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Parallele Anwendung von Wettbewerbs- und Regulierungsrecht auf Infrastrukturmonopole?

von Yvonne Beyer (Autor:in)
©2021 Dissertation 432 Seiten

Zusammenfassung

Behinderungen des Zugangs zu Infrastruktureinrichtungen werden sowohl durch das allgemeine Wettbewerbsrecht als auch durch die sektorspezifischen Regulierungsrechte erfasst. Bei einer parallelen Anwendung dieser Regelungsbereiche besteht jedoch die Gefahr divergierender Behördenentscheidungen. Die Autorin untersucht daher die parallele Anwendung von Wettbewerbs- und Regulierungsrecht auf nationaler sowie auf europäischer Ebene. Sie geht der Frage nach, ob die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts durch die sektorspezifischen Regulierungsvorschriften verdrängt wird. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Analyse der regulierungsrechtlichen Kollisionsvorschriften. Die Untersuchung erstreckt sich auf die Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen.

Inhaltsverzeichnis


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Abkürzungsverzeichnis

a. A. andere Ansicht

a. E. am Ende

a. F. alte Fassung

AG Aktiengesellschaft

a.M. (Frankfurt) am Main

ABl. Amtsblatt

Abs. Absatz

AEG Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27.12.1993, BGBl-​ I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.2017, BGBl. I S. 2808

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Alt. Alternative

Anm. Anmerkung

AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

Art. Artikel

Aufl. Auflage

BAG Bundesarbeitsgericht

BEGTPG Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn vom 07.07.2005, BGBl. I S. 1970, 2009, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.07.2017, BGBl. I S. 2503

Beschl. Beschluss

BEVVG Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378, 2394, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.06.2017, BGBl. I S. 2085

BFH Bundesfinanzhof

BGB Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2018, BGBl. I S. 1151

BGBl. Bundesgesetzblatt

BGH Bundesgerichtshof

BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BKartA Bundeskartellamt

BNetzA Bundesnetzagentur

BR Bundesrat

←22 | 23→ BR-​Drucks Bundesrat-​Drucksache

bspw beispielsweise

BT Bundestag

BT-​Drucks Bundestag-​Drucksache

BVerfG Bundesverfassungsgericht

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

bzw. beziehungsweise

CR Computer und Recht (Zeitschrift)

d. h. das heißt

DB Der Betrieb (Zeitschrift)

ders. derselbe

dies. dieselbe(n)

Diss. Dissertation

DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

EBA Eisenbahnbundesamt

ebd. ebenda

EG Europäische Gemeinschaft

EIBV Verordnung über den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur (Eisenbahninfrastruktur-​Benutzungsverordnung) vom 17.12.1997, BGBl. I S. 3153; letzte Neufassung vom 3.6.2005, BGBl. I S. 1566; außer Kraft seit 2.9.2016 durch Gesetz vom 29.08.2016, BGBl. I S. 2082, 2129

EL Ergänzungslieferung

ENRRB European Network of Rail Regulatory Bodies

EnWG Energiewirtschaftsgesetz vom 07.07.2005, BGBl. I S. 1970, 3621, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.2017, BGBl. I S. 2808

EnWZ Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift)

ERegG Eisenbahnregulierungsgesetz vom 29.08.2016, BGBl. I S. 2082

ET Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift)

EU Europäische Union

EuG Gericht der Europäischen Union Erster Instanz

EuGH Gerichtshof der Europäischen Union

EuR Europarecht (Zeitschrift)

EUV Vertrag über die Europäische Union

EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

←23 | 24→ EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

f., ff. folgende

Fn. Fußnote

FS Festschrift

gem. gemäß

GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, BGBl. III, 100-​1, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.07.2017, BGBl. I S. 2347

ggf. gegebenenfalls

grds. grundsätzlich

GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 26.06.2013, BGBl. I S. 1750, 3245, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2018, BGBl. I S. 1151

Habil. Habilitationsschrift

Hrsg. Herausgeber

HS. Halbsatz

i. d. F. in der Fassung

i. E. im Ergebnis

i. e. S. im engeren Sinne

IR InfrastrukturRecht (Zeitschrift)

i. S. d. im Sinne des

i. S. v. im Sinne von

i. V. m. in Verbindung mit

IWRZ Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

K&R Kommunikation und Recht (Zeitschrift)

