Lade Inhalt...

Die Zweckübertragungslehre im Urheberrecht und ihre Anwendbarkeit im Patent- und Markenrecht

von Clarissa Katharina Kraus (Autor:in)
©2020 Dissertation 254 Seiten

Zusammenfassung

Nach der urheberrechtlichen Zweckübertragungslehre räumt der Urheber im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte an seinem Werk ein, wie dies für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist.
Weder das Patent- noch das Markenrecht kennen eine der Zweckübertragungslehre vergleichbare Auslegungsregel. Vor diesem Hintergrund geht die Autorin der Frage nach, ob die Lehre in diesen beiden Rechtsgebieten Anwendung findet. Die Autorin setzt sich dabei insbesondere kritisch mit einer analogen Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG im Patent- und Markenrecht auseinander.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Fragestellung
  • B. Stand der Forschung
  • Kapitel 1: Die Entstehung der Zweckübertragungslehre
  • A. Das deutsche Urheberrecht am Ende des 19. Jahrhunderts
  • I. Die translative Übertragung des Urheberrechts
  • II. Persönliche Interessen des Urhebers
  • B. Persönlichkeitsrecht und Urheberpersönlichkeitsrecht um 1900
  • I. Persönlichkeitsrechte nach Karl Gareis und Otto von Gierke
  • II. Die Lehre von den sog. Immaterialgüterrechten von Josef Kohler
  • III. Die Anerkennung des Urheberpersönlichkeitsrechts durch die Rechtsprechung
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Die Reaktion des Gesetzgebers auf die Entstehung neuer Verwertungsmöglichkeiten
  • I. Die Entstehung neuer Verwertungsmöglichkeiten
  • II. Die Reaktion des Gesetzgebers
  • D. Erste Schutzinstrumente der Literatur zur Begrenzung des Umfangs der Rechtseinräumung zu Gunsten der Urheber
  • E. Zivilrechtliche Lösungsansätze zur Überwindung der Auswirkungen der inflationsbedingten Geldentwertung auf die Honorare der Autoren
  • I. Die Auswirkungen der Inflation auf das Verlagswesen
  • II. Vertragsauslegung und Vertragsanpassung als Instrumente der zivilrechtlichen Vertragskorrektur
  • III. Zwischenergebnis
  • F. Die Lehre von der Zweckübertragung im Urheberrecht
  • I. Lehre von der Zweckübertragung des Urheberrechts bei Wenzel Goldbaum
  • II. Finanzielle Absicherung der Urheber durch Zurückbehaltung der Nutzungsrechte
  • III. Bindung neu entstandener Nutzungsrechte an die Person des Urhebers
  • G. Zusammenfassung
  • Kapitel 2: Die Rezeption der Zweckübertragungslehre
  • A. Die Rezeption der Zweckübertragungslehre in den 1920er und 1930er Jahren
  • I. Die Zweckübertragungslehre in der Rechtsprechung des Reichsgerichts
  • II. Anerkennung und Kritik der zeitgenössischen Literatur für die Zweckübertragungslehre
  • III. Der Gedanke der Zweckübertragungslehre in den Gesetzesentwürfen der 1920er und 1930er Jahre
  • B. Die Zweckübertragungslehre zwischen 1945 und 1965
  • I. Die Rechtsprechung des BGH bis 1965
  • II. Die Literatur nach 1945
  • C. Zusammenfassung
  • Kapitel 3: Die Einordnung der Zweckübertragungslehre in das geltende Urheberrecht
  • A. Die Zweckübertragungslehre und § 31 Abs. 5 UrhG
  • B. Rechtscharakter der Zweckübertragungslehre
  • I. Die Zweckübertragungslehre als Auslegungsregel
  • II. Die Zweckübertragungslehre als Verfügungsbeschränkung
  • 1. Verfügungsbeschränkungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
  • 2. Keine Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts bei Anwendung der Zweckübertragungslehre
  • 3. Kein einseitiger Schutz der Interessen des Urhebers
  • 4. Fehlende Drittwirkung der Zweckübertragungslehre
  • 5. Urheberpersönlichkeitsrechtliche Besonderheiten des Urheberrechts
  • 6. Zwischenergebnis
  • III. Die Ermittlung des Vertragszwecks im Sinne der Zweckübertragungslehre
  • C. Die Vereinbarkeit von Buy-Out-Verträgen mit der Zweckübertragungslehre
  • D. Die Zweckübertragungslehre als Korrektiv für die fehlende zusätzliche Vergütung von Arbeitnehmerurhebern bei der Inanspruchnahme ihrer Werke
  • I. Fehlende Sondervergütung von Arbeitnehmerurhebern
  • 1. Stillschweigende Übertragung von Nutzungsrechten an Pflichtwerken des Arbeitnehmerurhebers durch Abschluss des Arbeitsvertrages
  • 2. Trennung zwischen Lohnzahlung und Vergütung
  • 3. Anspruch des Arbeitnehmerurhebers auf angemessene Vergütung gemäß § 32 UrhG
  • 4. Weitere Beteiligung des Urhebers an den Erträgen der Verwertung seines Werkes gemäß § 32a UrhG
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Die Zweckübertragungslehre als Korrektiv für die vergütungsrechtliche Ungleichbehandlung von Arbeitnehmerurhebern
  • 1. Beschränkung der Einräumung von Nutzungsrechten auf den Betriebszweck
  • 2. Die Zweckübertragungslehre als Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber- und Urheberinteressen
  • E. Ausblick: Ist die Zweckübertragungslehre noch zeitgemäß?
  • F. Zum Rechtscharakter des § 31 Abs. 5 UrhG
  • I. § 31 Abs. 5 UrhG als Formvorschrift?
  • II. Die Norm des § 31 Abs. 5 UrhG als Auslegungsnorm
  • G. Zusammenfassung
