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Hermann Scheipers (1913 - 2016) - Widerstand der Kirche gegen Nationalsozialismus und DDR-Kommunismus

Eine Biographie

von Joachim Seeger (Autor:in)
©2020 Dissertation 246 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einem katholischen Kleriker aus dem Münsterland, Hermann Scheipers. Sein Leben und Wirken wird hier biographisch dargestellt. Er gehört zu jener Minderheit der Deutschen, welche das nationalsozialistische und dann das kommunistische Regime nicht einfach hinnehmen, sondern aktiv Widerstand leisten. Hermann Scheipers verstand es, die Symbolkraft seiner Biografie zu inszenieren bzw. zu zelebrieren. Er wusste um die Wirkung seiner Biografie, seines Rufes, denn er war der „KZ-Priester" schlechthin. Hermann Scheipers war ein Mann der Überzeugungen und ein Sinnbild für die multiplen Kämpfe, denen sich katholische Würdenträger im 20. Jahrhundert gegenüber sahen. Diese Arbeit dient der kirchenunabhängigen zeitgeschichtlichen Forschung, um die nationalsozialistische Vergangenheit der katholischen Kiirche aufzuarbeiten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Widmung/Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. EINLEITUNG
  • 2. Kindheit und Jugend
  • 2.1 Die Rahmenbedingungen
  • 2.2 Kindheit in der Weimarer Republik
  • 2.3 Die Bedeutung der katholischen Kirche
  • 2.4 Auf dem Gymnasium
  • 2.5 Die Jugendbewegung
  • 3. Zwischen Anpassung und Widerstand – Die Erfahrung von Nationalsozialismus und Krieg
  • 3.1 Die Rolle der katholischen Kirche
  • 3.2 Die „Machtergreifung“
  • 3.3 Scheipers in Münster
  • 3.4 Die Rolle des Papsttums
  • 3.5 Clemens August Graf von Galen
  • 3.6 Scheipers und Galen
  • 3.7 Student in Münster
  • 3.8 Mit brennender Sorge
  • 3.9 Seminarist in Schmochtitz
  • 3.10 Kaplan in Hubertusburg/Leipzig
  • 3.11 Verhaftung und Schutzhaft
  • 3.12 Das KZ Dachau
  • 3.13 Durch die Schwester gerettet
  • 3.14 Im Dachauer Priesterblock
  • 3.15 Eine Priesterweihe im KZ
  • 3.16 Seelsorge im KZ
  • 3.17 Flucht
  • 3.18 Warum Scheipers?
  • 4. Nachkriegszeit in Deutschland
  • 4.1 Die Frage der Schuld
  • 4.2 Beginnende Spaltung von Ost und West
  • 5. Umsiedlung in die DDR, eine existentielle Entscheidung
  • 5.1 Die Politik der SED – Freiräume, Überwachung und Unterdrückung
  • 5.2 Jugendarbeit
  • 5.3 Die Rolle der Staatssicherheit
  • 5.4 Besonderheiten der Kirchenstruktur
  • 5.5 Kirche und Militärregierung
  • 6. Pfarrer in der DDR
  • 6.1 Rückkehr ins Bistum Meißen – Kaplan in Radebeul
  • 6.2 Eigenverantwortlich in Berggießhübel
  • 6.3 Kirchenbau in der DDR
  • 6.4 Kaplan in Dresden
  • 6.5 Lokalkaplan in Wilsdruff
  • 6.6 Wieder ein Kirchenbau
  • 6.7 Pfarrer in Schirgiswalde
  • 6.8 Im Visier der Stasi
  • 6.9 Bau der Fuchsbergkapelle
  • 6.10 Baumeister Scheipers
  • 6.11 Jugendarbeit
  • 6.12 Kirchliches Leben in Schirgiswalde
  • 6.13 Kontakte mit der Tschechoslowakei
  • 6.14 Scheipers in Indien
  • 6.15 Vergleich mit anderen Priestern
  • 6.16 Ruhestand und Rückkehr in den Westen
  • 6.17 Die Wende als Zäsur
  • 6.18 Ehren und Würden
  • 6.19 Lebensausklang
  • 7. Fazit und Gesamtwürdigung
  • 8. Quellen- und Literaturverzeichnis
  • 8.1 Quellenverzeichnis
  • 8.2 Literaturverzeichnis
  • 9. Anhang: Stasi Akte

1. EINLEITUNG

Vorliegende Studie beschäftigt sich mit einem katholischen Kleriker aus dem Münsterland, Hermann Scheipers. Sein Leben und Wirken wird hier biographisch dargestellt, nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch, weil seine Biographie in vieler Hinsicht kennzeichnend ist für seine Zeit und seine Generation. Er gehörte zu jener Minderheit der Deutschen, welche das nationalsozialistische und dann das kommunistische Regime nicht einfach hinnahmen, sondern aktiv Widerstand leisteten. Dabei gehörte er nicht zu den „Prominenten“, welche in historischen Darstellungen oder Filmen im Mittelpunkt zu stehen pflegen; er war in vieler Hinsicht ein ganz „normaler“ Zeitgenosse, der eigentlich ein ganz „normales“ Leben führen wollte. Aber die Zeit stand dem entgegen.

