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Die verfassungsgerichtliche Identitätskontrolle im Hinblick auf Freihandelsabkommen der Europäischen Union am Beispiel des Comprehensive and Economic Trade Agreement

von Lukas Claasen (Autor:in)
©2021 Dissertation 234 Seiten

Zusammenfassung

Fragestellungen des europäischen und internationalen Wirtschafts- und Handelsrechts sind zuletzt verstärkt in den Fokus des medialen Interesses gerückt und waren Gegenstand einer intensiven zivilgesellschaftlichen Befassung. Der Autor greift diese Diskussion auf und behandelt zentral die Frage, inwieweit Bestimmungen des CETA-Abkommens mit identitätsprägenden Bestimmungen des Grundgesetzes kollidieren und ob bzw. wie diese Fragestellung vom BVerfG überprüft werden kann. Ziel der Publikation ist es, eine verfassungsrechtliche Prognose zum Fortgang des recht neuen Mechanismus der Identitätskontrolle zu geben und auch insgesamt eine diesbezügliche Bewertung und kritische Analyse vorzunehmen. Hierbei legt der Autor besonderes Augenmerk auf die europa- und völkerrechtlichen Implikationen eines solchen Kontrollmechanismus des BVerfG.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Anlass der Untersuchung
  • 1. Fragestellung
  • 2. Aktueller Forschungsstand
  • II. Gang der Untersuchung
  • B. Erster Teil – Grundgesetz, Bundesverfassungsgericht und das Mehrebenensystem
  • I. Völker- und europarechtliche Vorgaben des Grundgesetzes
  • II. Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts
  • 1. Solange I
  • 2. Solange II
  • 3. Maastricht
  • III. Zwischenfazit
  • C. Zweiter Teil – Verfassungsidentität und Identitätskontrolle
  • I. Entwicklung der Judikatur
  • 1. Neuer Kontrollvorbehalt nach dem Vertrag von Lissabon
  • 2. Bisherige Umsetzung durch das BVerfG
  • a. Grundrechtsberechtigung
  • b. European Financial Stability Facility (EFSF)
  • c. European Stability Mechanism (ESM)
  • d. Europäischer Haftbefehl II
  • aa. Zugrundeliegender Sachverhalt
  • bb. Vorgehen des Gerichts
  • cc. Auswertung
  • e. Outright Monetary Transaction (OMT)
  • aa. Vorlagebeschluss
  • bb. Entscheidung des EuGH
  • cc. Reaktion des BVerfG
  • dd. Auswertung
  • f. Public Sector Purchase Programme (PSPP)
  • g. Verstoß gegen EuGH-Vorlagepflicht
  • h. Europäische Bankenunion
  • 3. Zusammenfassung
  • a. Die Kontrollmechanismen des BVerfG
  • b. Restriktiver Maßstab
  • c. Ausprägungen der Identitätskontrolle
  • d. Offene Fragen
  • II. Dogmatische Herleitung und Anwendungsbereich
  • 1. Verfassungsrechtliche Argumentation
  • 2. Europarechtliche und rechtsvergleichende Argumentation
  • 3. Reichweite und Maßstab
  • a. Unbestimmbarkeit des Art. 79 Abs. 3 GG
  • b. Fehlende Konkretisierung der zentralen Bestandteile der Identitätskontrolle
  • c. Grundgesetzänderungen und Verfassungsidentität
  • 4. Zusammenfassung
  • III. Prozessuale Voraussetzungen und Durchführung
  • IV. Notwendigkeit der Heranziehung der Identitätskontrolle
  • V. Auswirkungen auf die Grundrechts- und ultra vires-Kontrolle
  • 1. Grundrechtskontrolle
  • 2. Ultra vires-Kontrolle
  • VI. Vorherige Vorlage an den EuGH
  • VII. Begriff der Verfassungsidentität
  • 1. Begriffliche Ursprünge
  • 2. Abhängigkeit von gesellschaftlichem und sozialem Wandel
  • 3. Zusammenfassung
  • VIII. Rechtsfolgen
