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Der strafrechtliche Eigentumsschutz in Spanien und Deutschland

von Wolfgang Peetz (Autor:in)
©2019 Dissertation XVI, 222 Seiten

Zusammenfassung

Die praktische Bedeutung der Eigentumsdelikte in allen Ländern der Europäischen Union ist erheblich. Vor dem Hintergrund, dass der Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Spanien eine lange Tradition hat, geht der Autor der Frage nach, wie der spanische Gesetzgeber Angriffe auf das Eigentum mittels des Strafrechts zu begegnen sucht und welche Ansatzpunkte sich daraus für eine Fortentwicklung des deutschen Strafrechts ergeben könnten. Dazu wird eine Untersuchung des Eigentumsbegriffs in beiden Rechtsordnungen vorgenommen sowie die Struktur des Eigentumsschutzes im spanischen Strafrecht dargelegt. Nachfolgend werden die einzelnen Eigentumsdelikte des Código Penal ausführlich dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Bedeutung des Themas
  • II. Methodischer Ansatz der Untersuchung
  • B. Allgemeine Struktur des strafrechtlichen Eigentumsschutzes in Spanien
  • I. Der Eigentumsbegriff im spanischen Strafrecht
  • II. Das Eigentum als strafrechtlich geschütztes Rechtsgut
  • III. Der Standort der Eigentumsdelikte im CP
  • 1. Der Inhalt des XIII. Titels des zweiten Buches des CP
  • a) Die Überschrift des XIII. Titels des zweiten Buches des CP
  • b) Abgrenzung von den Delikten gegen die Sozio-ökonomische Ordnung
  • 2. Gliederung des XIII. Titels des zweiten Buches des CP
  • IV. Die Einführung der strafrechtlichen Verantwortung juristischer Personen
  • V. Die Abkehr vom System der Übertretungen
  • C. Die einzelnen Eigentumsdelikte
  • I. Der Deliktsaufbau in der spanischen Rechtsordnung
  • II. Vom Diebstahl, I. Kapitel des XIII. Titels des CP (Art. 234–236 CP)
  • 1. Die Struktur des I. Kapitels des XIII. Titels
  • 2. Der Diebstahl, Art. 234 CP
  • a) Das geschützte Rechtsgut
  • b) Das Objekt des Diebstahls
  • (1) Sache
  • (2) Bewegliche Sache
  • (3) Fremdheit der Sache
  • (4) Wert der Sache, Art. 234 Abs. 1 und 2 CP
  • c) Die Tathandlung
  • (1) Wegnahme der Sache
  • (2) Gegen den Willen des Eigentümers
  • d) Subjektiver Tatbestand
  • e) Die besondere Rechtfertigung des „hurto famélico“
  • f) Strafmaß
  • 3. Qualifizierte Formen des Diebstahls, Art. 235 CP
  • a) Einleitung
  • b) Diebstahl von Sachen mit künstlerischem, historischem, kulturellem oder wissenschaftlichem Wert, Art. 235 Abs. 1 Nr. 1 CP
  • c) Diebstahl von Sachen der Grundversorgung, Art. 235 Abs. 1 Nr. 2 CP
  • d) Diebstahl von Bestandteilen der Infrastruktur der Strom-, Kohlenwasserstoff- oder Telekommunikationsversorgung oder anderer zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gehörender Sachen, Art. 235 Abs. 1 Nr. 3 CP
  • e) Diebstahl im Bereich der Agrar- oder Viehwirtschaft, Art. 235 Abs. 1 Nr. 4 CP
  • f) Besondere Schwere wegen des Werts der gestohlenen Sache oder Verursachung besonders erheblicher Schäden, Art. 235 Nr. 5 CP
  • g) Verursachung ernster wirtschaftlicher Verhältnisse des Opfers oder seiner Familie, Ausnutzung der persönlichen Lage des Opfers oder Ausnutzung eines Unfalls oder eines Risikos oder einer allgemeinen Gefahr für die Gemeinschaft, Art. 235 Abs. 1 Nr. 6 CP
