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Zum Verhältnis von Tat- und Täterbegriff im Strafrecht

von Tillmann Böß (Autor:in)
©2019 Dissertation 164 Seiten

Zusammenfassung

Den Diskurs über die Frage des «richtigen» Tatbegriffs wie auch denjenigen über die Frage des «richtigen» Täterbegriffs wird man als «Dauerbrenner» der deutschen Strafrechtswissenschaft bezeichnen können. Der Autor beleuchtet die Wechselbezüglichkeit dieser beiden Themenkreise und analysiert, welches Tatbestandsverständnis den gängigen Tätertheorien zugrunde liegt. Aus der Erkenntnis, dass es den gängigen Täterkonzepten an hinreichender Tatbestandsbezogenheit fehlt, folgt die Forderung nach einem streng tatbestandsbezogenen Täterkonzept. Die Grundzüge eines solchen entwickelt der Autor sodann unter Betrachtung der dogmatischen Folgen des Postulats.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • I. Einleitung
  • 1. Bestandsaufnahme
  • 2. Zielsetzung
  • 3. Gang der Untersuchung
  • II. Zur Differenzierung von Tat- und Täterbegriff
  • 1. Die terminologische Differenzierung von Tat- und Täterbegriff
  • 2. Analyse der subjektiven, der formal-objektiven und der materiell-objektiven (Täterschafts-)Theorie im Hinblick auf den jeweils zugrunde gelegten Tat- und Täterbegriff
  • a) Die subjektive (Täterschafts-)Theorie
  • b) Die formal-objektive (Täterschafts-)Theorie
  • c) Die materiell-objektive (Täterschafts-)Theorie
  • d) Zur Relativität des Täterbegriffs
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Zur unmittelbaren Bindung des Täterbegriffs an den Tatbegriff
  • 1. Vorüberlegungen
  • 2. Zum überrestriktiven Täterbegriff der subjektiven (Täterschafts-)Theorie
  • a) Das „Selbst-Begehen“ der Straftat gemäß § 25 Abs. 1 1. Var. StGB
  • b) Die Tatbestände des Besonderen Teils und die Teilnahmevorschriften
  • c) Die Teilnahme als Schuldkorrektiv
  • d) Ergänzende Überlegungen
  • 3. Zu den extensiven Täterbegriffen der formal-objektiven und der materiell-objektiven (Täterschafts-)Theorie
  • a) § 25 StGB
  • b) Die strukturellen Defizite der Verhaltenszurechnungsdogmatik
  • aa) Das Verständnis der §§ 25 Abs. 1 2. Var. und 25 Abs. 2 StGB als Verhaltenszurechnungsnormen
  • bb) Das Strukturdefizit der Verhaltenszurechnung im Hinblick auf das Schuldprinzip
  • aaa) Das Schuldprinzip
  • bbb) Anknüpfen des Schuldvorwurfs an ein nicht tatbestandliches Verhalten?
  • cc) Das Strukturdefizit der Verhaltenszurechnung im Hinblick auf die Unrechtsbegründung
  • aaa) Die Tatbestandsebene
  • bbb) Die Rechtswidrigkeitsebene
  • 4. Zwischenergebnis
  • IV. Folgen eines konsequent tatbestandsbezogenen Täterbegriffs
  • V. Zum Tatbegriff
  • 1. Der „gemäßigt-extensive“ Tatbegriff als Ausgangspunkt
  • a) Zum extensiven Tatbegriff der subjektiven (Täterschafts-)Theorie
  • b) Zum restriktiven Tatbegriff der formal-objektiven (Täterschafts-) Theorie
  • c) Der „gemäßigt-extensive“ Tatbegriff als Synthese der widerstreitenden Funktionen des Straftatbestandes
  • d) Zur eingeschränkten Bedeutung der Kriterien Kausalität und objektive Zurechnung auch auf der Grundlage des „gemäßigt-extensiven“ Tatbegriffs
  • 2. Die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft als eigene Straftatbestandsverwirklichung
  • a) Zur Erfassung der Fallkonstellationen der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft über die Auslegung des im Besonderen Teil niedergelegten Straftatbestandes
  • aa) Zur mittelbaren Täterschaft
  • aaa) Keine prinzipielle Hinderung der objektiven Zurechnung durch die Vermittlung der Kausalität über ein weiteres menschliches Verhalten
  • bbb) Zurechenbarkeit des Erfolges in den Fallkonstellationen der mittelbaren Täterschaft unter Berücksichtigung des Tatherrschaftsgedankens
  • ccc) Zwischenergebnis
  • bb) Zur Mittäterschaft
  • aaa) Zurechenbarkeit des Erfolges in den Fallkonstellationen der Mittäterschaft bei Vorliegen von Kausalität
  • bbb) Fehlende Subsumierbarkeit des Mittäters bei fehlender Kausalität
  • ccc) Zwischenergebnis
  • b) Die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft als gesetzliche Rechtsinstitute zur Ausweitung der Täterhaftung
  • aa) Die konstitutive Funktion der §§ 25 Abs. 1 2. Var. und 25 Abs. 2 StGB
  • bb) § 25 Abs. 1 2. Var. StGB und § 25 Abs. 2 StGB als die Tatbestände des Besonderen Teils modifizierende Normen
  • aaa) Die Regelungstechnik des „Vordieklammerziehens“
  • bbb) Die Modifikation der Tatbestände des Besonderen Teils
  • ccc) Parallelen zur Haftungsexpansion durch die Versuchsvorschriften
  • ddd) Der Unterschied zwischen der Haftungsexpansion durch die Täter- und der durch die Teilnahmevorschriften
  • c) Mögliche Einwände gegen die vorgeschlagene individualisierende Betrachtung des mittelbaren Täters und des Mittäters auf der Unrechtsebene
  • aa) Zerstückelung eines einheitlichen Geschehens
  • bb) Überflüssige Differenzierung
  • cc) Formalismus
  • 3. Zwischenergebnis
  • VI. Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
  • 1. Primat der Täterschaft
  • 2. Abgrenzung über die Auslegung
  • VII. Praktische Konsequenzen des erarbeiteten Konzeptes
  • 1. Zur Frage des Kriteriums der Tatherrschaft bei den Sonderdelikten
  • 2. Zur Strafbarkeit des Tatmittlers als Gehilfe des mittelbaren Täters
  • 3. Zur Strafbarkeit des über seinen Einfluss irrenden mittelbaren Täters
  • 4. Zum Eintritt des mittelbaren Täters und des Mittäters in den Versuch
  • a) Das unmittelbare Ansetzen des mittelbaren Täters
  • b) Das unmittelbare Ansetzen des Mittäters
  • 5. Zur Beteiligung an einem Begehungsdelikt durch Unterlassen
  • VIII. Resümee
  • Literaturverzeichnis

