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Die Eigenkapitalüberlassung in der Umsatzsteuer

von Johannes Theobald (Autor:in)
©2020 Dissertation 306 Seiten

Zusammenfassung

Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, das bloße Halten einer Gesellschaftsbeteiligung sei keine unternehmerische Tätigkeit. In der Folge verwehrt sie sog. Finanzholdings die Unternehmereigenschaft und damit das Vorsteuerabzugsrecht. Nur Holdings, die ihren Beteiligungsgesellschaften steuerpflichtige Leistungen erbringen ,sog. Führungsholdings, seien aufgrund dieser Leistungen Unternehmer und könnten so in den Genuss des Vorsteuerabzugs auch aus beteiligungsbezogenen Eingangsleistungen kommen. Demgegenüber vertritt der Autor die Auffassung, mit dem bloßen Halten einer Gesellschaftsbeteiligung gehe regelmäßig die steuerbare Überlassung von Eigenkapital einher. Damit kommt er zur umfassenden Vorsteuerabzugsmöglichkeit aller Holdings.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Holdings als Unternehmer
  • I. Darstellung der verschiedenen Auffassungen
  • 1. Rechtsprechung
  • a) Halten einer Beteiligung grds. keine wirtschaftliche Tätigkeit
  • b) Halten einer Beteiligung ausnahmsweise eine wirtschaftliche Tätigkeit
  • aa) Eingriffsbeteiligungen
  • bb) Gewerbsmäßiger Wertpapierhandel
  • cc) Förderung einer unternehmerischen Tätigkeit
  • dd) Vermögensverwalter
  • c) Erbringen von Einlagen
  • 2. Verwaltung
  • 3. Auffassung, nach der die Organschaft die Unternehmereigenschaft vermitteln kann
  • 4. Theorie vom mittelbaren Unternehmer
  • II. Kritik an den verschiedenen Auffassungen
  • 1. Rechtsprechung
  • a) Halten einer Beteiligung grds. keine wirtschaftliche Tätigkeit
  • b) Halten einer Beteiligung ausnahmsweise eine wirtschaftliche Tätigkeit
  • aa) Eingriffsbeteiligungen
  • bb) Gewerbsmäßiger Wertpapierhandel
  • cc) Förderung einer unternehmerischen Tätigkeit
  • dd) Vermögensverwalter
  • c) Erbringen von Einlagen
  • 2. Verwaltung
  • 3. Auffassung, nach der die Organschaft die Unternehmereigenschaft vermitteln kann
  • 4. Theorie vom mittelbaren Unternehmer
  • III. Zusammenfassung
  • C. Eigene Auffassung
  • I. Einleitung
  • II. Leistung
  • 1. Kapitalgesellschaften
  • a) Bareinlage
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • (1) Allgemein zur umsatzsteuerlichen Leistung
  • (2) Eigenkapitalüberlassung als umsatzsteuerliche Leistung
  • (3) Dem steht nicht entgegen
  • (i) Regelung zur Geschäftsveräußerung im Ganzen
  • (ii) Leistung nicht nur im rechtlichen, sondern auch im wirtschaftlichen Sinn
  • (iii) Mitspracherechte der Gesellschafter
  • (iv) Gesellschaftsteuerrichtlinie
  • (v) Organschaft
  • (vi) Keine Eigenkapitalüberlassung an den privaten Endverbraucher
  • (vii) Leistung führt zu privatem Endverbrauch
  • (viii) Keine Ungleichbehandlung der Kapitalgesellschaften gegenüber den Einzelunternehmern
  • (ix) Eventueller Auflösungsverlust
  • (x) Sinn und Zweck der USt
  • b) Sacheinlage
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • (1) Sacheigentum
  • (2) Anteile an Drittgesellschaft
  • (3) Gegen Dritte gerichtete Geldforderungen
  • (4) Nutzungsrechte an Sachen und Immaterialgüterrechten
  • (5) Sonstige Sacheinlageobjekte ohne Dauercharakter
  • (6) Differenzhaftung
  • c) (Verdeckte) Sachübernahme und verdeckte Sacheinlage
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • d) Nebenleistungen und Nachschusspflichten
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • (1) Nebenleistungen
  • (2) Nachschuss
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • (1) Nebenleistungen
  • (2) Nachschuss
  • 2. Personengesellschaften
  • a) Bareinlage
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • b) Gegenstandseinbringung
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • (1) Quoad dominium
  • (2) Quoad sortem
  • (3) Quoad usum
  • (4) Differenzhaftung
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • (1) Quoad dominium
  • (2) Quoad usum
  • (3) Quoad sortem
  • (4) Differenzhaftung
  • c) Sonstige Beiträge
  • aa) Gesellschaftsrechtliche Einordnung
  • (1) Dienstleistungen
  • (2) Verlustausgleich und Nachschuss
  • bb) Umsatzsteuerliche Beurteilung
  • (1) Dienstleistungen
  • (2) Verlustausgleich und Nachschuss
  • III. Gegen Entgelt ausgeführt
  • 1. Ausgeschüttete oder entnommene Gewinne
  • a) Verhältnis des Entgelts zur Leistung
  • aa) Rechtsprechungsübersicht
  • bb) Im Einzelnen
  • (1) Finalität der Leistung
  • (2) Finalität des Entgelts
  • (3) Kausalität der Leistung für das Entgelt
  • (4) Unmittelbarer Zusammenhang von Leistung und Entgelt
  • (i) Einleitung
  • (ii) Unmittelbarer Zusammenhang
  • (iii) Rechtsverhältnis
  • (iv) Gegenseitigkeit
  • (v) Leistungsaustausch
  • (vi) Tatsächlicher Gegenwert
  • (5) Zwischenergebnis
  • b) Abwälzbarkeit der USt auf den Leistungsempfänger