  • IX. Überdehnung des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und des Art. 1 Abs. 1 GG
  • 1. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG
  • 2. Art. 1 Abs. 1 GG
  • X. Kritik
  • D. Dritter Teil – Weitreichende Freihandelsabkommen und CETA
  • I. Gemeinsame Handelspolitik der EU
  • II. Neuartige Freihandelsabkommen
  • 1. Verhandlung und Abschluss
  • 2. Komplikationen hinsichtlich des Verfahrens des Abschlusses
  • 3. Umfassende Beteiligung des Europäischen Parlaments bei Verhandlung und Abschluss
  • 4. Gemischte Ausschüsse
  • III. CETA
  • 1. Verhandlung, Abschluss und Ratifikation von CETA
  • 2. Reichweite
  • 3. Vertragsgremien
  • 4. Streitbeilegungssystem
  • 5. Das Gutachten 1/17 des EuGH (CETA)
  • 6. Die demokratische Legitimation von CETA
  • 7. Die Überprüfung des CETA-Abkommens durch das BVerfG
  • a. Eilanträge
  • aa. CETA I
  • (1) Prüfungsmaßstab
  • (2) Aussagen zur Identitätskontrolle
  • (3) An die Bundesregierung adressierte Auflagen
  • (4) Auswertung
  • bb. CETA II
  • b. Vorgeschlagene Vorlagefragen an den EuGH
  • c. Entscheidung in der Hauptsache
  • aa. Zuständigkeitsfragen
  • bb. Identitätskontrolle
  • d. Zusammenfassung
  • IV. Zwischenfazit
  • E. Vierter Teil – Schlussfolgerungen
  • I. Die veränderte Rolle des Bundesverfassungsgerichts
  • 1. Die schleichende Politisierung des Bundesverfassungsgerichts
  • 2. Herstellung eines tatsächlichen Verfassungsgerichtsverbundes
  • II. Perspektiven für die Verfassungsidentitätskontrolle
  • 1. Das Bedürfnis nach einem geöffneten Demokratie- und Souveränitätsverständnis
  • 2. Die Notwendigkeit der Herstellung praktischer Konkordanz
  • a. Erforderlichkeit eines abwägenden Korrektivs
  • b. Die beiden wichtigsten Abwägungsgüter
  • aa. Der Verfassungsgrundsatz der Europarechtsfreundlichkeit
  • bb. Der Verfassungsgrundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit
  • c. Zusammenfassung
  • 3. Ein Konzept in der Entwicklung
  • a. Verschmelzung mit der ultra vires-Kontrolle
  • b. Vorlage an den EuGH
  • c. Vorrang unionaler Parallelvorschriften
  • d. Erforderlichkeit einer Abwägung
  • e. Zusammenfassung
  • 4. Zwischenfazit
  • F. Abschließende Thesen
  • Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Fragestellungen des europäischen und internationalen Wirtschafts- und Handelsrechts sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus des medialen Interesses gerückt und waren zudem Gegenstand einer intensiven zivilgesellschaftlichen Befassung. Sie sind Inhalt eines weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Diskurses geworden. Insbesondere der Abschluss von Wirtschafts- und Handelsabkommen der Europäischen Union (im Folgenden auch EU oder Union) wurde kontrovers diskutiert. Dies gilt insbesondere für die beiden weitreichenden Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada. Auf die Institutionen der EU wurde erheblicher öffentlicher Druck ausgeübt, wodurch diese sich zur Herstellung erhöhter Transparenz gezwungen sahen. Gleichzeitig wurde beispielsweise durch Bürgerinitiativen versucht, den Abschluss von Handelsabkommen zu vereiteln.1 Parallel konnte eine zunehmende Aktivität mitgliedstaatlicher politischer und juristischer Akteure wie etwa des Bundesverfassungsgerichts (im Folgenden auch BVerfG) im Bereich des Außenhandelsrechts beobachtet werden.

