Lade Inhalt...

Eingriffsnormen und Schiedsvereinbarungen

Eine Untersuchung der Auswirkungen von Eingriffsnormen auf die Anerkennung einer internationalen Schiedsvereinbarung in der Einredesituation

von Stephan Biehl (Autor:in)
©2019 Dissertation 350 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor untersucht die Grenzen internationaler Schiedsvereinbarungen im Hinblick auf international zwingende Sachnormen (sog. Eingriffsnormen). Kann die Schiedseinrede mit dem Argument zurückgewiesen werden, das vereinbarte Schiedsgericht werde eine Eingriffsnorm, die für nationale Gerichte zwingend sei, nicht beachten? Oder hat das abredewidrig angerufene Gericht die Parteien dennoch auf das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen? Zur Klärung dieser Frage erfolgt eine umfangreiche Analyse zum Umgang mit Eingriffsnormen in der Schiedsgerichtsbarkeit sowie eine Auswertung der Schiedspraxis. Auf dieser Grundlage entwickelt der Autor einen detaillierten Lösungsvorschlag aus der Sicht eines deutschen Gerichts und wendet diesen auf praktisch relevante Beispielsfälle an.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Teil I Einleitung und Grundlagen
  • § 1 Einleitung
  • A. Einführung in den Gegenstand der Untersuchung
  • B. Gang der Untersuchung
  • C. Grenzen der Untersuchung
  • § 2 Grundlagen
  • A. Konkretisierung der Problemstellung
  • B. Begrifflichkeiten
  • I. Internationalität des Schiedsverfahrens
  • II. Eingriffsnormen
  • 1. Begriff
  • 2. Zielrichtung und Funktionsweise
  • 3. Abgrenzung zum ordre public
  • C. Materiellrechtlicher Rahmen der Fragestellung
  • I. Termingeschäftsrecht
  • 1. Alte Rechtslage nach BörsG
  • 2. Änderungen durch das WpHG
  • II. Handelsvertreterrecht
  • III. Kartellrecht
  • D. Besondere Rechtsquellen der Schiedsgerichtsbarkeit
  • I. NYÜ
  • II. EuÜ
  • III. Deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954
  • IV. Anwendungsbereich des autonomen Schiedsverfahrensrechts in der Einredesituation
  • Teil II Kritische Bestandsaufnahme
  • § 3 Lösungsansätze in Literatur und Rechtsprechung
  • A. Literatur
  • I. Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung bei Relevanz international zwingender Normen des deutschen Rechts
  • II. Verlagerung der Kontrolle in das Anerkennungs- und Vollstreckungsstadium
  • III. Einzelfallbezogene Prüfung in der Einredesituation
  • B. Rechtsprechung
  • I. Grundsatzentscheidung des BGH, Urteil vom 30. Januar 1961
  • 1. Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • 2. Einordnung der Entscheidung
  • II. Rechtsprechung zur seerechtlichen Haftung des Verfrachters
  • 1. Materiellrechtliche Grundlage
  • 2. BGH, Urteil vom 8. Februar 1968
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • 3. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1970
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • 4. OLG Hamburg, Urteil vom 14. Dezember 1972
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • 5. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1973
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • 6. BGH, Urteil vom 30. Mai 1983
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • III. Rechtsprechung zu Börsentermingeschäften
  • 1. Termin- und Differenzeinwand bei ausländischen Börsentermingeschäften
  • a) BGH, Urteil vom 12. März 1984
  • aa) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • bb) Einordnung der Entscheidung
  • b) BGH, Urteil vom 15. Juni 1987
  • aa) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • bb) Einordnung der Entscheidung
  • c) BGH, Urteil vom 6. Juni 1991
  • aa) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • bb) Einordnung der Entscheidung
  • d) OLG Düsseldorf, Urteile vom 26. Mai 1995 und 8. März 1996
  • aa) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • bb) Einordnung der Entscheidungen
  • e) BGH, Urteil vom 13. Januar 2005
  • aa) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • bb) Einordnung der Entscheidung
  • 2. Deliktische Brokerhaftung
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidungen
  • IV. Rechtsprechung zum Handelsvertreterausgleich
  • 1. OLG München, Urteil vom 17. Mai 2006
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • 2. OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 29. Dezember 2011 und 16. Januar 2012
