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Die Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen Unionsrecht

von Sven Sobanski (Autor:in)
©2019 Dissertation 308 Seiten

Zusammenfassung

Das Unionsrecht enthält in vielfältiger Weise Vorgaben für das deutsche Steuerrecht. Werden diese Vorgaben bei Erlass eines Steuerverwaltungsakts oder eines finanzgerichtlichen Urteils nicht hinreichend beachtet, etwa indem eine unionsrechtswidrige Norm angewendet wird, stellt sich die Frage, ob dieser Verstoß gegen Unionsrecht auch nach Eintritt der Bestandskraft bzw. Rechtskraft korrigiert werden kann. Dieser Frage nimmt sich der Autor an und zeigt, dass deren Beantwortung maßgeblich davon abhängt, ob es sich um einen Beihilfeverstoß oder einen Verstoß gegen eine andere Norm des Unionsrechts handelt. Bei Beihilfeverstößen tritt weder Bestandskraft noch Rechtskraft ein. Bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht kommt es lediglich zu kleineren Modifikationen der deutschen Regelungen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1. Teil: Einleitung
  • A. Ausgangslage und Bedeutung des Themas
  • I. Europäischer Gerichtshof und Europäische Kommission als Impulsgeber der Diskussion
  • II. Stand der Forschung
  • B. Ziele und Gegenstand der Untersuchung
  • C. Terminologie
  • 2. Teil: Die Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen deutsches Recht
  • A. Grundlagen der Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen
  • I. Begriffsbestimmung
  • 1. Der Begriff der Bestandskraft bei Steuerverwaltungsakten
  • 2. Der Begriff der Rechtskraft bei finanzgerichtlichen Urteilen
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Historische Entwicklung der Regelungen zur Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen
  • 1. Ältere Überlegungen zur Rechtsbeständigkeit von Verwaltungsakten und Gerichtsurteilen
  • 2. Kodifizierung der Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten durch die Reichsabgabenordnung 1919 und die weitere Entwicklung
  • a) Entwurf der Reichsabgabenordnung 1919 durch Enno Becker
  • b) Neufassung der Reichsabgabenordnung 1931
  • c) Neukonzeption durch die Abgabenordnung 1977
  • 3. Kodifizierung der Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen durch die Reichsabgabenordnung 1919 und die weitere Entwicklung
  • a) Entwurf der Reichsabgabenordnung 1919 durch Enno Becker
  • b) Neufassung der Reichsabgabenordnung 1931
  • c) Neukonzeption durch die Finanzgerichtsordnung 1966 und weitere Entwicklung
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen
  • 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten
  • a) Vorgaben hinsichtlich der formellen Bestandskraft
  • b) Vorgaben hinsichtlich der materiellen Bestandskraft
  • 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen
  • a) Vorgaben hinsichtlich der formellen Rechtskraft
  • b) Vorgaben hinsichtlich der materiellen Rechtskraft
  • 3. Zwischenergebnis
  • B. Das Regelungskonzept der Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten in der Abgabenordnung
  • I. Die Wirksamkeit von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen deutsches Recht
  • II. Die formelle Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen deutsches Recht
  • III. Die materielle Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen deutsches Recht
  • 1. Grundlagen und Systematik der Korrekturvorschriften als Regeln zur Durchbrechung der materiellen Bestandskraft
  • a) Differenzierung zwischen allgemeinen Steuerverwaltungsakten und Steuerbescheiden
  • b) Rechtfertigung der Gleichbehandlung von herkömmlichen und ausschließlich automationsgestützt erlassenen Steuerbescheiden
  • 2. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft bei offenbaren Unrichtigkeiten
  • 3. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von allgemeinen Steuerverwaltungsakten
  • a) Rücknahme rechtswidriger Steuerverwaltungsakte
  • b) Widerruf rechtmäßiger Steuerverwaltungsakte
  • 4. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von Steuerbescheiden
  • a) Eröffnung des Anwendungsbereichs
  • aa) Keine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
  • bb) Keine vorläufige Steuerfestsetzung
  • cc) Keine Festsetzungsverjährung
  • b) Eingreifen einer Korrekturnorm
  • aa) Korrektur nach § 172 AO
  • (1) Bescheide über Verbrauchsteuern
  • (2) Zustimmung des Steuerpflichtigen
  • (3) Sachliche Unzuständigkeit der erlassenden Behörde
  • (4) Anwendung unlauterer Mittel
  • bb) Korrektur wegen unzutreffender Entscheidungsgrundlage
  • (1) Korrektur wegen neuer Tatsachen
  • (2) Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern bei Erstellung der Steuererklärung
  • cc) Korrektur bei widerstreitenden Steuerfestsetzungen
  • (1) Korrektur bei Mehrfachberücksichtigung eines Sachverhalts
  • (2) Korrektur bei Nichtberücksichtigung eines Sachverhalts
  • (3) Folgekorrektur aufgrund eines Rechtsbehelfs bzw. Antrags
  • dd) Korrektur in sonstigen Fällen
