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Die Immunität internationaler Organisationen in den Vertragsstaaten der EMRK

von Julia Hennewig (Autor:in)
©2019 Dissertation 246 Seiten

Zusammenfassung

Die Vertragsstaaten der EMRK sind verpflichtet, ihren Bürgern im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 EMRK Zugang zu den nationalen Gerichten zu gewähren. Gleichzeitig sind die Konventionsstaaten aufgrund ihrer Mitgliedschaft in zahlreichen internationalen Organisationen verpflichtet, diese von der nationalen Gerichtsbarkeit zu befreien. Gegenstand dieser Publikation ist die Frage, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Immunität an eine internationale Organisation mit dem Recht auf Zugang zu Gericht in Einklang gebracht werden kann. Die Autorin untersucht die Gründe, die Quellen und den Umfang der Immunitätsgewährung, um im Rahmen einer kritischen Würdigung der Rechtsprechung des EGMR einen Lösungsweg aufzuzeigen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einführung
  • A. Einleitung
  • B. Gang der Untersuchung
  • C. Internationale Organisationen in der Völkerrechtsordnung
  • I. Begriff der internationalen Organisation
  • II. Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation
  • D. Immunität im Völkerrecht
  • I. Begriff der Immunität
  • II. Grundzüge der Staatenimmunität
  • Kapitel 1 Die völkerrechtliche Immunität internationaler Organisationen
  • A. Gründe der Immunitätsgewährung
  • B. Quellen der Immunität
  • I. Völkervertragsrecht
  • 1. Gründungsverträge
  • 2. Multilaterale Abkommen
  • 3. Bilaterale Sitzstaatabkommen
  • 4. Der Entwurf der ILC: Beziehungen zwischen Staaten und internationalen Organisationen universellen Charakters
  • 5. Immunität auf Grundlage der Implied-Powers-Doktrin
  • 6. Zwischenergebnis
  • II. Völkergewohnheitsrecht
  • 1. Definition
  • a. Begriff der Staatenpraxis
  • b. Begriff der Rechtsüberzeugung
  • 2. Anforderungen an den Nachweis einer gewohnheitsrechtlichen Regelung
  • a. Nachweis der Staatenpraxis
  • b. Nachweis einer Rechtsüberzeugung
  • c. Rolle der Vertragspraxis im Rahmen des Nachweises einer gewohnheitsrechtlichen Regelung
  • aa. Völkerrechtliche Verträge als Quelle des Gewohnheitsrechts
  • bb. Vertragsabschluss und vertragsgemäßes Handeln als Staatenpraxis
  • cc. Nachweis einer Rechtsüberzeugung im Rahmen der Vertragspraxis
  • dd. Zwischenergebnis
  • 3. Analyse der außervertraglichen Staatenpraxis
  • a. Belgien
  • b. China
  • c. Deutschland
  • d. Frankreich
  • e. Griechenland
  • f. Israel
  • g. Italien
  • h. Kanada
  • i. Kenia
  • j. Malaysia
  • k. Mexiko
  • l. Niederlande
  • m. Österreich
  • n. Russische Föderation
  • o. Schweiz
  • p. Vereinigtes Königreich
  • q. Vereinigte Staaten
  • r. Bewertung
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Der Grundsatz pacta sunt servanda als Grenze für die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die Vertragsstaaten?
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Umfang der Immunität
  • I. Bestimmung des Umfangs der Immunität internationaler Organisationen am Beispiel der Charta der Vereinten Nationen in Verbindung mit dem Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen
  • 1. Auslegung von Art. 105 Abs. 1 UNC
  • 2. Einbeziehung von Art. II Abschn. 2 CPIUN
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Reichweite einer funktional begrenzten Immunität internationaler Organisationen
  • 1. Funktionale Immunität als absolute Immunität?
  • 2. Kriterien zur Bestimmung des Umfangs der funktional begrenzten Immunität internationaler Organisationen
  • a. Anwendbarkeit der Regelungen zur Staatenimmunität: Trennung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis
  • b. Autonome Bestimmung des Umfangs der funktionalen Immunität internationaler Organisationen: functional necessity
  • aa. Bestimmung der Ziele und Aufgaben einer internationalen Organisation
  • bb. Bestimmung des Zusammenhangs zwischen der streitbefangenen Handlung und den Aufgaben unter Berücksichtigung der Ziele der internationalen Organisation
  • III. Zwischenergebnis
  • D. Ergebnis zur Immunität internationaler Organisationen
  • Kapitel 2 Die Immunität internationaler Organisationen im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention
  • A. Besonderheiten bei der Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention
  • I. Die Konvention als Menschenrechtsvertrag
  • II. Die Effektivität der Konventionsrechte
  • III. Die autonome Interpretation der Konventionsrechte
  • IV. Die Berücksichtigung der Satzung des Europarates
  • B. Verhalten der Konventionsstaaten im Kontext internationaler Organisationen
  • I. Anwendbarkeit der Konvention
  • 1. Handeln staatlicher Behörden
  • 2. Handeln einer internationalen Organisation
  • a. Handeln von Organen und Personal der internationalen Organisation
  • b. Handeln der Mitgliedstaaten für die internationale Organisation