  • a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe
  • b) Einordnung der Entscheidung
  • V. Zwischenergebnis
  • § 4 Anwendung von Eingriffsnormen durch Schiedsgerichte
  • A. In der Hauptsache anwendbares Recht im Schiedsverfahren
  • I. Internationale Übereinkommen
  • 1. NYÜ
  • 2. EuÜ
  • II. Nationales Schiedsverfahrensrecht
  • 1. Deutschland
  • 2. Ausländische Rechtsordnungen
  • III. Institutionelle Schiedsordnungen
  • IV. Bedeutung des allgemeinen Kollisionsrechts am Sitz des Schiedsgerichts
  • 1. Bindung eines Schiedsgerichts an die Rom I-VO
  • a) Perspektive der Rom I-VO
  • b) Perspektive des § 1051 ZPO
  • 2. Art. 9 Rom I-VO als „persuasive authority“?
  • V. Zusammenfassung
  • B. Umgang mit Eingriffsnormen in der Schiedsgerichtsbarkeit
  • I. Interessenlage aus Sicht eines Schiedsgerichts
  • 1. Achtung des Parteiauftrags
  • 2. Eigeninteresse der Schiedsgerichtsbarkeit als Institution
  • II. Theoretischer Ansatz in der Literatur
  • 1. Genuine Anwendungspflicht versus gleichstufige Sonderanknüpfung
  • a) Eingriffsnormen des Hauptsachestatuts
  • b) Eingriffsnormen des Schiedsorts
  • 2. Kriterien für die Anwendung international zwingender Normen im Wege der Sonderanknüpfung
  • a) Enge Verbindung zwischen Sachverhalt und Eingriffsstaat
  • aa) Lex causae
  • bb) Schiedsort
  • cc) Vollstreckungsstaat
  • b) Anwendungsbereich und Geltungswille der Eingriffsnorm
  • c) Anwendungswürdigkeit der Eingriffsnorm
  • aa) International bzw. in den beteiligten Rechtsordnungen anerkannter Zweck
  • bb) Konsequenzen der Anwendung bzw. Nichtanwendung
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Schiedsgerichtliche Praxis
  • 1. Eingriffsnormen der lex causae
  • 2. Eingriffsnormen des Schiedsorts
  • 3. Drittstaatliche Eingriffsnormen
  • a) Nichtbeachtung
  • b) Bereitschaft zur kollisionsrechtlichen Berücksichtigung
  • c) Anwendung bzw. kollisionsrechtliche Berücksichtigung
  • 4. Zusammenfassung
  • C. Zwischenergebnis
  • Teil III Lösungsvorschlag für die Kontrolle der Schiedsvereinbarung aus Sicht des Einredegerichts
  • § 5 Vorüberlegungen
  • A. § 1032 Abs. 1 ZPO als rechtlicher Ausgangspunkt
  • B. Verfassungsrechtliche Perspektive
  • I. Materiellrechtliche Privatautonomie
  • II. Verfahrensrechtliche Dispositionsmaxime als prozessuales Pendant
  • III. Schiedsvereinbarung als Instrument der verfahrensrechtlichen Dispositionsmaxime
  • C. Prüfungsumfang in der Einredesituation
  • I. Autonomes Schiedsverfahrensrecht
  • II. Internationale Übereinkommen
  • 1. NYÜ
  • 2. EuÜ
  • III. Zwischenergebnis
  • § 6 Anknüpfungspunkte im Schiedsverfahrensrecht
  • A. Bestimmtheitserfordernis
  • B. Formanforderungen
  • C. Schiedsfähigkeit
  • I. Objektive Schiedsfähigkeit
  • 1. Statut der objektiven Schiedsfähigkeit
  • a) Internationale Übereinkommen
  • aa) NYÜ
  • bb) EuÜ
  • b) Autonomes Schiedsverfahrensrecht
  • 2. Regelung der objektiven Schiedsfähigkeit
  • a) Vermögensrechtliche Ansprüche
  • b) Vergleichsfähigkeit nichtvermögensrechtlicher Ansprüche
  • c) Ausschluss der Schiedsfähigkeit von Rechtsstreitigkeiten im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen
  • d) Spezialgesetzliche Schranken
  • aa) § 4 i.V.m. § 101 Abs. 1 und 2 ArbGG
  • bb) § 53 Abs. 3 KWG
  • cc) Art. 34 Montrealer Übereinkommen
  • dd) Art. 33 CMR
  • ee) Materiellrechtliche Eingriffsnormen als gesetzliche Vorschriften i.S.d. § 1030 Abs. 3 ZPO
  • II. Subjektive Schiedsfähigkeit
  • 1. Statut der subjektiven Schiedsfähigkeit
  • a) Internationale Übereinkommen
  • aa) NYÜ
  • bb) EuÜ
  • b) Autonomes Schiedsverfahrensrecht
  • 2. Schranken der subjektiven Schiedsfähigkeit
  • a) § 101 WpHG n.F. (§ 37h WpHG a.F.)
  • b) Sonstige Einschränkungen der subjektiven Schiedsfähigkeit
  • III. Schlussfolgerung
  • § 7 Anknüpfungspunkte im allgemeinen Vertragsrecht
  • A. Schiedsvereinbarungsstatut
  • I. Internationale Übereinkommen
  • 1. NYÜ
  • 2. EuÜ
  • II. Autonomes Schiedsverfahrensrecht
  • III. Zusammenfassung
  • B. Einzelne Anknüpfungspunkte im deutschen Recht
  • I. (Ergänzende) Vertragsauslegung
  • II. Anfechtung
  • III. Kündigung
  • IV. Wegfall der Geschäftsgrundlage
  • V. AGB-Kontrolle