  • (1) Korrektur aufgrund von Grundlagenbescheiden
  • (2) Korrektur wegen eines rückwirkenden Ereignisses
  • (3) Korrektur von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte
  • ee) Korrektur zur Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen
  • c) Begrenzung der Korrekturmöglichkeit
  • aa) Berücksichtigung des Vertrauensschutzes
  • bb) Berichtigung von materiellen Fehlern
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Das Regelungskonzept der Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen in der Finanzgerichtsordnung
  • I. Die formelle Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen deutsches Recht
  • 1. Durchbrechung der formellen Rechtskraft durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  • 2. Durchbrechung der formellen Rechtskraft durch Wiederaufnahme des Verfahrens
  • a) Nichtigkeitsklage
  • b) Restitutionsklage
  • 3. Durchbrechung der formellen Rechtskraft durch Klagen nach § 826 BGB
  • 4. Durchbrechung der formellen Rechtskraft durch Gegenvorstellungen
  • II. Die materielle Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen deutsches Recht
  • 1. Subjektive Reichweite der materiellen Rechtskraft
  • 2. Objektive Reichweite der materiellen Rechtskraft
  • 3. Wirkung der materiellen Rechtskraft
  • a) Berichtigung eines finanzgerichtlichen Urteils wegen einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 107 FGO)
  • b) Bindung der Finanzbehörden an ein finanzgerichtliches Urteil
  • c) Bindung der Finanzgerichte an ein finanzgerichtliches Urteil
  • III. Zwischenergebnis
  • 3. Teil: Die Rechtsbeständigkeit deutscher Steuerverwaltungsakte und finanzgerichtlicher Urteile bei Verstößen gegen Recht der Europäischen Union
  • A. Mögliche Verstöße gegen Unionsrecht
  • I. Verstöße gegen primäres Unionsrecht
  • 1. Verstöße gegen das Effektivitätsgebot
  • 2. Verstöße gegen Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote
  • a) Verstöße gegen Grundfreiheiten
  • b) Verstöße gegen spezielle Diskriminierungsverbote
  • c) Verstöße gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot
  • 3. Verstöße gegen das Beihilfeverbot
  • 4. Verstöße gegen EU-Grundrechte
  • II. Verstöße gegen sekundäres Unionsrecht
  • 1. Verstöße gegen sekundärrechtliche Bestimmungen zur Harmonisierung der indirekten Steuern
  • 2. Verstöße gegen sekundärrechtliche Bestimmungen zur Rechtsangleichung im Bereich der direkten Steuern
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Die Bestandskraft deutscher Steuerverwaltungsakte bei Verstößen gegen Unionsrecht
  • I. Anwendbarkeit des deutschen Verfahrensrechts
  • 1. Grundsatz der Verfahrensautonomie
  • 2. Besonderheiten bei verbotenen Beihilfen
  • II. Die Wirksamkeit von Steuerverwaltungsakten bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 1. Kein Vorrang des Unionsrechts gegenüber deutschen Steuerverwaltungsakten
  • 2. Keine Nichtigkeit des deutschen Steuerverwaltungsakts bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Die formelle Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 1. Kein Verstoß gegen das Effektivitätsgebot durch deutsche Rechtsbehelfsfristen
  • 2. Keine generelle Anlaufhemmung bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 3. Sog. Emmott´sche Fristenhemmung bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 4. Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen anderer Verstöße gegen Unionsrecht
  • 5. Zwischenergebnis
  • IV. Die materielle Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 1. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht infolge offenbarer Unrichtigkeiten
  • 2. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von allgemeinen Steuerverwaltungsakten bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • a) Rücknahme rechtswidriger Steuerverwaltungsakte bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • b) Widerruf rechtmäßiger Steuerverwaltungsakte bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von Steuerbescheiden bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • a) Eröffnung des Anwendungsbereichs
  • aa) Beseitigung von anderen Verstößen gegen Unionsrecht bei Vorbehaltsfestsetzungen
  • bb) Beseitigung von anderen Verstößen gegen Unionsrecht bei vorläufigen Steuerfestsetzungen
  • cc) Festsetzungsverjährung bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • b) Eingreifen einer Korrekturnorm bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • aa) Korrektur von anderen Verstößen gegen Unionsrecht nach § 172 AO
  • (1) Verstöße gegen Unionsrecht in Verbrauchsteuerbescheiden
  • (2) Beseitigung von Verstößen gegen Unionsrecht durch Zustimmung des Steuerpflichtigen
  • (3) Verstöße gegen Unionsrecht bei sachlicher Unzuständigkeit der erlassenden Behörde
  • (4) Verstöße gegen Unionsrecht und Anwendung unlauterer Mittel
  • bb) Korrektur von anderen Verstößen gegen Unionsrecht wegen unzutreffender Entscheidungsgrundlage