Kap. Kapitel

KeL Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung

LG Landgericht

lit. littera, Buchstabe

LNG-​Anlage Liquified Natural Gas-​Anlagen

m. Anm. mit Anmerkung

m. w. N. mit weiteren Nachweisen

MMR MultiMedia und Recht (Zeitschrift)

MüKO Münchener Kommentar

N&R Netzwirtschaften und Recht (Zeitschrift)

NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr. Nummer

NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift)

←24 | 25→ NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht (Zeitschrift)

OLG Oberlandesgericht

OVG Oberverwaltungsgericht

RdE Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift)

RegE Regierungsentwurf

RL Richtlinie

Rn. Randnummer

Rs. Rechtssache

S. Seite

SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren (Zeitschrift)

Slg. (amtliche) Sammlung

s. o. siehe oben

sog. sogenannte/​r/​s

StGB Strafgesetzbuch i. d. F. der Bekanntmachung vom 13.11.1998, BGBl. I S. 3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.10.2017, BGBl. I S. 3618

TKG Telekommunikationsgesetz vom 22.06.2004, BGBl. I S. 1190, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.10.2017, BGBl. I S. 3618

TK-​Markt Telekommunikationsmarkt

TK-​Sektor Telekommunikationssektor

Tz. Textziffer

u. und

u. a. unter anderem/​ und andere

Urt. Urteil

usw. und so weiter

v. vom

VerwArch Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

VG Verwaltungsgericht

vgl. vergleiche

VO Verordnung

VwGO Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 19.03.1991, BGBl. I S. 686, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2018, BGBl. I S. 1151

VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 23.01.2003, BGBl. I S. 102, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2017, BGBl. I S. 2745

WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift)

WuW/​E Wirtschaft und Wettbewerb (Entscheidungssammlung)

←25 | 26→ z. B. zum Beispiel

ZD-​Aktuell Zeitschrift für Datenschutz (Zeitschrift)

ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels-​ und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Ziff. Ziffer

ZNER Zeitschrift für Neues Energierecht (Zeitschrift)

zugl. zugleich

ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht (Zeitschrift)

←27 | 28→

Einleitung

A. Problemstellung und Untersuchungsfrage

Infrastruktureinrichtungen sind essenziell für alle Marktbeteiligten und meist durch monopolistische Strukturen geprägt. Einer Verweigerung oder Beeinträchtigung des Zugangs zu solchen Infrastruktureinrichtungen kann sowohl nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht als auch nach dem jeweiligen sektorspezifischen Regulierungsrecht begegnet werden. Die parallele Anwendung und die daraus resultierende Möglichkeit paralleler Verfahren bedeuten jedoch nicht automatisch, dass sich auch am Ende der parallelen Verfahren die behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen decken werden. Denn bei der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht erfolgt die Entscheidung nicht auf derselben Grundlage. Das allgemeine Wettbewerbsrecht ist allgemein auf wettbewerbswidriges Verhalten ausgerichtet. Für das Regulierungsrecht ist demgegenüber die Regulierung des Netzzugangs, d. h. die Eröffnung des Marktes für den Wettbewerb, maßgeblich. Die Regulierung des Netzzugangs bildet den Kernbereich des Regulierungsrechts und ist für diesen Bereich besonders ausgestaltet.

Bei einer parallelen Anwendung dieser beiden Rechtsregime werden Kartell-​ und Regulierungsbehörden auf der Grundlage unterschiedlicher Gesetze, die zudem unterschiedliche Maßstäbe vorschreiben, tätig. Dies kann zu erheblichen Rechtsunstimmigkeiten führen, was insbesondere dann zum Ausdruck kommt, wenn der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht ein Sachverhalt zugrunde liegt, indem sich ein Infrastrukturnetzbetreiber entsprechend der Regulierungsanordnung verhält und trotzdem –​ oder gerade deswegen –​ auch nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht sanktioniert wird. Mit der parallelen Anwendung geht somit auch immer das Risiko divergierender Entscheidungen einher. Für die betroffenen Unternehmen führt dies nicht selten auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Daneben nimmt auch die Effizienz der Verwaltungstätigkeit ab. Die „parallele Anwendung“ eröffnet auch die Möglichkeit paralleler Behördentätigkeit. Doppelter Verwaltungsaufwand ist die Folge.