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I. Einleitung

1. Bestandsaufnahme

An Monographien, die sich mit der Täterschaft in Abgrenzung zur Teilnahme auseinandersetzen, mangelt es nicht.1 Das gleiche gilt für Monographien, die sich mit dem Tatbegriff auseinandersetzen.2 Die Berechtigung der hier vorliegenden Arbeit, die sich ebenfalls mit diesen altbekannten Fragen befasst, ergibt sich aus dem Versuch, das Verhältnis dieser beiden Themen zueinander zu beleuchten. Sicher lässt sich nicht behaupten, dass das Bestehen eines Zusammenhangs von Tat- und Täterbegriff bisher nicht gesehen worden ist – dafür ist dieser Zusammenhang zu offensichtlich: Tat und Täter stehen natürlich nicht beziehungslos nebeneinander. Er ist aber – so die hier vertretene These – doch noch nicht hinreichend bedacht. Vielmehr wird er nur beiläufig bei der Auseinandersetzung in der Hauptsache mit entweder der einen oder der anderen Frage thematisiert. Das mag daran liegen, dass dieser Zusammenhang auf den ersten Blick so selbstverständlich und daher vielleicht einer näheren Betrachtung nicht wert erscheint. Dabei ergibt sich ein Grundproblem beim wissenschaftlichen Disput um die Tat und die Täterschaft aber bereits daraus, dass begrifflich nicht klar danach differenziert wird, ob mit „Täter“ im jeweiligen Kontext derjenige gemeint ist, der den Tatbestand verwirklicht – also eigentlich die Frage nach der Tatbestandsverwirklichung im Raume steht – oder derjenige, der in Abgrenzung zur Teilnahme und unter Berücksichtigung der gesetzlich in § 25 StGB verankerten Rechtsinstitute der Mittäterschaft und der mittelbaren Täterschaft letztlich als Täter bestraft wird – also nach der Täterschaft im engeren Sinne gefragt wird. Nur wenn man „Täterschaft“ begrifflich nicht mit „Tatbestandsverwirklichung“ gleichsetzt, sondern zwischen der Frage der Tatbestandsverwirklichung und der Frage der Täterschaft im engeren – das heißt die Rechtsinstitute der Teilnahme, ←13 | 14→der Mittäterschaft sowie der mittelbaren Täterschaft berücksichtigenden – Sinne begrifflich und gedanklich differenziert, lässt sich das innere Verhältnis der Täterschaft zur Tatbestandsverwirklichung beleuchten. Andernfalls ergeben sich zwangsläufig Missverständnisse.

