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Linguistische Beiträge zur Slavistik

XXVIII. JungslavistInnen-Treffen, 18. bis 20. September 2019 in Hamburg

von Nelli Ritter (Band-Herausgeber:in) Martin Henzelmann (Band-Herausgeber:in)
©2021 Konferenzband 292 Seiten

Zusammenfassung

Der vorliegende Sammelband präsentiert die Ergebnisse des XXVIII. JungslavistInnen-Treffens, welches im September 2019 an der Universität Hamburg stattfand. Die Beiträge erstrecken sich über ein weitreichendes sprachwissenschaftliches Spektrum, das sowohl diachrone als auch synchrone Fragestellungen umfasst. So werden aktuelle Forschungsergebnisse aus der Linguistic Landscape, der Eye-Tracking-Forschung und der Arbeit mit empirischen Beobachtungen neben weiteren linguistischen Studien vorgestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Stil oder Grammatik? Methodische Überlegungen zu einer Untersuchung der ukrainischen Bibelübersetzung (RUBEN BIEWALD (Gießen))
  • Zur Wortfolge polnischer Adjektiv-Substantiv-Konstruktionen in der Sprachverarbeitung – ein Satzwiederholungsexperiment (CHRISTINA CLASMEIER (Bochum))
  • Das Bunjewatzische in Serbien nach 1990: Innovationen und Kontroversen (MARTIN HENZELMANN (Hamburg))
  • Das Ende des Alec Holowka: Ein Todesfall aus russisch- und englischsprachiger medialer Perspektive (NICOLAS JANSENS (Heidelberg))
  • Populäre Musik als sprachwissenschaftliche Quellengattung? Das Beispiel Schlesisch (IRENÄUS KULIK (Jena))
  • Haben das Russische und das Belarussische in der Linguistic Landscape von Minsk unterschiedliche Funktionen? (ALISA MÜLLER (Bamberg))
  • Die Aorist/Imperfekt-Distinktion im Bulgarischen: Form, Bedeutung, Markiertheit (HAGEN PITSCH (Göttingen))
  • Leseindikatoren im Russischen und Deutschen: Eine Eye-Tracking-Studie mit Herkunftssprecher/innen und lebensweltlich Monolingualen (NELLI RITTER (Hamburg))
  • Quo vadis, Studierende der Herkunftssprache Russisch? (KSENIJA VOSSMILLER (Hildesheim))
  • Zum Altersdiskurs: Bezeichnungen von Älteren in Deutschland, Russland und bei russischsprachigen Migrant/innen im Vergleich (VALERIA WAGNER (Hamburg))
  • Verbvalenzstrukturen des Russischen und des Deutschen bei Russisch-Herkunftssprechern in Deutschland (VERONIKA WALD (Regensburg))
  • Die Tagung im Bild

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Stil oder Grammatik? Methodische Überlegungen zu einer Untersuchung der ukrainischen Bibelübersetzung

Ruben Biewald (Gießen)

Резюме

Метою українських перекладів Біблії у XIX ст. було не тільки намагання поліпшити розуміння тексту для простого народу, але також створення нового українського біблійного стилю. Задачею перекладачів було створення письмових конструкцій на основі усної української мови.

Отже аналіз біблійного стилю потребує методології, яка розглядає і діахронічний розвиток місцевих мов, і їхній синхронічні взаємовпливи. У цьому дослідженні розглядається переклад 1903 року П. Куліша, І. Пулюя та І. Нечуя-Левицького. Для стилістичного аналізу українського перекладу Біблії особливо цікавим є порівняння з російським синодальним перекладом 1876 року. Обидва тексти з'явилися приблизно одночасно і продовжують, хоча й на різних рівнях, церковнослов'янську текстову традицію. Окрім цього, обидва є перекладами з грецької.

Головний предмет порівняння в цьому дослідженні – вживання дієприкметників та дієприслівників. Дієприкметникові конструкції характерні для синтаксису грецького оригіналу. Вони є підрядними та вбудованими, як і складнопідрядні речення з підрядними з’ясувальними частинами. У сучасних перекладах такі речення часто знаходяться на місці грецьких дієприкметників.

В українському перекладі вступ до прямої мови перекладається, як і у грецькому тексті, через дієприкметник. Російською він перекладається або як складнопідрядне речення з підрядною з’ясувальною частиною, або як паратаксис, або ж не перекладається взагалі. Окрім цього, кількість дієприслівників в українській Біблії більше, ніж кількість дієприкметників; у російській навпаки.

Порівняння перекладів показує, що, окрім граматичних відмінностей, між українським та російським текстами є також відмінності стилістичні. Їхнє обґрунтування полягає в письмовій концептуальності біблійного тексту і його перекладу усною мовою.