  • 1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB neben schiedsrechtlichen Vorschriften
  • a) Internationale Übereinkommen
  • aa) NYÜ
  • bb) EuÜ
  • b) Autonomes Recht
  • 2. Schiedsvereinbarung als überraschende Klausel, § 305c BGB
  • 3. Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB
  • a) Verwendung von Schiedsklauseln gegenüber Verbrauchern
  • aa) Schiedsvereinbarung als solche keine unangemessene Benachteiligung
  • bb) Ausgestaltung des Schiedsverfahrens als unangemessene Benachteiligung
  • b) Schiedsklauseln im unternehmerischen Rechtsverkehr
  • VI. Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
  • VII. Verstoß gegen die guten Sitten
  • C. Zwischenergebnis
  • § 8 Kollisionsrechtliche Lösung bei ausländischem Schiedsvereinbarungsstatut
  • A. Sonderkollisionsrecht für Schiedsvereinbarungen
  • I. Internationale Übereinkommen
  • 1. NYÜ
  • 2. EuÜ
  • II. Autonomes Schiedsverfahrensrecht
  • III. Zusammenfassung
  • B. Allgemeines Vertragskollisionsrecht
  • I. Mögliche Anknüpfungspunkte
  • 1. Rechtswahlschranken
  • a) Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO (Art. 27 Abs. 3 EGBGB a.F.)
  • b) Art. 46b EGBGB
  • c) Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO (Art. 29 I EGBGB a.F.)
  • 2. Sonstige Rechtsinstitute
  • a) Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO (Art. 34 EGBGB a.F.)
  • b) Art. 6 EGBGB und Art. 21 Rom I-VO
  • 3. Zusammenfassung
  • II. Übertragung der Anknüpfungspunkte des allgemeinen Vertragskollisionsrechts auf Schiedsvereinbarungen
  • 1. Internationale Übereinkommen
  • a) NYÜ
  • b) EuÜ
  • 2. Autonomes Schiedsverfahrensrecht
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Modell der ordre public-Kontrolle bei ausländischem Schiedsvereinbarungsstatut
  • I. Gegenstand der Kontrolle
  • II. Justizgewährungsanspruch als wesentlicher Grundsatz des deutschen Rechts
  • 1. Verfahrensgrundrechte als Teil des kollisionsrechtlichen ordre public
  • 2. Inhaltliche Ausgestaltung
  • a) Verbot absoluter Rechtsschutzverweigerung
  • b) Gebot effektiven Rechtsschutzes
  • III. Inzidente Anerkennungsprognose bezüglich des Schiedsspruchs
  • 1. Anerkennungsprognose als etabliertes rechtstechnisches Instrument
  • 2. Durchführung der Anerkennungsprognose
  • a) Prognosemaßstab
  • aa) Rechtlicher Maßstab
  • bb) Tatsächlicher Maßstab
  • b) Prognosekriterien
  • aa) Vorüberlegung zum Verhältnis zwischen Eingriffsnormen und ordre public im Anerkennungsstadium
  • bb) Anwendung der Eingriffsnorm im Schiedsverfahren
  • (1) Deutsche Eingriffsnorm als Bestandteil der lex causae
  • (2) Deutsche Eingriffsnorm als Bestandteil der lex loci arbitri
  • (3) Deutsche Eingriffsnorm als drittstaatliche Eingriffsnorm
  • cc) Kompensationsmöglichkeiten
  • (1) Absicherung des Schutzzwecks durch das Hauptsachestatut
  • (2) Anderweitige Schutzmechanismen
  • c) Mitwirkung der Parteien; Darlegungs- und Beweislast
  • d) Anerkennungsprognose in den Beispielsfällen
  • aa) Handelsvertreterausgleich
  • bb) Kartellrecht
  • 3. Fazit
  • D. Ergebnis
  • § 9 Relevanter Rechtsumschwung bei der Kontrolle nach deutschem Schiedsvereinbarungsstatut gem. § 307 BGB bzw. § 138 BGB
  • A. Wirksamkeitsschranken der materiellrechtlichen Generalklauseln im Vergleich zum kollisionsrechtlichen ordre public-Vorbehalt
  • B. Auswirkungen auf die vorzunehmende Prognoseentscheidung
  • I. Rechtlicher Maßstab der Prognose
  • II. Tatsächlicher Maßstab der Prognose
  • C. Schlussfolgerung
  • § 10 Rechtsfolgen
  • A. Vorüberlegungen zum deutschen Recht
  • B. Allgemeine Rechtsfolgen eines ordre public-Verstoßes
  • C. Lösung in der Einredesituation
  • § 11 Vereinbarkeit des Ansatzes mit internationalen Übereinkommen zur Schiedsgerichtsbarkeit
  • A. NYÜ
  • I. Immanente Einschränkung der Ungültigkeitsgründe im NYÜ?
  • 1. Telos
  • 2. Wortlaut
  • 3. Systematik
  • 4. Historie
  • II. Sachnormzweckverteidigende Kontrolle keine nationale Eigenart
  • 1. USA
  • 2. England
  • 3. Australien
  • 4. Frankreich
  • 5. Belgien
  • 6. Zwischenergebnis
  • B. EuÜ
  • I. Grundsatz
  • II. Sonderfall: vorherige Schiedshängigkeit
  • C. Deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954
  • Teil IV Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