  • aa. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs
  • bb. Kritik
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Umfang der Bindung an die Konvention
  • 1. Problemaufriss
  • 2. Lösung über die Equivalent-Protection-Doktrin
  • a. Wesentlicher Inhalt der Equivalent-Protection-Doktrin
  • b. Anwendungsfälle der Equivalent-Protection-Doktrin
  • aa. Maßnahmen in Erfüllung einer Verbindlichkeit aus der Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation
  • bb. Maßnahmen nur im Kontext der Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation
  • c. Sonderfall: Die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Gasparini v. Italy and Belgium und Klausecker v. Germany
  • 3. Bewertung der Equivalent-Protection-Doktrin
  • a. Dogmatische Einordnung
  • b. Legitimation
  • c. Kritik an der Anwendung der Doktrin durch den Gerichtshof auf den konkreten Einzelfall
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Zusammenfassung
  • C. Die Immunität internationaler Organisationen im Spannungsverhältnis zum Recht auf Zugang zu Gericht
  • I. Grundzüge des Rechts auf Zugang zu Gericht
  • 1. Die Herleitung: Der Fall Golder v. The United Kingdom
  • 2. Der Anwendungsbereich: zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen
  • 3. Der Inhalt der Gewährleistungen
  • a. Die Organisationsgarantie: Anforderungen an die Rechtsprechungsorgane
  • aa. Gericht
  • bb. Auf Gesetz beruhend
  • cc. Unabhängig
  • dd. Unparteiisch
  • b. Das Recht auf Zugang
  • aa. Der Schutzbereich: effektiver Rechtsschutz
  • bb. Die Einschränkungsmöglichkeiten: das Recht auf Zugang als relatives Recht
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Die Immunität internationaler Organisationen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs
  • 1. Vorüberlegung: Die Anwendbarkeit des Rechts auf Zugang zu Gericht im Rahmen der Immunität internationaler Organisationen
  • 2. Darstellung der Rechtsprechung
  • a. Leitentscheidung: Die Fälle Beer and Regan v. Germany und Waite and Kennedy v. Germany
  • aa. Der Sachverhalt
  • bb. Das Verfahren vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte
  • cc. Die Entscheidung des Gerichtshofs
  • (1) Legitimes Ziel
  • (2) Verhältnismäßigkeit
  • (3) Wahrung des Wesensgehalts
  • b. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs nach den Entscheidungen Beer and Regan v. Germany und Waite and Kennedy v. Germany
  • c. Die Rechtsprechung des Gerichtshof im Fall Stichting Mothers of Srebrenica and Others v. The Netherlands
  • d. Exkurs: Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Staatenimmunität
  • aa. Darstellung der Rechtsprechung
  • bb. Bewertung der Rechtsprechung
  • 3. Zusammenfassung und Bewertung der Rechtsprechung zur Immunität internationaler Organisationen
  • a. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit internationaler Organisationen als legitimes Ziel
  • b. Die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung
  • aa. Vorüberlegung: Das Verhältnis zwischen dem Konventionsrecht auf Zugang zu Gericht und der völkerrechtlich gewährleisteten Immunität internationaler Organisationen
  • (1) Harmonisierung durch Auslegung?
  • (2) Vorrang der zeitlich nachfolgenden Regelung?
  • (3) Zwischenergebnis
  • bb. Die Rolle angemessener alternativer Rechtsschutzmöglichkeiten
  • (1) Die Anforderungen an die Rechtsschutzmöglichkeiten
  • (2) Vorhandensein alternativer Rechtsschutzmöglichkeiten als Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit
  • (3) Zwischenergebnis
  • III. Zwischenergebnis
  • D. Die Anwendung der Equivalent-Protection-Doktrin auf die Gewährung von Immunität an internationale Organisationen
  • I. Die Verpflichtung zur Gewährung von Immunität als vergleichbarer Anwendungsfall
  • II. Die Anwendung der Equivalent-Protection-Doktrin auf den konkreten Fall
  • 1. Vorfrage: Anwendbarkeit der Konvention
  • 2. Umfang der Konventionsbindung
  • a. Rechtsgrundlage der staatlichen Maßnahme
  • b. Äquivalenter Grundrechtsschutz auf Ebene der internationalen Organisation
  • c. Kein offensichtlicher Mangel im Schutzstandard im konkreten Fall
  • 3. Einstieg in die materiell-rechtliche Prüfung
  • III. Zwischenergebnis
  • E. Ergebnis zur Immunität internationaler Organisationen im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention
  • Schlussbetrachtung
  • Gesamtergebnis
  • Literaturverzeichnis
  • Rechtsprechungsverzeichnis

←20 | 21→

Einführung

A. Einleitung

Als Kehrseite des Gewaltmonopols des Staates ist das Recht auf Zugang zu Gericht der „Schlussstein im Gewölbe des Rechtsstaats“1. Will der Staat die eigenmächtige und gegebenenfalls gewalttätige Durchsetzung privater Rechte verhindern, obliegt es ihm, ein entsprechendes System zu schaffen, das dem Einzelnen die Geltendmachung seiner Rechte ermöglicht. Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten2 verbürgt das Recht auf Zugang zu Gericht in Art. 6.

