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Die gesonderte und einheitliche Feststellung

Thesen zu einer subjektivitäts-, zweck- und interessengerechten Ausgestaltung des Verfahrens bei Einkünften Mehrerer (insbesondere bei Mitunternehmerschaften)

von Enrico Stenzel (Autor:in)
©2020 Dissertation 382 Seiten

Zusammenfassung

Neben der Befassung mit Grundsatzfragen des gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahrens ist es ein erstes Hauptanliegen dieser Publikation, die zunächst begründete materiell-rechtliche Subjektivität von Mitunternehmerschaften in das Verfahrensrecht zu implementieren. Es wird dargestellt, dass diesen bereits de lege lata eine eigenständige prozedurale Stellung eingeräumt werden kann und es vorzugswürdig erscheint, sie als Verfahrensbeteiligte zu integrieren. Der zweite Schwerpunkt dieser Arbeit widmet sich vorwiegend dem Umfang des Feststellungsverfahrens. Dessen fortwährender Ausweitung, insbesondere hinsichtlich der Sonderbetriebssphären, wird ein Alternativmodell entgegengestellt, welches das Verfahren zweck- und interessengerecht wieder seiner eigentlichen Intention zuführen soll.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Grundlagen
  • I. Historischer Überblick zu Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht
  • 1. Das Preußische Einkommensteuergesetz von 1891
  • 2. Die Einkommensteuergesetze 1920 und 1925
  • 3. Herleitung der Bilanzbündeltheorie durch den RFH
  • 4. Rezeption durch den BFH
  • 5. Die Begründung der Einheitstheorie
  • 6. Status quo – Einheitstheorie als Zwei-Stufen-Modell
  • II. Normhistorie der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • III. Funktionsweise der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • 1. Auslagerung von Besteuerungsgrundlagen
  • 2. Bindungswirkung
  • a) Anpassungspflicht
  • b) Reichweite der Bindungswirkung
  • IV. Sinn und Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • 1. Materiell-rechtlicher Zweck
  • 2. Verfahrensökonomischer Zweck
  • a) Allgemeine Anerkennung
  • b) Sachnähe und Sachkunde
  • (1) Als eigenständige Zwecksetzung
  • (2) Als der Verfahrensökonomie dienendes Auslegungsargument
  • 3. Zwischenfazit
  • C. Das Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • I. Materielle Steuerrechtssubjektivität als verfahrensmitbestimmende Maxime
  • 1. Begründung der materiellen Steuerrechtsfähigkeit
  • a) Begründung und fehlende Stetigkeit der BFH-Rechtsprechung
  • (1) Die Rechtsprechung des Großen Senates
  • (2) Die aktuellere Senatsrechtsprechung
  • b) Die steuerliche Rechtsfähigkeit in der Literatur
  • c) Steuerliche Rechtsfähigkeit auch ohne Steuerschuldnerschaft
  • d) Einkommensteuerliche Rechtsfähigkeit aufgrund Verwirklichung des Einkünftetatbestandes durch die Unternehmung
  • (1) Zivilrechtliche Anknüpfung
  • (2) Ertragsteuerliche Interpretation
  • (a) Im Rahmen der Gewinneinkünfte
  • (b) Übertragbarkeit auf Überschusseinkünfte
  • (c) Notwendige Zurechnung der Gesellschaftseinkünfte
  • (d) Zivilrechtlich nicht rechtsfähige Gebilde
  • e) Zwischenergebnis
  • 2. Berücksichtigung materieller Subjektivität im Verfahrensrecht
  • a) Gegenwärtig: Negation der Unternehmung
  • b) Fehlende rechtstatsächliche Notwendigkeit
  • c) Begründung prozeduraler Beachtlichkeit
  • (1) Konsequente Umsetzung
  • (2) Selbständigkeit des Feststellungsverfahrens
  • (a) Isolierte Betrachtung des Feststellungsverfahrens
  • (b) Betroffenheit im Feststellungsverfahren
  • 3. Potentielle Realisierbarkeit
  • a) Beteiligungsfähigkeit
  • b) Norminterpretation als Umsetzungsmöglichkeit
  • II. Verfahrensfragen der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • 1. Erklärungspflicht und Erklärungspflichtige
  • a) Ausgangslage
  • b) Erklärungspflicht der Unternehmung
  • (1) Vereinbarkeit mit § 181 Abs. 2 AO
  • (2) Geschäftsführer i.S.v. § 34 AO
  • (3) Erklärung des Geschäftsführers für die Unternehmung
  • (4) Ergebnis
  • c) Umfang der Erklärungspflichten
  • (1) Problematik unbegrenzter Erklärungspflichten
  • (2) Lösungsansätze
  • (a) Herleitung von gegenseitigen Rechten und Pflichten
  • (b) Fehlerfreie Ermessensausübung
  • (c) Einschränkung des Umfangs der Erklärungspflichten
  • (3) Ergebnis
  • d) Gesamtkonzeption
  • 2. Örtliche Zuständigkeit
  • a) § 18 AO
  • b) Rechtsfolgen bei Zuständigkeitsfehlern
  • 3. Adressat und Adressierung
  • a) Die Unternehmung als Inhaltsadressat
  • (1) Bisherige Ansätze zur Vereinbarkeit mit § 179 Abs. 2 AO
  • (a) Teleologische Extension
  • (b) Zurechnung der Einkünfteerzielung
  • (c) Differenzierung: Beteiligte und mehrere Personen
  • (2) Eigener Ansatz
  • (a) Unanwendbarkeit von § 179 Abs. 2 S. 1 AO
  • (b) § 179 Abs. 2 S. 2 AO als zurechnungssubjektbezogene Inhalts- und Umfangskonkretisierung
  • (c) Adressierung aufgrund materieller Betroffenheit
  • (3) Zusammenfassung
  • b) Adressierung und Adressierungsmängel
  • (1) Bestimmtheit der Adressierung
  • (2) Rechtsfolgen unzutreffender Inhaltsadressierung
  • (a) Nichtnennung mindestens eines Beteiligten
  • (b) Unbestimmtheit mindestens eines Beteiligten
  • (i) Grundsatz der Gesamtnichtigkeit
  • (ii) Teilnichtigkeit bei Rechtsnachfolge
  • (c) Zusammenfassung
  • 4. Negative Feststellungsbescheide
  • a) Umfassende Negativbescheide
  • b) Positiv-negative Feststellungsbescheide
  • c) Keine separaten Negativbescheide
  • d) Unternehmung als Inhaltsadressat negativer Feststellungsbescheide
  • 5. Bekanntgabe des Feststellungsbescheides
  • a) Bekanntgabe an die Beteiligten
  • (1) Einzelbekanntgabe
  • (2) § 183 AO als Bekanntgabeerleichterung
  • (a) Sachliche Voraussetzungen und Reichweite
  • (b) Bestimmung des Empfangsbevollmächtigten
  • (i) Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten
  • α Obliegenheitsbegrenzung
  • β Mehrere Empfangsbevollmächtigte
  • χ Bestellung durch alle Beteiligten
  • (ii) Empfangsbevollmächtigter kraft Fiktion
  • (iii) Empfangsbevollmächtigung kraft behördlicher Bestimmung
  • (c) Hinweis auf Wirkung der Empfangsbevollmächtigung
  • (d) Ausschluss der Bekanntgabeerleichterung
  • (i) Ausschlusstatbestände
  • (ii) Rechtsfolgen
  • b) Bekanntgabe an die Unternehmung
  • 6. Rechtsbehelfsverfahren
  • a) Allgemeine Grundlagen
  • b) Rechtsbehelfsbefugnis
  • (1) Normhistorie und Zweck
  • (2) Persönliche Rechtsbehelfsbefugnis und Rechtsbehelfsführer
  • (a) Geschäftsführer (Unternehmung) und Rechtsbehelfsbevollmächtigter
  • (i) Der zur Vertretung berufene Geschäftsführer (Unternehmung)
  • α Verfahrensstandschaften der tradierten Auffassungen
  • β Unternehmung als Rechtsbehelfsführer auch in eigener Sache
  • (ii) Der gemeinsame Rechtsbehelfsbevollmächtigte
  • α Rechtsbehelfsbevollmächtigung für alle Beteiligten