  • Kapitel 4: Zur Anwendbarkeit der Zweckübertragungslehre im Patentrecht
  • A. Die Rezeption der Zweckübertragungslehre im Patentrecht
  • B. Vergleichsweise schwach ausgeprägte Bindung des Erfinders an seine Erfindung
  • I. Die Anerkennung der persönlichkeitsrechtlichen Seite des Erfinderrechts
  • II. Das Erfinderpersönlichkeitsrecht als schwache Rechtsposition
  • 1. Divergierende Schutzgegenstände
  • 2. Erfinderpersönlichkeitsrecht und Urheberpersönlichkeitsrecht
  • a. Urheberpersönlichkeitsrecht
  • b. Erfinderpersönlichkeitsrecht
  • c. Zwischenergebnis
  • C. Das Bedürfnis des Einzelerfinders an einer angemessenen Beteiligung an der Verwertung seines Schutzrechts
  • D. Fehlende vergleichbare Schutzbedürftigkeit von veräußernden Unternehmen vor unangemessener Beteiligung an der Verwertung des Schutzrechts
  • E. Die angemessene Beteiligung des Arbeitnehmererfinders an den wirtschaftlichen Erträgen seiner Erfindung
  • I. Zusätzliche Vergütung des Arbeitnehmererfinders bei Inanspruchnahme seiner Erfindung
  • II. Ursachen für die Unterschiede zwischen der Vergütung von Arbeitnehmererfindern und Arbeitnehmerurhebern
  • 1. Sondervergütung für „Gefolgschaftsmitglieder“ als Ansporn zum erfinderischen Tätigwerden
  • 2. Die Erfindung als „wertvolleres Arbeitsergebnis“ im Vergleich zum urheberrechtlichen Werk
  • 3. Die Erfindung als Sonderleistung des Arbeitnehmererfinders
  • III. Keine Anwendbarkeit der Zweckübertragungslehre im Arbeitnehmererfinderrecht
  • F. Zusammenfassung
  • Kapitel 5: Zur Anwendbarkeit der Zweckübertragungslehre im Markenrecht
  • A. Loslösung von der Einordnung der Marke als Persönlichkeitsrecht
  • I. Bindung des Warenzeichens an den Geschäftsbetrieb
  • II. Das Warenzeichenrecht als Persönlichkeitsrecht
  • III. Die „Entpersönlichung“787 des Markenrechts
  • B. Das Interesse der Vertragsparteien an einer umfangreichen Verwertung von Markenrechten
  • I. Die Marke als selbständiges und wertvolles Wirtschaftsgut
  • II. Die Interessen der Parteien an einer eigenständigen Verwertung von Markenrechten
  • III. Fehlende vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Markeninhabers vor unangemessener finanzieller Beteiligung an der Verwertung der Marke
  • C. Die markenmäßige Verwertung von Bestandteilen der menschlichen Persönlichkeit
  • I. Die wirtschaftliche Bedeutung der sogenannten Personenmarken
  • II. Die Marken- und Eintragungsfähigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen
  • 1. Markenfähigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen gem. § 3 MarkenG
  • 2. Eintragungsfähigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen gem. § 8 MarkenG
  • a. Fehlende Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
  • aa. Der Name einer Person
  • bb. Das Bildnis einer Person
  • cc. Die Stimme einer Person
  • b. Beschreibender Charakter des Zeichens, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
  • aa. Der Name einer Person
  • bb. Das Bildnis einer Person
  • cc. Die Stimme einer Person
  • c. Zwischenergebnis
  • III. Die Personenmarke als verkehrsfähiges, frei veräußerliches Vermögensgut
  • IV. Keine Anwendung der Zweckübertragungslehre bei der Verwertung der Personenmarke
  • D. Zusammenfassung
  • Kapitel 6: Zur analogen Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG im Patent- und Markenrecht
  • A. Grundgedanke des § 31 Abs. 5 UrhG915
  • B. Zur analogen Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG im Patentrecht
  • I. Planwidrige Regelungslücke
  • II. Vergleichbare Interessenlage
  • C. Zur analogen Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG im Markenrecht
  • I. Planwidrige Regelungslücke
  • II. Vergleichbare Interessenlage
  • D. Zusammenfassung
  • Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Schutz des Urhebers vor einem umfangreichen Verlust von Nutzungsrechten an seinem Werk ist nicht erst das Anliegen der jüngeren urheberrechtlichen Literatur, sondern bewegt diese schon seit der Jahrhundertwende. Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch das Verlagswesen die dominierende Verwertungsart urheberrechtlicher Werke war,1 entstanden um das Jahr 1900 neue Verwertungsmöglichkeiten wie etwa der Phonograph, später dann das Grammophon, der Rundfunk und der Film. Bei Abschluss der Verlagsverträge um die Wende zum 20. Jahrhundert hatten Urheber und Verleger zumeist nur die „Übertragung des gesamten Urheberrechts“ vereinbart. Mit der Entstehung neuer Verwertungstechniken stellte sich die Frage, ob auch diese Bestandteil der Nutzungsrechtseinräumung des ursprünglichen Vertrages geworden waren. Freilich nahmen die Verleger die neu entstandenen Verwertungsmöglichkeiten in ihr Repertoire auf, da sie bei wortlautgetreuer Auslegung des Vertrages das gesamte Urheberrecht an den Werken beanspruchen konnten. Die Urheber sahen dagegen die neu entstandenen Rechte an ihren Werken weiter bei sich, zumal noch keine der Parteien bei Abschluss des Verlagsvertrages Schallplatte, Film oder Rundfunk kannte.

