Kapitalmarktrecht auf die Anwendung des Kartellrechts am Kapitalmarkt auswirkt. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden Lösungsansätze dazu entwickelt, wie mit der parallelen Anwendung des Kartell- und Kapitalmarktrechts auf den Kapitalmarkt umzugehen ist. Es werden insoweit das Verhältnis und das Zusammenspiel von Kartell- und Kapitalmarkt in der Anwendung der kartell- und kapitalmarktrechtlichen Verbote sowie Sanktionsmöglichkeiten betrachtet. Wegen der parallelen Regelung der Grenzen zulässigen Marktverhaltens ist nicht auszuschließen, dass sich Kartell- und Kapitalmarktrecht in der Beurteilung eines Verhaltens überschneiden. Es wird daher erarbeitet, wie sich das Kartell- und Kapitalmarktrecht in diesem Fall zueinander verhalten. Insoweit harrt das Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht einer grundsätzlichen Aufarbeitung.

←31 | 32→Konkret wird im zweiten Teil der Arbeit zunächst diskutiert, ob das Kapitalmarktrecht in Bezug auf den Kapitalmarkt einen generell abschließenden, sonderkartellrechtlichen oder kartellrechtsverdrängenden Rechtsrahmen setzt. In diesem Zusammenhang wird am Beispiel von kapitalmarktrechtlichen Verboten in der europäischen Marktmissbrauchsverordnung4 als eine der wesentlichen auf das Kapitalmarktverhalten bezogenen Regelungen des europäischen Kapitalmarktrechts dargestellt, dass kapitalmarktrechtliche Verbote durchaus parallel zu kartellrechtlichen Verboten eingreifen und faktisch den Wettbewerb schützen können. Da das Kapitalmarktrecht das Kartellrecht in der Anwendung am Kapitalmarkt nicht generell ausschließt und Kartell- und Kapitalmarktrecht im Ausgangspunkt parallel auf den Kapitalmarkt anwendbar sind, wird im Weiteren auf das Verhältnis der beiden Rechtsmaterien auf der Verbots- und Sanktionsebene eingegangen.

Auf der Verbotsebene stellt sich die Frage, wie mit unterschiedlichen Beurteilungen eines Verhaltens durch Kartell- und Kapitalmarktrecht umzugehen ist. Insoweit wird analysiert, ob die Zulässigkeit eines Verhaltens nach einer Rechtsmaterie ein Verbot dieses Verhaltens nach der anderen Rechtsmaterie verdrängt. Aufgrund der Sachnähe des Kapitalmarktrechts zum Kapitalmarkt liegt der Fokus auf der Betrachtung der kapitalmarktrechtlichen Zulässigkeit eines Verhaltens, das kartellrechtlich untersagt ist. Es wird erörtert, ob kapitalmarktrechtliche Zulässigkeitsregelungen kartellrechtliche Verbote beeinflussen oder sogar sperren. Das erarbeitete Verhältnis von Kartell- und Kapitalmarktrecht wird im Anschluss beispielhaft an einer kapitalmarktrechtlich nach Art. 5 Abs. 4 der Marktmissbrauchsverordnung zulässigen Kursstabilisation im Zusammenhang mit einer Aktienemission überprüft.

Neben dem Verhältnis auf der Verbotsebene wird das Verhältnis der Rechtsmaterien auf der Sanktionsebene dargestellt. Nach beiden Rechtsmaterien können Verstöße mit Bußgeldern geahndet werden. Erörtert werden daher zwei Fragen. Zum einen wird erörtert, ob der Umstand, dass ein Verhalten nach einer Rechtsmaterie nicht untersagt und sanktioniert ist, die Bebußung des Verhaltens nach der anderen Rechtsmaterie limitiert. Denkbar sind die Minderung oder der Ausschluss des Bußgelds. Wegen der Sachnähe des Kapitalmarktrechts zum Kapitalmarkt stellt sich auch diese Frage primär für eine kapitalmarktrechtliche Verbots- und Sanktionslosigkeit gegenüber einer kartellrechtlichen Bußgeldfestsetzung. Zum anderen wird der Fall betrachtet, dass ein Verhalten parallel gegen Kartell- und Kapitalmarktrecht verstößt und nach beiden Rechtsmaterien bebußt werden kann. Wegen der Möglichkeit mehrfacher Bebußung des gleichen Verhaltens besteht ein gesteigertes wissenschaftliches und praktisches Interesse daran, in welchem ←32 | 33→Umfang die kartell- und kapitalmarktrechtlichen Bußgeldmöglichkeiten parallel genutzt werden können. Darauf fokussiert die Betrachtung der Sanktionsebene. Die Darstellung erfolgt am Beispiel einer potentiellen parallelen Bebußung von Verstößen gegen die Marktmissbrauchsverordnung und Art. 101, 102 AEUV, §§ 1, 19 GWB.