  • c) Entgelt ist oder führt zu privatem Konsumaufwand
  • d) Bestimmtheit des Entgelts
  • e) Keine unzulässige Doppelbesteuerung
  • 2. Gewinnausschüttungen und -entnahmen gleichgestellte Zahlungen und Positionen
  • a) (Restlicher) handelsrechtliche Gewinn
  • b) Auflösungsgewinn
  • c) Veräußerungsgewinn
  • d) Entnahmen aus dem Kapitalanteil
  • e) Zahlungen aufgrund von effektiven Kapitalherabsetzungen
  • f) Auf Gewinnabführungsverträgen beruhende Zahlungen
  • IV. Von einem Unternehmer ausgeführt
  • 1. Einführung
  • 2. Charakter des Unternehmerbegriffs
  • 3. Geschriebene Tatbestandsmerkmale
  • a) Tätigkeit
  • b) Selbständigkeit
  • c) Gewerblich oder beruflich
  • d) Nachhaltigkeit
  • e) Einnahmenerzielungsabsicht
  • f) Zwischenergebnis
  • 4. Von der Rspr. aufgeworfene Kriterien
  • a) Einführung
  • b) Entwicklung der Rspr.
  • c) Kriterien im Einzelnen
  • aa) Keine private Vermögensverwaltung
  • (1) Einführung
  • (2) Wortlaut
  • (3) Systematik
  • (i) Einkünfte aus Gewerbebetrieb
  • (ii) Betrieb gewerblicher Art
  • (iii) Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
  • (iv) Handelsrecht
  • (4) Telos
  • (i) Telos des UStG
  • (ii) Telos des Unternehmerbegriffs
  • (5) Historie
  • (6) MwStSystRL
  • (7) Ergebnis
  • bb) Mindestleistungsumfang
  • cc) Intensität der Tätigkeit
  • dd) Marktbeteiligung
  • ee) Geschäftsbetrieb/Geschäftslokal
  • ff) Hinausgehen über bloße Gefälligkeit gegen Aufwandsersatz
  • gg) Zwischenergebnis
  • 5. Ergebnis
  • V. Im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt
  • VI. Im Inland ausgeführt
  • VII. Steuerfreiheit
  • VIII. Option zur Steuerpflicht
  • IX. Zeitpunkt der Entstehung der USt
  • X. Reverse Charge
  • XI. Überlegungen zur Umsetzung
  • XII. Zusammenfassung
  • D. Vorsteuerabzug in verschiedenen Holdingsituationen
  • I. Veräußerung einer Beteiligung
  • 1. Zivilrechtliche Einordnung des Vorgangs
  • 2. Umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs
  • a) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • aa) Vorliegen einer sonstigen Leistung
  • bb) Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen
  • cc) Steuerbarkeit des Umsatzes
  • (1) Rechtsprechung
  • (2) Verwaltung
  • (3) Literatur
  • dd) Steuerpflicht des Umsatzes
  • b) Eigene Auffassung
  • 3. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Allgemein zum Recht auf Vorsteuerabzug
  • c) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • aa) Nichtsteuerbare Beteiligungsveräußerung
  • bb) Steuerbare aber steuerfreie Beteiligungsveräußerung
  • cc) Geschäftsveräußerung im Ganzen876
  • dd) Steuerbare und steuerpflichtige Beteiligungsveräußerung
  • d) Eigene Auffassung
  • II. Erwerb einer Beteiligung
  • 1. Umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs
  • 2. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • c) Eigene Auffassung
  • III. Halten einer Beteiligung
  • 1. Umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs
  • a) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • b) Eigene Auffassung
  • 2. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • c) Eigene Auffassung
  • IV. Gesellschaftsgründung und effektive Kapitalerhöhung
  • 1. Umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs
  • a) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • b) Eigene Auffassung
  • 2. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • c) Eigene Auffassung
  • V. Austritt und Ausschluss aus einer Gesellschaft und Gesellschaftsauflösung
  • 1. Einleitung
  • 2. Gesellschaftsrechtliche Einordnung der Vorgänge
  • 3. Umsatzsteuerliche Beurteilung der Vorgänge
  • a) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • b) Eigene Auffassung
  • 4. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • c) Eigene Auffassung
  • VI. Eigenkapitalbezug
  • 1. Umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs
  • a) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • b) Eigene Auffassung
  • 2. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • c) Eigene Auffassung
  • VII. Fremdkapitalbezug
  • 1. Umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs
  • a) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • b) Eigene Auffassung
  • 2. Vorsteuerabzug
  • a) Betroffene Vorsteuerbeträge
  • b) Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • c) Eigene Auffassung
  • VIII. Zusammenfassung
  • E. Vorsteuerabzug bei Vorliegen einer Organschaft
  • I. Rechtsprechung
  • II. Eigene Auffassung
  • F. Fremdkapitalüberlassung und Factoring
  • I. Einleitung
  • II. Fremdkapitalüberlassung
  • 1. Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • 2. Eigene Auffassung
  • III. Factoring
  • 1. Einleitung
  • 2. Rechtsprechung, Verwaltung, Literatur
  • 3. Eigene Auffassung
  • G. Gesamtzusammenfassung
  • H. Literaturverzeichnis
  • I. Abkürzungsverzeichnis