  • (1) Verstöße gegen Unionsrecht als neue Tatsachen?
  • (2) Verstöße gegen Unionsrecht und Schreib- und Rechenfehler bei Erstellung der Steuererklärung
  • cc) Korrektur von anderen Verstößen gegen Unionsrecht bei widerstreitenden Steuerfestsetzungen
  • dd) Korrektur von anderen Verstößen gegen Unionsrecht in sonstigen Fällen
  • (1) Verstöße gegen Unionsrecht und Grundlagenbescheide
  • (2) Verstöße gegen Unionsrecht und rückwirkende Ereignisse
  • (3) Verstöße gegen Unionsrecht und Datenübermittlung durch Dritte
  • ee) Korrektur von anderen Verstößen gegen Unionsrecht durch Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen
  • c) Begrenzung der Korrekturmöglichkeiten bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • aa) Vertrauensschutz bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • bb) Berichtigung von materiellen Fehlern bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • d) Kein Verstoß gegen Unionsrecht durch fehlende Korrekturmöglichkeit im deutschen Recht
  • 4. Zwischenergebnis
  • V. Im Besonderen: Die Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • 1. Wirksamkeit von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • 2. Die formelle Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • 3. Die materielle Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • a) Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von allgemeinen Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • aa) Rücknahme rechtswidriger Steuerverwaltungsakte bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • bb) Widerruf rechtmäßiger Steuerverwaltungsakte bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • b) Durchbrechung der materiellen Bestandskraft von Steuerbescheiden bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • aa) Eröffnung des Anwendungsbereichs bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • bb) Eingreifen einer Korrekturnorm bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • (1) Korrektur von Beihilfeverstößen nach § 172 AO
  • (2) Korrektur von Beihilfeverstößen nach § 173 AO
  • (3) Korrektur von Beihilfeverstößen nach § 175 AO
  • (4) Beihilfeverstöße und sonstige Korrekturtatbestände
  • cc) Verstoß gegen Unionsrecht durch fehlende Korrekturmöglichkeit im deutschen Recht
  • dd) Begrenzung der Korrekturmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • (1) Vertrauensschutz bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • (2) Berichtigung von materiellen Fehlern bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • 4. Zwischenergebnis
  • C. Die Rechtskraft deutscher finanzgerichtlicher Urteile bei Verstößen gegen Unionsrecht
  • I. Die formelle Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 2. Wiederaufnahme des Verfahrens bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • a) Nichtigkeitsklagen bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • b) Restitutionsklagen bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 3. Klagen nach § 826 BGB bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 4. Gegenvorstellungen bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Die materielle Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 1. Subjektive Reichweite der materiellen Rechtskraft bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 2. Objektive Reichweite der materiellen Rechtskraft bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 3. Wirkung der materiellen Rechtskraft bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • a) Berichtigung von anderen Verstößen gegen Unionsrecht als offenbare Unrichtigkeit
  • b) Bindung der Finanzbehörden an ein finanzgerichtliches Urteil bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • c) Bindung der Finanzgerichte an ein finanzgerichtliches Urteil bei anderen Verstößen gegen Unionsrecht
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Im Besonderen: Die Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • 1. Die formelle Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • b) Wiederaufnahme des Verfahrens bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • aa) Wiederaufnahme des Verfahrens bei neuen Beihilfen
  • bb) Wiederaufnahme des Verfahrens bei rechtswidrigen Beihilfen
  • cc) Zwischenergebnis
  • c) Klagen nach § 826 BGB bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • d) Gegenvorstellungen bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • e) Zwischenergebnis
  • 2. Die materielle Rechtskraft von finanzgerichtlichen Urteilen bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • a) Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • b) Bindung der Finanzbehörden an ein finanzgerichtliches Urteil bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • c) Bindung der Finanzgerichte an ein finanzgerichtliches Urteil bei Verstößen gegen das Beihilfeverbot
  • 3. Zwischenergebnis
  • 4. Teil: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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1. Teil: Einleitung