  • β Rechtsbehelfsbefugnis bei vertrauensausräumenden Umständen
  • (b) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO
  • (i) Anerkannter Anwendungsbereich
  • (ii) Verfahrensstandschaft für die Unternehmung
  • (c) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO, § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO
  • (d) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO
  • (e) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 5 AO, § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO
  • (3) Umfang der jeweiligen Rechtsbehelfsbefugnis
  • (a) Geschäftsführer (Unternehmung) und Rechtsbehelfsbevollmächtigter
  • (i) Tradierte Auffassung: umfassende Rechtsbehelfsbefugnis
  • (ii) Eigene Ansicht: beschränkte Rechtsbehelfsbefugnis
  • (b) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 2 AO und § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO
  • (i) Tradierte Auffassung: eigene Beschwer
  • (ii) Eigene Ansicht: auch Beschwer der Unternehmung
  • (c) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO und § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO
  • (d) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO und § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO
  • (e) Beteiligte, § 352 Abs. 1 Nr. 5 AO und § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO
  • (4) Gesamtkonzeption
  • D. Gegenstand und Anwendungsbereich, Einkünfteermittlung und Umfang
  • I. Originärer Gegenstand: Steuerrelevante Einkünfte
  • II. Anwendungsbereich
  • 1. Beteiligung Mehrerer
  • a) Gesellschaft oder Gemeinschaft
  • b) Mitunternehmerschaft
  • c) Beteiligungsidentische Unternehmungen
  • (1) Schwesterpersonengesellschaften
  • (2) Personenidentische vermögensverwaltende Personenmehrheiten
  • 2. Die Zurechnung der Einkünfte
  • a) Steuerliche Zurechnung
  • b) Unmittelbarkeit der Zurechnung
  • (1) Doppelstöckige Gesellschaften
  • (2) Objektgesellschaften
  • 3. Einbeziehung der Kommanditgesellschaft auf Aktien
  • a) Ausgangslage und Streitstand
  • b) Begründung der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • (1) Keine Einbeziehung der Kommanditaktionäre
  • (2) Subjektivitätsbezogene Überlegungen zur Frage der Feststellungsbeteiligten
  • (a) Komplementäre der KGaA
  • (b) Die KGaA
  • (3) Zweckorientierte Überlegungen
  • (4) Ergebnis
  • 4. Feststellung für Vorauszahlungszwecke, § 37 Abs. 3 S. 3 EStG
  • III. Einkünfteermittlung
  • 1. Verschiedene Einkunftsarten auf Ebene der Gesellschaft/Gemeinschaft
  • 2. Mehrere Objekte innerhalb einer Einkunftsart auf Ebene der Gesellschaft/Gemeinschaft
  • 3. Zebra-Gesellschaften
  • a) Umqualifizierung der Einkünfte auf Ebene der Beteiligten
  • b) Kritische Würdigung
  • (1) Einheitlichkeit der Steuerfestsetzungen
  • (a) Abweichende Umqualifizierungsentscheidungen
  • (b) Notwendige Einheitlichkeit nach materiellem Recht
  • (c) Einheitlichkeit hinsichtlich der Höhe der Einkünfte
  • (2) Verfahrensökonomie
  • (3) Faktische Einschränkung des Rechtsschutzes
  • (4) Steuererklärungspflichten des Beteiligten
  • c) Alternativen
  • (1) Ping-Pong-Lösung
  • (2) Verbindliche Feststellung im Feststellungsbescheid
  • d) Resümee
  • 4. Keine unterschiedlichen Ermittlungsmethoden innerhalb einer Einkunftsart
  • IV. Keine Einbeziehung der Sonderbetriebssphären in das einheitliche Feststellungsverfahren
  • 1. Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben als Gegenstand des einheitlichen Feststellungsverfahrens oder des Festsetzungsverfahrens
  • a) Historische Einordnung
  • b) Begründung der Einbeziehung
  • c) Kritische Würdigung der Einbeziehungsgründe
  • (1) Bilanzbündeltheorie
  • (2) Fehlende Prüfungsmöglichkeit des Festsetzungsfinanzamtes
  • (3) Gewerbesteuerliche Implikation
  • (4) Grundsatz: Fehlende ertragsteuerliche Notwendigkeit der Gesamteinkünfteermittlung
  • (a) § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG
  • (b) Einkünfteermittlungsmethodik
  • (c) Teilweise Notwendigkeit der Gesamteinkünfteermittlung bei Gewinneinkünften
  • (i) Zinsschranke, § 4h EStG
  • (ii) Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen, § 7g EStG
  • (d) Zwischenergebnis
  • (5) Sinn und Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung
  • (a) Einheitlichkeit der Feststellungen
  • (b) Verfahrensökonomie im engeren Sinne
  • (c) Verfahrensökonomie im weiteren Sinne
  • (i) Sachnähe und Sachkunde
  • (ii) Allgemein verfahrensökonomische Erwägungen
  • (6) Materiell-rechtlich erforderliche Einheitlichkeit
  • d) Geheimhaltungsinteressen der Verfahrensbeteiligten
  • (1) Konkretisierung des Geheimhaltungsinteresses
  • (2) Kein konkludentes Einverständnis oder allgemeine Risikorealisierung
  • (3) (Verfassungs-)Rechtliche Untermauerung des Geheimhaltungsinteresses
  • (4) Vereinzelte Beachtung von Geheimhaltungsinteressen
  • e) Zusammenfassende Bestandsaufnahme
  • f) Unzureichende Lösungsansätze
  • 2. Alternativmodell: Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben als Gegenstand eines gesonderten Feststellungsverfahrens
  • a) Konkretisierende Problemverortung
  • b) Lösungsansatz
  • (1) Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben als „andere Besteuerungsgrundlagen“
  • (2) § 179 AO als differenzierender und dirigierender Maßstab
  • (a) Die Grundaussage des § 179 Abs. 1 AO i. V. m. § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO
  • (b) § 179 Abs. 2 S. 2 AO als konkretisierende Einheitlichkeitsvorgabe
  • (i) Fehlende gesetzliche Bestimmung
  • (ii) Differenzierung nach der Betroffenheit Mehrerer
  • (c) Notwendigkeit getrennter Bescheide
  • (3) Umsetzung materieller Einheitlichkeit
  • (4) Fälle materiell-rechtlich notwendiger Gesamteinkünfteermittlung und Berücksichtigung anderer Sonderbetriebssphären
  • (a) Zinsschranke
  • (b) Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen nach § 7g EStG
  • (c) Normative Begründung
  • (5) Änderung der Feststellungsbescheide
  • (a) Gegenseitige Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden
  • (b) Erlass eines (insoweit) einheitlichen Feststellungsbescheides
  • (6) Flankierung der Geheimhaltungsinteressen
  • (a) Erklärungspflicht für den Sonderbetriebsbereich
  • (b) Buchführungspflicht für den Sonderbetriebsbereich
  • (c) Einsichts- und Informationsrechte
  • c) Integration des Alternativmodells in den Verfahrensgang
  • (1) Erklärungspflicht und örtliche Zuständigkeit
  • (2) Adressierung und Bekanntgabe
  • (3) Rechtsbehelfsverfahren
  • d) Vereinbarkeit mit Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens
  • e) Exkurs: Sachgerechte Lösung für mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaften
  • 3. Zusammenfassung
  • E. Resümee und Thesen
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