§ 1 Einleitung

A. Einführung in den Gegenstand der Untersuchung

Trotz der zunehmenden öffentlichen Kritik1 ist die Schiedsgerichtsbarkeit aus dem heutigen grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr nicht mehr wegzudenken. Ein fortdauernder Grund für die stetig steigende Zahl2 internationaler Schiedsverfahren ist die staatliche Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit.3 Insbesondere die schrittweise Liberalisierung des staatlichen Rechtsprechungsmonopols und die Anerkennung weitreichender Gestaltungsbefugnisse der Parteien haben zu einer erheblichen Stärkung der Privatautonomie im Bereich der Konfliktlösung geführt. Dem gegenüber steht eine wachsende staatliche Intervention im Bereich der materiellrechtlichen Privat- und kollisionsrechtlichen Parteiautonomie. Mit der Entwicklung des modernen Sozialstaats und der zunehmenden Globalisierung des Wirtschaftsverkehrs haben staatliche Eingriffe in die Rechtsbeziehungen Privater immer weiter zugenommen.4 Regelungen, die im Eigeninteresse des Erlassstaats oder im Interesse bestimmter Personengruppen in die Vertragsfreiheit eingreifen, finden sich heute in nahezu allen Rechtsbereichen. Gerade im für die Schiedsgerichtbarkeit besonders bedeutsamen Bereich des Wirtschaftsrechts sprießen solche Reglementierungen „wie Pilze aus der Erde“.5 ←21 | 22→Neben den klassischen Bestimmungen des Außenhandels- oder Devisenrechts gehören dazu beispielsweise auch Wettbewerbsregeln und handelsrechtliche Vorschriften, ebenso wie Teile des Arbeitsrechts oder des Verbraucherschutzes. Trotz ihres oft unterschiedlichen rechtspolitischen Schutzzwecks ist diesen sog. Eingriffsnormen gemeinsam, dass sie der Parteidisposition entzogen sind und sogar unabhängig von dem an sich auf ein Rechtsverhältnis anwendbaren Recht Geltung beanspruchen.6

Dieses Spannungsverhältnis zwischen privatautonomer Gestaltung und der Wahrung öffentlicher Interessen wird im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren in verschiedenen Konstellationen und Stadien relevant. Vor einem Schiedsgericht spitzt es sich in der Frage zu, welche Bedeutung dem Eingriffsrecht in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit zukommt.7 Angesichts ihrer Bindung an den konstituierenden Parteiauftrag erscheint fraglich, inwieweit Schiedsgerichte überhaupt zur Durchsetzung staatlicher Regelungsziele verpflichtet sind. Nach Abschluss des Schiedsverfahrens bietet die staatsgerichtliche Kontrolle des Schiedsspruchs anhand des ordre public-Vorbehalts die Möglichkeit eines Interessenausgleichs. Verstößt der Schiedsspruch gegen elementare ordnungspolitische Grundsätze, kann er gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO aufgehoben bzw. seine Anerkennung und Vollstreckung gem. § 1061 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 2 lit. b) NYÜ versagt werden. Was aber passiert, wenn es gar nicht zu einem Schiedsverfahren kommt? Was passiert, wenn eine Partei abredewidrig Klage vor einem staatlichen Gericht erhebt mit der Begründung, im Schiedsverfahren sei eine hinreichende Beachtung der in einer deutschen Eingriffsnorm konkretisierten rechtspolitischen Interessen nicht gewährleistet? Wie wirken sich Eingriffsnormen in einem solchen Fall auf die Anerkennung der Schiedsvereinbarung aus? Diese Frage ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.

