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Der Weg, die Wahrheit und das Leben

Das Problem des religiösen Pluralismus

von Thomas Park (Autor:in)
©2021 Monographie 192 Seiten
Reihe: Theion, Band 34

Zusammenfassung

Seitdem John Hick durch seine pluralistische Position den Weg für eine Annäherung der Religionen geschaffen hat, haben seine Werke viel Aufmerksamkeit von Anhängern und Kritikern erfahren. Dieses Werk setzt sich kritisch mit dem Lebenswerk Hicks auseinander, und vergleicht die Argumente für seine Ansicht mit denen von Perry Schmidt-Leukel, Alvin Plantinga und Karl Rahner. Der Autor legt die Prämissen der vier Positionen offen, und macht deutlich, warum trotz aller berechtigten Kritik die pluralistische Position die plausibelste Antwort auf die Frage liefert, wieso es mehrere Religionen gibt, wenn laut dem NT (nur) Jesus Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Teil I: John H. Hick
  • 1. Der Pluralismus Hicks
  • 1.1 Glaube und die Mehrdeutigkeit der Welt
  • 1.1.1 Kritischer Realismus und kosmischer Optimismus
  • 1.2 Konstruktion und Interpretation der Wirklichkeit
  • 1.2.1 Konstruktion und Interpretation auf der religiösen Ebene
  • 1.2.2 Auch mystische Erfahrungen sind kulturell beeinflusst
  • 1.2.3 Kriterien echter religiöser Erfahrungen
  • 1.2.4 Die Erscheinungen des WIRKLICHEN
  • 1.2.5 Das Wesen des WIRKLICHEN
  • 1.2.6 Mythologische Wahrheit
  • 1.3 Religiöse Erfahrung als berechtigte Grundlage für Überzeugungen
  • 1.3.1 Rationalität und Evidenz
  • 1.4 Moralische und spirituelle Gleichwertigkeit der großen Weltreligionen
  • 1.5 Erlösungserlebnisse und -vorstellungen
  • 1.5.1 Hicks Erlösungsvorstellung repräsentativ?
  • 1.6 Kontingenz der Religionszugehörigkeit
  • 1.7 Rücksicht und Toleranz
  • 2. Argumente für die religionspluralistische Theorie
  • 2.1 Folge des kleinsten gemeinsamen Nenners gleichwertiger Überzeugungen
  • 2.2 Unfassbare Unbegrenztheit
  • 2.3 Ausgrenzung mit gutem Gott und empirischen Tatsachen unvereinbar
  • 2.3.1 Exklusivismus und Ignoranz
  • 2.4 Gleiche soteriologische Wirkung
  • 2.4.1 Hicks Kritik am christlichen Exklusivismus
  • 2.5 Berechtigung der religiösen Überzeugung gelte für alle Weltreligionen
  • 2.5.1 Religiöse Erfahrungen und traditionsinterne Plausibilitätsstrukturen
  • 2.6 Kontingenz, Willkür und Arroganz
  • 2.6.1 Willkür und die Möglichkeit des Besserwissens
  • 2.6.2 Glaube und Begründung
  • 2.7 Das WIRKLICHE müsse sich auf unterschiedliche Arten offenbaren
  • 2.8 Gegen Polytheismus
  • 2.9 Ablehnung der traditionellen Christologie
  • 2.9.1 Kritik an Hicks Christologie
  • 3. Fazit zu Hick
  • Teil II: Perry Schmidt-Leukel
  • 4. Der Pluralismus Schmidt-Leukels
  • 4.1 Transzendente Wirklichkeit & Unbeweisbarkeit
  • 4.2 Rationalität des Glaubens
  • 4.3 Wie vom Transzendenten sprechen?