A. Einleitung

1 Sind an Einkünften, welche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer Personengesellschaft oder Gemeinschaft erzielt werden, mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen, so sind die Einkünfte gesondert, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO, und einheitlich, § 179 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 AO, festzustellen. Festzustellen sind ebenfalls mit diesen Einkünften im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich hierbei um eine aus juristischer Sicht reizvolle verfahrensrechtliche Materie. Die Gründe sind vielschichtig. So kommt man bereits, wenn man sich auf zivilrechtlicher Ebene mit Personengesellschaften befasst, unweigerlich an den ein gewisses Grundverständnis akzentuierenden Schlagworten „Einheit der Gesellschaft“ und „Vielheit der Gesellschafter“ nicht vorbei. Ähnlich ringt man seit vielen Jahren um die zutreffende materiell-rechtliche Vorstellung zu Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht. Auch wenn sich hier mit der Abkehr von der Bilanzbündeltheorie eine universelle Basis erkennen lässt, kann man aus heutiger Sicht bedauernswerter Weise nicht mehr als ein weitgehend gesichertes Zwischenergebnis abbilden. Unbeschadet des materiellen steuerlichen Verständnisses von Personengesellschaften und auch von Gemeinschaften unterliegen diese nach der ausdrücklichen gesetzlichen Konzeption aber nicht selbst der Ertragsbesteuerung. Steuerschuldner sind die Gesellschafter und Gemeinschafter. An diese Ausgangslage hat das Steuerverfahrensrecht anzuknüpfen. Es bedient sich hierbei indessen nicht des hergebrachten Instrumentariums, sondern stellt mit der gesonderten Feststellung gerade einen besonderen Verfahrensgang bereit.

2 Naturgemäß sind mit einer abweichenden prozeduralen Umsetzung Besonderheiten und über das allgemeine Steuerverfahren hinausgehende Fragestellungen verknüpft. Auch wenn sich die vorliegende Arbeit nicht dem Ziel verpflichten kann, sämtliche Eigenheiten und Konstellationen einer umfassenden Würdigung zu unterziehen, scheint die Betrachtung wesentlicher Aspekte, beispielsweise der Ausgestaltung des Verfahrensgangs an sich, des Anwendungsbereiches sowie der Fragen zur Einkünfteermittlung, lohnend. Teilweise sollten in diesen Bereichen vorherrschende und tradierte Auffassungen überdacht werden. Über derartige Überlegungen sowie über die grundlegende Darstellung des Verfahrens hinausgehend widmet sich diese Untersuchung vornehmlich zweier Grundsatzfragen.

3 Es soll dargelegt werden, dass sich Personengesellschaften, gegebenenfalls auch Gemeinschaften, als Verfahrensbeteiligte in das Verfahrensrechtsverhältnis integrieren lassen und zu integrieren sind. Hierzu ist zunächst erforderlich, sich der Reichweite und Grundlagen ihrer materiellen Ertragsteuersubjektivität zu vergewissern. Es wird zu zeigen sein, dass nach zutreffender Ansicht und abgesehen von der letztendlichen Steuerschuldnerschaft eine umfassende materielle ←21 | 22→Verselbständigung dieser Unternehmungen1 anzunehmen ist. Entgegen dieser materiellen Subjektivierung verweigert die derzeitige verfahrensrechtliche Ausgestaltung nach nahezu einhelliger Ansicht aber deren Umsetzung in das Verfahrensrecht.2 Stellt sich das Schrifttum zum materiell-rechtlichen Verständnis von Personengesellschaften im Steuerrecht als nahezu unüberschaubar,3 wenn auch ←22 | 23→ergänzungswürdig, dar, sind kaum Ansätze ersichtlich, welche sich eingehender mit einer verfahrensrechtlichen Harmonisierung befassen.4 In diesem Zusammenhang sollen Argumentationsstrukturen und Interpretationsspielräume aufgezeigt werden, die eine Einbindung der Personenmehrheit erlauben und nahelegen. Bequemliche Forderungen nach einer Verfahrensausgestaltung de lege ferenda sollen durch eine konsequent auf den Gesetzestext ausgerichteten Betrachtung vermieden werden.

4 Zudem ist hinsichtlich des Umfangs des einheitlichen Feststellungsverfahrens seit seiner Schaffung und normativen Ergänzung eine fortschreitende Ausweitung nicht zu verkennen. In diesem Kontext ist die weit vorherrschende und praxisbestimmende Einbeziehung der Sonderbetriebssphären der Beteiligten in die einheitliche Feststellung eingehend und kritisch zu hinterfragen. Hierdurch werden sämtlichen Beteiligten sämtliche Geschäftsvorfälle aller Sonderbetriebssphären bekannt. Lösungsansätze, welche insbesondere den Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten gerecht werden könnten, sind, soweit überhaupt vorhanden,5 nicht praktikabel oder vermögen nicht sämtliche Konstellationen rechtlich zutreffend aufzulösen. Dieser Problematik wird ein Alternativmodell entgegengestellt, welches sich aus den gesetzlichen Vorgaben entwickeln lässt.

5 Zum Zweck der entzerrenden Darstellung werden zunächst jedoch die Grundlagen der gesonderten und einheitlichen Feststellung nachgezeichnet. Hierbei sollen anhand eines historischen Abrisses der überwiegend anerkannte Status quo der materiellen Besteuerungssystematik sowie dessen verfahrensrechtliche Einkleidung reflektiert werden. Ausgehend von dieser Sachstandsumschreibung erweist es sich für die späteren Betrachtungen als gewinnbringend, wenn man sich neben der Funktionsweise den Sinn und Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung vergegenwärtigt, da diesem für die Interpretation und Normanwendung in nahezu allen Einzelfragen eine gewichtige Rolle beizumessen ist. Die nach den materiellen Subjektivitätsüberlegungen darzustellenden Verfahrensfragen binden zunächst auch lediglich diese Thematik ein, sind somit zur Wahrung erleichterter Erfassbarkeit nicht an einem zur tradierten Auffassung abweichenden Umfang der einheitlichen Feststellung orientiert. Entsprechende Ausführungen erfolgen gesondert.