  • h) Wiederholte Begehung von Delikten des XIII. Titels gleicher Natur, Art. 235 Abs. 1 Nr. 7 CP
  • i) Tatbegehung mittels eines Minderjährigen unter sechzehn Jahren, Art. 235 Abs. 1 Nr. 8 CP
  • j) Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Organisation, Art. 235 Abs. 1 Nr. 9 CP
  • k) Die Strafzumessungsregelung des Art. 235 Abs. 2 CP
  • 4. Vergleich der Rechtsfolgen der Diebstahlsdelikte
  • 5. „Furtum possesionis“, Art. 236 CP
  • a) Das geschützte Rechtsgut
  • b) Der objektive Tatbestand
  • c) Der subjektive Tatbestand
  • d) Strafrahmen
  • e) Vergleich
  • III. Vom Raub, Art. 237 bis 242 CP
  • 1. Inhalt der Raubdelikte
  • 2. Struktur der Raubdelikte
  • 3. Der Grundtatbestand des Raubes, Art. 237 CP
  • 4. Der Raub mittels Gewalt gegen Sachen
  • a) Die Struktur des Raubes mittels Gewalt gegen Sachen
  • b) Die Begehungsformen des Art.238 CP
  • (1) Das Erklettern, Art. 238 Nr. 1 CP
  • (2) Die „fractura exterior“, Art. 238 Nr. 2 CP
  • (3) Die „fractura interior“, Art. 238 Nr. 3 CP
  • (4) Der Gebrauch falscher Schlüssel, Art. 238 Nr. 4 CP
  • (5) Das Außerkraftsetzen von Alarmanlagen oder eines anderen Sicherungsmittels, Art. 238 Nr. 5 CP
  • c) Die Regelung des Art. 240 CP
  • d) Die Qualifikationen des Art. 241 CP
  • e) Die Strafzumessungsregelung des Art. 241 Abs. 4 CP
  • 5. Der Raub mittels Gewalt oder Drohung gegen Personen, Art. 242 CP
  • a) Allgemeine Struktur des Raubs mittels Gewalt gegen Personen und Drohung
  • b) Die Tathandlung des Raubes mittels Gewalt gegen Personen oder Drohung
  • (1) Gewalt gegen Personen
  • (2) Drohung gegen Personen
  • c) Strafzumessung, Qualifikation und Privilegierung des Art. 242 CP
  • (1) Allgemeiner Strafrahmen des Raubes mittels Gewalt gegen Personen oder Drohung, Art. 242 Abs. 1 CP
  • (2) Die Qualifikation des Art. 242 Abs. 2 CP, Raub mittels Gewalt oder Drohung in einem bewohnten Haus oder dessen Nebengebäuden,
  • (3) Die Qualifikation des Art. 242 Abs. 3 CP, Gebrauch von Waffen oder gleichermaßen gefährlichen Mitteln
  • (4) Die Privilegierung des Art. 242 Abs. 4 CP
  • 6. Zusammenfassung
  • IV. Vom Raub und Diebstahl des Gebrauchs von Fahrzeugen, Art. 244 CP
  • 1. Systematischer Standort der Regelung
  • 2. Entwicklung des Tatbestandes
  • 3. Geschütztes Rechtsgut
  • 4. Der objektive Tatbestand
  • a) Objekt der Tat
  • b) Gebrauch und Entwenden des Fahrzeuges
  • c) Fremdheit des Fahrzeuges
  • d) Rückgabe des Fahrzeuges
  • 5. Subjektive Tatbestandsmerkmale und Vorsatz
  • 6. Unbefugter Gebrauch eines Kraftfahrzeuges mittels Gewalt gegen Sachen oder durch Gewalt oder Drohung gegen Personen, Art. 244 Abs. 4 CP
  • 7. Subsidiarität der Regelung
  • 8. Strafandrohung
  • 9. Zusammenfassung und Vergleich
  • V. Rechtsanmaßung Art. 245–247 CP
  • 1. Einleitung
  • 2. Besetzung einer unbeweglichen Sache oder Rechtsanmaßung mittels Gewalt oder Drohung, Art. 245 Abs. 1 CP
  • a) Objektiver Tatbestand
  • b) Subjektiver Tatbestand
  • c) Vergleich
  • 3. Friedliche Besetzung unbewohnter Grundstücke, Gebäude oder Wohnungen, Art. 245 Abs. 2 CP
  • a) Historische Entwicklung
  • b) Objektiver Tatbestand
  • c) Subjektiver Tatbestand
  • d) Vergleich
  • 4. Veränderung von Ortschafts- und Grundstücksgrenzen, Art. 246 CP
  • a) Geschütztes Rechtsgut und Tatbestand
  • b) Subjektiver Tatbestand