  • 4.4 Kosmischer Optimismus
  • 4.5 Religiöse Erfahrung und die Art der Offenbarung
  • 4.6 Heil
  • 4.7 Christologische Annahmen
  • 4.8 Wertschätzung der religiösen Vielfalt
  • 5. Argumente gegen den christlichen Exklusivismus und Inklusivismus
  • 5.1 Konflikte mit dem universalen Heilswillen Gottes
  • 5.1.1 Leugnung des allgemeinen Heilswillen Gottes
  • 5.1.2 Kritik an Craig
  • 5.1.3 Jesus nicht heilskonstitutiv
  • 5.2 Jesus nicht die einzige oder zwangsläufig überlegene göttliche Inkarnation
  • 5.2.1 Die Beweiskraft der Auferstehungserscheinungen Jesu
  • 5.3 Dogmatische Probleme mit dem AT
  • 5.4 Irrelevanz nichtchristlicher Religionen auf ihre Gläubigen unwahrscheinlich
  • 5.5 Inkonsequenz des unentschiedenen Exklusivismus
  • 5.6 Existenz interreligiöser Parallelen
  • 5.6.1 Keine moralische oder spirituelle Überlegenheit
  • 5.7 Intuitive Wertschätzung einer Pluralität der Religionen
  • 6. Verteidigung der pluralistischen Religionstheologie
  • 6.1 Gottesbilder
  • 6.2 God’s eye view
  • 7. Fazit zu Schmidt-Leukel
  • Teil III: Alvin C. Plantinga
  • 8. Plantingas exklusivistische Position
  • 8.1 Plantingas Verständnis des christlichen Glaubens
  • 8.2 Plantingas Definition des Exklusivismus
  • 8.3 Unterscheidung zwischen zwei Arten von Einwänden
  • 8.4 Basale Grundlage des christlichen Glaubens
  • 8.5 Plantingas Offenbarungsverständnis
  • 8.6 Christlicher Glaube epistemologisch einwandfrei
  • 8.6.1 Rechtfertigung (justification)
  • 8.6.2 Rationalität (rationality)
  • 8.6.3 Berechtigung (warrant) zum Wissen
  • 9. Christlicher Glaube konsistent
  • 9.1 Zur Bibelkritik
  • 9.1.1 Kritik an der kritisch-historischen Bibelforschung
  • 9.2 Die Bedeutung der religiösen Vielfalt
  • 9.2.1 Christlicher Exklusivismus nicht ungerechtfertigt
  • 9.2.2 Christlicher Exklusivismus nicht irrational
  • 9.2.3 Christlicher Exklusivismus nicht unberechtigt
  • 9.3 Kritik an Hick
  • 9.3.1 Hicks Konzept des WIRKLICHEN inkonsistent
  • 9.3.2 Weitere Einwände
  • 10. Fazit zu Plantinga
  • Teil IV: Karl J. E. Rahner
  • 11. Rahners inklusivistische Position
  • 11.1 Gottesbild
  • 11.1.1 Allgemeiner Heilswille Gottes
  • 11.2 Heil und seine Voraussetzungen
  • 11.3 Anthropologische Vorstellungen
  • 11.3.1 Die menschliche Ausrichtung auf Gott
  • 11.3.2 Die Einheit der Menschen
  • 11.4 Offenbarung und Glaube
  • 11.5 Naiver Realismus
  • 11.6 Eschatologie und Christologie
  • 11.7 Werte
  • 12. Argumente für Rahners Inklusivismus
  • 12.1 Jesus Christus als Maßstab
  • 12.2 Christus als Höhepunkt der Heilsgeschichte
  • 12.3 Christus als universale Heilsursache
  • 12.4 Christus als der vollkommenste Heilsmittler
  • 12.5 Die Bedeutung des expliziten Glaubens
  • 13. Fazit zu Rahner
  • Schlussteil
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