I. Anlass der Untersuchung

Die Diskussion um den Vorrang des Unionsrechts vor mitgliedstaatlichem Recht inklusive des Verfassungsrechts begleitete den Prozess der europäischen Integration dagegen bereits von Beginn an. Zentrale Akteure in den damit zusammenhängenden Streitfragen waren seit jeher der Europäische Gerichtshof (im Folgenden auch EuGH) sowie das BVerfG. Der EuGH positionierte sich diesbezüglich früh in deutlicher Form. Er entwickelte das Prinzip des absoluten Anwendungsvorrangs des Unionsrechts vor nationalem (Verfassungs-)Recht.2 Das BVerfG wiederum reagierte darauf durch die wechselvolle Formulierung verschiedener Kontrollvorbehalte, um dem deutschen Grundgesetz in Kollisionsfragen zur Geltung und möglichst zur Durchsetzung zu verhelfen.3

In den letzten Jahren ist innerhalb der EU eine Tendenz zu beobachten, vermehrt weitreichende bzw. „umfassende“ oder „tiefe“4 Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abzuschließen, die – anders als klassische Freihandelsabkommen – nicht nur die Beseitigung außenwirtschaftsrechtlicher Marktzugangshindernisse zum Gegenstand haben, sondern viel weiter in den innerstaatlichen Bereich eingreifen und beispielsweise durch die Regelung verschiedenster handelsrelevanter Aspekte ←19 | 20→wie Investitionen und Wettbewerbsfragen eine umfassende Liberalisierung und Neuordnung der Handelsverhältnisse mit sich bringen. Solch weitreichende Freihandelsabkommen, die regelmäßig als gemischte Abkommen mit den Mitgliedstaaten und der EU auf der einen und dem jeweiligen Drittstaat auf der anderen Seite abgeschlossen werden, haben verglichen mit klassischen Freihandelsabkommen eine besondere Regelungstiefe und setzen beispielsweise eigene Vertragsgremien ein, die mit der Durchführung des Vertrages betraut sind (in der Regel aber ohne unmittelbare Wirkung für die Vertragsstaaten). Verhandlung, Abschluss und Durchführung solch neuartiger und weitreichender Freihandelsabkommen werfen daher eine Vielzahl von Fragen auf. Von besonderem Interesse für die vorliegende Untersuchung ist die verfassungsrechtliche Überprüfbarkeit europäischer Freihandelsabkommen. Diese Themenstellung wirft eine Fülle von Fragen auf, die im Ergebnis alle auf die seit Jahrzehnten diskutierten Fragen hinauslaufen, wie das deutsche Recht – und insbesondere das Grundgesetz – zum internationalen und europäischen Recht steht und welche Rolle in dieser Gemengelage das Bundesverfassungsgericht einnehmen kann, soll und darf.5

Diskutiert und rechtlich wie politisch bewertet werden müssen zudem auch die zu erzielenden Effizienzgewinne eines weitreichenden Freihandelsabkommens, die zu erwartenden Kompetenzverschiebungen, die Folgen der Liberalisierung für die Vertragspartner und Dritte, mögliche Folgen der angestrebten Harmonisierungen und die Angemessenheit des zu erzielenden Schutzniveaus regulatorischer Regime. Unter anderem um diese Themenbereiche rankten sich auch die öffentlichen Debatten über das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)6 mit den USA sowie das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) mit Kanada. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist gerade das CETA-Abkommen mehrheitlich kritisch beurteilt worden. Die Diskussionen haben gezeigt, dass das europäische und internationale Wirtschafts- und Handelsrecht nicht länger stiefmütterlich behandelte Rechtsmaterien sind, sondern solche, an denen wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Wirtschaftsordnung moderner Staaten ein erhebliches öffentliches Interesse besteht und denen zugleich politische Relevanz zukommt. So drohte die europäische Zustimmung zum CETA-Abkommen am Veto des wallonischen Regionalparlaments zu scheitern, bevor sprichwörtlich in letzter Minute doch noch eine Einigung erzielt werden konnte.7 Die in diesem ←20 | 21→Zusammenhang stattfindenden Diskussionen sind für eine demokratische Gesellschaft grundsätzlich unverzichtbar, auch in der Sache meist sinnvoll und daher ausdrücklich zu begrüßen. Gerade vor dem Hintergrund zunehmender nationalistischer und protektionistischer Tendenzen ist eine Auseinandersetzung mit dem traditionell liberalen Wirtschaftsvölkerrecht und seinen aktuellen Herausforderungen von besonderem Interesse.