So ist es beispielsweise nicht richtig, wenn der formal-objektiven Theorie unterstellt wird, dass sie nur die eigenhändige Tatbestandsverwirklichung als Täterschaft gelten lassen wolle.3 Richtig ist vielmehr, dass die formal-objektive Theorie im Rahmen einer generell engen Auslegung der Tatbestände nur eigenhändiges Verhalten als Tatbestandsverwirklichung gelten lassen will. Täter kann aber auch nach der formal-objektiven Theorie sein, wer den Tatbestand nicht (eigenhändig voll-)verwirklicht: Nämlich Mittäter, wenn der Betreffende zumindest eines von mehreren tatbestandlichen Verhaltensmerkmalen (bei enger Auslegung) erfüllt.4

2. Zielsetzung

Ziel dieser Monographie ist es, den Fokus auf die besagte Fragestellung zu richten und – wie es der Titel schon andeutet – das Verhältnis von Täterbegriff und Tatbegriff, also von Täterschaft und Tatbestandsverwirklichung, bei den gängigen Täterschaftskonzepten zu untersuchen und daraus folgend ein eigenes Konzept zu entwickeln. Der eigene Ansatz soll den verfassungsrechtlich abgesicherten rechtsstaatlichen Prinzipien des deutschen Strafrechts – insbesondere dem Gesetzlichkeits- und dem Schuldprinzip – besser gerecht werden als die bisherigen Konzepte, dabei aber die Praktikabilität nicht aus den Augen verlieren.

Es handelt sich vorliegend weder um eine rechtsphilosophische noch um eine rechtspolitische Arbeit, sondern um eine rechtsdogmatische auf den Grundlagen des bestehenden Straf- und Verfassungsrechts. Die übergeordnete Frage danach, welches Verhalten der Gesetzgeber unter Strafe stellen soll oder darf – die nach dem materiellen Verbrechensbegriff 5 – ist nicht Gegenstand der Arbeit. Ebenso wenig ist es Ziel dieser Arbeit, die in den §§ 25 ff. StGB artikulierten Grundsatzentscheidungen des Strafgesetzbuchs respektive des Gesetzgebers zu dem Themenkomplex Täterschaft und Teilnahme auf ihre Überzeugungskraft hin zu überprüfen. Die Konstituierung der unterschiedlichen Beteiligungsformen und die Zuordnung der Anstiftung und der Beihilfe zur Teilnahme sowie der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft zur Täterschaft werden nicht angegriffen, sondern zugrunde gelegt. Es wird „lediglich“ der Versuch unternommen, ←14 | 15→ein möglichst überzeugendes Täterkonzept auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage zu erarbeiten.