Die Frage nach einer rechtlichen Zuordnung von neu entstehenden Verwertungsmöglichkeiten beschäftigt Rechtsprechung und Literatur bis heute. Insbesondere durch die stetig wachsende Digitalisierung kann ein urheberrechtliches Werk im 21. Jahrhundert in einer Vielzahl von Arten vervielfältigt werden. Beispielsweise wird der Urheber eines Zeitungsartikels damit konfrontiert, dass sein Artikel heute nicht mehr nur in der Printausgabe der Zeitung, sondern auch in online-Zeitschriften oder Apps publiziert werden kann. Als Folge der sog. Neuen Medien steht der Artikel des Urhebers dann einem unbeschränkt großen Publikum für eine unbegrenzte Zeit auf der ganzen Welt zur Verfügung. In der überwiegenden Zahl der Fälle hat der Urheber nicht die Möglichkeit, sich gegen eine derart umfassende Veröffentlichung und Verbreitung seines Werkes zu entscheiden, da er auf die Verwertung seines Werkes und die finanzielle Gegenleistung angewiesen ist. Gleiches gilt für Arbeitnehmerurheber, die bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages die Nutzungsrechte an ihren Werken vollständig auf den Arbeitgeber übertragen müssen, ohne hierfür über ihr Gehalt hinaus angemessen vergütet zu werden. Trotz zahlreicher Versuche, das Gefälle ←15 | 16→zwischen Urhebern und Verwertern aufzuheben – zuletzt im Jahre 2002 durch das Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern –, befindet sich der Urheber nach wie vor in der schwächeren Verhandlungsposition. Diesem Missverhältnis soll zum einen die sog. Zweckübertragungslehre entgegenwirken. Nach der Zweckübertragungslehre ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Urheber dem Erwerber bei nicht eindeutigen oder zweifelhaften Parteiabsprachen nur in dem Umfang Rechte überträgt, der für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist.2 Dies resultiert aus der Tendenz des Urheberrechts, so weit wie möglich beim Urheber zurückzubleiben.3 Zum anderen hat der Gesetzgeber durch Erlass des § 31 Abs. 5 UrhG im Jahre 1965 den Versuch unternommen, die Vertragsparteien zu einer Spezifizierung der einzuräumenden Nutzungsrechte zu verpflichten, um dem Urheber vor Augen zu führen, welche Nutzungsrechte er an seinem Werk verliert:4 Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Im Wege der Urheberrechtsreform von 2002 erweiterte der Gesetzgeber den § 31 Abs. 5 UrhG um einen zweiten Satz: Der Grundsatz der Begrenzung von Nutzungsrechten auf den Vertragszweck gilt für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt. Durch die Aufnahme des zweiten Satzes hat der Gesetzgeber einige bereits anerkannte Anwendungsfälle der Norm klarstellend in das Gesetz aufgenommen.5