  • c) Vergleich
  • 5. Das Umlenken von Gewässern, Art. 247 CP
  • a) Entwicklung des Tatbestandes
  • b) Der Tatbestand
  • c) Subjektiver Tatbestand
  • d) Vergleich
  • 6. Rechtfolgen der Art. 245–247 CP
  • VI. Von den Betrügerischen Machenschaften, Art. 248–256 CP
  • 1. Einleitung
  • 2. Systematischer Überblick
  • 3. Die Widerrechtliche Zueignung (Unterschlagung), Art. 253 und 254 CP
  • a) Historische Entwicklung der Art. 253 und 254 CP
  • b) Die Gründe der Reform des Jahres 2015. Die Untreuehandlung als Bestandteil der Unterschlagung
  • c) Der Grundtatbestand der Unterschlagung, Art. 253 CP
  • (1) Gewahrsam am Tatobjekt
  • (a.) Tatobjekt
  • (b.) Tathandlung
  • (2) Die Zueignung
  • (3) Subjektiver Tatbestand
  • (4) Rechtsfolgen
  • d) Der Auffangtatbestand des Art. 254
  • (1) Historische Entwicklung der Regelung
  • (2) Die Regelung der gewahrsamslosen Unterschlagung nach der Reform des Jahres 2015
  • (3) Rechtsfolgen
  • e) Zusammenfassung und Vergleich
  • 4. Die Entziehung elektrischer Energie und entsprechende Machenschaften, Art. 255–256 CP
  • a) Systematischer Überblick
  • b) Die Entziehung von Energie, Art. 255
  • (1) Historische Entwicklung
  • (2) Die Tathandlung
  • (a.) Tatobjekt
  • (b.) Tathandlung
  • (3) Vermögensschaden
  • (4) Subjektiver Tatbestand
  • (5) Rechtsfolgen
  • (6) Vergleich
  • c) Unbefugter Gebrauch von Telekommunikationsendgeräten
  • (1) Historische Entwicklung
  • (2) Die Tathandlung
  • (3) Subjektiver Tatbestand
  • (4) Rechtsfolgen
  • (5) Vergleich
  • VII. Sachbeschädigung
  • 1. Entwicklung der Sachbeschädigungsdelikte bis zur Reform des Jahres 2015
  • 2. Standorte und Systematik der Sachbeschädigungstatbestände
  • 3. Sachbeschädigungsdelikte als Eigentumsdelikte/Inhalt der Untersuchung
  • 4. Der Grundtatbestand der Sachbeschädigung, Art. 265 CP
  • a) Bedeutung des Grundtatbestandes im Gesamtverbund der Sachbeschädigungsdelikte
  • b) Die Tathandlung
  • (1) Hervorrufen eines Schadens
  • (2) Graffitis
  • (3) Fremde Sache
  • c) Subjektiver Tatbestand
  • d) Rechtsfolgen
  • 5. Schwere Fälle der Sachbeschädigung, Art. 263 Abs. 2 CP
  • a) Allgemeines
  • b) Sachbeschädigung mit dem Ziel der Störung der Ausübung öffentlicher Aufgaben, Art. 263 Abs. 2 Nr. 1 CP
  • c) Ansteckung von Vieh, Art. 263 Abs. 2 Nr. 2 CP
  • d) Sachbeschädigung durch giftige oder ätzende Substanzen, Art. 263 Abs. 2 Nr. 3 CP
  • e) Sachbeschädigung an öffentlichem Eigentum, Art. 263 Abs. 2 Nr. 4 CP
  • f) Sachbeschädigung mit schweren finanziellen Folgen für das Opfer, Art. 263 Abs. 2 Nr. 5 CP
  • g) Sachbeschädigung von besonderer Schwere oder das allgemeine Interesse berührend, Art. 263 Abs. 2 Nr. 6 CP
  • 6. Der subjektive Tatbestand des Art. 263 CP
  • 7. Die fahrlässige Sachbeschädigung, Art. 267 CP
  • a) Anwendbarkeitsbereich der fahrlässigen Sachbeschädigung
  • b) Vergleich
  • VIII. Gemeinsame Regelungen Art. 268 bis 269 CP
  • 1. Der Entschuldigungsgrund des Art. 268 CP
  • a) Inhalt der Regelung
  • b) Vergleich
  • 2. Strafbarkeit der Aufforderung, der Verabredung und des Vorschlages zur Begehung bestimmter Vermögensdelikte
  • D. Ergebnis des angestellten Rechtsvergleichs
  • E. Anhang
  • I. Literaturverzeichnis
  • II. Abkürzungsverzeichnis
  • III. Spanischer Gesetzestext:

