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Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO als Instrument der Rechtssicherheit?

Eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit und fehlende EU-Resistenz im Widerspruch zum Zweck der verbindlichen Auskunft

von Henrik Schneider (Autor:in)
©2019 Dissertation 168 Seiten

Zusammenfassung

Sowohl durch die Praxis der nationalen Finanzgerichte als auch durch das Damoklesschwert des Beihilferechts scheint der Zweck der verbindlichen Auskunft, Rechtssicherheit in einem komplexen Steuerrecht zu gewähren, nicht mehr erreicht. Die Finanzgerichte prüfen verbindliche Auskünfte inhaltlich lediglich auf evidente Fehler und einer richtigen Sachverhaltserfassung. Der Steuerpflichtige, der Auskunft zu einer komplexen Rechtsfrage begehrt, wird mithin auf die spätere Steuerfestsetzung vertröstet. Eingedenk des eigentlichen Zwecks der Auskunft und im Hinblick auf die Gebührenpflicht ist dies höchst kritisch zu bewerten. Der erste Teil der Arbeit setzt sich mit diesem Problem auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Vorgaben kritisch auseinander. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Frage untersucht, ob die verbindliche Auskunft im Einzelfall eine unzulässige Beihilfe i.S.d. Art. 107 AEUV darstellen könnte. Diese Frage wird auf Basis der Praxis der Kommission zu den bekannten Tax-Rulings-Verfahren in Sachen Apple, Amazon etc. untersucht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhalt
  • Problemstellung und Gang der Untersuchung
  • Erster Teil: Grundlagen und Zweck
  • A. Aktuelle Rechtslage
  • I. Überblick über die Regelungen
  • II. Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft
  • 1. Antrag
  • a. Antragsteller
  • b. Form
  • c. Inhalt des Antrags
  • 2. Besonderes steuerliches Interesse
  • 3. Zuständigkeit
  • 4. Bearbeitungsfrist
  • III. Gebührenpflicht
  • 1. Regelungsinhalt
  • 2. Kritik an der Auskunftsgebühr
  • IV. Inhalt der Auskunft
  • V. Entscheidung über den Antrag
  • VI. Bindungswirkung
  • VII. Rechtsnatur der verbindlichen Auskunft und persönliche Bindungswirkung
  • 1. Die verbindliche Auskunft als Verwaltungsakt
  • 2. Die verbindliche Auskunft als Zusage?
  • 3. Stellungnahme
  • B. Entwicklung der verbindlichen Auskunft durch die Rechtsprechung und Verwaltung
  • I. Die Entwicklung der verbindlichen Auskunft durch die Rechtsprechung
  • 1. Das BFH-Urteil vom 4. August 1961158
  • 2. Das BFH-Urteil vom 19.März 1981
  • 3. Das BFH-Urteil vom 16. März 1983
  • 4. Stellungnahme
  • II. Das BMF-Schreiben betr. Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Die verbindliche Auskunft im Kontext sonstiger (steuerrechtlicher) Auskunftsverfahren
  • I. Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG
  • II. Die Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung nach § 204 AO
  • III. Tatsächliche Verständigung
  • IV. Vorabverständigungsverfahren
  • V. Stellungnahme
  • D. Notwendigkeit und Zweck der verbindlichen Auskunft
  • I. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit
  • II. Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns und Vertrauensschutz als Elemente der Rechtssicherheit
  • III. Mehr Rechtssicherheit durch Kooperation mit der Finanzverwaltung?
  • IV. Schlussfolgerung für das Institut der verbindlichen Auskunft
  • Zweiter Teil: Gefahren für den Zweck der verbindlichen Auskunft
  • A. Die gerichtliche Überprüfbarkeit verbindlicher Auskünfte
  • I. Eingeschränkter Rechtschutz nach Auffassung der Finanzverwaltung und Rechtsprechung
  • 1. Die Auffassung der Verwaltung
  • 2. Rechtsprechung zur verbindlichen Auskunft
  • a. Das BFH-Urteil vom 29. Februar 2012326
  • b. Das BFH-Urteil vom 5. Februar 2014337
  • c. Das BFH-Urteil vom 14. Juli 2015355
  • 3. Rechtsprechung zu sonstigen Auskünften
  • II. Kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zur gerichtlichen Überprüfbarkeit
  • III. Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG?
  • IV. Zwischenergebnis: Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle im Widerspruch zum Zweck der verbindlichen Auskunft
  • B. Die verbindliche Auskunft im Kontext des europäischen Beihilferechts
  • I. Grundlagen des EU-Beihilferechts
  • 1. Grundzüge des Beihilfeverfahrens
  • a. Begrifflichkeiten
  • b. Überblick über die Verfahrensvorschriften
  • c. Das Verfahren bei angemeldeten Beihilfen
  • d. Das Verfahren bei rechtswidrigen Beihilfen
  • 2. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Beihilfe
  • a. Begünstigung
  • b. Einsatz von staatlichen Mitteln und Zurechnung der Maßnahme an den Staat
  • c. Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels
  • d. Bestimmte Unternehmen (Selektivität)
  • (1) Begriff des Unternehmens
  • (2) Ermittlung des Bezugssystems der steuerbegünstigenden Maßnahme (Regelbesteuerung)
  • (3) Feststellung einer Abweichung der Maßnahme von diesem Bezugssystem
  • (4) Rechtfertigungsgründe durch die Natur oder den inneren Aufbau des Bezugssystems
  • (5) Sonderproblem: De-Facto-Selektivität
  • 3. Folgen der Qualifizierung als Beihilfe
  • 4. Besonderheiten für Steuervorbescheide
  • 5. Zwischenergebnis: Mangelnde Vorhersehbarkeit im Beihilferecht
  • II. Die verbindliche Auskunft als Beihilfe?
  • 1. Erste Konstellation: Die verbindliche Auskunft als Umsetzung einer beihilferechtlich unzulässigen Norm
  • 2. Zweite Konstellation: Die verbindliche Auskunft als unzulässige Einzelbeihilfe
  • a. Die Auffassung der Kommission in aktuellen Verfahren zu Tax-Rulings
  • (1) Beschluss der Kommission über die staatliche Beihilfe Luxemburgs zugunsten von Fiat684
  • (2) Beschluss der Kommission über die staatliche Beihilfe der Niederlande zugunsten von Starbucks
  • (3) Beschluss der Kommission über die staatliche Beihilfe Irlands zugunsten von Apple
  • (4) Beschluss der Kommission über die staatlichen Beihilfen von Luxemburg zugunsten Amazon
  • (5) Förmliches Prüfverfahren zur steuerlichen Behandlung von McDonald’s in Luxemburg
  • (6) Zwischenfazit zur Praxis der Kommission im Hinblick auf Tax Rulings
  • b. Vergleichbarkeit mit der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO
  • c. Beihilferechtliche Problemfelder der verbindlichen Auskunft
  • (1) Selektivität aufgrund eines weiten Ermessensspielraums
  • (2) Unterschiedliche Auskunftspraxis der Finanzverwaltungen als Indiz für Selektivität?
  • (3) Selektivität rechtswidriger verbindlicher Auskünfte
  • 3. Zwischenergebnis: Kein Vertrauen auf verbindliche Auskünfte im Falle beihilferechtlicher Unzulässigkeiten
  • C. Automatischer Informationsaustausch
  • D. Mehr Rechtssicherheit durch eine Veröffentlichung der verbindlichen Auskünfte?
  • Dritter Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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Problemstellung und Gang der Untersuchung