Vielfach wird im Rahmen dieser Arbeit auf ähnliche und verwandte Lebensläufe hingewiesen, wird vergleichend vorgegangen. Wenn auch Scheipers einer Minderheit angehörte, so stand er doch nicht allein, gab es viele, die ihn unterstützten, die ebenso wie er selbst zeigten, dass man Unrecht zwar mitunter erdulden, sich aber auch nicht einfach mit ihm abfinden muss. Zudem bietet eine solche Vorgehensweise den Vorteil, die Eigentümlichkeiten und Besonderheiten der behandelten Personen kontrastierend besonders deutlich hervortreten zu lassen. Insbesondere soll dabei auf den Widerstand der katholischen Kirche beziehungsweise des katholischen Klerus eingegangen werden. Damit soll der Widerstand anderer Personen oder gesellschaftlicher Gruppen in keiner Weise verkleinert oder gar geleugnet werden, vielmehr sollen die Eigentümlichkeiten kirchlichen und christlichen Widerstandes gegen tyrannische Regierungen anhand seiner Person dargestellt werden.

Generell bietet die Biographie immer noch den leichtesten Zugang, um vergangene Zeiten für Leser begreifbar und nachvollziehbar zu machen. Die Kirche selbst hat eine große Tradition der Biographie – die Heiligenvita. Die Viten der Heiligen sind dann ihrerseits im 17. Jahrhundert – in dem großen Editionsprojekt der Acta Sanctorum – Ausgangspunkt für die Entwicklung der historischen Kritik und der historischen Hilfswissenschaften geworden.1

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Unmittelbarer Anlass für diese Studie war ein Kommentar im Mitteldeutschen Rundfunk anlässlich des 100. Geburtstags von Prälat Hermann Scheipers am 24. Juli 2013. Der Autor stellte einen Bezug zwischen zwei Oppositionellen – Pater Gordian Landwehr und Prälat Hermann Scheipers – während der NS-Herrschaft in Deutschland und der DDR-Zeit her. Hinzu kam, dass in jenen Tagen im Internet der Vorabdruck einer Rezension erschien,2 in welcher der Historiker Eduard Werner das Buch „Gott will Taten sehen. Christlicher Widerstand gegen Hitler“ würdigte. In seiner Rezension kritisierte Werner eine seiner Meinung nach unberechtigte Kritik an der katholischen Kirche von Seiten der evangelischen Ex-Bischöfin Margot Käßmann,3 der Mitherausgeberin dieses Buches; sie unterstützte vehement die These des Historikers Hans Mommsen, dass die beiden christlichen Kirchen nicht in die Gruppe des Widerstands gegen den Nationalsozialismus einzureihen wären. Werner führt als Gegenargument die kirchenamtliche Verurteilung der nationalsozialistischen Rassenlehre im Jahr 1934 und die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von 1937 an. 4000 katholische Priester kamen während der Zeit des Nationalsozialismus in ganz Europa zu Tode. Am 27. Mai 1940 wurde beispielsweise der damalige „Reichsmarschall“ Hermann Göring durch die beiden Pfarrer Johannes Schulz und Josef Zilliken ignoriert, indem die beiden Geistlichen ihm den Gruß vorenthielten. Als Konsequenz dieser Handlung erfolgte ihre alsbaldige Verhaftung und Liquidierung in Dachau. Eduard Werner stellt die berechtigte Frage, ob dieses Verhalten nicht als Akt des Widerstands zu werten sei. In Helmut Molls Martyrologium „Zeugen für Christus“ ist dokumentiert, dass eine nicht geringe Zahl von katholischen Priestern den Widerstand aus Gewissensgründen mit dem Leben bezahlen musste.4 Schließlich waren allein 2752 katholische Priester und 120 evangelische Pastoren im KZ Dachau interniert. Daneben gab es auch noch Priester in ←12 | 13→den KZs Börgermoor, Sachsenhausen, Buchenwald und Mauthausen-Gusen, die nicht in das KZ Dachau überstellt wurden.

Doch es soll hier keine Polemik geübt werden. Die skizzierte Kontroverse war vielmehr Anlass, sich erstmals wissenschaftlich mit Hermann Scheipers zu beschäftigen. Seine Biographie kann aufzeigen, dass es auch in totalitären Systemen Menschen gab, die sich durch besonderen Glaubensmut und beispielhafte Zivilcourage ausgezeichneten. Ihr Engagement soll hier noch einmal exemplarisch bezogen auf Scheipers analysiert, und zugleich die These widerlegt werden, der Widerstand der katholischen Kirche gegenüber atheistischen und menschenverachtenden Systemen sei unbedeutend gewesen. Die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: Warum ist die Biographie von Hermann Scheipers ein Beispiel für den Widerstand der Kirche gegen Nationalsozialismus und DDR-Kommunismus?