←16 | 17→

A. Fragestellung

Im Patentrecht ziehen sowohl die überwiegende Ansicht der Literatur6 als auch die Rechtsprechung7 die Zweckübertragungslehre zur Auslegung von Lizenzverträgen heran. Die Übernahme der Zweckübertragungslehre erfolgt jedoch ohne eine ausführliche Prüfung der vergleichbaren Interessenlage beider Rechtsgebiete, so dass eine Begründung für die Übertragung der Lehre auf das Patentrecht fehlt. Gleiches gilt für das Markenrecht. Zwar wird die Zweckübertragungslehre im Markenrecht lediglich vereinzelt von der Literatur8 und – soweit ersichtlich – nur einmal von der Rechtsprechung9 zur Auslegung von Lizenzverträgen herangezogen, die Übertragbarkeit der Regelung wird aber wie im Patentrecht eher unterstellt als begründet. Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Arbeit der Frage, ob und inwiefern die Zweckübertragungslehre im Patent- und Markenrecht Anwendung finden kann.

Ein erster Forschungsschwerpunkt der Arbeit liegt auf den rechtshistorischen Wurzeln und der weiteren Entwicklung der Zweckübertragungslehre. Um herauszuarbeiten, welche Gründe Goldbaum zu der Schöpfung der Zweckübertragungslehre bewegten, ist die Betrachtung der rechtshistorischen Grundlagen von enormer Bedeutung. Die Arbeit wird sich dazu eingehend mit der Frage beschäftigen, inwieweit Goldbaum mit Hilfe der Zweckübertragungslehre sowohl den Schutz der vermögensrechtlichen als auch den Schutz der persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers beabsichtigte. Durch die intensive rechtshistorische Untersuchung wird herauszufinden sein, ob und inwiefern der Urheber bereits seit der Jahrhundertwende finanziell unangemessen an der Verwertung seiner Werke beteiligt wurde. Durch Zurückbehaltung der nicht vom ←17 | 18→Vertragszweck gedeckten Nutzungsarten könnte Goldbaum beabsichtigt haben, dem Urheber eine angemessene Beteiligung an den Früchten der Verwertung seines Werkes zu sichern. Dieses Bedürfnis nach einer wirtschaftlichen Teilhabe an den Erträgen seines Werkes, würde dann die vermögensrechtliche Grundlage der Zweckübertragungslehre bilden. Den persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers könnte die Zweckübertragungslehre dadurch Rechnung tragen, dass der Urheber nur so wenig Rechte wie zur Erfüllung des Vertragszwecks erforderlich aus seiner Persönlichkeitssphäre entlassen möchte. Auf diese Weise könnte die enge persönliche und geistige Bindung des Urhebers zu seinem Werk aufrechterhalten werden.