Die verbindliche Auskunft ist ein wichtiges Instrument der Steuerpraxis. Insbesondere bei Fragen in Umstrukturierungsfällen, Vermögensnachfolgen und Unternehmenstransaktionen ist diese für den Steuerbürger ein unersetzliches Instrument zur Erlangung antizipativer Rechtssicherheit. Der Bürger wünscht sich Sicherheit für die Zukunft und langfristig geordnete Verhältnisse.1 Auch im Hinblick auf die immer weiter fortschreitende Automatisierung des Besteuerungsverfahrens ist es sinnvoll, steuerliche Fragen vorab klären zu können. Eine Prüfung im Nachhinein durch Veranlagung und Außenprüfungen ist streitanfälliger und im Zweifel arbeitsintensiver.2 Es ist daher zu begrüßen, dass das deutsche Steuerverfahrensrecht unter anderem mit der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO grundsätzlich die Möglichkeit geschaffen hat, antizipativ Sachverhalte auf ihre steuerlichen Folgen hin prüfen zu lassen. Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO ist zudem gelebte Kooperation zwischen den Finanzbehörden und den Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige legt seine geplanten Dispositionen der Finanzverwaltung offen und erhält im besten Fall von der jeweiligen Behörde eine bindende Beurteilung der steuerlichen Folgen.