←23 | 24→←24 | 25→

1 Unternehmung“ wird im Folgenden unabhängig von der Einkunftsart, somit auch unabhängig vom Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, als Oberbegriff für Personen[handels]gesellschaften und Gemeinschaften verwendet. Zu etwaigen Einschränkungen der Begrifflichkeit hinsichtlich der Umsetzung der materiellen Verselbständigung zivilrechtlich nicht rechtsfähiger Unternehmungen im Steuerverfahren aufgrund möglicherweise fehlender prozeduraler Beteiligungsfähigkeit siehe noch Rdnr. 114 ff., insb. Rdnr. 118. Gesellschafter und Gemeinschafter werden als „Beteiligte“ bezeichnet.

2 Siehe exemplarisch zur fehlenden Erklärungspflicht der Unternehmung: BFH, Urteil vom 23.08.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, S. 194 (195); BFH, Urteil vom 21.05.1987 – IV R 134/83, BStBl. II 1987, S. 764 (765); Brandis in Tipke/Kruse, AO FGO, § 181 AO Rn. 13; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO FGO, § 181 AO Rn. 49; Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO FGO, § 181 AO Rn. 8; Kunz in Gosch, AO FGO, § 181 AO Rn. 13. Zur Nichtadressierung des Feststellungsbescheides an die Unternehmung: BFH, Urteil vom 02.07.2004 – II R 73/01, BFH/NV 2005, S. 214 (216); BFH, Urteil vom 31.08.1999 – VIII R 21/98, BFH/NV 2000, S. 554 (555); BFH, Urteil vom 07.04.1987 – VIII R 259/84, BStBl. II 1987, S. 766 (767); FG Hamburg, Urteil vom 31.10.1985 – I 54/82, EFG 1986, S. 364 (364); Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO FGO, § 179 AO Rn. 150; Brandis in Tipke/Kruse, AO FGO, § 179 AO Rn. 8; Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO FGO, § 179 AO Rn. 28; Kunz in Gosch, AO FGO, § 179 AO Rn. 20. In Rechtsbehelfsverfahren soll keine Beschwer der Unternehmung geltend zu machen sein: BFH, Urteil vom 25.04.2006 – VIII R 52/04, BStBl. II 2006, S. 847 (848); BFH, Beschluss vom 24.03.2011 – IV B 115/09, BFH/NV 2011, S. 1167 (1168); BFH, Beschluss vom 19.05.2000 – VIII B 98/99, BFH/NV 2000, S. 1444 (1445); BFH, Urteil vom 27.05.2004 – IV R 48/02, BStBl. II 2004, S. 964 (966); Dißars/Dißars, BB 1996, S. 773 (774); Werth in Gosch, AO FGO, § 352 AO Rn. 7; Keß in Schwarz/Pahlke, AO FGO, § 352 AO Rn. 9; Brandis in Tipke/Kruse, AO FGO, § 48 FGO Rn. 7; Siegers in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO FGO, § 352 AO Rn. 33, 40; Meßmer, FR 1990, S. 205 (211); von Beckerath in Gosch, AO FGO, § 48 FGO Rn. 95; Stadie, Rn. 760 Fn. 2; Heißenberg, KÖSDI 1990, S. 8037 (8039); Hardtke in Kühn/von Wedelstädt, AO FGO, § 352 AO Rn. 7; Pinkernell, S. 70 f.; Haarmann in Haarmann/Schmieszek, Fach 31307 Rn. 70.

3 Zum Meinungsspektrum exemplarisch Heyll, S. 291 ff.; Schön, StuW 1996, S. 275 (282); Herrmann, DStZ 1998, S. 87 (88); Ruppel, DStZ 1982, S. 465 (466 ff.); Döllerer, JbFSt 1986/1987, S. 37 (46 f.); Krüger, FR 2016, S. 1031 (1035 ff.); Raupach, StuW 1991, S. 278 (280), Hüttemann in GS Knobbe-Keuk, S. 39 (43); Hallerbach, S. 233 f.; Kuck, S. 48 Fn. 108, S. 59 ff.; Pinkernell, S. 30 ff.; Beierl, S. 74, 84 f.; Kurth, S. 283 f.; Bodden, S. 37 ff.; Erm, S. 56 ff.; Fischer in FS Beisse, S. 189 (191 ff., 198); Mönkemöller, S. 112; 127 ff., 194 f.; Desens/Blischke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. C 20 ff.; A. Schmidt, S. 44 f.; Gschwendtner in FS Klein, S. 751 (770 ff., 779); Gschwendtner, DStZ 1998, S. 335 (338); Engel, Vermögensverwaltende Personengesellschaft und ertragsteuerliche Selbständigkeit, S. 33 ff.

4 Einen ganzheitlicheren Ansatz im Rahmen eines einheitlichen Steuerrechtsverhältnisses vertritt Stehr, S. 50 ff. Zur Adressierung und Rechtsbehelfsbefugnis siehe auch von Groll in Gräber, FGO7, § 48 Rn. 12, § 57 Rn. 26.

5 Für eine Erfassung der Sonderbetriebssphären im Festsetzungsverfahren Reuter, S. 124, Keuk, StuW 1974, S. 1 (42); Keuk, DB 1971, S. 2326 (2328 f.); Knobbe-Keuk, S. 519; eine differenzierende Betrachtung findet sich bei Brandis in Tipke/Kruse, AO FGO, § 180 AO Rn. 63; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO FGO, § 180 AO Rn. 247; Kunz in Gosch, AO FGO, § 180 AO Rn. 49; Felix, KÖSDI 1987, S. 6991 (6993).

B. Grundlagen

6 Unternehmungen in Form von Personengesellschaften und Gemeinschaften waren und sind selbst nicht Ertragsteuerschuldner.6 Sie werden insoweit materiell steuerlich grundsätzlich als transparent betrachtet (sogenanntes „Transparenzprinzip“). Diese ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung vermögen weder herangereifte zivilrechtliche noch steuerrechtliche Sichtweisen zum Wesen der Personengesellschaften und teilweise der Gemeinschaften zu beseitigen. Aber auch ohne Steuerschuldnerschaft wird einer Unternehmung als Ebene, auf der nicht nur Beteiligteninteressen zusammenfinden, sondern auch ertragsteuerrelevante Sachverhalte verwirklicht werden, nach heutigem Verständnis eine Bedeutung beigemessen. Das konkrete Ausmaß dieser Relevanz erscheint jedoch beklagenswerter Weise noch nicht abschließend geklärt (hierzu noch gesondert Rdnr. 62 ff.). Gleichwohl lässt sich, anknüpfend an die historische Entwicklung, zunächst ein weitgehend anerkanntes Grundverständnis aufzeigen.