Im Gegensatz zu Gerichtsstandsvereinbarungen wurde die Fragestellung für internationale Schiedsvereinbarungen bisher noch nicht monographisch behandelt.8 Neben den speziellen, durch internationale Übereinkommen geprägten ←22 | 23→rechtlichen Rahmenbedingungen besteht eine weitere Besonderheit im Zusammenhang mit Schiedsabreden darin, dass sie mit dem bereits angedeuteten Problem der Bedeutung von Eingriffsnormen in Schiedsverfahren zusammentrifft. Werden die eingriffsrechtlichen Regelungsziele auch von Schiedsgerichten durchgesetzt, besteht nämlich überhaupt kein Bedürfnis, die Anerkennung der Schiedsvereinbarung infrage zu stellen. Eine ausführliche wissenschaftliche Analyse der Problematik, welche die Eigenarten der Schiedsgerichtsbarkeit umfassend mit einbezieht, fehlt bislang. Dabei wird die Fragestellung aufgrund der ununterbrochenen Beliebtheit von Schiedsverfahren einerseits und der angesichts des staatlichen Regulierungsdrangs sicherlich nicht kleiner werdenden Zahl an Eingriffsnormen andererseits auch künftig immer wieder relevant werden. Die vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, diese Lücke zu schließen.

B. Gang der Untersuchung

Diesem Ziel nähert sich die Arbeit in drei Schritten: Innerhalb dieses I. Teils wird nachfolgend zunächst die Problemstellung noch einmal konkretisiert. Zudem werden der materiellrechtliche Rahmen der Fragestellung mithilfe von Beispielsfällen näher beleuchtet, sowie Begrifflichkeiten und Rechtsquellen erläutert, die in der Arbeit eine Rolle spielen.

Auf diesen Grundlagen aufbauend, erfolgt in Teil II eine kritische Analyse der aktuellen Rechtslage. Dazu wird nach einer Darstellung des Meinungsbildes in der Literatur anhand einschlägiger Entscheidungen deutscher Gerichte herausgearbeitet, ob und unter welchen Voraussetzungen sich Eingriffsnormen nach Ansicht der Rechtsprechung auf die Anerkennung einer Schiedsvereinbarung auswirken können. Im Anschluss wird die für die vorliegende Untersuchung – sozusagen als Vorfrage – relevante Eingriffsnormenproblematik im Schiedsverfahren beleuchtet. Damit lässt sich einerseits die Plausibilität der Argumentation deutscher Gerichte in der untersuchten Problematik überprüfen; andererseits ergeben sich aus dem Umgang mit Eingriffsnormen in internationalen Schiedsverfahren Schlussfolgerungen im Hinblick auf die – in dieser Arbeit avisierte – konkrete Ausgestaltung einer präventiven Kontrolle von Schiedsvereinbarungen in der Einredesituation.

In Teil III wird ausgehend von den im vorangegangenen Teil gefundenen Ergebnissen der Versuch unternommen, einen methodischen Lösungsansatz zur Kontrolle von Schiedsvereinbarungen zur Verteidigung von Eingriffsnormen bzw. deren Normzweck zu entwickeln. Der Untersuchungsaufbau orientiert sich dabei an der Vorgehensweise des angerufenen Gerichts im Einredeverfahren: Nach einigen grundlegenden Überlegungen zum rechtlichen Kontext ←23 | 24→und der Kontrollbefugnis staatlicher Gerichte, geht es zunächst darum, einen dogmatischen Anknüpfungspunkt zu konkretisieren, über den eine potenzielle Missachtung deutscher Eingriffsnormen im Schiedsverfahren bereits die Anerkennung der Schiedsvereinbarung in der Einredesituation beeinflussen kann. Dazu werden die schiedsverfahrensrechtlichen und rechtsgeschäftlichen Gültigkeitsvoraussetzungen einer Schiedsvereinbarung einschließlich der im internationalen Kontext relevanten Kollisionsfragen untersucht. Aufgrund dieser IPR-Problematik ist anschließend zu klären, welche Möglichkeiten für das Einredegericht bestehen, wenn die Schiedsvereinbarung einem ausländischen Statut unterliegt, sodass etwaige Anknüpfungspunkte im deutschen Recht grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen. Nach der Konkretisierung der tatbestandlichen Ebene des Prüfungsmodells ist auf die Rechtsfolgen der Kontrolle in der Einredesituation einzugehen, bevor abschließend noch die Vereinbarkeit des entwickelten Lösungsweges mit internationalen Übereinkommen zur Schiedsgerichtsbarkeit überprüft wird.

In Teil IV werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung in Thesen zusammengefasst.