Ziel der Arbeit ist, das Leben von Hermann Scheipers als ein Beispiel für den Widerstand der Kirche gegen Nationalsozialismus und DDR-Kommunismus zu analysieren. Sein selbstloser Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit und sein Wirken, das von besonderem Mut und außergewöhnlicher Zivilcourage geprägt ist, soll hier herausgestellt werden. Ein Vergleich zu anderen Persönlichkeiten der damaligen Zeit wird gezogen. Natürlich müssen in einer wissenschaftlichen Abhandlung auch negative Varianten des zu untersuchenden Gegenstandes erwähnt werden, um die wissenschaftliche Ausgewogenheit der Arbeit zu demonstrieren.

Es handelt sich hier um eine Literaturarbeit. Es gibt wenige Quellen über Hermann Scheipers und sein Leben und sein Wirken werden durch die Hinzunahme von Sekundärliteratur deutlich. Außerdem werden persönliche Interviews, die der Autor mit Hermann Scheipers geführt hat, hinzugenommen. Hermann Scheipers wird natürlich nicht isoliert betrachtet, sondern in den zeitgenössischen Zusammenhang gestellt. Der Autor zieht auch seine erste Promotion im Fach Theologie hinzu und vergleicht Hermann Scheipers mit Pater Gordian Landwehr, OP. Auch der Vergleich zu anderen Persönlichkeiten wird hergestellt. Die Eintragungen in die Stasi-Akte von Hermann Scheipers werden vom Autor kritisch reflektiert. Die Autobiographie von Scheipers selbst wird ebenfalls vom Autor unter die Lupe genommen und es wird geprüft, wie objektiv Selbstbiographien das historische Geschehen darstellen. Es wird aktuelle Sekundärliteratur herangezogen, um zu sehen, ob Scheipers sich dort in irgendeiner Weise wiederfindet oder ob es ←13 | 14→gravierende Abweichungen zu anderen Personen gibt. Außerdem wird das katholische Milieu, aus dem Scheipers stammt, untersucht, um der Frage nachzugehen, ob es prägend für seinen späteren Einsatz gegen Nationalsozialismus und DDR-Kommunismus gewesen ist. Es wird auch auf andere Interviews von Scheipers mit anderen Personen, die der Autor im Archiv fand, zurückgegriffen.

Hermann Scheipers war ein tief im Glauben verwurzelter, gütiger und liebenswerter Mensch, der sich jedoch auch durch Kompromisslosigkeit, energisches Handeln und den Anspruch, sich selbst treu zu bleiben, auszeichnete. Dabei traf ihn die Brutalität des NS-Regimes in vollem Umfang. Als Häftling im KZ Dachau schwebte er jahrelang täglich in Lebensgefahr. Scheipers vertraute sich ganz der Gnade Gottes an und seine inständigen Gebete zum Herrn wurden schließlich erhört, als es seiner Zwillingsschwester Anna Scheipers gelang, sein Leben in letzter Minute zu retten. Scheipers wäre der 337. Priester in Dachau gewesen, den man durch „Vergasung“ getötet hätte, nachdem zuvor bereits 336 Priester auf diese Weise ermordet worden waren. Doch es kam anders: „Oskar Schindler rettete rund 1200 Juden vor dem Tod in der Gaskammer. Eine junge Frau aus dem Münsterland rettete rund 500 Priester vor dem Tod in der Gaskammer.“5 Später ←14 | 15→amtierte Hermann Scheipers als Priester in der DDR, dort ständig überwacht und schikaniert von der SED-Diktatur.

Bei historischen Betrachtungen wird bisweilen auch über die Glaubwürdigkeit von Priestern diskutiert. Sicherlich muss man die Verbrechen und Vergehen von Priestern deutlich benennen6 und folgerichtig auch ahnden ←15 | 16→und einer angemessenen Bestrafung zuführen. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass kein Mangel an Gegenbeispielen herrscht. In den Diktaturen des 20. Jahrhunderts hat es zahlreiche Priester gegeben, die ihren Glauben auch im Angesicht des Todes nicht verleugnet haben. Es gibt Priester, die sich selbstlos für die Sache Christi engagiert haben und in heroischer Weise Zeugen für Christus waren. Bestünde die Kirche nur aus solchen Priestern, würde die Glaubwürdigkeit der Priester deutlich zunehmen.

Details

Seiten
246
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631826553
ISBN (ePUB)
9783631826560
ISBN (MOBI)
9783631826577
ISBN (Hardcover)
9783631826362
DOI
10.3726/b17371
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juli)
Schlagworte
Prälat Scheipers KZ-Priester Antifaschist Glaubensmut Zivilcourage
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 246 S.

Biographische Angaben

Joachim Seeger (Autor:in)

Joachim Seeger, geboren 1959 in Recklinghausen, Studium in den Fächern Katholische Theologie, Geschichte, Pädagogik, Germanistik, Philosophie, Praktische Philosophie, Sozialwissenschaften, Psychologie und Literatur. Er ist promovierter Theologe und promovierter Historiker, Diplom-Theologe, Diplom-Pädagoge und Master in Angewandter Ethik. Er arbeitet als Lehrer am Berufskolleg West der Stadt Essen.

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