Der Arbeit liegt insoweit die bereits 1880 von Josef Kohler vorgenommene und bis heute weit verbreitete Unterscheidung von Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechten zugrunde.10 Anders als Immaterialgüterrechte, welche frei übertragbare, selbständige und verkehrsfähige absolute Rechte darstellen, sind Persönlichkeitsrechte auf Grund ihrer engen persönlichen Bindung des Rechtsträgers zu seiner Schöpfung als höchstpersönliche Rechte unübertragbar.11

Im Anschluss an die rechtshistorische Analyse steht die Untersuchung der vergleichbaren Interessenlage im Patent- und Markenrecht im Fokus der Prüfung. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob die beiden Rechtsgebiete des Gewerblichen Rechtsschutzes ähnlich stark persönlichkeitsrechtlich ausgeprägt sind wie das Urheberrecht. Im Zuge dieser Bearbeitung wird untersucht, welchen Einfluss das Urheberpersönlichkeitsrecht auf die Übertragbarkeit des Urheberrechts bzw. auf die Zurückbehaltung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten hat und ob auch im Patent- und Markenrecht eine entsprechend enge Bindung des Rechtsinhabers zu seiner Erfindung, seinem Patent oder seiner Marke besteht. Eine vergleichbare enge Bindung, wie sie der Urheber zu seinem Werk hat, könnte dafür sprechen, dass der Erfinder bzw. Patent- oder Markeninhaber genauso wie die Urheber, so wenige Rechte wie möglich aus ihrer Persönlichkeitssphäre entlassen möchten. Dann wäre aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht Raum für die Anwendung der Zweckübertragungslehre im Patent- und Markenrecht.

Neben den persönlichkeitsrechtlichen Interessen, die der Zweckübertragungslehre innewohnen, schützt Letztere auch die vermögensrechtlichen ←18 | 19→Interessen des Urhebers. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt daher in der Beantwortung der Frage, ob neben dem Urheber auch Erfinder bzw. Patent- und Markeninhaber vor einer zu umfassenden Aufgabe ihrer Rechte bewahrt werden müssen, um ihnen eine angemessene Beteiligung an den Früchten der Verwertung seines Schutzgegenstandes zu sichern. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, betrachtet die Arbeit die verwertungsrechtlichen Besonderheiten dieser Rechtsgebiete. In diesem Zusammenhang wird untersucht, inwieweit im Patent- und Markenrecht ein ähnliches Missverhältnis zwischen dem Rechtsinhaber und dem Verwerter der Schutzrechte besteht wie im Urheberrecht.

Die Arbeit wird zudem der Frage nachgehen, inwieweit die Zweckübertragungslehre – wie von Teilen der Literatur12 angenommen – eine Auslegungsregel zugunsten des Urhebers darstellt. In diesem Zusammenhang wird verkannt, dass Grundlage der Auslegung stets der von beiden Parteien zugrunde gelegte Vertragszweck ist.13 Infolgedessen kann Ergebnis der Auslegung gleichermaßen eine weitreichende Nutzungsrechtseinräumung an den Erwerber sowie eine umfassende Zurückbehaltung von Nutzungsrechten beim Urheber sein.14 Da die Zweckübertragungslehre zu einer Beschränkung des Rechtsumfangs führen kann, ist weiter zu fragen, ob die Lehre eine Verfügungsbeschränkung darstellen könnte.

B. Stand der Forschung

Die Zweckübertragungslehre war bereits mehrfach Forschungsgegenstand von Dissertationen im Bereich des Urheberrechts.15 Anders als die vorliegende ←19 | 20→Arbeit setzten die bisherigen Studien in ihren rechtshistorischen Grundlagen erst bei Wenzel Goldbaum (1923) ein und befassten sich nicht mit den urheberrechtlichen Ausgangsbedingungen am Ende des 19. Jahrhunderts. Dadurch übersahen die Autoren, dass sich die Literatur bereits vor Goldbaum vereinzelt mit der Frage nach dem Umfang der Rechtseinräumung und der Auslegung des Vertrages hinsichtlich seines Zwecks auseinandersetzte. Eine umfangreiche rechtshistorische Untersuchung erscheint allerdings erforderlich, da sonst die herausragende Bedeutung der Zweckübertragungslehre für das Urheberrecht nicht vollständig erfasst werden kann.