Unter Inanspruchnahme ihres Rechts auf Zugang zu Gericht verklagten die bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA, European Space Agency) in Darmstadt als Leiharbeiter tätigen Systemprogrammierer Richard Waite und Terry Kennedy in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit die ESA. Das Arbeitsgericht Darmstadt wies die Klage jedoch aufgrund der Immunität der ESA, bestätigt durch das Bundesarbeitsgericht, auf Zulässigkeitsebene ab.3 Ähnlich erging es Richard Chapman, als dieser die Nordatlantikvertrags-Organisation (North Atlantic Treaty Organization, NATO) in einem dienstrechtlichen Streit vor den belgischen Gerichten verklagte. Ein belgisches Berufungsgericht wies die Klage unter Berufung auf die Immunität der NATO ab.4 Erfolglos blieb auch die Schadensersatzklage einer niederländischen Stiftung sowie mehrerer Angehöriger von Opfern des Massakers von Srebrenica gegen die Vereinten Nationen (UN, United Nations). Der Niederländische Gerichtshof wies die Klage aufgrund der Immunität der UN ab.5 In allen drei Fällen rügten die Beschwerdeführer im Anschluss eine Verletzung des Rechts auf Zugang zu Gericht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR6), der aber eine Verletzung des ←21 | 22→Rechts unter Berücksichtigung der Immunität internationaler Organisationen ebenfalls verneinte.7

Steht das Recht auf Zugang zu Gericht der Immunität internationaler Organisationen gegenüber, scheint das Ergebnis auf den ersten Blick stets zu Lasten des subjektiven Rechts des Einzelnen auszugehen. Vor diesem Hintergrund ist Ziel der Bearbeitung herauszufinden, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen die Versagung des Zugangs zu einem nationalen Gericht auf Grundlage der Immunität einer internationalen Organisation mit dem Recht auf Zugang zu Gericht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zu vereinbaren ist.

B. Gang der Untersuchung

Nach einer kurzen Einführung in das Recht der internationalen Organisationen und in das Rechtsinstitut der völkerrechtlichen Immunität folgt in Kapitel 1 eine nähere Untersuchung der Immunität internationaler Organisationen. In der Absicht, den Umfang der Immunität zu bestimmen (C.), werden zunächst die Gründe der Immunitätsgewährung dargelegt (A.) sowie die Rechtsquellen ermittelt (B.). Der Schwerpunkt der Bearbeitung im Rahmen der Ermittlung der Rechtsquellen ist eine Untersuchung der Staatenpraxis auf das Vorhandensein einer völkergewohnheitsrechtlichen Regelung, die internationale Organisationen von der nationalen Gerichtsbarkeit befreit, da dies sowohl relevant für die sich anschließende Bestimmung des Umfangs der Immunität, als auch für die Fragen nach dem Verhältnis der Immunität zum Recht auf Zugang zu Gericht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ist. Die Bestimmung des Umfangs der Immunität wird sodann anhand einer Auslegung der aufgezeigten Rechtsquellen vorgenommen (C.).

In Kapitel 2 wird die Immunität internationaler Organisationen in den Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention eingeordnet. Nach einem Überblick über die Besonderheiten der Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (A.) folgt eine Untersuchung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Verantwortlichkeit des Verhaltens der Konventionsstaaten im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation (B.). Dabei wird zwischen der Frage nach der Anwendbarkeit der Konvention und dem Umfang der Konventionsbindung bei ←22 | 23→Bejahung der Anwendbarkeit unterschieden. Es schließt sich eine Untersuchung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Immunität internationaler Organisationen im Spannungsverhältnis zum Recht auf Zugang zu Gericht unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus Kapitel 1 an (C.). Im letzten Abschnitt werden die unter (B.) ermittelten Grundsätze auf die Immunität internationaler Organisationen angewandt, um zu prüfen, ob so ein angemessener Ausgleich zwischen der Immunität internationaler Organisationen und dem Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht geschaffen werden kann.

Details

Seiten
246
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631807880
ISBN (ePUB)
9783631807897
ISBN (MOBI)
9783631807903
ISBN (Hardcover)
9783631801383
DOI
10.3726/b16392
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
Rechtsquellen der Immunität Umfang der Immunität Umfang der Konventionsbindung Equivalent-Protection-Doktrin Recht auf Zugang zu Gericht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, 2020., 246 S.

Biographische Angaben

Julia Hennewig (Autor:in)

Julia Hennewig studierte Rechtswissenschaften in Köln und Sevilla (Spanien). Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität zu Köln tätig und absolvierte ihr Rechtsreferendariat am Landgericht Köln.

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