C. Grenzen der Untersuchung

In der Arbeit wird untersucht, wie sich Eingriffsnormen auf die Anerkennung einer internationalen Schiedsvereinbarung in der Einredesituation auswirken. Dabei ist der Untersuchungsgegenstand auf die private Schiedsgerichtsbarkeit beschränkt; Vereinbarungen von Investitionsschiedsverfahren werden nicht erfasst. Dementsprechend wird auch nicht näher auf die kürzlich getroffene, aufsehenerregende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Achmea eingegangen, mit der Schiedsklauseln in Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten für unzulässig erklärt wurden.9 Der EuGH hat dabei ausdrücklich zwischen Investitionsschiedsverfahren und privater Schiedsgerichtsbarkeit differenziert, sodass das Urteil für Letztere keine unmittelbaren Konsequenzen hat.10

←24 | 25→

Hingegen erfordert die Untersuchung zwangsläufig gewisse Überlegungen zum Instrument der Eingriffsnorm, insbesondere zu deren Begrifflichkeit und Funktionsweise. Die Arbeit beinhaltet jedoch keine dezidierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob einzelne Sachvorschriften tatsächlich als Eingriffsnormen zu qualifizieren sind. Lediglich auf die Einordnung der Sachvorschriften, die in den verwendeten Beispielsfällen relevant sind, wird konkreter eingegangen.

Weiterhin setzt bereits die Entscheidung des angerufenen Gerichts über die Anerkennung der Schiedsvereinbarung die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte voraus.11 Diese wird für den Zweck der vorliegenden Untersuchung unterstellt. Regelmäßig ergibt sich in der analysierten Situation eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte analog § 23 ZPO12 oder aus dem Gerichtsstand der Niederlassung gem. § 21 ZPO analog bzw. Art. 7 Nr. 5 Brüssel Ia-VO13; ggf. kommt auch der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gem. § 29 ZPO analog bzw. Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO in Betracht.14

←25 | 26→←26 | 27→

1 Die zunächst gegen die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit gerichtete Skepsis hat im Laufe der Zeit auch immer mehr den Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit erfasst. Dazu ausführlich und dem entgegentretend insbesondere Risse, SchiedsVZ 2014, 265 ff.; vgl. auch BeckOK-ZPO/Wolf/Eslami, § 1025 Rn. 27a ff.; Gottwald, FS Coester-Waltjen, S. 389, 398 ff.

2 Vgl. etwa die Entwicklung der Zahl neu eingeleiteter Schiedsverfahren bei der ICC in den letzten Jahren: 767 (2013), 791 (2014), 801 (2015), 966 (2016); dazu Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2015, 49, 52 f.; dies., SchiedsVZ 2016, 127, 130; dies., SchiedsVZ 2017, 49, 51 f.; jeweils m.w.N. In einer Studie der QMU London aus dem Jahr 2015 gaben 90% der befragten Unternehmen die Schiedsgerichtsbarkeit als bevorzugte Streitbeilegungsmethode in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten an, wobei 56% auf die Schiedsgerichtsbarkeit allein und 34% auf eine Kombination mit anderen Mechanismen alternativer Streitbeilegung setzten, vgl. QMU, International Arbitration Survey 2015, S. 5.

3 In Deutschland v.a. durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997, BGBl. I 1997, 3224 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 13/5274, S. 22 ff.

4 Beulker, Eingriffsnormenproblematik, S. 2 f.; Juenger, FS Rittner, S. 233, 241.

5 Freitag, in: Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht, S. 167, 168; vgl. auch Juenger, FS Rittner, S. 233, 240; jeweils mit zahlreichen weiteren Beispielen.

6 Zum Begriff der Eingriffsnorm und ihrer Wirkungsweise näher unten § 2 B. II.

7 Zu diesem Thema monographisch Beulker, Eingriffsnormenproblematik; Ungeheuer, Eingriffsnormen; Schiffer, Handelsschiedsverfahren.

8 Zur Fragestellung im Zusammenhang mit Gerichtsstandsvereinbarungen grundlegend Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen; ebenfalls monographisch Redmann, Ordre public-Kontrolle. Weller bezieht zwar Entscheidungen zur Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen allgemein in seine Untersuchung ein, blendet Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit jedoch vollkommen aus, vgl. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 15.

9 EuGH 6.3.2018 – C-284/16 (Achmea), EuZW 2018, 239 ff.

10 EuGH 6.3.2018 – C-284/16 (Achmea), Rn. 54 f., EuZW 2018, 239, 242: „Ein Schiedsverfahren wie das in Art. 8 des BIT vorgesehene unterscheidet sich jedoch von einem Handelsschiedsverfahren […]. Daher lassen sich die in der vorstehenden Rn. wiedergegebenen Überlegungen zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit nicht auf ein Schiedsverfahren wie das in Art. 8 des BIT vorgesehene übertragen.“; vgl. auch Scholtka, EuZW 2018, 243, 244.

11 Geimer, IZPR, Rn. 3729, 3800; vgl. auch beispielhaft BGH 7.6.2016 – KZR 6/15, SchiedsVZ 2016, 218, 220; OLG Düsseldorf 15.11.2017 – VI-U (Kart) 8/17 (juris-Rn. 40).

12 Vgl. etwa OLG München 17.5.2006 – 7 U 1781/06, IPRax 2007, 322 f.; BGH 15.6.1987 – II ZR 124/86, NJW 1987, 3193, 3194.