Aus dem zuvor Genannten geht hervor, dass „parallele Anwendung“ hier weit verstanden wird. Von einer solchen wird nicht nur dann ausgegangen, wenn sie zeitlich betrachtet auf derselben Ebene erfolgt, so wie im Falle der Anwendung zweier Ex-​post-​Kontrollmechanismen. Die hier behandelte parallele Anwendung betrifft das generelle Nebeneinander von Wettbewerbs-​ und ←28 | 29→Regulierungsrecht. Es geht somit auch um die überschneidende Anwendung von Ex-​ante-​ und Ex-​post-​Instrumenten. In diesem Fall ist besonders fraglich, ob die Ex-​post-​Anwendung des Wettbewerbsrechts korrigierend gegenüber der Ex-​ante-​Maßnahme des Regulierungsrechts auftreten kann. Es stellt sich die Frage, ob das Wettbewerbs-​ und das Regulierungsrecht tatsächlich parallel zur Anwendung kommen.

Obgleich schon vielfach diskutiert, ist die Frage nach der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf Infrastrukturmonopole noch nicht abschließend geklärt. Dies mag an den unterschiedlichen Regulierungsgesetzen sowie deren ständigen Veränderungen liegen. Zudem hat sich die Diskussion um die parallele Anwendung bislang nur vereinzelt auch in die Praxis verirrt. Entsprechend fehlen Leitentscheidungen, die die Beantwortung der Frage erleichtern würden. Dies gilt insbesondere für die nationale Ebene. Dort haben sich die Gerichte in letzter Zeit allein im Bereich des Eisenbahnrechts zu dem Verhältnis von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht geäußert, wenn auch nicht einheitlich.1 Hervorzuheben ist auch die sog. Telekom-​Entscheidung2 auf unionsrechtlicher Ebene. Im Rahmen dieser Arbeit wird sie für die Beantwortung der Frage nach der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf europäischer Ebene entscheidend sein.

Bis die Frage der parallelen Anwendbarkeit geklärt ist, besteht auch auf der behördlichen Ebene eine Verunsicherung, die sich negativ auf die Tätigkeiten innerhalb der Behörde und letztendlich auf die Kontrolle des Marktes auswirken kann. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher, wie auch schon einige Arbeiten zuvor,3 mit der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf Infrastrukturmonopole. Dabei werden folgende Fragen behandelt: Ist das Wettbewerbsrecht tatsächlich vollumfänglich im Anwendungsbereich der Regulierungsgesetze neben diesen anwendbar oder wird es ←29 | 30→durch die sektorspezifischen Gesetze verdrängt? Wie gestaltet sich ggf. eine solche Verdrängung? Kommt ein gänzlicher Ausschluss oder nur eine subsidiäre Anwendung des Wettbewerbsrechts in Betracht?

Um diese Fragen beantworten zu können, muss auch geklärt werden, wo sich die Anwendungsbereiche der beiden Regelungsbereiche überschneiden. Denn nur dort stellt sich die Frage einer parallelen Anwendung und nur dann kann eine verdrängende Wirkung in Betracht gezogen werden. Daher ist auch danach zu fragen, inwieweit die allgemeinen Wettbewerbsregeln auf Bereiche, die zugleich auch einer sektorspezifischen Regulierung unterliegen, angewendet werden können und sollen. Mit diesem Fragenkomplex geht auch die Frage nach der Zuständigkeit der Kartell-​ und Regulierungsbehörden einher.

B. Gang der Untersuchung

Die Untersuchung wird im Rahmen dieser Arbeit anhand der Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen vorgenommen. Der Frage nach der parallelen Anwendung wird meist innerhalb der einzelnen Sektoren nachgegangen.4 Sektorübergreifende Befunde gibt es dagegen nur selten.5 Neben der Darstellung der Anwendbarkeit des allgemeinen Wettbewerbsrechts innerhalb des Anwendungsbereiches der einzelnen Sektoren sollen auch die sektorübergreifenden Gemeinsamkeiten sowie die Unterschiede des sektorspezifischen Regulierungsrechts im Verhältnis zur Anwendung des Wettbewerbsrechts dargestellt werden. Durch die Erarbeitung gemeinsamer Grundsätze sollen grundlegende Aussagen zum Verhältnis von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht getroffen werden können. Diese Grundsätze können als „Spielregeln“ gesehen werden. Sie sollen die Beantwortung der Untersuchungsfrage vereinfachen und auch sektorübergreifend –​ also auch in den hier nicht behandelten Sektoren –​ Verwendung finden. Ziel ist es, einheitliche Maßstäbe zur Bestimmung des Verhältnisses von Regulierungs-​ und Wettbewerbsrecht zu schaffen.