Trotz aller Vorteile der verbindlichen Auskunft, stößt diese in der Praxis auf einige Probleme. Neben der Frage, wann die verbindliche Auskunft tatsächlich verbindlich ist und unter welchen Voraussetzungen eine Auskunft erteilt wird, wirft insbesondere der Rechtschutz gegen negativ beschiedene Auskünfte Fragen auf. Ein weiteres, hoch aktuelles Problem ist die beihilferechtliche Resistenz der verbindlichen Auskunft. Die Verfahren um die sogenannten „Tax-Rulings“ anderer Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass auch Vorbescheide oder Vorabauskünfte durchaus beihilferechtlich problematisch sein können.3

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So wurden im Rahmen der Berliner Steuergespräche zum Thema „Verbindliche Auskunft“ vom 7. November 2016 als Problemschwerpunkte der verbindlichen Auskunft deren fehlende EU-Resistenz und eine beschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit benannt.4

Nun stellt sich die Frage, ob die begrüßenswerte Entscheidung des Steuergesetzgebers, eine Möglichkeit der antizipativen Auskunft über steuerliche Folgen zu schaffen, angesichts der aktuellen Entwicklungen tatsächlich noch den verfolgten Zweck erfüllt.

Die nachgehende Untersuchung soll aufzeigen, dass die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO ein wichtiges Instrument für das Erreichen von Planungssicherheit und Vertrauensschutz im deutschen Steuerrecht darstellt. Es soll zunächst herausgearbeitet werden, dass die verbindliche Auskunft grundsätzlich ein taugliches Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist.

Im Anschluss soll untersucht werden, ob dieses Ziel, Rechtssicherheit zu fördern, im Anblick der aktuellen Entwicklungen, sowohl in der Praxis der nationalen Gerichte, wie auch der (beihilferechtlichen) Praxis der europäischen Gerichte und insbesondere der Europäischen Kommission (im Folgenden „Kommission“), noch hinreichend erreicht werden kann. Die Praxis der Kommission im Hinblick auf Vorbescheide oder Auskünfte in Steuersachen anderer Mitgliedstaaten gibt Anlass zu der Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen diese Kommissionspraxis auf die in Deutschland erteilten verbindlichen Auskünfte anwendbar ist.

Die derzeitige Praxis der nationalen Gerichte gibt zudem Anlass zu der These, dass die verbindliche Auskunft ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllt. Die verbindliche Auskunft ist zumindest in den hier untersuchten Fällen kein hinreichendes Instrument zur Erlangung von Rechtssicherheit.

Eingedenk der Praxis der Kommission im Hinblick auf Steuervorbescheide anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Beihilferechts und dessen Reichweite die Gefahr, den Zweck der verbindlichen Auskunft zu unterminieren.