13 Vgl. etwa OLG Stuttgart 29.12.2011 – 5 U 126/11 (Hinweisbeschluss), IHR 2012, 163, 164; OLG Düsseldorf, 26.5.1995 – 17 U 240/94, IPRax 1997, 115, 116 f. (noch zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ).

14 Vgl. etwa OLG Hamburg 12.2.1970 – 6 U 148/69, VersR 1970, 742, 743. Die Anwendung der Brüssel Ia-VO in der Einredesituation ist nicht durch Art. 1 Abs. 2 lit. d) Brüssel Ia-VO ausgeschlossen, vgl. Erwägungsgrund 12 Abs. 1; EuGH 10.2.2009 – C-185/07 (West Tankers), Rn. 26 f., SchiedsVZ 2009, 120, 121.

§ 2 Grundlagen

A. Konkretisierung der Problemstellung

Kennzeichnend für die untersuchte Fragestellung ist, dass sie sich stets in einem Aktivprozess stellt. Streitgegenstand ist die Durchsetzung eines Anspruchs durch einen inländischen Kläger, der sich dazu auf eine international zwingende Norm des deutschen Rechts stützt. Aufgrund der Befürchtung, die anspruchsbegründende Eingriffsnorm bliebe im Schiedsverfahren unbeachtet mit der Folge einer Klageabweisung, klagt der Anspruchsteller abredewidrig unmittelbar vor einem deutschen Gericht. Dieses „Strukturelement“15 ergibt sich daraus, dass bei der Durchsetzung eines Anspruchs dem Kläger nicht unmittelbar damit gedient ist, einen Schiedsspruch zu erwirken und diesen anschließend wegen eines ordre public-Verstoßes abzuwehren. Denn mit der Nichtanerkennung eines klageabweisenden Schiedsspruchs erlangt der Kläger gerade nicht die angestrebte Rechtsposition, die ihm nach deutschem Sachrecht zwingend zusteht.16

Dabei macht es zumindest im Ausgangspunkt prinzipiell keinen Unterschied, ob ein inländisches oder ein ausländisches Schiedsverfahren vereinbart wurde. Denn die Verlagerung eines Rechtsstreits in die Schiedsgerichtsbarkeit führt schon per se zur Geltung anderer Kollisionsregeln und ruft die Eingriffsnormenproblematik im Schiedsverfahren hervor. In der Konsequenz können daher bereits mit dem Abschluss einer internationalen Schiedsvereinbarung die auf den Rechtsstreit anwendbaren Sachnormen und damit letztlich das Prozessergebnis beeinflusst werden. Allerdings wird dieser Effekt durch die – für die untersuchte Problemstellung durchaus typische – Verknüpfung eines Schiedsverfahrens im Ausland mit der Vereinbarung eines fremden Hauptsachestatuts noch verstärkt. Die Gefährlichkeit der Schiedsabrede liegt insbesondere darin, dass sie die Gefahr eines „Rechtsumschwungs“17, der im Extremfall zu einem Rechtsverlust führen kann, den Parteien nicht in gleichem Maße deutlich werden lässt wie eine ausdrückliche Ausschlussvereinbarung.18 Ungeachtet dessen ist die Frage, wie sich ein solcher Rechtsumschwung auf eine internationale ←27 | 28→Schiedsvereinbarung auswirkt, als Gültigkeitsproblem der vertraglichen Übertragung der Sachentscheidungskompetenz auf ein Schiedsgericht einzuordnen.

Bei dessen Lösung stellt sich in erster Linie eine dogmatische Hürde. Schiedsvereinbarungen und Eingriffsrecht entfalten ihre Wirkung nämlich grundsätzlich auf zwei verschiedenen Ebenen, der prozessualen einerseits und der materiellen andererseits. Die Schiedsvereinbarung regelt als Verfahrensabrede die Art und Weise der Beilegung eines Rechtsstreits, indem sie die Kompetenz zu dessen verbindlicher Entscheidung auf ein Schiedsgericht überträgt. Eingriffsnormen hingegen sind materiellrechtliche Vorschriften, die den Inhalt eines Rechtsfolgenausspruchs regeln. Prozessrecht und materielles Recht sind unterschiedliche Regelungssysteme, die jeweils eigenen Wertungen unterliegen und daher grundsätzlich selbstständig nebeneinanderstehen.19 Für das Schiedsrecht verdeutlicht dies auch das international anerkannte Autonomieprinzip (doctrine of separability), demzufolge Schiedsabrede und Hauptvertrag in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig sind.20 Zwar wird die Schiedsvereinbarung vom materiellen Recht insbesondere dadurch beeinflusst, dass ihr Zustandekommen und ihre Wirksamkeit nach der materiellrechtlichen Rechtsgeschäftslehre zu beurteilen sind, soweit das Schiedsverfahrensrecht keine eigene Regelung trifft.21 Es gibt also zwei – möglicherweise sogar identische – materiellrechtliche Statute: das Hauptvertragsstatut auf der materiellen Ebene und das Schiedsvereinbarungsstatut auf der prozessualen Ebene. Zum Schiedsvereinbarungsstatut – selbst wenn es sich um deutsches Recht handelt – sind inhaltlich jedoch gerade nicht die Eingriffsnormen zu zählen. Deren Regelungsgehalt erfasst tatbestandlich das materielle Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und nicht die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag.22 Ein wesentlicher Aspekt der untersuchten Fragestellung ist daher die Suche nach einem Anknüpfungspunkt, über den Eingriffsnormen auf ein Rechtsverhältnis auf zuständigkeitsrechtlicher Ebene – die Schiedsvereinbarung – einwirken können.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass in der untersuchten Konstellation eine präventive Absicherung bestimmter Sachnormzwecke in Rede steht. Anders ←28 | 29→als im Aufhebungs- bzw. Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren liegt in der vorgelagerten Einredesituation noch keine Sachentscheidung des Schiedsgerichts vor, sodass ein eingriffsrechtskonformer Schiedsspruch nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Es wird zu klären sein, wie diese Möglichkeit bei der Kontrolle der Schiedsvereinbarung zu berücksichtigen ist.