Um eine Untersuchungsbasis zu schaffen, wird in der vorliegenden Arbeit zunächst allgemein auf die hier behandelten Infrastrukturnetze und die sie ←30 | 31→kennzeichnende Monopolstruktur eingegangen. Danach werden in einem Überblick das hier zu untersuchende Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht sowie die hier zu untersuchenden sektorspezifischen Regulierungsgesetze dargestellt. Dabei wird auf die Begrifflichkeiten, den rechtlichen Rahmen sowie die In-​ strumente der beiden Regelungsbereiche eingegangen. Dies vorangestellt erfolgt die Beantwortung der aufgeworfenen Hauptfrage sowie deren Konkretisierungen. Sie teilt sich in die Untersuchung auf nationaler und europäischer Ebene auf. Denn beide Regelungsbereiche (Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht) sind durch das Unionsrecht geprägt. Der starke Einfluss des EU-​Rechts sowie der Rechtsprechung auf europäischer Ebene geben der Diskussion eine zusätzliche Dimension, die auch in dieser Arbeit Beachtung findet. Daher ist neben dem nationalen Verhältnis auch auf das Verhältnis auf europäischer Ebene einzugehen.

Im Rahmen der Untersuchung des nationalen Rechts wird zunächst jeder der hier zu untersuchenden Sektoren einzeln behandelt. Dabei wird es, um auf einen sektorspezifischen Gesamtzusammenhang im Verhältnis zum allgemeinen Wettbewerbsrecht schließen zu können, auch immer wieder zu sektorübergreifenden Darstellungen kommen. Dies kann zum einen schon als erster Ansatzpunkt für die Bildung eines einheitlichen Maßstabs genutzt werden. Zum anderen wird versucht, die Beantwortung der Frage nach der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht an einer gleichen Argumentationsstruktur zu orientieren, die auch sektorübergreifend aufrechterhalten wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Aufbau innerhalb der untersuchten Sektoren identisch ist. Er ist vielmehr zugeschnitten auf die jeweiligen Eigenarten des betreffenden Sektors; sei es in historischer oder systematischer Hinsicht. Dennoch wird sich die Untersuchung des Verhältnisses auf der nationalen Ebene in erster Linie an den gesetzlich fixierten Kollisionsvorschriften oder solchen Vorschriften, die sich auf Vorschriften des GWB beziehen oder an solche angelehnt sind, orientieren. Dabei steht die Untersuchung des Wortlauts und der sich daraus ergebende Sinn und Zweck der jeweiligen Kollisionsvorschrift im Vordergrund. Ferner werden die Gesetzesmaterialien sowie der systematische (auch gesetzesübergreifende) Vergleich mit entsprechenden Kollisionsvorschriften und solchen, die für die Bestimmung des Verhältnisses von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht von Relevanz sein können, analysiert. Innerhalb der Untersuchung der einzelnen Sektoren wird sodann das Verhältnis der einzelnen Vorschriften des Wettbewerbsrechts zum jeweiligen Regulierungsrecht dargestellt. Dies erfolgt zumeist in Anlehnung an die §§ 1, 35 ff. und 19 ff. GWB in drei Komplexen, wobei insbesondere auf das strittige Verhältnis zu den §§ 19 ff. GWB eingegangen wird. Die Frage nach der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht ←31 | 32→wird sich dabei besonders auf die Bereiche des Netzzugangs sowie der Kontrolle und Regulierung der Entgelte beziehen. Auf die entsprechenden sektorspezi-​ fischen Vorschriften wird umfassend eingegangen. Auch die Zuständigkeiten des Bundeskartellamtes (BKartA) im Anwendungsbereich der sektorspezifischen Regulierungsgesetze wird dargestellt. Aufgrund des engen Zusammenhangs des materiellen und formellen Verhältnisses wird eine getrennte Darstellung dieser Verhältnisse nicht immer gelingen.