←20 | 21→

A. Einleitung

Sowohl der EuGH als auch der BFH – mittlerweile dabei an die Rspr. des EuGH anknüpfend – stehen auf dem Standpunkt, der bloße Erwerb und das bloße Halten einer Gesellschaftsbeteiligung seien keine wirtschaftlichen respektive unternehmerischen Tätigkeiten. Damit sind die sog. Finanzholdings nach der Rspr. keine Unternehmer.

Nach Auffassung von EuGH und BFH gilt aber dann etwas anderes, wenn das Halten der Beteiligung unbeschadet der Rechte, die dem Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung besteht, wobei die Eingriffe des Gesellschafters in die Verwaltung seiner Gesellschaft als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen seien, soweit sie die Vornahme von Tätigkeiten einschließen, die der MwSt unterliegen, wie etwa die Erbringung von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen. Damit sind die sog. Führungsholdings nach der Rspr. Unternehmer.

Darauf aufbauend gewährt der EuGH Gesellschaftern, die ihren (zukünftigen) Tochtergesellschaften solche steuerbaren Eingriffsleistungen erbringen (wollen), grds. das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die auf den Eingangsleistungen lastet, die sie im Zusammenhang mit dem Erwerb, dem Halten oder der Veräußerung dieser Beteiligungen beziehen. Dazu führt er in fast allen Fällen aus, es bestehe zwar kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den besagten Eingangsleistungen und Ausgangsleistungen, die das Vorsteuerabzugsrecht eröffneten. Die Kosten für die Eingangsleistungen seien aber Teil der allgemeinen Kosten des Gesellschafters, so dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Eingangsleistungen und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Gesellschafters bestehe, soweit der Gesellschafter einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht respektive bei der Beteiligungsveräußerung mit den aus der Beteiligungsveräußerung eingenommenen Geldern einer solchen nachgehen will. Dabei sei das Halten von Beteiligungen, denen er steuerbare Eingriffsleistungen erbringt respektive erbringen will, in allen Fällen nicht vorsteuerabzugsschädlich. Diese Rspr. hat selbstverständlich dazu geführt, dass Holdings ihren (zukünftigen) Tochtergesellschaften steuerbare Eingriffsleistungen erbringen (wollen).

Holdings, die ihren (zukünftigen) Tochtergesellschaften diese Leistungen nicht erbringen (wollen), kommen nach Auffassung des EuGH hingegen nicht in den Genuss des Abzugs der bezeichneten Vorsteuern.

Nach einer Auffassung können diese Holdings die bezeichneten Vorsteuerbeträge aber dann abziehen, wenn sie mit ihren Tochtergesellschaften organschaftlich verbunden sind. Ihnen seien dann nämlich die Umsätze ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen.

Nach einer weiteren Auffassung können diese Holdings die bezeichneten Vorsteuerbeträge dann abziehen, wenn sie als geschäftsleitende Holdings, also als ←21 | 22→Holdings, die die Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften aufeinander abstimmen, ohne diesen steuerbare Eingriffsleistungen zu erbringen, zu qualifizieren sind. Dann seien ihnen nämlich für die Zwecke des Vorsteuerabzugs die Umsätze ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen.

M.E. sind die Gesellschafter von Personen- und Kapitalgesellschaften sehr wohl regelmäßig Unternehmer, und zwar unabhängig davon, ob sie neben dem Halten der Beteiligung ihrer Gesellschaft oder Dritten unumstritten steuerpflichtige Leistungen erbringen oder nicht. Das Halten einer Gesellschaftsbeteiligung geht m.E. nämlich regelmäßig mit der Überlassung von Eigenkapital durch den Gesellschafter an seine Gesellschaft gegen Beteiligung am Gewinn einher, worin m.E. ein steuerbarer Umsatz zu sehen ist.

←22 | 23→

B. Holdings als Unternehmer

I. Darstellung der verschiedenen Auffassungen

1. Rechtsprechung

a) Halten einer Beteiligung grds. keine wirtschaftliche Tätigkeit

Der EuGH ist der Auffassung, der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsbeteiligungen seien keine wirtschaftlichen Tätigkeiten. Damit sind Finanzholdings, also Holdings, die sich auf das bloße Halten von Beteiligungen beschränken, seines Erachtens keine Steuerpflichtigen. Dies begründete er anfangs ausschließlich damit, dass der bloße Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen darstelle, weil eine etwaige Dividende als Ergebnis der gehaltenen Beteiligung Ausfluss der bloßen Innehabung des Gegenstands Beteiligung sei.1 Damit knüpfte er an die Vorschrift an, nach der als wirtschaftliche Tätigkeit insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen gilt (Art. 4 Abs. 2 S. 2 6. RL; heute: Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 MwStSystRL).