Wesentliche Ergebnisse der Arbeit

Die aus dieser skizzierten Ausarbeitung resultierenden wesentlichen Ergebnisse lassen sich einleitend kurz wie folgt zusammenfassen:

Im ersten Teil der Arbeit wird festgestellt, dass das Kartellrecht aus kartellrechtlicher Sicht in der Tat eine Anwendbarkeit am Kapitalmarkt für sich beanspruchen kann.5 Art. 101, 102 AEUV und §§ 1, 19 GWB sind aus kartellrechtlicher Sicht auf den Kapitalmarkt anwendbar, da sie universell Wettbewerb schützen. Die Kapitalmarktorganisation steht dem nicht entgegen. Dem Kapitalmarkt fehlt nicht die Wettbewerblichkeit, sodass das Kartellrecht seiner wettbewerbsschützenden Zwecksetzung am Kapitalmarkt nachkommen kann.

Obgleich die kartellrechtlichen Verbote aus kartellrechtlicher Sicht auf den Kapitalmarkt anwendbar sind, müssen in der konkreten Anwendung der Verbote Einschränkungen beachtet werden. Die Anwendung des Kartellrechts findet in der potentiellen Größe der Märkte für Kapitalmarktprodukte eine grundsätzliche Hürde, da sachliche Märkte für Kapitalmarktprodukte grundsätzlich nicht für einzelne Kapitalmarktprodukte bestehen, sondern in Gattungen funktional identischer Kapitalmarktprodukte zu trennen sind.6 Die potentiell großen sachlichen Märkte dehnen sich räumlich zumindest bundesweit aus, wobei grenzüberschreitende Märkte v.a. im Börsenhandel wahrscheinlich sind, wenn die Anleger einen gewissen Professionalisierungsgrad erreichen.7 An den potentiell großen Märkten werden die für die kartellrechtlichen Verbote erforderlichen Marktanteile nicht zwingend erreicht. Das schließt die Kartellrechtsanwendung nicht aus. Märkte können sich weiter verengen, unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall auch auf das einzelne Kapitalmarktprodukt, etwa Beteiligungen an einem Unternehmen.8 Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die kartellrechtlichen Verbote anwendbar sind.

Ist die Marktgröße als Hürde überwunden, ergeben sich Anwendungsfälle für die kartellrechtlichen Verbote am Kapitalmarkt. Die Kapitalmarktteilnehmer haben wegen der wettbewerblichen Struktur des Kapitalmarkts Handlungsfreiheiten, die sie potentiell wettbewerbsbeschränkend nutzen können. Zugleich ist jedoch ebenso zu beachten, dass die Kapitalmarktorganisation die Anwendung ←33 | 34→der kartellrechtlichen Verbote rein tatsächlich einschränken kann, v.a. im organisierten Börsenhandel.9 Relevanter als diese bloß tatsächlichen Einschränkungen sind die Auswirkungen der Besonderheiten der Kapitalmarktorganisation und -struktur auf die Prüfung der kartellrechtlichen Verbote. Sie können das Ergebnis dieser Prüfung beeinflussen, wie an den Beispielen Referenzzinsmanipulation10 und Emissionskonsortien11 für das Kartellverbot sowie Preismissbrauch12 für das Missbrauchsverbot gezeigt wird. Das Kartellrecht kann nicht am Kapitalmarkt angewandt werden, ohne die Kapitalmarktbesonderheiten schon in der kartellrechtlichen Prüfung zu beachten.

Insgesamt ist das Kartellrecht am Kapitalmarkt anwendbar und es ergeben sich auch praktische Anwendungsfälle. Allerdings wird die Anwendung des Kartellrechts durch die Kapitalmarktorganisation und -struktur beeinflusst. Ein wesentlicher Faktor ist insoweit die potentielle Marktgröße.

Details

Seiten
396
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631775363
ISBN (ePUB)
9783631775370
ISBN (MOBI)
9783631775387
ISBN (Paperback)
9783631773413
DOI
10.3726/b14954
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Marktabgrenzung Kapitalmarkt Referenzzinsmanipulation Marktmanipulation Kursstabilisation Bußgelder ne bis in idem
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 396 S.

Biographische Angaben

Maximilian Backhaus (Autor:in)

Maximilian Backhaus studierte Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dort erfolgte am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Unternehmens-, Wirtschafts- und Kartellrecht bei Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M (Yale), die Promotion. Parallel veröffentlicht er Beiträge im Gesellschaftsrecht.

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Titel: Anwendbarkeit und Anwendung des Kartellrechts auf den Kapitalmarkt sowie dessen Verhältnis zum Kapitalmarktrecht
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