7 Unbeschadet der materiell-rechtlichen Verortung einer Unternehmung kommt dem Steuerverfahrensrecht die Aufgabe zu, den Weg hin zu einer zutreffenden Besteuerung der an der Unternehmung Beteiligten zu ebnen. Es hat hierbei die Eigentümlichkeit zu meistern, dass sich ein Steuerpflichtiger gerade mit anderen Steuerpflichtigen zusammengeschlossen hat. Auch dem Gesetzgeber wurde beizeiten bewusst, dass eine jeweils isolierte Betrachtung der Beteiligten wenig zielführend sein muss. Fortan bediente er sich mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften, die mehreren Personen zuzurechnen sind, einer speziellen verfahrensrechtlichen Konstruktion; eines „verfahrensrechtlichen Tricks“. Dessen Funktionsweise ist, betrachtet man den grundsätzlichen Ansatz, kunstlos wie überzeugend. Die mit ihm zutreffender Weise verbundene Zwecksetzung, als gewichtiges Element der Interpretation, liegt auf der Hand. Nicht aber alles, was der Interpretation dient, wird gleichsam zum Zweck.

I. Historischer Überblick zu Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht

8 Das privatrechtliche Verständnis der verbandsmäßigen Verfasstheit von Personengesellschaften7 war seit jeher einer teilweisen, vermeintlich schleichenden, so doch in mancher Hinsicht auch einschneidenden Rechtsentwicklung unterworfen. Auch das materielle Steuerrecht hat sich einem gewissen Fortschritt nicht vollkommen ←25 | 26→verschlossen. Auch wenn die Reichweite dieser Entwicklung nach neueren Rechtsprechungstendenzen (unzutreffender Weise) wieder infrage zu stehen scheint (hierzu gesondert unter Rdnr. 64 ff.), lässt sie sich bis hin zum heute weitgehend gesicherten Verständnis wie folgt nachzeichnen.

1. Das Preußische Einkommensteuergesetz von 1891

9 Das Preußische Einkommensteuergesetz von 18918 (PrEStG) belegte lediglich natürliche Personen, insbesondere die „Preußischen Staatsangehörigen“, § 1 Nr. 1 PrEStG, sowie ausgewählte juristische Personen, § 1 Nr. 4, 5 PrEStG, mit einer Steuerpflicht. Das Einkommen der steuerpflichtigen natürlichen Personen umfasste unter anderem die Einkünfte „aus Handel und Gewerbe einschließlich des Bergbaus“, § 7 Nr. 3 PrEStG. „Der von einer nicht … steuerpflichtigen Erwerbsgesellschaft erzielte Geschäftsgewinn“ war „den einzelnen Theilhabern nach Maßgabe ihres Anteils anzurechnen“, § 14 Abs. 2 Nr. 2 PrEStG. Wörtlich ging das Preußische Einkommensteuergesetz 1891 somit von einem zweistufigen Besteuerungskonzept aus: auf der ersten Stufe erzielt die Personengesellschaft einen Gewinn, der den Gesellschaftern auf einer zweiten Stufe zugerechnet wurde.9 Teilweise wird aus dieser Normierung der Schluss gezogen, dass das Gesetz der zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen zivilrechtlichen Lehre von Otto von Gierke folgte,10 der in seinen späteren Werken auch von der Rechtssubjektivität der Personengesellschaft ausgegangen ist,11 oder dass diese Lehre in der damaligen Rechtsansicht zumindest vorherrschend war.12 Indessen war weder die Lehre von Gierkes vorherrschend, noch entsprach es dem allgemeinen Verständnis, einer Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft allgemein Rechtssubjektivität zuzuerkennen.13 Nachweisen lässt sich in diesem Zusammenhang lediglich, dass einerseits die Betrachtung des Gesellschaftsvermögens als einheitliches Rechtsobjekt bei Gesamthandsgemeinschaften in Diskussion stand14 und andererseits die Rechtsprechung ←26 | 27→vereinzelt die Gesellschaft als Vermögensträger ansah.15 Dass aber der Gesetzgeber mit dem Preußischen Einkommensteuergesetz eine (wie auch immer verstandene) zivilrechtliche Verselbständigung der Personengesellschaft16 nachzeichnen wollte, kann weder angenommen noch belegt werden. Vielmehr ist der Grund der damaligen Ausgestaltung in der zu jener Zeit vorherrschenden Quellentheorie zu erblicken.17 Die selbst nicht der Besteuerung unterliegende Gesellschaft wurde als gewerbliche Unternehmung beziehungsweise gemeinsam betriebener Gewerbebetrieb als eben eine solche Quelle des Ertrages angesehen.18 Hiermit verbunden war sodann auch, dass die Gesellschaft als Personenzusammenschluss das Subjekt der Einkünfteerzielung bildete.19 Viel zitiert sind die damaligen Darlegungen von Fuisting hierzu: „Mag eine gewerbliche Tätigkeit von einer Person allein oder zusammen mit anderen Personen, also in irgendeiner Gesellschaftsform, ausgeübt werden, als Quelle erscheint stets die gewerbliche Unternehmung. Auch wenn mehrere Personen zusammen die Inhaber des Betriebes sind, so ist doch für jeden von ihnen der gemeinschaftliche Betrieb, nicht etwa das Anteilsrecht des einzelnen, die Quelle; denn die neuen Güter entstehen nur aus dem Betriebe der Gesamtheit während sich nach dem Anteilsrechte lediglich die Beteiligung der einzelnen Mitinhaber an dem Genusse der erzeugten Güter bestimmt.20 Diese steuerrechtliche Subjektivierung einer Gesellschaft hinsichtlich der Einkünfteerzielung (nicht nur der Ermittlung und Qualifikation) unter Zugrundelegung des bereits damals geltenden Transparenzprinzips erscheint angesichts der heutigen Ansichten hierzu (siehe noch Rdnr. 62 ff.) äußerst beachtlich.

10 Ungeachtet dessen wandte sich die nahezu einhellige Ansicht von den Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts zumindest teilweise bestehenden zivilrechtlichen Ansätzen, das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft als solcher zuzuordnen, nach Einführung des BGB und des HGB am 01.01.1900 wieder ab. Anders als zuvor auch teilweise judiziert, wurde die Gesellschaft daher nicht als kollektive Einheit verstanden, sondern die einzelnen Mitglieder als Träger aller Rechte und Pflichten aufgefasst. Somit war auch nicht die Gesellschaft ←27 | 28→Rechtsträgerin in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen, sondern die vereinigten Gesellschafter hielten das Gesellschaftsvermögen als zur gesamten Hand sämtlicher Gesellschafter stehendes Sondergut.21

2. Die Einkommensteuergesetze 1920 und 1925

11 In § 7 Nr. 3 EStG 1920,22 welcher grundsätzlich an § 14 Abs. 2 Nr. 2 des Preußischen Einkommensteuergesetzes 1891 angelehnt war, verwendete das Gesetz sodann erstmals den Begriff des Mitunternehmers.23 Es bestimmte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb „bei Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Erwerbsgesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist“ den „Anteil am Gesellschaftsgewinne zuzüglich etwaiger besonderer Vergütungen, die der Gesellschafter für Mühewaltungen im Interesse der Gesellschaft für deren Rechnung bezogen hat.“ Retrospektiv wird die Einführung der Mitunternehmerbegrifflichkeit in Übereinstimmung mit den damaligen zivilrechtlichen Vorstellungen als eine Abkehr von materiellen Subjektivierungstendenzen gewertet. Anders als noch im Preußischen Einkommensteuergesetz, welches dem Quellenprinzip folgte, sei der Gesetzgeber nicht mehr davon ausgegangen, dass der Gewinn grundsätzlich von der Gesellschaft erzielt wird und somit grundsätzlich dieser zuzuordnen ist, bevor er sodann den Teilhabern zugerechnet wird. Vielmehr sei nach dem nunmehr geltenden personenbezogenen Reinvermögenszuwachsprinzip der einzelne (Mit-)Unternehmer in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt, welcher als Mitgesellschafter Unternehmer des Betriebes sei und einen Gewinn aus eigener Tätigkeit erwirtschafte.24