Nachdem die parallele Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf nationaler Ebene untersucht und die Forschungsfrage diesbezüglich für die einzelnen Sektoren beantwortet wurde, folgt die Prüfung der parallelen Anwendung von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf europäischer Ebene. Dabei bezieht sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf die Anwendung des Art. 102 AEUV im Verhältnis zu den nationalen Regulierungsgesetzen. Im dortigen Untersuchungsabschnitt wird zunächst auf die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV eingegangen und sodann das Verhältnis zu den hier behandelten Sektoren dargestellt. Schnell wird deutlich, dass sich das Verhältnis von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf europäischer Ebene von demjenigen auf nationaler Ebene unterscheidet. Eine Heranziehung gesetzlich fixierter Kollisionsvorschriften6 vermag dort nicht weiterzuhelfen. Daher gestaltet sich auch der Aufbau im 3. Kapitel anders als im 2. Kapitel. Im Anschluss wird auf die behördliche Anwendung von Art. 102 AEUV im Allgemeinen sowie im Verhältnis zu sektorspezifisch regulierten Sachverhalten eingegangen.

Nach der Darstellung des Verhältnisses von Wettbewerbs-​ und Regulierungsrecht auf nationaler und europäischer Ebene werden die gemeinsamen Grundsätze, die sich aus den sektorübergreifenden gleichartigen Befunden ergeben, herausgearbeitet und dargestellt. Ein Fazit mit Ausblick rundet die Arbeit ab.


1 LG Berlin, Urt. v. 17.03.2009 –​ 98 O 25/​08 = WuW 2009, 531; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 10.10.2006 –​ 11 U 46/​05 (Kart) = NJOZ 2007, 3816; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.02.2007 –​ VI-​U Kart 3/​06 = BeckRS 2007, 05448.

2 Europäische Kommission, Entscheidung v. 21.05.2003 –​ Rs. COMP/​C-​1/​37.451, 37.578, 37/​579, ABl. EU Nr. L 263, S. 9 –​ „Deutsche Telekom AG“; EuG, Urt. v. 10.04.2008 –​ Rs. T-​271/​03, Slg. 2008, II-​477 –​ „Deutsche Telekom/​Kommission“ = MMR 2008, 385; EuGH, Urt. v. 14.10.2010 –​ Rs. C-​280/​08 P, Slg. 2010, I-​9555 –​ „Deutsche Telekom/​Kommission“ = GRUR Int. 2011, 405.

3 So schon Paulweber, Regulierungszuständigkeiten, S. 49 ff.; Eisenblätter, Regulierung in der Telekommunikation, S. 135 ff.; Heise, Verhältnis, S. 28 ff.; Schreiber, Zusammenspiel, S. 95 ff. u. a.

4 Vgl. Paulweber, Regulierungszuständigkeiten, S. 49 ff.; Schreiber, Zusammenspiel, S. 121 ff.; Bartosch/​Jaros, WuW 2005, S. 15 ff.; Baur, RdE 2004, S. 277 ff.; Bremer/​Höppner, WuW 2009, S. 1271 ff.; Büdenbender, in:, FS Sellner, S. 439 ff.; Möschel, K&R 2001, S. 619 ff.; Piepenbrock/​ Schuster, CR 2002, S. 98 ff.; C. Säcker, Der Einfluss; Säcker, EnWZ 2015, S. 531 ff.; Schröder, IR 2009, S. 93 f.; Topel, ZWeR 2006, S. 27 ff.

5 Vgl. Schreiber, Zusammenspiel, S. 174 ff.; Sennekamp, Der Diskurs; Ludwigs, WuW 2008, 534; Kühne, FS Immenga, 243 ff.

6 Gemeint sind hier § 111 EnWG und § 2 Abs. 4 TKG.

Details

Seiten
432
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631845561
ISBN (ePUB)
9783631845578
ISBN (MOBI)
9783631845585
ISBN (Paperback)
9783631843987
DOI
10.3726/b17966
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Dezember)
Schlagworte
Energiewirtschaft Telekommunikation Eisenbahnen Netzzugangsregulierung Missbrauchsaufsicht Entgeltregulierung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 432 S.

Biographische Angaben

Yvonne Beyer (Autor:in)

Yvonne Beyer studierte Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin und an der Radboud University Nijmegen in den Niederlanden.

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