Zudem versteht sich diese Arbeit als Grundlagendissertation, im Rahmen derer das Augenmerk auf einige Aspekte gerichtet wird, die bisher zu wenig Beachtung gefunden haben. Sie erhebt nicht den Anspruch, die aufgestellten Thesen und deren Konsequenzen erschöpfend auszuarbeiten. Die Arbeit beschränkt sich dementsprechend auch weitgehend auf grundlegende Ausführungen. Konkretisierungen auf bestimmte Tatbestände erfolgen nur im Rahmen von Beispielen.

3. Gang der Untersuchung

Ausgangspunkt der Arbeit ist die strikte Differenzierung von Tat- und Täterbegriff. Zunächst ist diese in terminologischer Hinsicht zu klären. Daraufhin erfolgt eine Analyse der gängigsten Täterschaftskonzepte – der sogenannten subjektiven Theorie, der sogenannten formal-objektiven Theorie und der sogenannten materiell-objektiven Theorie – mit Blick auf die Frage, in welchem inneren Bezug Tat- und Täterbegriff bei den jeweiligen Konzepten stehen. Man kann es so formulieren: Die Untersuchung zielt hier auf die Frage ab, inwieweit diese Konzepte inhaltlich zwischen der Frage nach der Tat (dem Tatbegriff) und der Frage nach der Täterschaft (dem Täterbegriff) unterscheiden. Es wird sich dabei zeigen, dass zwar alle Täterkonzepte tatbestandsbezogen in einem weiteren Sinne sind – was insoweit wenig überrascht –, aber doch zwischen diesen beiden Fragen unterscheiden.

Im darauffolgenden Abschnitt wird begründet, warum eine Unterscheidung dieser beiden Fragen nicht überzeugt, sondern die Frage der Täterschaft unmittelbar an die der Tatbestandsverwirklichung zu binden ist. Nach einigen Überlegungen dazu, welche Konsequenzen sich aus einer Gleichsetzung der Frage nach der Täterschaft mit der nach der Tatbestandsverwirklichung ergeben, wird der Blick im Folgenden auf den Tatbegriff – also die Frage der Tatbestandsverwirklichung – gerichtet. Denn wenn man – wie es die vorliegende Arbeit vorschlägt – die Täterschaft ausschließlich als Tatbestandsverwirklichung versteht, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft – die dann beide auch Tatbestandsverwirklichung darstellen müss(t)en – begründet werden kann. Es wird sich zeigen, dass ein Täterkonzept, das sich konsequent an der Tatbestandsverwirklichung orientiert, nicht dazu führt, die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft nicht strafrechtsdogmatisch begründen zu können. Ein abschließendes Kapitel ist schließlich auf die Eruierung einiger praxisrelevanter Auswirkungen gerichtet, die sich aus einem streng tatbestandsbezogenen Täterkonzept ergeben.

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1 Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht; Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft; Haas, Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen; Noltenius, Kriterien der Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft; Schlösser, Soziale Tatherrschaft.

2 Bunn, Extensiver und restriktiver Täterbegriff; Conrad, Die „akzessorische“ TeiInahme und sog. mittelbare Täterschaft unter Berücksichtigung des Jugendgerichtsgesetzes; Kloke, Der strafrechtliche Täterbegriff; Lange, Der moderne Täterbegriff und der deutsche Strafgesetzentwurf; Lony, Extensiver oder restriktiver Täterbegriff?; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung.

3 Roxin, AT II, § 25 Rn. 29.

4 Vgl. zu Dohna, Der Aufbau der Verbrechenslehre, S. 60.

5 Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 53.

Details

Seiten
164
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631795545
ISBN (ePUB)
9783631795552
ISBN (MOBI)
9783631795569
ISBN (Paperback)
9783631794623
DOI
10.3726/b15867
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juli)
Schlagworte
Täterschaft Teilnahme formal-objektive Theorie subjektive Theorie Tatherrschaftslehre Schuldprinzip Verhaltenszurechnung Sonderdelikte Irrtum Versuch
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 164 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Tillmann Böß (Autor:in)

Tillmann Böß studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches, europäisches und internationales Strafrecht und Strafprozessrecht der Universität Heidelberg beschäftigt. Nach dem Rechtsreferendariat in Berlin trat er in die Justiz des Landes Hessen ein, wo er heute als Richter tätig ist.

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