Dieser Begründung stellte der EuGH später die Überlegung zur Seite, die Dividenden seien mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.2 Die Ausschüttung von Dividenden setze im Regelfall ausschüttungsfähige Gewinne voraus und sei somit von der Ertragsbilanz der Gesellschaft abhängig. Ferner bestimme sich die jeweilige Höhe der Dividende nach der Art der Beteiligung, insbesondere der Art der Aktien, und nicht nach der Identität des Inhabers der Beteiligung.

Im Jahr 2004 schließlich führte der EuGH im Urteil EDM aus, der Ertrag von Anlagen in Investmentfonds stelle nicht die unmittelbare Gegenleistung für Dienstleistungen dar, die in der Überlassung von Kapital an Dritte bestünden.3 Wie ←23 | 24→bei Dividenden könne ein solcher Ertrag nicht als tatsächlicher Gegenwert einer erbrachten Dienstleistung angesehen werden.4

Der BFH steht ebenfalls auf dem Standpunkt, das bloße Erwerben und Halten einer Beteiligung sei keine unternehmerische Tätigkeit. Damit sind auch seiner Auffassung nach Finanzholdings keine Unternehmer. Im Laufe der Zeit verschob sich allerdings seine Argumentation:

Im Jahr 1987 führte er im Urteil V R 3/77 aus, das bloße Erwerben und Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sei keine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit.5 Dabei ließ er ausdrücklich offen, ob sich dieses Ergebnis damit begründen lässt, dass keine Leistungen im wirtschaftlichen Sinn vorliegen. Es könne zwar nicht in Abrede gestellt werden, dass auch das Erwerben und Halten von Beteiligungen auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei. Es sei aber ausschlaggebend, dass die Einnahmeerzielung durch Zufluss von Zinsen und anderen Erträgen aus Kapitalanlagen und -beteiligungen nicht auf nachhaltiger gewerblicher oder beruflicher Betätigung beruhe. Das bloße Einsammeln von Nutzungen aus einem Kapitalbestand sei nämlich nicht unternehmerisch, sondern lediglich private Kapitalansammlung.

Im darauf folgenden Jahr wiederholte er im Urteil X R 48/81 diese Argumentation bzgl. des Haltens einer Beteiligung an einer Personengesellschaft.6 Ergänzend führte er aus, der Gesellschafter einer Personengesellschaft stehe dieser nicht in einem Austauschverhältnis gegenüber, soweit er lediglich am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft teilnimmt.7

Mit dieser Ergänzung knüpfte der BFH an seine Rspr. an, nach der bei Personengesellschaften zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nur dann ein Leistungsaustausch gegeben ist, wenn der Gesellschafter eine Leistung gegen Sonderentgelt erbringt, wobei es gleichgültig sein soll, ob die Leistung auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruht oder nicht8. Dagegen liegt nach dieser Rspr. ein nichtsteuerbarer Gesellschafterbeitrag vor, wenn der Gesellschafter eine Leistung erbringt, die durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten wird. Diese ←24 | 25→Abgrenzung stützte er auf folgende Erwägungen: Der von der Gesellschaft erwirtschaftete Gewinn sei auf Grund des Gesamthandverhältnisses der gemeinsame Gewinn der Gesellschafter. Der Zufluss des Gewinns beim Gesellschafter beruhe mithin auf einem Gemeinschaftsverhältnis der Gesellschafter untereinander, nicht dagegen auf einem Austauschverhältnis, d.h. einer konkreten Leistungsbeziehung der Gesellschafter zur Gesellschaft. Eines solchen bedürfe es jedoch zur Bejahung eines Leistungsaustauschs. Später führte der BFH aus, diese Rspr. genüge auch den Vorgaben des EuGH, der einen unmittelbaren Zusammenhang von Leistung und Entgelt fordere, der bei einer allg. Gewinnbeteiligung aber nicht gegeben sei.9

Seine Auffassung, nach der es in den bezeichneten Fällen an einem Austauschverhältnis fehlt, begründete er nicht nur damit, dass der Zufluss des Gewinns auf einem Gemeinschaftsverhältnis beruhe. Dazu führte er bspw. auch aus, die Verpflichtung des Gesellschafters sei auf Leistungsvereinigung gerichtet.10 In einem Urteil ging er davon aus, es fehle am ursächlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt.11 Auch argumentierte er, es sei kein konkretes Entgelt gegeben.12

Mittlerweile beruft sich der BFH nur noch auf die Rspr. des EuGH, nach der das bloße Erwerben und Halten von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt.13

b) Halten einer Beteiligung ausnahmsweise eine wirtschaftliche Tätigkeit
aa) Eingriffsbeteiligungen