B. Begrifflichkeiten

I. Internationalität des Schiedsverfahrens

Die Arbeit behandelt die Anerkennung internationaler Schiedsvereinbarungen in der Einredesituation. Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands bedarf es der Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen das Merkmal der „Internationalität“ als erfüllt anzusehen ist.

Das deutsche Schiedsverfahrensrecht bietet insoweit keine Anhaltspunkte, da es nicht zwischen nationalen und internationalen Verfahren differenziert, sondern universell Anwendung findet.23 Ausländische Rechtsordnungen sehen hingegen teilweise unterschiedliche Normkomplexe für nationale und internationale Schiedsverfahren vor, wobei die gewählten Abgrenzungsmerkmale allerdings variieren. So knüpft etwa das französische Recht an den Streitgegenstand an und qualifiziert ein Schiedsverfahren als international, wenn dadurch zwischenstaatliche Handelsinteressen berührt sind.24 Im Gegensatz dazu wird in der Schweiz auf die beteiligten Personen abgestellt, indem ein internationales Schiedsverfahren vorliegt, „sofern beim Abschluss der Schiedsvereinbarung wenigstens eine Partei ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz hatte“.25 Eine Kombination von objektiven und subjektiven Kriterien findet sich in supranationalen Regelwerken zur Schiedsgerichtsbarkeit. Gem. Art. I Abs. 1 lit. a) EuÜ setzt die Anwendung des Übereinkommens kumulativ voraus, dass sich die Schiedsvereinbarung auf ein internationales Handelsgeschäft bezieht und zwischen Parteien aus verschiedenen Vertragsstaaten geschlossen wurde.26 Deutlich breiter fasst den Begriff des internationalen Schiedsverfahrens das UNCITRAL ModellG, indem es verschiedene Merkmale ←29 | 30→alternativ kombiniert. Nach Art. 1 Abs. 3 UNCITRAL ModellG kann sich die „Internationalität“ des Verfahrens neben dem Sitz der Parteien in verschiedenen Staaten auch aus einem ausländischen Schiedsort, einem ausländischen Erfüllungsort oder Vertragsschwerpunkt, sowie aus einer ausdrücklichen Parteivereinbarung ergeben.

Da die Möglichkeit eines Rechtsumschwungs im Schiedsverfahren bereits bei geringen Berührungspunkten zum Ausland bestehen kann, ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung von einem weiten Begriffsverständnis der Internationalität auszugehen. Dementsprechend wird im Folgenden die alternativ anknüpfende Definition des Art. 1 Abs. 3 UNCITRAL ModellG zugrunde gelegt, wenn von einer internationalen Schiedsvereinbarung bzw. einem internationalen Schiedsverfahren die Rede ist.

II. Eingriffsnormen

Details

Seiten
350
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631788295
ISBN (ePUB)
9783631788301
ISBN (MOBI)
9783631788318
ISBN (Hardcover)
9783631788288
DOI
10.3726/b15646
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Mai)
Schlagworte
Deutschland Schiedseinrede International zwingende Normen Ordre public Handelsvertreterausgleich Kartellschadensersatz Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 350 S.

Biographische Angaben

Stephan Biehl (Autor:in)

Stephan Biehl studierte Rechtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und war anschließend als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zivilrecht und Zivilprozessrecht tätig. Derzeit absolviert er das Referendariat in Mainz und Frankfurt. Daneben ist er Lehrbeauftragter der Hochschule Mainz.

Zurück

Titel: Eingriffsnormen und Schiedsvereinbarungen
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
352 Seiten