Mehr denn je stehen religiöse Menschen vor der Frage, welche der verschiedenen Bewegungen, die wir „Religionen“ nennen, recht haben mit ihren Behauptungen über das Wesen und den Willen Gottes, über religiös bedeutsame Ereignisse und über den richtigen Weg zu einem heilsamen und/oder gottgefälligem Leben. Hat sich Gott uns durch die jüdischen Propheten, durch Jesus, den Koran oder die Veden offenbart? Ist Gott eine Trinität? Ist Jesus Christus wirklich am Kreuz gestorben und drei Tage später wieder auferstanden? Wird man normalerweise wiedergeboren oder hat man nur ein diesseitiges Leben?

Die Begegnung mit anderen Religionen lässt solche und ähnliche Fragen aufkommen, und nötigt uns, uns dazu zu verhalten. Und egal, ob man die anderen Religionen ignoriert, sie für falsch hält, aber toleriert, ihre Anhänger als Brüder und Schwestern im Geiste auffasst, oder verachtet, man ist gezwungen, Stellung zu nehmen zur Frage, warum es mehrere Religionen gibt, und warum andere Religionen Antworten auf die oben genannten und ähnliche Fragen geben, die sich von denen der eigenen Religion unterscheiden.

Das Ziel des Buches ist es zu untersuchen, ob sich die (teilweise) wider-sprüchlichen Behauptungen der verschiedenen Religionen nicht dadurch auflösen lassen, dass man eine oft ungenannte Voraussetzung in Frage stellt, nämlich dass nur jeweils eine Behauptung richtig sein kann. Die zwei zentralen Fragen dieses Buches werden die folgenden sein:

1. Sind die Glaubensannahmen nichtchristlicher Gläubiger mit denen der Christen vereinbar?

2. Ist das Christentum der einzige Erlösungsweg oder kann Erlösung bzw. Befreiung auch durch andere Religionen erreicht werden?

Diese zwei Fragen machen das aus, was ich in diesem Werk das Problem des religiösen Pluralismus nenne. Denn für das Christentum, aber nicht nur dafür, stellen die anderen Religionen ein Problem dar.1 Wenn nur Jesus ←13 | 14→Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und man nur durch ihn zum Gottvater kommt (Joh 14, 6), dann müsste das Christentum der einzige Erlösungsweg sein, und alle anderen vermeintlichen Wege zu einem heilsamen Leben müssten auf falschen Annahmen beruhen. Problematisch ist das für viele Christen u.a. deshalb, weil gleichzeitig angenommen wird, dass der allmächtige Gott das Heil aller Menschen will. Warum bewirkt Gott nicht die Christianisierung der ganzen Welt, um allen Menschen den Weg, die Wahrheit und das Leben zu bringen? Wollte Gott etwa nicht, dass Menschen, die z.B. vor Christi Geburt gelebt haben, selig werden? Und ist z.B. ein überzeugter Hindu an seinem ‚Unheil‘ selbst schuld, wenn er nicht zum Christentum konvertiert, sobald er etwas von Jesus Christus hört?

Die zwei für uns zentralen Fragen können auf unterschiedliche Arten beantwortet werden. In der gegenwärtigen Diskussion hat sich dabei die Einteilung dieser Positionen in drei Idealtypen durchgesetzt, nämlich in den „Exklusivismus“, den „Inklusivismus“ und den „Pluralismus“. Perry Schmidt-Leukel definiert diese Idealtypen nicht darüber, ob und inwiefern am Absolutheitsanspruch der eigenen Religion festgehalten wird, sondern über die tatsächliche Vermittlung heilshafter2 Erkenntnis einer transzendenten Wirklichkeit (VhEtW).3

Bezogen auf VhEtW gibt es vier Möglichkeiten:

1. VhEtW gibt es in keiner Religion („Naturalismus“).

2. VhEtW gibt es nur in einer einzigen Religion („Exklusivismus“).

3. VhEtW gibt es in mehr als einer Religion, aber nur in einer einzigen Religion in einer alle anderen überbietenden Form („Inklusivismus“).

4. VhEtW gibt es in mehr als einer Religion, ohne dass dabei eine einzige Religion alle anderen überbietet („Pluralismus“).

Zu beachten ist, dass mit der exklusivistischen Position noch nichts über die individuelle Heilsmöglichkeit des Nichtchristen ausgesagt wird. Diese kann von Exklusivisten sowohl gänzlich abgestritten („radikaler Exklusivismus“), postmortal zugelassen oder z.B. auf der Grundlage eines Lebens nach seinem Gewissen zugelassen werden. Im Gegensatz zum Inklusivismus ←14 | 15→wird dabei aber in jedem Fall angenommen, dass nichtchristliche Religionen keinerlei Einfluss auf das Heil haben. Was den Pluralismus betrifft, ist festzuhalten, dass dieser nicht zwangsläufig davon ausgeht, dass es VhEtW in allen Religionen gibt. Mindestens zwei ebenbürtige Religionen können anderen Religionen aber sehr wohl überlegen sein.

Im Folgenden werden die Positionen von vier christlichen Autoren zum Problem des religiösen Pluralismus dargestellt und auf ihre Plausibilität hin überprüft. Im Mittelpunkt steht dabei der erste Autor, John H. Hick, dessen pluralistischer Standpunkt im Folgenden mit dem von Perry Schmidt-Leukel, von Alvin C. Plantinga und von Karl J. E. Rahner verglichen wird.

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Der Pluralismus Hicks

Abstract: Part I deals with the premises of John Hick’s pluralistic view, his arguments for it, and his responses to his critics. Hick argues that the various religions can be interpreted as ways to the same goal, i.e. salvation, and that their prima facie contradicting claims about the transcendent reality can be reconciled by denying that their claims are about the transcendent reality in itself. Their claims are better taken to be about the transcendent reality as the various followers experienced it. The price for distinguishing between an ineffable transcendent reality in itself, and the phenomenal reality people experience is that Hick has to deny that we can know that God (or however we call the transcendent reality) is good.