Der EuGH steht auf dem Standpunkt, der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsbeteiligungen stellten keine wirtschaftlichen Tätigkeiten dar. Etwas anderes gelte aber, wenn die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die dem Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren ←25 | 26→oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung besteht.14 Die Eingriffe des Gesellschafters in die Verwaltung seiner Gesellschaft seien als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 2 6. RL (heute: Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 MwStSystRL) anzusehen, soweit sie die Vornahme von Tätigkeiten einschließen, die gem. Art. 2 6. RL (heute: Art. 2 Abs. 1 lit. a) und lit. c) MwStSystRL) der MwSt unterliegen, wie etwa die Erbringung von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen.15 Im Jahr 2018 stellte der EuGH im Urteil Marle Participations klar, dass es sich dabei nicht um eine abschließende Aufzählung handele, sondern dass Eingriffsleistungen alle Umsätze seien, die eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. MwStSystRL darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden.16

Der BFH hat sich zu keiner Zeit selbständig so geäußert, dass man in Erwägung hätte ziehen müssen, dass er auf dem Standpunkt steht, dass das Halten einer Beteiligung dann eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, wenn es mit steuerbaren Eingriffsleistungen einhergeht. Mittlerweile hat er aber die soeben dargestellte Rspr. des EuGH übernommen.17

bb) Gewerbsmäßiger Wertpapierhandel

Im Jahr 1996 entschied der EuGH im Urteil Wellcome Trust, dass dann, wenn der Erwerb einer Beteiligung keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, dies auch für die Veräußerung solcher Beteiligungen gelte.18 Damit übernahm er den Vortrag der Kommission. Daran anschließend folgerte er aus der Vorschrift, nach der die Umsätze, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, von den Mitgliedstaaten von der Steuer zu befreien sind (Art. 13 Teil B lit. d) Nr. 5 6. RL, heute: Art. 135 Abs. 1 lit. f) MwStSystRL), dass diese Umsätze in den Anwendungsbereich der MwSt fallen können.19 Sie fielen unter anderem dann in den Anwendungsbereich der MwSt, ←26 | 27→wenn sie im Rahmen eines gewerbsmäßigen Wertpapierhandels erfolgen.20 Dies begründete er nicht genauer. Diese Rspr. hat er seit dem regelmäßig wiederholt.21

Der BFH hatte sich bereits im Jahr 1987 im Urteil V R 3/77 auf den Standpunkt gestellt, eine unternehmerische Betätigung liege dann vor, wenn jemand durch geschäftsmäßigen An- und Verkauf von Gesellschaftsbeteiligungen wie ein Händler auftritt und damit eine nachhaltige, auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet.22

Die Rspr. hat sich nicht dazu geäußert, wie in diesen Fällen das Halten der Beteiligungen einzuordnen ist. Wenn der EuGH so zu verstehen sein sollte, dass das Halten von Eingriffsbeteiligungen selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, dann dürfte er auch beim gewerblichen Wertpapierhandel das Halten der Beteiligungen als wirtschaftliche Tätigkeit einordnen.

cc) Förderung einer unternehmerischen Tätigkeit

Im Jahr 1988 entschied der BFH, nicht jede Beteiligung an einer Gesellschaft sei der nichtunternehmerischen Sphäre zuzurechnen.23 Beteiligungen, die erworben werden, um sich Einfluss bei einem potenziellen Konkurrenten zu verschaffen oder um einen Lieferanten oder Kunden zu stützen, könnten zum Beispiel anders zu beurteilen sein. Damit bejahte er in diesen Fällen das Recht der Gesellschafter auf Abzug der Vorsteuer, die auf den beteiligungsbezogenen Eingangsleistungen lasten, erkannte aber auch in diesen Fällen in dem Halten der Beteiligung selbst keinen Umsatz.

Der EuGH hingegen hat sich nicht mit dem Halten von Beteiligungen auseinandergesetzt, das eine wirtschaftliche Tätigkeit des Gesellschafters fördert, die nicht in der Erbringung von bspw. administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft besteht.

dd) Vermögensverwalter

Im Jahr 2004 führte der EuGH im Urteil BBL, anknüpfend an seine Rspr., nach der der bloße Verkauf von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt und sich aus der Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 13 Teil B lit. d) Nr. 5 6. RL ergibt, dass manche Veräußerungen von Gesellschaftsbeteiligungen steuerbar sein müssen, aus, die Tätigkeit eines Fonds, der beim Publikum beschaffte ←27 | 28→Gelder für gemeinsame Rechnung in Gesellschaftsanteile anlegt, gehe über den bloßen Erwerb und den bloßen Verkauf von Gesellschaftsanteilen hinaus und diene der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen und stelle damit eine wirtschaftliche Tätigkeit dar.24 Der EuGH hat sich nicht dazu geäußert, wie in diesen Fällen das Halten von Beteiligungen einzuordnen ist. Wenn seine Rspr. zu den Eingriffsbeteiligungen aber so zu verstehen sein sollte, dass das Halten dieser Beteiligungen selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, sollte nach seiner Rspr. auch vorliegend das Halten von Beteiligungen als wirtschaftliche Tätigkeit einzuordnen sein.