Aufbauend auf den urheberrechtlichen Rahmenbedingungen, die Goldbaum zu der Schöpfung der Zweckübertragungslehre bewegten, stellt die Arbeit eine Verknüpfung zwischen der Idee einer Zweckübertragungslehre und der in etwa zeitgleich erfolgenden Anerkennung der persönlichkeitsrechtlichen Seite des Urheberrechts her. Zwar ist nicht nur das Persönlichkeitsrecht,16 sondern auch das Urheberpersönlichkeitsrecht17 Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. ←20 | 21→Bislang stellten die Arbeiten, die sich mit der Zweckübertragungslehre beschäftigten, aber noch keine Verbindung zwischen dem Urheberpersönlichkeitsrecht und der Zweckübertragungslehre her.18 Zudem nehmen diese ohne vorherige Prüfung an, dass es sich bei der Zweckübertragungslehre um eine Auslegungsregel zugunsten des Urhebers handelt.19

Bislang hat sich allein Jörg Merkel der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung der Zweckübertragungstheorie im Erfinder-, Patent- und Gebrauchsmusterrecht gewidmet.20 Merkels Arbeit aus dem Jahre 1974 konzentrierte sich dazu auf die Gewinnung eines Ähnlichkeitsurteils zwischen den Rechtsgebieten, wobei er die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeitete. Zwar bejahte Merkel eine Anwendung der Zweckübertragungslehre im Erfinderrecht, nahm aber eine Einschränkung vor. Allein der Erfinder könne sich auf die Zweckübertragungslehre berufen, da diesem aus ideellen und wirtschaftlichen Interessen so viele Rechte wie möglich zurückbleiben sollten. Demgegenüber könne sich derjenige, der lediglich Anmelder der Erfindung sei, nicht auf die Zweckübertragungslehre berufen, da sein Rechtserwerb nicht auf einer vergleichbaren geistigen Leistung beruhe wie der des Erfinders.21 Ob und inwiefern die Zweckübertragungslehre auch im Arbeitnehmererfinderrecht angewendet werden kann, lässt Merkel ebenso offen wie den gesamten Bereich des Markenrechts.

Zwar nehmen große Teile der patentrechtlichen Hand- und Lehrbuchliteratur eine Anwendbarkeit der Zweckübertragungslehre an, eine Begründung unterbleibt aber.22 Die Ausführungen der Autoren lassen zudem offen, ob die ←21 | 22→Zweckübertragungslehre auf jegliche Verwertungsgeschäfte im Patentrecht angewendet werden soll oder nur auf bestimmte vertragliche Konstellationen. Eine pauschale Annahme, die Lehre sei auf das Patentrecht übertragbar, ist allerdings bedenklich. Veräußernde Vertragspartei kann nicht nur der Einzelerfinder sein, in den weit überwiegenden Fällen findet die Verwertung von Erfindungen und Patenten durch Unternehmen und Konzerne statt. Überdies wird außer Acht gelassen, dass ein Großteil der Erfindungen ohnehin durch Arbeitnehmererfinder getätigt wird. Ob und inwiefern die Zweckübertragungslehre im Arbeitnehmererfinderrecht Anwendung findet, bleibt von der patentrechtlichen Literatur unberücksichtigt. Um ein differenziertes Urteil über die Übertragung der Lehre auf das Patentrecht zu gewinnen, untersucht die vorliegende Arbeit die Verwertung des Erfinder- bzw. Patentrechts aus Sicht eines Einzelerfinders, eines Arbeitnehmererfinders und eines veräußernden Unternehmens.