12 Der § 7 Nr. 3 EStG 1920 wurde durch den Gesetzgeber mit einer redaktionellen Änderung in § 29 Nr. 3 EStG 192525 übernommen. Eine wesentliche Neuerung erfuhr jedoch die verfahrensrechtliche Ausgestaltung: Bisher wurden die Feststellung des Gesellschaftsgewinns wie auch die des Gewinnanteils jedes Gesellschafters von den jeweiligen Wohnsitzfinanzämtern der einzelnen Gesellschafter, parallel nebeneinander und unabhängig voneinander, vorgenommen. Nunmehr wurde mit § 65 Abs. 1 EStG 1925 erstmalig eine Regelung zur einheitlichen Feststellung des Gewinns beziehungsweise des Überschusses getroffen (näher hierzu Rdnr. 24 ff.).

←28 | 29→

3. Herleitung der Bilanzbündeltheorie durch den RFH

13 In einem sodann für diese gesonderte und einheitliche Feststellung richtungsweisenden Urteil entschied der RFH, dass in die einheitliche Feststellung nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1925 auch die in § 29 Nr. 3 EStG 1925 genannten besonderen Vergütungen für Mühewaltungen einzubeziehen seien.26 Die Begründung dieser Entscheidung war zudem Ausgangspunkt für die später als Basis der Besteuerung von Personengesellschaften dienenden „Bilanzbündeltheorie“. Der RFH argumentierte einerseits mit dem Sinn und Zweck der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung.27 Maßgeblich war eine etwaig drohende unterschiedliche Einkünftequalifikation, da die besonderen Vergütungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellten, nicht als besondere Vergütung zu qualifizierende Leistungsbeziehungen, mithin individualrechtlich als Leistungsaustausch gestaltete Verhältnisse, wie entsprechende Beziehungen zu fremden Dritten behandelt wurden.28 Andererseits berief sich der RFH auf seine Rechtsprechung aus dem Jahre 1926, wonach es sich bei der besonderen Vergütung „im Grunde nur um eine besondere Berechnung des Anteils am Gewinne der Gesellschaft“ handele29 und folgerte auch aus dem Wort „zuzüglich“, dass eine Einbeziehung der besonderen Vergütung veranlasst war.30

14 Zudem sah der RFH im Gesellschafter nicht einen durch seine Mitgesellschafter beschränkten Unternehmer, sondern nahm die Steuersubjektivität des Mitunternehmers zum Anlass, das Gesellschaftsverhältnis allein aus der Sicht des Mitunternehmers als Einzelperson zu beurteilen und diesen als Einzelunternehmer des Geschäftsbetriebes zu betrachten.31 Aus dieser Qualifikation des einzelnen Gesellschafters als Unternehmer des gemeinschaftlichen Betriebes folgte sodann, dass sämtliche mit der Personengesellschaft verbundenen Geschäftsvorfälle beim Gesellschafter einem einheitlichen Bereich Gesellschaft zugewiesen wurden, mithin die gewerblichen Einkünfte des Gesellschafters vollständig von seiner Eigenschaft als Mitunternehmer erfasst wurden.32 Dies führte zu der in einem ersten ←29 | 30→Schritt teilweise als „Gewinnbündelungstheorie“33 bezeichnete Sichtweise. Mit dem Mitunternehmer als Ausgangspunkt der steuerlichen Betrachtung sei als Gewinn der Gesellschaft „nichts anderes festzustellen … als die Summe der Gewinne der einzelnen Gesellschafter“.34 Der Gewinn der Gesellschaft war somit nichts anderes als die Aneinanderreihung selbständig erzielter Gewinne der Gesellschafter, deren Ermittlung insoweit vorausgehen musste.

15 Diesen zur einheitlichen Gewinnfeststellung entwickelten Gedanken übertrug der RFH sodann auf die Bilanzen und schuf damit die fortan über Jahrzehnte für die Besteuerung von Personengesellschaften maßgebliche „Bilanzbündeltheorie“.35 Nach Ansicht des RFH war „die Bilanz der Gesellschaft für die Einkommensteuer nicht als eine Bilanz, sondern als Mehrheit von Bilanzen aufzufassen“.36 Die für die Gewinnfestsetzung maßgebliche einheitliche Bilanz besteht somit, wenn auch lediglich gedanklich, aus einem „Bündel von Einzelbilanzen der Unternehmer-Gesellschafter“.37

16 Entsprechend dieser Annahme der Zuordnung der mit der Gesellschaft verbundenen Geschäftsvorfälle zu einem Bereich einer einheitlichen Mitunternehmerschaft beim Gesellschafter war es insoweit zu erwarten, zumindest jedoch nicht unwahrscheinlich, dass der RFH den Bereich der gewerblichen Einkünfte des Mitunternehmers ausdehnte. Argumentativ gestützt auf das Verständnis des Betriebsvermögens im BewG 1925 und zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen38 urteilte der RFH im Jahre 1931, dass sowohl von der Gesellschaft an den Gesellschafter gezahlte Darlehenszinsen als auch Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern gewerbliche Einkünfte des Mitunternehmers darstellen würden.39 Diese, offensichtlich dem damaligen § 29 Nr. 3 EStG 1925 („Mühewaltungen im Interesse der Gesellschaft“) nicht entsprechende, Weiterung der gewerblichen Einkünfte wurde vom Gesetzgeber in § 15 Nr. 2 EStG 193440 übernommen. Zu den ←30 | 31→gewerblichen Einkünften zählten, nunmehr auch gesetzlich normiert und insoweit deckungsgleich mit dem heutigen § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, „die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat“.