Der BFH hat sich nicht mit der vorliegenden Konstellation auseinandergesetzt.

c) Erbringen von Einlagen

Der EuGH hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob das Erbringen einer Einlage einen steuerbaren Umsatz darstellen kann.

Auf nationaler Ebene aber hat sich bereits der RFH mit dieser Frage befasst. Im Jahr 1925 stellte er sich auf den Standpunkt, bei Personengesellschaften könne in der Erbringung einer Einlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten kein steuerbarer Umsatz gesehen werden, da der Vorgang der Gründung einer GbR der Gesellschaftsteuer unterliege und nicht anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber eine Doppelbesteuerung beabsichtigt habe, die eintreten würde, wenn das Einbringen von Sachgütern der USt unterworfen würde.25 Außerdem müsse andernfalls die Gewährung der Gesellschaftsrechte unter Umständen als steuerpflichtige Leistung behandelt werden. Später stellte er sich auf den gegenteiligen Standpunkt.26 Der Gedanke der Doppelbesteuerung trage nicht, da die USt und die Gesellschaftsteuer unterschiedliche Tatbestände erfassten. Die Kapitalverkehrsteuer greife den Erwerb von Gesellschaftsrechten an Personengesellschaften, die USt aber Leistungen gegen Entgelt durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens auf. Des Weiteren bestehe bei der Ablehnung eines Umsatzes ein Anreiz, die Veräußerung großer Warenbestände in die Form der Gründung einer Personengesellschaft aus Lieferer und Abnehmer zu kleiden.

Im Jahr 1964 führte der BFH im Urteil V 290/61 U aus, dass dann, wenn ein Einzelunternehmer nur Aktivwerte in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen einbringt, die Gegenleistung in den Gesellschaftsanteilen zu sehen sei, wenn er aber Aktiva und Passiva einbringt, das Entgelt in den Gesellschaftsanteilen und in der Übernahme der Schulden bestehe.27

←28 | 29→

Im Jahr 1987 äußerte er im Urteil V R 3/77, die Einbringung eines Unternehmens in eine Personengesellschaft unter Beteiligung des Einbringenden am Gesellschaftsvermögen sei eine entgeltliche Geschäftsveräußerung im Ganzen, die jedenfalls dann steuerbar sei, wenn sie der letzte Akt der vorangegangenen unternehmerischen Tätigkeit des eingebrachten Unternehmens sei.28 Damals war noch nicht geregelt, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ein nichtsteuerbarer Vorgang ist. In dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt kaufte die Klägerin ein Unternehmen und brachte es noch am selben Tag in eine neu gegründete KG ein. Der BFH stellte sich auf den Standpunkt, die Einbringung stelle in einer solchen Situation nicht den letzten Akt einer unternehmerischen Tätigkeit dar und lehnte damit die Nachhaltigkeit der Tätigkeit der Klägerin ab.29 Auch aus der Tatsache, dass die Einbringung mehrere Umsätze umfasst, ergebe sich nicht ihre Nachhaltigkeit.

Im Jahr 1995 verwies der BFH im Urteil XI R 63/94 auf seine bereits vorgestellte Rspr.30, nach der die Steuerbarkeit der Leistungen von Gesellschaftern an ihre Gesellschaften davon abhängt, ob die Leistungen gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, oder ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch eine Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden.31 Darauf aufbauend entschied er, ein Einzelunternehmer, der seine Wirtschaftsgüter zu Eigentum in eine neu gegründete Personengesellschaft einbringt, verfolge damit die Verschaffung der gesamthänderischen Beteiligung an dieser Gesellschaft.32 Der Umstand, dass der Gesellschafter die Mitgliedschaft und die Teilhabe am Gesellschaftsvermögen bereits vorab von den Mitgesellschaftern, mit denen er den Gesellschaftsvertrag geschlossen hat, erhalten hat, stehe dem nicht entgegen. Der Gesellschafter leiste an die Gesellschaft, um hierdurch seine Gesamthandsbeteiligung zu begründen und diese mit wirtschaftlichem Wert zu versehen. Die Sacheinlage bedinge die Gesellschaftsanteile und erfolge wegen dieser. Sacheinlage und Gesellschaftsanteile stünden zueinander in unmittelbarem Zusammenhang. Es handele sich auch nicht um eine nichtsteuerbare Leistungsvereinigung.33 Des Weiteren gingen auch die Vorschriften zur Geschäftsveräußerung im Ganzen, die unter anderem bestimmen, dass die Mitgliedstaaten die Übertragungen eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgen, so behandeln können, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, vom Vorliegen eines Leistungsaustauschs aus.