1 Als sich Enno Becker im Spätherbst 1918 an die Arbeiten zum Entwurf der Reichsabgabenordnung 19191 machte und hierdurch die Grundlage für das heutige Steuerverfahrens- und Steuerprozessrecht schuf, war weder daran zu denken, dass das deutsche Steuerrecht mit einem übergeordneten Unionsrecht in Konflikt treten könnte, noch, dass Steuerbescheide einmal ausschließlich automationsgestützt und nicht mehr durch einen den Einzelfall bearbeitenden Finanzbeamten erlassen würden. Trotz dieses epochalen Wandels der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sind die Regelungen über die Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen seit 1919 im Wesentlichen unverändert geblieben. Zumindest im Wortlaut der einschlägigen Vorschriften finden sich keinerlei Anzeichen dafür, dass auch das Steuerverfahrens- und Steuerprozessrecht unter dem Einfluss des Unionsrechts steht. In gleicher Weise hat die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft und der Arbeitswelt nur bedingt Einfluss auf die Regelungen zur Rechtsbeständigkeit der Steuerverwaltungsakte genommen: Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.20162 wurden bei den Korrekturvorschriften für Steuerbescheide lediglich kleinere Ergänzungen vorgenommen.

2 Wenn sich die vorliegende Untersuchung vor diesem Hintergrund vornehmlich der Frage widmet, welchen Einfluss das Unionsrecht auf die Rechtsbeständigkeit von Steuerverwaltungsakten und finanzgerichtlichen Urteilen hat, wird sie sich hierbei – wie jede andere Untersuchung, die sich mit dem Einfluss des Unionsrechts auf nationales Recht auseinandersetzt – der allgemeinen Herausforderung stellen müssen, dass es sich beim Unionsrecht um kein in sich widerspruchsfreies, zeitlos gültiges System handelt. Das Unionsrecht ist vielmehr als eine gewachsene Rechtsmaterie anzusehen, die durch in sich „verschraubte“ Rechtstraditionen, Regelungsebenen und verschiedene institutionelle Entwicklungen gekennzeichnet ist.3 Für den Bereich des deutschen Steuerrechts gilt ebenso wie für andere Rechtsgebiete, dass dessen Beeinflussung durch das Unionsrecht als „work in progress“ beschrieben werden kann. Die Beeinflussung schreitet nicht gleichmäßig voran, sondern es lassen sich bestimmte Phasen unterscheiden, in denen es vornehmlich auf einzelnen Gebieten des materiellen Steuerrechts zu einer Vertiefung der Integration gekommen ist.4