In der markenrechtlichen Literatur ziehen nur wenige Autoren die Zweckübertragungslehre bei der Auslegung von nicht eindeutigen und zweifelhaften Verträgen heran.23 Im markenrechtlichen Kapitel dieser Arbeit wird insbesondere die Frage aufgeworfen, ob die Lehre gleichermaßen bei der Verwertung von sonstigen Marken und von Personenmarken angewendet werden könnte. Besonderheiten könnten sich daraus ergeben, dass der Personenmarke Persönlichkeitsmerkmale des Markeninhabers zugrunde liegen. Dadurch könnte der Markeninhaber einer Personenmarke – verglichen mit dem Inhaber einer sonstigen Marke – eine besonders starke Verbindung zu seinem Schutzgut haben. Eine solche starke Bindung könnte aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht für die Übertragung der Zweckübertragungslehre auf das Markenrecht sprechen.

Da der Grundgedanke der Zweckübertragungslehre in § 31 Abs. 5 UrhG zum Ausdruck kommt,24 könnte die Norm im Wege einer Analogie auf das ←22 | 23→Patent- und Markenrecht übertragen werden. Die Frage einer analogen Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG im Patent- und Markenrecht wird bislang in keiner Studie thematisiert. Freilich wird Gegenstand der Arbeit auch die Frage sein, ob neben der Zweckübertragungslehre möglichweise auch der § 31 Abs. 5 UrhG analog im Patent- und Markenrecht angewendet werden könnte.

←23 | 24→←24 | 25→

1 Allfeld, Urheberrecht, S. 71; Müller, Urheber- und Verlagsrecht Bd. 1, S. 38.

2 BGH ZUM 2011, 560 (564) – Der Frosch mit der Maske; Schulze, in: Dreier/ Schulze, UrhG, § 31 Rn. 111; Wandtke/ Grunert, in: Wandtke/ Bullinger, UrhG, § 31 Rn. 39; Dörfelt, Zweckübertragungslehre, S. 250; Becker, ZUM 2005, 303, (305).

3 Ohly, in: Schricker/ Loewenheim, UrhG, § 31 Rn. 52; Schulze, in: Dreier/ Schulze, UrhG, § 31 Rn. 110; Wiebe, in: Spindler/ Schuster, UrhG, § 31 Rn. 12; Wandtke/ Grunert, in: Wandtke/ Bullinger, UrhG, § 31 Rn. 39; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 217.

4 BT-DR IV/3401, S. 5.

5 BT-DR 14/6433, S. 14; Wandtke/ Grunert, in: Wandtke/ Bullinger, UrhG, § 31 Rn. 58; Soppe, in: BeckOK UrhG, § 31 Rn. 89.

6 Moufang, in: Schulte, PatG, § 15 Rn. 19; Loth/ Hauck, in: BeckOK PatR/ PatG, § 15 Rn. 15; Hacker, in: Busse/ Keukenschrijver, PatG, § 15 Rn. 21; Ullmann/ Deichfuß, in: Benkard, PatG, § 15 Rn. 26; Mes, in: ders., PatG, § 15 Rn. 11; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 26 Rn. 14; Götting/ Hetmank/ Schwipps, Patentrecht, Rn. 449; Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 115; Bartenbach, Patentlizenz, Rn. 476.

7 RG GRUR 1937, 1001 (1002) – Straßenfahrbahn I; RG GRUR 1943, 355 (355); BGH GRUR 2000, 788 (789) – Gleichstromsteuerschaltung; BGH GRUR 2006, 401 Rn. 19 – Zylinderrohr.

Details

Seiten
254
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631815687
ISBN (ePUB)
9783631815694
ISBN (MOBI)
9783631815700
ISBN (Paperback)
9783631809143
DOI
10.3726/b16680
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Nutzungsrechtseinräumung Auslegungsregel Lizenz § 31 Abs. 5 UrhG Wenzel Goldbaum Einräumung Nutzungsrechte Verfügungsbeschränkung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 254 S.

Biographische Angaben

Clarissa Katharina Kraus (Autor:in)

Clarissa Katharina Kraus studierte Rechtswissenschaften an der Goethe-Univer-sität Frankfurt am Main. Während ihrer Promotion war sie als Mitarbeiterin an dem Institut für Rechtsgeschichte der Goethe-Universität Frankfurt am Main tätig. Seit November 2017 ist sie Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Zurück

Titel: Die Zweckübertragungslehre im Urheberrecht und ihre Anwendbarkeit im Patent- und Markenrecht
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
256 Seiten