← XVI | 1 →

A.  Einleitung

I.  Bedeutung des Themas

Die Probleme, welche sich in der Rechtssetzung und Rechtsfortbildung stellen, sind für alle Nationen mit fortgeschrittener Industrialisierung, hoher Urbanisierung und demokratischer Verfassung weitgehend die gleichen.1 In besonderem Maße gilt dieses für die Mitgliedstaaten der EU. Das enge Zusammenwachsen dieser Nationen und die gewährte Freizügigkeit innerhalb der EU ermöglicht es Straftätern in zuvor unbekanntem Ausmaß über Staatsgrenzen hinweg zu operieren. Die Verschiedenheit der Rechts- und Strafverfolgungssysteme der Mitgliedstaaten vereinfacht dieses zusätzlich.

Untersuchungen belegen seit langem, dass Straftaten zunehmend von organisierten Tätergruppen begangen werden und diese Täter jeweils planvoll auf die Rechtsordnung mit dem niedrigeren Schutzniveau ausweichen.2 Die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des europäischen Strafrechts3 ist folglich zwingende Voraussetzung für den gemeinsamen Markt, da unterschiedliche Strafrechtsregelungen zwangsläufig auch die Wettbewerbsbedingungen verzerren und zu einer ungleichen Behandlung der Marktteilnehmer führen.4

Für die Strafrechtswissenschaft entsteht daraus nach Auffassung des Verfassers die Verantwortung, Leitlinien zu suchen, die ungeachtet der derzeitigen Entwicklungen geeignet erscheinen, richtungsweisend für die Vereinheitlichung des europäischen Strafrechts zu sein.5 Insoweit soll hier jedoch nicht einer einheitlichen gesamteuropäischen Regelung das Wort geredet werden, sondern vielmehr sollte es weiterhin jedem Mitgliedsstaat obliegen, Regelungen zu schaffen, die den eigenen Erfordernissen und Gegebenheiten des jeweiligen Landes am besten entsprechen, ohne es aber zu versäumen, der Vereinheitlichung des Schutzniveaus in allen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.

Daher können zur Umsetzung einer möglichst effektiven Abwehr von Straftaten, die internationalen und insbesondere innereuropäischen Entwicklungen ← 1 | 2 → auch im Rahmen der nationalen Rechtsfortbildung nicht unberücksichtigt bleiben. Es ist mithin für jede Nation von größtem Interesse, wie andere Rechtsordnungen rechtliche Probleme lösen und welche gesetzlichen Regelungen sich dort bewährt haben, welche erfolglos geblieben sind. Instrument hierfür ist die moderne Rechtsvergleichung, die durch eine funktionale Methode6 prüft, auf welche Weise die verschiedenen Rechtssysteme konkrete soziale Probleme zu lösen suchen und welcher rechtstechnischen Mittel sie sich dabei bedienen.7

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nunmehr zu untersuchen, wie der spanische Gesetzgeber Angriffen auf das Eigentum mittels des Strafrechts zu begegnen sucht und welche Ansatzpunkte sich daraus für eine Fortentwicklung des deutschen Strafrechts ergeben könnten. Die Betrachtung der spanischen Regelungen erscheint dabei aus den folgenden Gründen als besonders ergiebig.

Die strafrechtliche Rechtsvergleichung zwischen Deutschland und Spanien hat eine lange Tradition. Die Zahl der aus der Rechtsvergleichung gewonnenen Erkenntnisse und Adaptionen ist so groß, dass bereits von einer Verflechtung beziehungsweise sogar Vermählung der Strafrechtssysteme gesprochen wurde.8

Zudem beschloss das Plenum des Congreso de los Disputados am 8. November 1995 ein neues Strafgesetz, das am 24. November 1995 im staatlichen Gesetzblatt verkündet und nach einer sechsmonatigen vacatio legis am 24. Mai 1996 in Kraft trat. Dieser Código Penal (CP/1995)9 war das Ergebnis langjähriger Reformarbeiten.10 Er ersetzte den CP von 1848, an dem bis zu diesem Zeitpunkt jeweils lediglich Teilreformen vorgenommen wurden, um so ein Strafrecht zu schaffen, das auf der spanischen Verfassung vom 27. Dezember 1978 fußte und dem damals aktuellen Niveau der spanischen Strafrechtswissenschaft und modernen ← 2 | 3 → kriminalpolitischen Zielsetzungen11 entsprach.12 Gerade im Bereich des Eigentumsschutzes ist es dabei zu einschneidenden Änderungen gegenüber den bis dahin geltenden Regelungen gekommen. Die Eigentumsdelikte blieben auch nach der Reform von 1995 Gegenstand stetiger Änderungen, um zum einen die Neufassung der einzelnen Regelungen weiter zu präzisieren, zum anderen aber auch um auf gänzlich neue Entwicklungen zu reagieren.13