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A. Ausgangslage und Bedeutung des Themas

3 Die schrittweise Vertiefung der europäischen Integration auf dem Gebiet des Steuerrechts führte dazu, dass sich auch in Bezug auf die Diskussion der Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten verschiedene Stadien unterscheiden lassen. Die Impulse zu dieser Diskussion gaben vor allem drei Fälle, in denen es um die Vereinbarkeit von materiell-rechtlichen Regelungen des deutschen Steuerrechts mit dem Unionsrecht ging. Diese drei Impulse sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

I. Europäischer Gerichtshof und Europäische Kommission als Impulsgeber der Diskussion

4 Der erste Diskussionsimpuls ging im Jahr 2005 von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rs. Linneweber/Akritidis5 aus. Diese Entscheidung hatte zur Folge, dass die Umsätze, die aus dem Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit außerhalb öffentlicher Spielbanken erzielt wurden, von der deutschen Umsatzsteuer befreit werden mussten. Unternehmer, die solche Geldspielgeräte betrieben und deren Umsätze bislang der Umsatzsteuer unterworfen wurden, ←26 | 27→beantragten daraufhin die Änderung der ihnen gegenüber ergangenen Umsatzsteuerbescheide. Soweit diese Steuerbescheide zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, lehnten die Finanzbehörden jedoch eine solche Änderung der Umsatzsteuerbescheide unter Verweis auf deren Bestandskraft ab. Hiergegen gerichtete Klagen blieben ohne Erfolg.6 Die entsprechenden Revisionen wies der Bundesfinanzhof mit der Begründung zurück, dass ein bestandskräftiger Steuerbescheid – auch unter Berücksichtigung des aus Art. 10 EGV (nunmehr Art. 4 Abs. 3 AEUV) folgenden Effektivitätsgebots – nicht änderbar sei, wenn das nationale Recht hierfür – wie in §§ 172 ff. AO – keine Rechtsgrundlage vorsieht.7 Von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof sah der Bundesfinanzhof ab. Die hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Zwar ging es davon aus, dass der Europäische Gerichtshof zur Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten, die Verstöße gegen Unionsrecht beinhalten, nicht erschöpfend Stellung genommen habe; der Bundesfinanzhof habe jedoch den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten.8