Das BVerfG hat sich wiederholt mit dem Konflikt zwischen überstaatlicher Integration und staatlicher Integrität befasst. Vor allem seit dem viel diskutierten Lissabon-Urteil8 und den nachfolgenden Entscheidungen des Gerichts im Zusammenhang mit der Übertragung ursprünglich staatseigener Kompetenzen auf eine supranationale Organisation9 wird die sogenannte Verfassungsidentität intensiv diskutiert, obwohl sie im Grundgesetz an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt (oder auch nur angedeutet) wird. Das Bundesverfassungsgericht hat das Konzept der Verfassungsidentität in den vergangenen Jahren vielmehr als eigenen Kontrollmechanismus herangezogen, insbesondere um zu überprüfen, ob eine Maßnahme der Europäischen Union die Grundgedanken des Grundgesetzes verletzt.

1. Fragestellung

Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, inwieweit es sich bei dem Konzept der Verfassungsidentität sowie der hieraus entwickelten Verfassungsidentitätskontrolle des Bundesverfassungsgerichts um ein verfassungsrechtlich belastbares Konzept handelt und ob sich dieses insbesondere zur Überprüfung weitreichender Freihandelsabkommen eignet.

Gegenstand und Ziel dieser Arbeit ist zunächst die kritische Auseinandersetzung und verfassungsdogmatische Analyse des Konzepts der Verfassungsidentität und der zu ihrer Sicherung herangezogenen Identitätskontrolle. Sodann wird die allgemeine Auswertung dieser Konzepte in einem zweiten Schritt auf den speziellen Fall der Möglichkeit der Prüfung umfassender Freihandelsabkommen durch das BVerfG übertragen. Hierzu wird exemplarisch auf die beiden bereits ergangenen vorläufigen Entscheidungen des BVerfG zum CETA-Abkommen10, welches dem neuen Typus der weitreichenden Freihandelsabkommen zugeordnet werden kann, zurückgegriffen.

Die vorliegende Bearbeitung stellt weder ein Plädoyer gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch eines für den Freihandel dar. Sie soll dazu beitragen, die intensiv geführte Debatte über internationalen Handel und globale Investitionen sowie deren verfassungsrechtliche Ermöglichung und ←21 | 22→Überprüfung zu versachlichen und ihr eine rechtstheoretische Struktur zu geben. Hierbei steht zum einen die verfassungsgerichtliche Anwendung der Verfassungsidentitätskontrolle als Anwendung innerstaatlichen Rechts im Mittelpunkt. Zum anderen sollen die hieraus resultierenden institutionellen Konfliktfelder, insbesondere der Jurisdiktionskonflikt zwischen den höchsten Gerichten der beiden involvierten Ebenen, dem BVerfG und dem EuGH, in den Blick genommen werden. Wenngleich die oben genannten Themen in den letzten Jahren Objekt umfassender Diskussionen waren, ist das dogmatische Wissen über das Zusammenspiel zwischen Verfassungsidentität und Freihandel bislang als nicht hinreichend ausgebildet zu bezeichnen. Des Weiteren soll im Rahmen dieser Betrachtung nicht in Frage gestellt werden, dass es ein rechtspolitisches Bedürfnis nach der Existenz und Effektivität einer Letztkontrolle durch das BVerfG in Kollisionsfällen gibt. Ebenso wird als unabdingbar vorausgesetzt, dass bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf eine überstaatliche Organisation wie die EU gewisse grundgesetzliche Mindestgrenzen wie die Rechtsstaatlichkeit und die Funktionsfähigkeit des nationalen Parlaments eingehalten werden müssen und das BVerfG nach Möglichkeit einen effektiven Zugriff auf diese Fragen haben sollte.

2. Aktueller Forschungsstand

Die Sichtweise des BVerfG auf die Identitätskontrolle und die damit einhergehende, teils nur fragmentarische dogmatische Herleitung stößt in der juristischen Fachliteratur nur vereinzelt auf Widerspruch. Oftmals wird ohne weiteren Begründungsaufwand festgestellt, dass irgendeine spezielle Maßnahme die Verfassungsidentität jedenfalls verletzen könnte.11 Weitergehende Versuche, den Begriff der Verfassungsidentität, seine Herleitung oder Reichweite abseits solch pauschaler Feststellungen näher einzugrenzen, sind nicht sehr häufig anzutreffen.12