Keywords: John Hick, the Real, Pluralism, Religious Pluralism, Revelation, Religion, Christianity, Faith and Reason

1. Der Pluralismus Hicks

John Harwood Hick (*1922, † 2012) war ein britischer presbyterianischer Theologe und Religionsphilosoph. Als Sohn und Enkel eines Anwalts arbeitete er nach der Schule zuerst als Anwaltsgehilfe und begann bald ein Jurastudium. Nachdem er sich einerseits immer mehr für westliche Philosophie begeisterte, und andererseits durch evangelikale Kommilitonen zum Christentum bekehrt wurde, brach er das Jurastudium ab und beschloss Pfarrer der presbyterianischen Kirche Englands zu werden. Durch die Auseinandersetzung mit philosophischen Texten, wiederkehrende Erfahrungen mit Andersgläubigen in der multikulturellen Stadtgemeinschaft Birminghams sowie Begegnungen mit liberalen Theologen und Religionswissenschaftlern wie z.B. Wilfred Cantwell Smith entfernte sich Hick immer mehr von den Lehren der presbyterianischen Kirche und vertrat schließlich eine pluralistische Religionstheologie. Im Folgenden präsentiere ich Hicks Position, wie sie sich nach seiner Hinwendung zur pluralistischen Religionstheologie herauskristallisierte.

Bezogen auf die erste zentrale Frage dieses Buches lässt sich festhalten, dass Hick trotz seiner pluralistischen Position nicht davon ausgeht, dass alle Behauptungen der verschiedenen Religionen miteinander vereinbar sind. Bestimmte, religiös relevante Thesen zu historischen Sachverhalten4 ←19 | 20→sowie bestimmte Thesen über das Leben nach dem Tod5 können sich laut Hick sehr wohl gegenseitig ausschließen und lassen zumindest im Prinzip zu, dass nur eine von mehreren Thesen richtig ist. Wenn sich die Glaubensannahmen der verschiedenen Religionen aber auf das Wesen des Göttlichen beziehen, dann seien die Glaubensannahmen nichtchristlicher Gläubiger mit denen der Christen vereinbar. Hick löst den Konflikt um die entsprechenden, sich scheinbar widersprechenden Annahmen der verschiedenen Weltreligionen6, indem er zwischen dem unendlichen, unbeschreiblichen Göttlichen an sich – Hick nennt es das WIRKLICHE (engl. the Real) – und den verschiedenen Vorstellungen einer personalen Gottheit bzw. den verschiedenen Vorstellungen einer apersonalen ultimativen Wirklichkeit, wie sie in den faktischen Religionen vorherrschen, unterscheidet. Letztere seien dadurch beeinflusst, wie den Menschen das Göttliche erscheint, und nicht, wie das Göttliche tatsächlich ist. Weil unsere Erfahrungen, auch die Erfahrungen des Göttlichen, immer von subjektiven Faktoren wie Erwartungen, kulturellen Vorstellungen, aber auch ganz allgemein vom menschlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisapparat beeinflusst sind, sei das WIRKLICHE nicht mit seinen Erscheinungsformen identisch. Hick versucht also den Konflikt zu lösen, indem er mit erkenntnistheoretischen Argumenten den Anspruch der verschiedenen Religionen, das Wesen des Absoluten zu kennen, relativiert. Die verschiedenen Behauptungen über das Wesen ←20 | 21→des Göttlichen sind miteinander vereinbar, solange sie sich nicht auf das WIRKLICHE selbst, sondern nur auf dessen Erscheinungen beziehen. Den Ausgangspunkt seiner Theorie bilden dabei Hicks eigene Erfahrungen mit Andersgläubigen. Im Kontakt mit Muslimen, Sikhs, Hindus und Juden sei Hick zu der Ansicht gekommen, „dass dort im Wesentlichen das Gleiche geschieht wie in einer christlichen Kirche – nämlich, dass sich hier Menschen einer höheren göttlichen Wirklichkeit öffnen, die sie als einen personalen und guten Gott kennen, der Gerechtigkeit und Liebe zwischen den Menschen gebietet.“7 In Indien und auf Sri Lanka habe Hick die tiefe Spiritualität nicht-theistischer religiöser Gemeinschaften kennen gelernt und herausgefunden, dass auch dort „Männer und Frauen in heilshafter Weise mit jener ewigen Wirklichkeit verbunden sind, von der wir alle leben.“8

In den Abschnitten 1.1–1.7 werde ich zuerst die Prämissen präsentieren, die Hicks religionspluralistischer Theorie zugrunde liegen. Im Abschnitt 2 folgen dann Hicks Gründe für seine Theorie bzw. gegen alternative Erklärungen für den Konflikt um die sich widersprechenden Wahrheitsansprüche der verschiedenen Weltreligionen. Im Abschnitt 3 fasse ich Hicks Beitrag zusammen und werde ein erstes Urteil über die Plausibilität seiner Position fällen.