←29 | 30→

Seine Auffassung, nach der die Einbringung von Wirtschaftsgütern durch einen Unternehmer in eine Personengesellschaft zu Eigentum gegen Beteiligung an der Personengesellschaft ein steuerbarer Umsatz ist, hat der BFH bis heute regelmäßig wiederholt und auch für die Einbringung von Wirtschaftsgütern in Kapitalgesellschaften vertreten.34 Dabei äußerte er auch noch, die Gesellschaftsteuerrichtlinie35 stehe dieser Auffassung nicht entgegen.36 Des Weiteren wies er darauf hin, dass ein steuerbarer Umsatz in diesen Sachverhalten seit dem 1. Januar 1994 aber dann nicht mehr vorliege, wenn eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben ist, da seit diesem Tag § 1 Abs. 1a UStG in Kraft ist.37

Im Jahr 2005 befasste sich der BFH im Urteil V R 7/04 mit einem anderweitig nicht Steuerpflichtigen, der Sachanlagevermögen von einer GmbH erworben und in sechs neu gegründete GmbHs eingebracht hatte. Dabei ging er vom Vorliegen einer nachhaltigen Tätigkeit aus, da die fragliche Person gleich sechs GmbHs Sacheinlagen erbracht hatte und das Sachanlagevermögen seiner Auffassung nach eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gehabt hatte.38 Des Weiteren führte er aus, diese Einordnung stehe auch nicht im Widerspruch zu den Wertungen des Urteils V R 3/77. Gegenstand dieser Entscheidung seien zwar mehrere Verfügungsgeschäfte gewesen, diese hätten sich aber in einem einzigen Einbringungsvorgang vollzogen.

Zur Bareinlage ist noch auf das Urteil V R 63/68 aus dem Jahr 1972 hinzuweisen. In diesem befasste sich der BFH mit der Bareinlage einer atypisch stillen Gesellschafterin. Dabei stellte er sich auf den Standpunkt, die stille Gesellschaft sei Empfängerin der Leistung, da sie die von der Gesellschafterin ihr gegenüber erbrachte Leistung der Kapitaleinlage nicht weitergebe, also das letzte Glied der Umsatzkette sei, und so auch als Nichtunternehmerin Empfängerin der Leistung sein könne.39 In der Folge komme es für die Frage der Steuerbarkeit dieser Leistung allein darauf an, ob die Leistung durch Leistungsentgelt abgegolten wird oder ob die Gesellschafterin lediglich am Gewinn der stillen Gesellschaft beteiligt ist und so eine Gegenleistung i.S.d. Umsatzsteuerrechts nicht vorliege.40 Zwar verabschiedete sich der BFH später von der Auffassung, eine Innengesellschaft könne dann ←30 | 31→Empfängerin einer umsatzsteuerlichen Leistung sein, wenn sie das letzte Glied der Umsatzkette ist, sie die Leistung also nicht weitergibt.41 Es sieht aber so aus, als sei er auch im Urteil V R 63/68 davon ausgegangen, dass eine Kapitaleinlage eine umsatzsteuerliche Leistung darstellt.

2. Verwaltung

Die Verw. steht auf dem Standpunkt, das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen stelle grds. keine unternehmerische Tätigkeit dar.42 Es liege aber dann eine unternehmerische Tätigkeit vor, wenn die Beteiligungen im Sinne eines gewerblichen Wertpapierhandels gewerbsmäßig erworben und veräußert werden und dadurch eine nachhaltige, auf Einnahmeerzielungsabsicht gerichtete Tätigkeit entfaltet wird.43 Des Weiteren sei das Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen dann eine unternehmerische Tätigkeit, wenn die Beteiligungen nicht um ihrer selbst willen gehalten werden, sondern der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit dienen.44 Schließlich liege dann eine unternehmerische Tätigkeit vor, wenn der Gesellschafter, abgesehen von der Ausübung seiner Rechte als Gesellschafter, unmittelbar in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligungen bestehen, eingreift.45 Die Eingriffe müssten dabei zwingend durch unternehmerische Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 UStG erfolgen. Hierbei könne es sich z.B. um administrative, finanzielle, kaufmännische oder technische Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft handeln. So sei eine Holding, die im Sinne einer einheitlichen Leitung aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochtergesellschaften eingreift (sog. Führungs- oder Funktionsholding), unternehmerisch tätig.46 Wenn eine Holding aber nur gegenüber einigen Tochtergesellschaften geschäftsleitend tätig wird, während sie Beteiligungen an anderen Tochtergesellschaften lediglich hält und verwaltet (sog. gemischte Holding), habe sie sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich.47

Im Übrigen seien Finanzinvestoren, die (sanierungsreife) Gesellschaften erwerben, um sie nach erfolgter Sanierung gewinnbringend zu veräußern, insoweit Unternehmer.48 Dabei seien der Erwerb und das Halten der gesellschaftsrechtlichen ←31 | 32→Beteiligung unabdingbare Voraussetzungen für die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung werde daher im unternehmerischen Bereich des Finanzinvestors gehalten.

Weiterhin steht die Verw. auf dem Standpunkt, Sacheinlagen eines Gesellschafters seien dann umsatzsteuerbar, wenn es sich um Lieferungen oder sonstige Leistungen im Rahmen eines Unternehmens des Gesellschafters handelt und keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt.49 Das Entgelt bestehe in der Verschaffung der Beteiligung an der Gesellschaft.50

3. Auffassung, nach der die Organschaft die Unternehmereigenschaft vermitteln kann

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 3 UStG bestimmt, dass die im Inland gelegenen Unternehmensteile einer Organschaft als ein Unternehmen zu behandeln sind. Vor dem Hintergrund, dass gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG Voraussetzung einer Organschaft die Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers ist, ergibt sich aus dieser Vorschrift, dass bei Vorliegen einer Organschaft die Umsätze der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen sind.