Rode untersuchte bereits im Jahr 2011 die vom Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil erneut aufgeworfene Frage nach dem Wesen der sogenannten Ewigkeitsklausel im Grundgesetz und gelangte zu dem umstrittenen Ergebnis, dass Art. 79 Abs. 3 GG seinerseits jederzeit entsprechend den verfassungsmäßigen Regeln der Grundgesetzänderung aufhebbar und abänderbar sein könnte.13 Nettesheim behandelte im Jahr 2017 insbesondere die institutionellen Fragen, welche sich beim Abschluss und der Ausgestaltung operationeller Regime weitreichender Freihandelsabkommen stellen, aus der verfassungsrechtlichen Sicht eines Mitgliedstaates, legte dabei jedoch kein besonderes Augenmerk auf die dogmatische Einordnung des Konzepts der Verfassungsidentität.14 Ähnliches gilt für die ebenfalls 2017 erschienene Untersuchung von Stoll, Holterhus und Gött, die sich mehr ←22 | 23→mit dem Inhalt internationaler investitionsschutzrechtlicher Bestimmungen und ihren verfassungsrechtlichen Implikationen für Deutschland und die EU beschäftigten, als im Detail auf die Kontrollmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts in diesem Kontext einzugehen.15 Kürzlich befasste sich Polzin dagegen ausführlich mit dem neuen Konzept der Verfassungsidentität und hinterfragte vor allem dessen verfassungsrechtliche Belastbarkeit.16 Die Themen des Freihandels und der bereits ergangenen CETA-Entscheidungen wurden indes auch hier nur am Rande behandelt. Insgesamt ist die überschaubare Anzahl der rechtswissenschaftlichen Beiträge zu den beiden vorläufigen Karlsruher Entscheidungen im CETA-Verfahren17 trotz der beachtlichen diesbezüglichen Diskussionen in Politik und Gesellschaft bemerkenswert. Die vorliegende Arbeit soll die übergeordneten Themenbereiche der Verfassungsidentität und weitreichender Freihandelsabkommen miteinander verknüpfen und der Frage nachgehen, inwieweit es sich beim neuen Kontrollmechanismus des BVerfG nicht nur im Allgemeinen, sondern insbesondere im Bereich des Freihandels um ein aus methodischer Sicht nutz- und belastbares Konzept handelt.

II. Gang der Untersuchung

Methodisch geht die vorliegende Untersuchung von der einschlägigen Rechtsprechung insbesondere des BVerfG und des EuGH und deren Analyse in der juristischen Fachliteratur aus. Dabei ist zu beachten, dass umfangreiche rechtswissenschaftliche Abhandlungen zu den relevanten Themenfeldern bislang teilweise nur begrenzt vorhanden sind und sich die verfügbare Fachliteratur wegen der Aktualität der Fragestellungen auch auf kürzere Aufsätze und Internetbeiträge erstreckt.

Die Analyse folgt dabei der nachfolgend skizzierten Struktur:

Der erste Teil der Arbeit (unter Gliederungspunkt B.) ist den Grundlagen gewidmet. Es wird zunächst thematisiert, welche Bestimmungen das Grundgesetz in Bezug auf das auswärtige Handeln Deutschlands und der EU vorsieht. Nach dieser Analyse wird insbesondere den zentralen Fragen nachgegangen, ob diesem Handeln im Grundgesetz explizit Grenzen gesetzt werden und welche Integrationsbeschränkungen das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechungsgeschichte aufgestellt hat.

Details

Seiten
234
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631843826
ISBN (ePUB)
9783631843833
ISBN (MOBI)
9783631843840
ISBN (Hardcover)
9783631838204
DOI
10.3726/b17920
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Januar)
Schlagworte
Identitätskontrolle Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG Art. 79 Abs. 3 GG CETA-Abkommen Bundesverfassungsgericht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 234 S., 2 Tab.

Biographische Angaben

Lukas Claasen (Autor:in)

Lukas Claasen ist Rechtsanwalt in München. Er studierte Rechtwissenschaften an der Universität Düsseldorf, absolvierte sodann den LL.M.-Studiengang European Law School an der Maastricht University und promovierte nach seinem juristischen Vorbereitungsdienst beim OLG Düsseldorf an der Universität Siegen bei Prof. Dr. iur. Jörn Griebel.

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