Nachdem das 1995 eingeführte System nunmehr fast zwanzig Jahre in der Praxis Anwendung gefunden hat, trat der aktuelle Código Penal (CP)14 am 1. Juli 2015, ein erneut umfassend reformierter Gesetzestext, in Kraft. Insgesamt wurden hierbei wiederum über 200 Artikel des CP zum Teil grundlegend umgestaltet. Insbesondere kam es auch zu dogmatischen Veränderungen wie dem Wegfall der sogenannten Übertretungen und damit einer Abwendung von der 1995 eingeführten Trichotomie der Tathandlungen15 oder der Einführung neuer Strafen wie der überprüfbaren lebenslangen Freiheitsstrafe (prisión permanente revisable). Auch im Bereich der Eigentumsdelikte kam es zu einer Vielzahl von Veränderungen. Gerade diese neuerliche Überarbeitung der Eigentumsdelikte unter Berücksichtigung der Erkenntnisse von Rechtsprechung und Lehre in Bezug auf die bis dahin geltenden Regelungen lassen daher eine Untersuchung der spanischen Rechtslage als besonderes lohnend erscheinen, um Erkenntnisse für den Eigentumsschutz in Deutschland zu gewinnen.

Ferner gilt, dass der Anteil der Eigentumsdelikte in beiden Ländern an der Gesamtkriminalität überaus hoch ist. In Deutschland bildet allein der Diebstahl nahezu die Hälfte aller registrierten Rechtsverletzungen, wobei sich dieser Anteil noch erhöhen dürfte, wenn man das Dunkelfeld berücksichtigt. Insoweit betrug allein der Straftatanteil des Diebstahls an allen Straftaten im Jahr 2017 36,3 %. Der Anteil der Sachbeschädigung an allen Straftaten betrug 9,1 %.16 In Spanien ← 3 | 4 → betrug bei Jugendlichen unter achtzehn Jahren im Jahre 2012 allein der Anteil des Diebstahls an allen Straftaten 41,3 %.17 Die praktische Bedeutung der Eigentumsdelikte ist folglich enorm.

II.  Methodischer Ansatz der Untersuchung

Zur Erreichung obiger Zielsetzung wurde nachfolgend ein mehrstufiger Betrachtungsansatz gewählt.

Zunächst wird hierbei eine Untersuchung des Eigentumsbegriffs in beiden Rechtsordnungen vorgenommen, um so eine gemeinsame Untersuchungsgrundlage zu schaffen.

Nachfolgend wird die Struktur des Eigentumsschutzes durch Darstellung der Verortung der entsprechenden Delikte im CP nachgezeichnet. Im Anschluss werden dann die Eigentumsdelikte im Einzelnen betrachtet, um das System der Eigentumsdelikte durch Darlegung des Zusammenwirkens der einzelnen Normen darzustellen.

Hierbei bildet der Aufbau des CP die Grundlage der Untersuchungsreihenfolge. Dieses folgt aus dem Umstand, dass im CP im Wesentlichen, die einzelnen das Eigentum bzw. das Vermögen betreffenden Straftaten in einem gemeinsamen Titel vereint wurden, während den deutschen Eigentumsdelikten eine Struktur in der Form, dass die einzelnen Delikte einen bestimmten aufeinander abgestimmten Standort innerhalb des StGB innehaben, fehlt.

Die Darstellung beginnt daher mit den bedeutendsten Eigentumsdelikten, dem Diebstahl in all seinen Ausprägungen (Art. 234–236 CP), gefolgt von den Raubdelikten (Art. 237–242 CP). Die Untersuchung wird fortgeführt mit dem Unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen (Art. 244 CP) über die Rechtsanmaßung (Art. 245–247 CP), die Widerrechtliche Zueignung, (Art. 253–254 CP), die Entziehung elektrischer Energie und entsprechende Machenschaften (Art. 255–256 CP) hin zu den Delikten der Sachbeschädigung (Art. 263–267). Abgeschlossen wird dieser Teil mit der Betrachtung allgemeiner für diese Delikte geltender Regelungen (Art. 268–269 CP).