1 F.Kirchhof, in: FS Spindler, 463, 463.

2 F.Kirchhof, in: FS Spindler, 463, 463.

3 Zu diesen siehe die Pressemitteilungen der Europäischen Kommission v. 21.10.2015: „Kommission stellt Unvereinbarkeit der selektiven Vorteile für Fiat in Luxemburg und für Starbucks in den Niederlanden mit dem EU-Beihilferecht fest“; v. 30.8.2016: „Irland gewährt Apple unzulässige Steuervergünstigungen von bis zu 13 Mrd. EUR“; v. 19.9.2016: „Kommission leitet eingehende Untersuchung zu steuerlichen Behandlung von GDF Suez in Luxemburg ein“; v. 4.10.2017: „Kommission stellt fest, dass Luxemburg Amazon unzulässige Steuervergünstigungen von rund 250 Mio. EUR gewährt hat“; sowie die Beschlüsse der Kommission: Beschluss der Kommission v. 21.10.2015 – C(2015) 7143, ABl. 2017 L83/38 – Starbucks; Beschluss der Kommission v. 21.10.2015 – C(2015) 7152, ABl. 2016 L 351/1; Beschluss der Kommission v. 11.1.2016 – C(2015) 9837, ABl. 2016 L 260/61 – Belgien.

4 Rösel, FR 2017, 186, 186.

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Erster Teil: Grundlagen und Zweck

A. Aktuelle Rechtslage

Um die Probleme der verbindlichen Auskunft analysieren zu können, ist zunächst der Regelungsinhalt darzustellen. Sowohl die Frage nach der Rechtsnatur als auch der geschichtliche Hintergrund sind wesentlich, um den Zweck der verbindlichen Auskunft herauszuarbeiten. Es wird sich zeigen, dass der Zweck der verbindlichen Auskunft darin liegt, Rechtssicherheit zu gewähren. Dies ergibt sich unter anderem aus den Beweggründen zur Entwicklung der verbindlichen Auskunft durch die Rechtsprechung. Des Weiteren zeigt der Gesetzgeber insbesondere bei der Frage nach der Rechtfertigung der Gebühren für die Auskunft, dass er diesen Zweck voraussetzt. Wird daher angenommen, der Zweck der verbindlichen Auskunft liegt vor allem darin, dem Steuerbürger Rechtssicherheit zu gewähren, stellt sich die Anschlussfrage, ob dies im Hinblick auf die aktuelle Praxis der nationalen Gerichte und der europarechtlichen Entwicklungen noch erreicht werden kann.

I. Überblick über die Regelungen

Bis 2006 konnten die Finanzämter außerhalb der §§ 204 ff. AO und § 42e EStG verbindliche Auskünfte erteilen, wenn daran hinsichtlich der erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse bestand.5 Mit dem Föderalismusreform-Begleitgesetz6 wurde die Befugnis der Finanzbehörden, Auskünfte mit Bindungswirkung zu erteilen, in § 89 Abs. 2 AO gesetzlich geregelt.7 Durch das JStG 20078 wurden in den Absätzen 3 bis 5 Regelungen zur Gebührenpflicht eingefügt und durch das StVereinfG vom 1. November 20119 nochmals angepasst sowie die Absätze 6 und 7 eingefügt. Im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 201310 wurde mit Abs. 2 Satz 5 AO das Bundesfinanzministerium ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates in einer Rechtsverordnung nähere ←15 | 16→Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen.

Die letzte Änderung erfolgte 2016 mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens11. Durch das Gesetz wurde eine Bearbeitungsfrist von sechs Monaten eingeführt. Ferner wurde geregelt, dass in Fällen, in denen mehrere Antragsteller Anträge zum selben Sachverhalt stellen, nur eine einmalige Gebühr erhoben werden darf.

Die Regelungen zur verbindlichen Auskunft finden sich mithin in den §§ 89 Abs. 2 bis 7 AO. In diesen Vorschriften sind jedoch keine Angaben zu Inhalt, Form und Antragsvoraussetzungen der verbindlichen Auskunft enthalten12, sodass die Regelungen der AO durch die Steuerauskunftsverordnung (StAuskV)13 ergänzt werden. Diese beruht auf der Ermächtigungsgrundlage in § 89 Abs. 2 Satz 5 AO, welche das Bundesministerium für Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung zur Regelung von Form, Inhalt, Antragsvoraussetzung und Reichweite der Bindungswirkung zu erlassen.