1.1 Glaube und die Mehrdeutigkeit der Welt

Eine der Prämissen von Hick besteht in seiner Überzeugung, dass religiöse Phänomene nicht auf naturalistische Ursachen reduziert werden können. Hick geht stattdessen davon aus, dass religiöse Erfahrung auf eine Verbindung mit der transzendenten Realität zurückgeht.9 Hick gibt folgende Definition dieser Transzendenz:

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Hick betont, dass es vernünftige Alternativen zu seiner religiösen Interpretation der Religion gibt. So sei es möglich, dass Religion nur ein Produkt menschlicher Phantasie ist und die Funktion hat, den menschlichen Umgang mit Sehnsüchten, dem Tod, moralischen Forderungen, dem Zufall, etc. zu erleichtern. Die Lösung des Konflikts um den religiösen Wahrheitsanspruch bestünde dann darin, die metaphysischen Annahmen aller Religionen für falsch zu halten und die Absolutheitsansprüche als narzisstische Illusionen abzutun. Hick hält fest, dass naturalistische Deutungen religiöser Phänomene aufgrund der Mehrdeutigkeit der Wirklichkeit möglich sind und dass er ihre Falschheit nicht beweisen kann.11 Allerdings sei genauso wenig beweisbar, dass das Phänomen Religion ein rein menschliches Produkt sei.12 Es sei unmöglich, „daß eine Beschreibung der physikalischen Entwicklung irgendeiner Welt, die eine Familienähnlichkeit mit unserer eigenen besitzt, mit dem Theismus einerseits und dem Atheismus andererseits streng unvereinbar sein könnte. Die heute beobachteten und hergeleiteten Tatsachen über die Ausdehnung [z.B.] sind religiös ambivalent.“13

Ebenso bestreitet Hick die These des christlichen Religionsphilosophen Richard Swinburne, wonach die religiöse Interpretation der Welt zumindest wahrscheinlicher ist als die naturalistische. Auch Swinburnes Wahrscheinlichkeitsargument hebe die Mehrdeutigkeit der Welt nicht auf14. Zum einen glaubt Hick im Gegensatz zu Swinburne, dass „das Übel“ auf der Welt ein gewichtiges Argument gegen die Existenz Gottes ist.15 Zum anderen sei ←22 | 23→völlig unklar, wie bestimmte Argumente gewichtet werden sollten.16 Hick bestreitet nicht, dass es Sachverhalte gibt, die eher für und eher gegen eine religiöse Interpretation des Lebens sprechen. So spreche die Tatsache der Existenz der Welt und der religiösen Erfahrung dafür; das Leid und das Böse auf der Welt, der belanglose Anteil der Menschen am Geschehen des Universums und die mangelnde Notwendigkeit einer theistischen Hypothese für die Erklärung der Naturvorgänge sprächen für eine naturalistische Weltsicht. Weil aber zum einen jeder dieser Punkte aus beiden Perspektiven heraus begründet werden kann, und objektive Kriterien zur Quantifizierung ihrer Bedeutung zum anderen fehlten17, bleibe die Welt alles in allem ambivalent.18 Für Hick ist es deshalb eine Sache des Glaubens, ob man religiöse Phänomene religiös oder naturalistisch interpretiert.19

Details

Seiten
192
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631847671
ISBN (ePUB)
9783631847688
ISBN (MOBI)
9783631847695
ISBN (Paperback)
9783631844397
DOI
10.3726/b18056
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Interreligiöser Dialog Offenbarung Religion Glaube Heil Christentum Erlösung Rationalität Vernunft Religionspluralismus
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 192 S.

Biographische Angaben

Thomas Park (Autor:in)

Thomas Park studierte Religionsphilosophie und Erziehungswissenschaften, promovierte in Philosophie an der Seoul National Universität (Südkorea) und lehrt Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine Forschungsinteressen liegen in der Religionsphilosophie und der Philosophie des Geistes.

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Titel: Der Weg, die Wahrheit und das Leben
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