Im Einzelnen werden jeweils der objektive sowie der subjektive Tatbestand als auch das Strafmaß untersucht. Obgleich der durchgeführten weitreichenden Reformen des CP sind die einzelnen Tatbestände nicht immer das Ergebnis eines konsistenten begrifflichen und konzeptionellen Vorgehens, sondern oftmals vielmehr das Ergebnis der historischen Entwicklung des Tatbestandes. Aus diesem ← 4 | 5 → Grund war es darüber hinaus in Teilen notwendig, zum besseren Verständnis der Regelungen, auch die Entstehung einzelner Tatbestände nachzuzeichnen.

Am Ende der Arbeit finden sich dann eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie das Ergebnis der Frage, ob eine Anpassung der Rechtsvorschriften in Deutschland oder Spanien in Bezug auf den Eigentumsschutz notwendig ist, um eine bilaterale Nivellierung des Schutzniveaus zur Stärkung der europäischen Strafverfolgung zu bewirken. ← 5 | 6 →


1 Vgl. Rheinstein, S. 13.

2 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, 1976, S. 48 ff., 50 ff.; Sieber/Böckel, Logistik der Organisierten Kriminalität, 1993.

3 Zum Stand der Entwicklung vgl. Picotti in RDP 2004, S. 151 ff.

4 Vgl. Tiedemann, in: NJW 1993, 23 f. m. w. N..

5 Vgl. so bereits Mir Puig in Coimbra – Symposium, S. 35, zur Schaffung des Corpus Iuris. Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung vgl. Bacigalupo in CPC 2004, S. 5 ff..

6 Vgl. zur Methode der funktionellen Rechtsvergleichung Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 25 ff..

7 Vgl. Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 13.

8 Zur Beziehung der deutschen zur spanischen Strafrechtswissenschaft im historischen Überblick vgl. Hünerfeld in Deutsch – Spanisches Strafrechtskolloqium, S. 3 ff.; zum Einfluss der deutschen Rechtslehre auf das spanische Strafrecht vgl. zBsp. Borja Jiménez in CPC 1997, S. 595 ff.

9 Código Penal. Ley Orgánica 10/1995, de 23 de noviembre, del Código Penal. «BOE» núm. 281, de 24/11/1995. Texto original publicado el 24 noviembre 1995.

10 Die Bemühungen, ein neues Strafgesetzbuch zu schaffen begannen mit dem Entwurf (E) von 1980 und führten dann über den Vorschlag eines neuen CP von 1983, der Skizze eines neuen Allgemeinen Teils von 1990 und den E 1992, zum E 1994 der schließlich zum neuen CP wurde.

11 Die Intention der Reform ging wie Minister Belloch es vor dem Plenum des Congreso de los Disputados ausdrückte dahin, “nicht perfekte Normen zu schaffen, sondern brauchbare…. Der CP ist eine Sammlung von Vorschlägen um sich mit Entschiedenheit den aktuellen strafrechtlichen Problemen in Spanien entgegen zu stellen.“ zitiert nach Código Penal y legislación complementaria, S. 28.

12 Vgl. Cerezo Mir in ZStW 1996, S. 857.

13 So insbesondere mit der Ley Orgánica 5/2010 vom 22. Juni 2010, welche eine Vielzahl von Änderungen im Bereich der Eigentumsdelikte umsetzte.

14 Codigo Penal. Ley Orgánica 10/1995, de 23 de noviembre, del Código Penal. «BOE» núm. 281, de 24/11/1995. Ultima modificatión 28 de abril 2015.

15 Vgl. hierzu die Ausführungen bei der Untersuchung des Diebstahls unter C. II.2.b)(4).

16 Vgl. PKS, S. 75 und 141.

17 Vgl. Instituto Nacional de Estadística, Press Release, 19.09.2013, S. 1.

Details

Seiten
XVI, 222
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631792988
ISBN (ePUB)
9783631792995
ISBN (MOBI)
9783631793008
ISBN (Hardcover)
9783631789919
DOI
10.3726/b15761
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Mai)
Schlagworte
Eigentumsschutz Spanien Eigentumsdelikte Spanien Diebstahl Spanien Raub Spanien Rechtsanmaßungen Spanien Sachbeschädigung Spanien Unterschlagung Spanien
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. XVI, 222 S.

Biographische Angaben

Wolfgang Peetz (Autor:in)

Wolfgang Peetz studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg, der Universidad Complutense de Madrid sowie der Universität zu Köln. Seit 2005 ist er im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung im Vergaberecht tätig.

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