17 In der Folgezeit entfernte sich die Rechtsprechung des RFH noch weiter von dem zivilrechtlichen Gedanken der ungeteilten Mitberechtigung. Zwar wurde dieser auch zuvor schon dahingehend modifiziert, dass der Umfang des gemeinschaftlichen Betriebes aus Sicht der einzelnen Unternehmer abgegrenzt wurde. Aufgrund der Trennung von Gesellschaftsvermögen als Sondervermögen und Privatvermögen der Beteiligten sowie der Betrachtung der Gesellschaft als Handlungsgemeinschaft konnten jedoch lediglich solche Umstände als Betriebsvorfall gewertet werden, welche die Sphäre der Gemeinschaft beziehungsweise Sphären aller Gesellschafter berührten.41 Dieser Einschränkung trat der RFH mit einer rein wirtschaftlichen beziehungsweise steuerlichen Betrachtungsweise des Beteiligungsverhältnisses entgegen. Aus der Qualifikation des Gesellschafters als Unternehmer wurde geschlossen, dass dieser auch als unmittelbar Gewerbetreibender beurteilt und somit wie ein Einzelunternehmer besteuert werden müsse.42 Hierbei folgte der RFH maßgeblich der wissenschaftlichen Vorarbeit von Becker43 und Veiel44, welche für die gedankliche Auflösung des Gesellschaftsbetriebes in einzelne im Verhältnis zueinander selbständige Gesellschafterbetriebe plädierten. Überaus deutlich führte der RFH sodann aus: „Das Einkommensteuergesetz sieht die OHG nicht als selbständiges Steuersubjekt an, sondern behandelt die Teilhaberschaft daran als selbständigen Gewerbebetrieb jedes einzelnen Mitunternehmers45. Der Betrieb ←31 | 32→der Gesellschaft sei so zu beurteilen, „wie wenn der einzelne Gesellschafter den Betrieb der Gesellschaft in dem seinem Anteil entsprechenden Umfang als eigenen Betrieb führen würde“.46 Letztendlich wurde somit die Mitunternehmerschaft nicht wie eine Gesamthandsgemeinschaft sondern wie eine Bruchteilsgemeinschaft behandelt, der Mitunternehmer dem Einzelunternehmer gleichgestellt und nahezu alle Geschäftsbeziehungen,47 auch solche die nicht in § 15 Nr. 2 EStG 1934 genannt wurden, der betrieblichen Sphäre Mitunternehmerschaft zugeordnet.48 Die Summe der den Gesellschaftern zurechenbaren Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern stellte den Umfang des Gesellschaftsbetriebes dar.49 Die Gesellschaft wurde folglich in so viele steuerlich selbständige Teile zerlegt, wie Gesellschafter an ihr beteiligt waren.50

4. Rezeption durch den BFH

18 Der BFH übernahm die Bilanzbündeltheorie als Erklärungsansatz für die Besteuerung der Mitunternehmerschaft zunächst ohne Einschränkung.51 Indessen waren bereits seit den 50er Jahren kritische Stimmen52 zu vernehmen, welche insbesondere die Gesellschaft in der zivil- und handelsrechtlichen Ausgestaltung als „zwar nur relative, in der praktischen Auswirkung aber beherrschende Einheit53 anmahnten, die infolge der Bilanzbündeltheorie erforderlichen Fiktionen kritisierten54 und eine Ableitung der Bilanzbündeltheorie aus § 15 Nr. 2 EStG a.F. ablehnten55. Die zunehmende Kritik56 veranlasste den BFH sodann, seine Bruchteils- bzw. Anteilsbetrachtung zumindest zu relativieren. Nachdem der BFH zunächst darlegte, die ←32 | 33→Vorstellung jeder Gesellschafter führe selbst einen Betrieb „darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Gesellschafter „seinen“ Betrieb doch immer nur als Mitunternehmer, also in Verbindung mit den Betrieben der anderen Gesellschafter führt57, wurde die sich ändernde Sichtweise deutlicher in einem Urteil aus dem Jahre 1958. Dort hieß es, die Bilanzbündeltheorie „darf aber nicht zu einer Auflösung der Einheit der Personengesellschaft und zu einer Überbetonung der Sonderbilanzen der einzelnen Gesellschafter führen, weil das mit dem Sinn und Zweck und der gesetzlichen Gestaltung der Besteuerung von Mitunternehmern der Personengesellschaft nicht vereinbar wäre.58 Die Folgerungen, die aus der Bilanzbündeltheorie hergeleitet werden „könnten“, dürfen „im Interesse der Einheit der Personengesellschaft nicht überspannt“ werden.59 Nachfolgend sah der BFH das Vermögen einer Gesellschaft zwar als gesamthänderisch gebundenes Vermögen an;60 in derselben Entscheidung führte er indessen aus, es dürfe „die grundsätzlich richtige Rechtsfigur der Bilanzbündeltheorie nicht durch starre Anwendung und konstruktive Überspitzungen zu Ergebnissen führen, die, ohne daß steuerrechtliche Besonderheiten es gebieten, dem bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht widersprechen.61 Insoweit zeigte sich, dass der BFH zwar hinsichtlich einzelner Problemstellungen die Bilanzbündeltheorie hinterfragte, indessen (noch) nicht von dieser abrückte.62

5. Die Begründung der Einheitstheorie

19 In der Folgezeit nahm die Kritik an der Bilanzbündeltheorie weiter zu.63 Entsprechend der fortschreitenden zivilrechtlichen Anerkennung der (Teil-)←33 | 34→Rechtsfähigkeit64 der Personengesellschaft65 und gestützt auf den Beitragsgedanken66 wurde von der Gesellschaft als solcher ausgegangen, welche neben den Gesellschaftern mit verselbständigten Sondervermögen als solche existiere.67 Mit dieser Auffassung war die Ansicht des BFH, im privaten Eigentum stehendes Vermögen, welches der Gesellschaft dauerhaft dient, als Betriebsvermögen des Gesellschafters und der Gesellschaft zu qualifizieren,68 indessen nicht vereinbar. Vorerst nahm der BFH den Beitragsgedanken, nach welchem Vergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf Leistungen beruhten, welche zwar nicht gesellschaftlichen Beziehungen entsprechen, aber wirtschaftlich als Förderung des gemeinsamen Zweckes anzusehen seien und mithin steuerlich den gesellschaftsrechtlichen Beiträgen gleichzustellen seien, was indessen nicht bedeutete, dass im Ergebnis sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft gleich behandelt werden, in seine Rechtsprechung auf, ohne jedoch in Zweifelsfällen maßgeblich ←34 | 35→hierauf abzustellen.69 Indessen griff der BFH nachfolgend mit der Begrenzung der gewerblichen Einkünfte auf die im Gesetz genannten Sondervergütungen einen wesentlichen Kritikpunkt an der Bilanzbündeltheorie auf.70 Zudem übernahm er in der Folge die zivilrechtliche Unterscheidung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre, indem er Dienste für die Gesellschaft, beispielsweise die Vermietung und Verpachtung von Vermögen, nicht mehr umdeutete und in den Bereich des Gesellschaftsbetriebes verlagerte, sondern diese, der Lehre vom Sonderbetriebsvermögen folgend, als besondere gewerbliche Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft beurteilte.71 Der Gesellschaft dienendes Privatvermögen eines Gesellschafters wurde somit nicht mehr als Gesellschaftsvermögen (um-)qualifiziert, sondern als Sonderbetriebsvermögen begrifflich vom Gesamthandsvermögen getrennt. Konsequenterweise verlangte der BFH eine entsprechende, differenzierende Bilanzierung der Vermögensmassen, einerseits des Gesamthandsvermögens und andererseits der Sonderbetriebsvermögen in Sonderbilanzen der einzelnen Beteiligten.72 Da der Gesellschaftsbetrieb und die einzelnen Sonderbetriebe der Gesellschafter als Teile einer wirtschaftlichen Einheit angesehen wurden,73 waren die so erstellten einzelnen Bilanzen zu einer Gesamtbilanz zusammenzufassen.74