Ferner hat das Bundesministerium für Finanzen verwaltungsintern im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) weitere Bestimmungen und Erläuterungen zu § 89 AO verfasst (AEAO zu § 89).

II. Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft

Gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 AO können Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.

1. Antrag

Voraussetzung für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist zunächst die formgerechte Antragstellung gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 AO.

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a. Antragsteller

Antragsteller ist nach AEAO zu § 89 Nr. 3.2.1 derjenige, in dessen Namen der Antrag gestellt wird. Der Antragsteller ist gleichzeitig auch der Gebührenschuldner der Gebühr nach § 89 Abs. 3 bis 5 AO. Einen Antrag kann in der Regel nur der stellen, dessen künftige Besteuerung Inhalt des Antrags ist. Daher sind Antragsteller und Steuerpflichtiger grundsätzlich identisch, müssen es aber nicht sein.14 Dritte haben in der Regel aber kein eigenes berechtigtes Interesse im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO an der Auskunftserteilung.15

Bezieht sich die verbindliche Auskunft auf einen bestimmten Personenkreis, wie z.B. bei Personengesellschaften, können die Beteiligten nur gemeinsam eine verbindliche Auskunft beantragen, § 1 Abs. 2 S. 1 StAuskV. Davon betroffen sind insbesondere Fälle des § 179 Abs. 2 Satz 2 AO.16 Die Beteiligten sollen gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 StAuskV einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen. Sinn dieser Regelung ist es, widersprüchliche Angaben und Anträge zu vermeiden.17

In Ausnahmefällen ist es möglich, dass der Antragsteller und der Steuerpflichtige nicht identisch sind. Wird der dem Antrag zugrundeliegende Sachverhalt durch eine Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse verwirklicht, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht existiert18, kann der Antrag auch durch einen Dritten gestellt werden. Dieser muss wiederum ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung darlegen, § 1 Abs. 3 S. 1 StAuskV. In solchen Fällen liegt bei zu gründenden Gesellschaften nach Auffassung der Finanzverwaltung ein berechtigtes Interesse vor, wenn der Antragsteller zu mindestens fünfzig Prozent an der späteren Gesellschaft beteiligt sein wird.19

Ist die Beteiligung jedoch für die steuerliche Beurteilung ohne Bedeutung, entfaltet die Auskunft auch Bindungswirkung, wenn die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse bei der Verwirklichung des Sachverhalts andere sind.20

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b. Form

Der Antrag kann gem. § 1 Abs. 1 S. 1 StAuskV schriftlich oder elektronisch gestellt werden. Liegt ein Formmangel vor, hat das Finanzamt den Steuerpflichtigen auf diesen hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.21

Umstritten ist, ob bei einem elektronischen Antrag eine qualifizierte Signatur erforderlich ist. Söhn verneint dies mit der Begründung, dass für einen schriftlichen Antrag auch keine handschriftliche Unterschrift vorgeschrieben ist.22 Seer hingegen ist der Auffassung, dass die Gebührenpflicht des Antrags eine qualifizierte Signatur nach § 87a Abs. 3 AO erforderlich macht.23

Ein mündlicher oder fernmündlicher Antrag ist jedoch nicht ausreichend. Werden telefonische oder sonstige mündliche Anfragen beantwortet, sind diese nicht gebührenpflichtig, entfalten im Gegenzug aber auch keine Bindungswirkung.24

Details

Seiten
168
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631804278
ISBN (ePUB)
9783631804285
ISBN (MOBI)
9783631804292
ISBN (Paperback)
9783631794807
DOI
10.3726/b16232
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
Tax Rulings Vorbescheide Advance Pricing Agreements Beihilferecht BEPS
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 168 S.

Biographische Angaben

Henrik Schneider (Autor:in)

Henrik Schneider studierte nach einer Ausbildung zum Steuerfachangestellten an der Universität Mannheim Rechtswissenschaften. Die Promotion erfolgte daraufhin an der Universität Regensburg.

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