Daraus folgt, dass dann, wenn die Erbringung eigener steuerbarer Umsätze durch den potenziellen Organträger keine Voraussetzung für die Bildung einer Organschaft sein sollte, die Organschaftsregelung den Organträgern die Unternehmereigenschaft ihrer Organgesellschaften vermitteln würde. So könnten auch die Gesellschafter, die von der Rspr. grds. nicht als Unternehmer eingeordnet werden, zum Unternehmer werden.

Im Jahr 1959 stellte sich der BFH auf den Standpunkt, bei der Prüfung, ob eine Mutter-AG eine Tätigkeit ausübt, die als Unternehmen anzusehen ist, und bejahendenfalls, ob ihre Tochter-AGs in dieses Unternehmen eingegliedert sind, könne die Stellung der beteiligten AGs nicht isoliert für sich betrachtet werden, sondern es unterliege der gesamte Sachverhalt der Würdigung.51 Nach ständiger Rspr. sei für die Frage der Organschaft nämlich das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse entscheidend und somit auch für die Frage, ob eine Mutter-AG ein Unternehmen betreibt. Es seien deshalb sowohl der satzungsmäßige Zweck der Mutter-AG als auch die vertraglichen Abmachungen, die zu dem tatsächlich bestehenden Verhältnis zwischen Mutter-AG und Tochter-AGs führen, in ihrer wirtschaftlichen gegenseitigen Bedeutung zu prüfen und zu beurteilen.

Auf dieser Grundlage entschied der BFH zu dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall, in dem die Verträge zwischen der Mutter-AG und den beiden hundertprozentigen Tochter-AGs bestimmten, dass die Tochter-AGs im Innenverhältnis ausschließlich für Rechnung der Mutter-AG und nach ihrem Willen und nach ihren ←32 | 33→Weisungen zu handeln hatten,52 und in dem nach der Satzung der Mutter-AG ihr Unternehmensgegenstand Kohlenbergbau, Stahlerzeugung und Ähnliches durch Beteiligung an ihren Tochter-AGs war,53 dass die Mutter-AG wirtschaftlich und tatsächlich als die Unternehmerin der Werke der Tochter-AGs erachtet werden müsse.54 Unter Verweis auf Rspr. des RFH55 äußerte er noch, der Umstand, dass die Umsätze nicht im Namen der Mutter-AG, sondern in dem der Tochter-AGs erfolgen, die Mutter-AG also nach außen nicht erkennbar hervortritt, vermöge hieran nichts zu ändern. Da er die Tochter-AGs für in die Mutter-AG eingegliedert hielt56, lehnte er das Vorliegen einer Unternehmereinheit57 zwischen den beiden Tochter-AGs ab und hielt so die Lieferungen der einen Tochter-AG an die andere Tochter-AG für steuerpflichtig. Damals gehörte zur Rechtsfolge der Organschaft nämlich noch nicht das Vorliegen eines einheitlichen Unternehmens bestehend aus allen nichtselbständigen Einheiten.58

Die Verw. übernahm diesen Standpunkt, indem sie in den UStR auf dieses Urteil ausdrücklich Bezug nahm und ausführte, für die Frage, ob der Organträger eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, sei es nicht nötig, dass er Umsätze im eigenen Namen bewirkt, also nach außen erkennbar hervortritt.59 Es reiche aus, wenn er sich hierbei der Tochtergesellschaften als seiner Organe bediene.

Im Jahr 2002 verabschiedete sich der BFH unter Verweis auf das EuGH-Urteil Cibo Participations aus dem Vorjahr von seiner bisherigen Rspr.60 Die Eigenschaft als Unternehmer könne durch eine bloße Beteiligung nicht erlangt werden. Im Urteil Cibo Participations hatte der EuGH seine Rspr. aus dem Urteil Floridienne, Berginvest wiederholt, nach der Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Unternehmen, an denen es Beteiligungen erworben hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit sind, wenn sie Tätigkeiten darstellen, die gem. Art. 2 6. RL der MwSt unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen.

Details

Seiten
306
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631815014
ISBN (ePUB)
9783631815021
ISBN (MOBI)
9783631815038
ISBN (Hardcover)
9783631807552
DOI
10.3726/b16654
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
Finanzholdings Führungsholdings Vorsteuerabzug Organschaft Beteiligungsveräußerung Beteiligungserwerb Gesellschaftsgründung Eigenkapitalbezug Fremdkapitalbezug Factoring
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 306 S.

Biographische Angaben

Johannes Theobald (Autor:in)

Johannes Theobald studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Unternehmens- und Gesellschaftsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Parallel zu seiner Promotion war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten WP, StB Fritz Güntzler im Bereich der Steuerpolitik tätig.

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Titel: Die Eigenkapitalüberlassung in der Umsatzsteuer
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