20 Hinsichtlich der Frage, welche Vorfälle der Sphäre des Sonderbetriebes zuzurechnen seien, bediente sich der BFH fortan des Beitragsgedankens. Rechtsverhältnisse des Gesellschafters mit der Gesellschaft wurden somit nicht mehr als Beziehung des Mitunternehmers zu seinem eigenen Betrieb angesehen, sondern als Beitrag zum Gesamtbetrieb, dessen gesamter Ertrag nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG das Ergebnis einer am einheitlichen Geschäftszweck orientierten Betätigung sei.75

←35 | 36→

21 Diese Neuorientierungen des BFH leitete die Abkehr von der Bilanzbündeltheorie hin zur Einheitstheorie ein. Mit einem Beschluss des Großen Senates aus dem Jahre 1980 verwirft der BFH die Bilanzbündeltheorie sodann endgültig: „Der Gewinn oder Verlust der Gesellschaft ist durch einen Vermögensvergleich der Gesellschaft und nicht durch Vermögensvergleiche der einzelnen Gesellschafter zu ermitteln.76 Mit Beschluss des Großen Senates aus dem Jahre 1984 erkennt der BFH Personengesellschaften im Einkommensteuerrecht, entsprechend der zivilrechtlich anerkannten Rechtsfähigkeit, teilweise Steuerrechtsfähigkeit77 zu.78 Hiernach ist zwar die Personengesellschaft nicht selbst Subjekt der Besteuerung, indessen aber die Feststellung der Einkunftsart auf Ebene der Gesellschaft vorzunehmen, denn „[e];ine Personengesellschaft ist … für die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.79Die Art der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft wird in erster Linie durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft, bestimmt.80 Diese materiell-rechtlichen Wertungen übertrug der BFH auch auf Gemeinschaften „als Steuerrechtssubjekt81 (siehe zudem noch Rdnr. 99).

6. Status quo – Einheitstheorie als Zwei-Stufen-Modell

22 Klammert man die (in der vorgenannten Rechtsprechung letztendlich noch angenommene) Tatbestandsverwirklichung durch die Unternehmung selbst zunächst ←36 | 37→aus,82 lässt sich der auf dieser Entwicklung beruhende und weitestgehend83 anerkannte Status quo84 der „heute herrschenden Einheitstheorie85 – kursorisch – wie folgt umschreiben:

Der Unternehmung wird eine gewisse ertragsteuerliche Selbständigkeit zuerkannt.86 Die aufgezeigte und den zivilrechtlichen Ansichten zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften87 nachfolgende Entwicklung88 in Wissenschaft und Steuerrechtsprechung erscheint folgerichtig.89 Auch ohne Steuerschuldner zu sein kommt der Unternehmung insofern Relevanz als Steuerrechtssubjekt zu, als in der Einheit der Beteiligten Merkmale eines Besteuerungstatbestandes (Einkünftetatbestand) verwirklicht werden. Somit ist die Unternehmung zwar nicht Subjekt der Einkommensbesteuerung, indessen aber (zumindest) Subjekt der Einkünfteermittlung und Einkünftequalifizierung.

←37 | 38→

23 Die Gewinnermittlung90 einer exemplarisch auf einem Gesellschaftsverhältnis beruhenden, bilanzierenden Mitunternehmerschaft (hierzu noch Rdnr. 390 ff.) erfolgt daher konzeptionell in zwei Stufen:

In einem ersten Schritt wird der Gewinn der Gesellschaft ermittelt („Steuerbilanz der Gesellschaft91). Diesem Betriebsvermögensvergleich liegt lediglich das Betriebsvermögen der Gesellschaft als solcher zugrunde, somit Wirtschaftsgüter, welche im Gesamthandseigentum stehen.92 Dieser Gesellschaftsgewinn wird entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelungen beziehungsweise in Ermangelung solcher nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel den Gesellschaftern zugerechnet. In einem zweiten Schritt werden sodann bei den jeweiligen Gesellschaftern Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben sowie Mehrungen und Verringerungen des Sonderbetriebsvermögens berücksichtigt.93

II. Normhistorie der gesonderten und einheitlichen Feststellung

24 Die besondere verfahrensmäßige Behandlung zur Festlegung des Unternehmungsergebnisses und zur Ermittlung des Gewinnes beziehungsweise Überschusses der Beteiligten durch eine gesonderte und einheitliche Feststellung wurde erstmals mit § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1925 (siehe im historischen Kontext bereits Rdnr. 12) und somit außerhalb der maßgeblich auf Enno Becker zurückgehenden ←38 | 39→Reichsabgabenordnung von 191994 normiert. Wörtlich hieß es: „§ 65 (1) Einheitlich sollen festgestellt werden: 1. bei Land- und Forstwirtschaft (…) der gesamte im Betrieb erzielte Gewinn (…), sofern der Betrieb von mehreren auf gemeinsame Rechnung ausgeübt wird; 2. bei Gewerbebetrieb (…) der Geschäftsgewinn einer Gesellschaft oder Gemeinschaft, an der mehrere Personen als Unternehmer (Mitunternehmer des Betriebs) beteiligt sind; 3. bei sonstiger selbständiger Berufstätigkeit (…) der Gewinn (…), sofern an ihm mehrere berechtigt sind; 4. bei Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen (…) der Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben (…), sofern dieser aufgrund Eigentums oder dinglichen Nutzungsrechts mehreren zufließt.95 Beweggrund für diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung waren Beschwerden, bei der Einkommensteuerveranlagung würde der Gewinn der Unternehmung durch verschiedene Wohnsitzfinanzämter der Beteiligten oft in unterschiedlicher Höhe festgestellt und es komme in der Folge zu materiell-rechtlich nicht zu rechtfertigenden Unterschieden bei der Besteuerung.96 Insoweit war von Seiten der Steuerpflichtigen (der Wirtschaft) das Anliegen an den Gesetzgeber herangetragen worden, das Geschäftsergebnis und die Anteile hieran einheitlich zu bestimmen und in einer für die Wohnsitzfinanzämter verbindlichen Form festzustellen, welchen die Hinzurechnung der Vergütung für Mühewaltungen verbleiben sollte.97 Die damit eingeführte einmalige Feststellung der Gesellschafts- und Gesellschaftereinkünfte bedingte zudem eine auch im Interesse der Verwaltung liegende Vermeidung von Mehrarbeit.98

Details

Seiten
382
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631820285
ISBN (ePUB)
9783631820292
ISBN (MOBI)
9783631820308
ISBN (Hardcover)
9783631801390
DOI
10.3726/b16873
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juni)
Schlagworte
Transparenzprinzip Subjektivität Feststellungsverfahren Personengesellschaften Gemeinschaften Besteuerungsverfahren Einheitstheorie Rechtsfähigkeit Zurechnung KGaA
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 382 S.

Biographische Angaben

Enrico Stenzel (Autor:in)

Enrico Stenzel absolvierte sein Studium der Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder), sowie mit Wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth. Nach seiner fachtheoretischen Ausbildung zum Fachanwalt für Steuerrecht und seiner Rechtsanwaltstätigkeit war er während seiner Promotion als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und internationales Strafrecht sowie am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Steuerrecht, Gesellschafts- und Bilanzrecht der Universität Bayreuth tätig.

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Titel: Die gesonderte und einheitliche Feststellung
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