5 Den zweiten Impuls setzten in den Jahren 2004 und 2007 die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in den Rs. Manninen9 und ←27 | 28→Meilicke10, aus denen sich ein Verstoß des deutschen Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens gegen Unionsrecht ergab. Daran schloss sich die Frage an, ob die Korrektur bereits ergangener Einkommensteuerbescheide nebst der mit ihnen verbundenen Anrechnungsverfügung als allgemeiner Steuerverwaltungsakt möglich ist und welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen. Diese Fragen führten zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rs. Meilicke II11, mit welcher die eine kurze Zeit nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rs. Manninen vorgenommene Änderung der Abgabenordnung als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen wurde. Durch diese Gesetzesänderung sollte verhindert werden, dass es infolge der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in den Rs. Manninen und Meilicke zu einer Korrektur von Steuerbescheiden rückwirkend bis zum Jahr 1977 kommen konnte. Zur Begründung führte der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung in der Rs. Meilicke II aus, dass es in Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung zwar Sache des jeweiligen Mitgliedstaats sei, die Verfahrensmodalitäten festzulegen, welche den Schutz der dem Bürger12 aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten); jedoch dürften diese Modalitäten nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürften die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgebot).13 Die letztgenannte Vorgabe des Unionsrechts sei ←28 | 29→bei der strittigen Regelung der Abgabenordnung nicht beachtet worden.14 Es ist wohl der Eigenart der gelagerten Fälle geschuldet, dass diese Entscheidung in der Praxis keine größere Auswirkung hatte und sich für die Kläger eher als Pyrrhussieg15 darstellte. So hatten die Kläger im Ausgangsverfahren trotz der von ihnen erstrittenen positiven Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs keinen Erfolg. Sowohl das Finanzgericht Köln als auch der Bundesfinanzhof lehnten eine Anrechnung von ausländischer Körperschaftsteuer ab, da ein Nachweis der tatsächlich entrichteten ausländischen Körperschaftsteuer fehle.16

6 Der dritte Diskussionsimpuls zur Frage der Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten bei Verstößen gegen Unionsrecht setzte die Europäische Kommission mit einer Entscheidung, die den möglichen Verstoß des § 8c Abs. 1a KStG gegen das in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthaltene Verbot staatlicher Beihilfen betrifft. Die Kommission hatte im Jahr 2011 die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG in einer Negativentscheidung als verbotene Beihilfe eingestuft und Deutschland dazu aufgefordert, bereits gewährte Beihilfen zurückzufordern.17 Eine hiergegen gerichtete Klage Deutschlands wurde wegen Verfristung als unzulässig verworfen.18 Die gegen den Beschluss der Kommission eingereichten Klagen von Unternehmen wies das Gericht der Europäischen Union als unbegründet ab.19 Im Rechtsmittelverfahren erklärte der Europäische Gerichtshof den Beschluss der Kommission schließlich für nichtig, weil die Kommission bei ihrer Prüfung, ob eine verbotene Beihilfe vorliegen würde, Fehler gemacht habe.20 Damit ist jedoch nicht – wie hier betont werden soll, aber zugleich nicht näher erörtert werden muss – entschieden worden, dass es sich bei der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG nicht um eine verbotene Beihilfe handelt. Unabhängig von dieser materiellen Beurteilung stellt sich in der Praxis jedenfalls die Frage, nach welcher Rechtsvorschrift eine Korrektur des als beihilfewidrig erkannten Steuerbescheids möglich ist und ob in der Folge eine dem Steuerpflichtigen bereits gewährte Beihilfe durch die deutsche Steuerbehörden zurückgefordert werden kann. Denn auch in diesem Fall hält das deutsche Recht – zumindest nach bisheriger Lesart – in §§ 172 ff. AO keine ←29 | 30→Rechtsgrundlage dafür bereit. Möglicherweise ist – so jedenfalls entsprechend den Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf und des Bundesfinanzhofs – eine solche Rechtsgrundlage in Art. 16 Abs. 3 der VO (EU) Nr. 2015/1589 zu finden.21

Details

Seiten
308
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631802908
ISBN (ePUB)
9783631802915
ISBN (MOBI)
9783631802922
ISBN (Hardcover)
9783631802694
DOI
10.3726/b16174
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
Unionsrechtsverstoß Beihilfeverstoß Steuerverfahrensrecht Bestandskraft Rechtskraft
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 308 S.

Biographische Angaben

Sven Sobanski (Autor:in)

Sven Sobanski ist Diplom-Finanzwirt (FH) und studierte Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover. Er ist als Dozent in der Ausbildung der Nachwuchsführungskräfte der Steuerverwaltungen des Bundes und der Länder tätig mit Schwerpunkten in den Bereichen Einkommensteuer, Besteuerung von Personengesellschaften und Bilanzsteuerrecht.

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