1. Einleitung

Die Übersetzung der Bibel ins Ukrainische sollte im 19. Jahrhundert nicht nur der Verständlichkeit des Texts dienen, sondern einen Beitrag zur Schaffung einer neuen ukrainischen Schrifttradition leisten. Eine Übersetzung des Bibeltexts konnte dabei nicht ohne Anschluss an die bisherige Schrifttradition gelingen, da der Bibeltext an sich zwar neu geschrieben, aber nicht neu verfasst wird. Die Übersetzung erfolgte anhand der mündlichen ukrainischen Sprache. Als stilistisch ausgefeilter Text, war es jedoch Aufgabe der Übersetzenden schriftsprachliche Konstruktionen als Teil eines neuen ukrainischen Bibelstils in der Übersetzung zu schaffen.

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Eine Analyse eines biblischen Stils im Ukrainischen verlangt folglich nach einer Methodik, die sowohl die diachrone Entwicklung der Vernakularsprachen betrachtet als auch deren synchronen Einfluss aufeinander. Für die ukrainische Bibelübersetzung ist dabei der Vergleich mit der russischen interessant, da diese Texte nicht nur relativ zeitgleich entstanden, sondern beide an die Tradition des Kirchenslavischen anschließen.

Dass es Differenzen zwischen den russischen und ukrainischen Texten gibt ist voraussetzbar, da es sich um unterschiedliche Sprachen handelt. Dennoch verfügen beide Sprachen über ähnliche bzw. gleiche Konstruktionsmöglichkeiten. Unterschiede können also sowohl stilistisch als auch grammatisch motiviert sein. Eine detaillierte Ausdifferenzierung dieser Tendenzen gilt es zu klären.

2. Die Texte und ihr Hintergrund

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts fertigten mehrere Geistliche und Gebildete Bibelübersetzungen in eine moderne ukrainische – zu jener Zeit „kleinrussische“ – Sprache an. Drei Übersetzungen wurden von der Akademie der Wissenschaften in der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg rezensiert. Eine davon war die Bibelübersetzung von Pantelejmon Oleksandrovyč Kuliš (1819-1897) in Zusammenarbeit mit Ivan Pavlovyč Puljuj (1845-1918) und Ivan Semenovyč Nečuj-Levyc’kyj (1838-1918) aus dem Jahre 1903. Im Beitrag sollen die vier Evangelien des Neuen Testaments von Kuliš und Puljuj als Textgrundlage für das Ukrainische dienen. Da Nečuj-Levyc’kyjs Wirken sich vor allem auf das Alte Testament beschränkt, soll der Einfachheit halber das Kürzel KulPul verwendet werden.

Das Koine-Griechische übte, als Sprache des Ausgangstexts, Einfluss auf die Übersetzungen aus. Als Teil der ukrainischen Sprachgenese war der Text außerdem den umliegenden Literatursprachen ausgesetzt. Während das Polnische in westlichen Gebieten der Ukraine lange Zeit die dominante Literatursprache war, erfüllte diese Rolle in den östlichen Gebieten das Russische. Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte die ukrainische Nationalbewegung primär mit der Gleichsetzung mit Russland zu kämpfen – eine Wahrnehmung, die z.T. bis heute anhält.

Andrii Danylenko arbeitete lexikalische Besonderheiten heraus, die die neue ukrainische Übersetzung kennzeichnen (vgl. Danylenko 2016). Im folgenden Beitrag sollen eben jene schriftsprachlichen Tendenzen herausgefiltert werden, die sich wiederum auf die Schaffung eines ukrainischen konfessionellen Stils auswirkten. Dabei konzentriert sich die Untersuchung auf Partizipien als Schnittstelle zwischen Morphologie und Syntax in der Übersetzung. Diese erfüllen in der Konstruktion eines Satzes sowohl verbale als auch nominale ←10 | 11→Eigenschaften und können dementsprechend alle Satzgliedfunktionen von Verben und Nomen innehaben.

Die Bibelübersetzung KulPul wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts mehrfach nachgedruckt und konnte somit eine der am weitesten verbreiteten ukrainischen Bibelübersetzungen werden. Ihre Bedeutung liegt nicht nur in der „Ausbildung eines ukrainischen konfessionellen Stils (.. ), sondern auch (.. ) [in der] Bereicherung der ukrainischen Lexik und Phraseologie insgesamt“ (Nimčuk 2005: 24). Die Übersetzung KulPul wurde in der Rezension der Akademie der Wissenschaften nicht als die beste eingeschätzt. Die bestrezensierte Übersetzung, angefertigt von Pylyp Semenovyč Moračevs’kyj (1806-1879), wurde durch das Publikationsverbot für „kleinrussische“ Schriften im 19. Jahrhundert nicht veröffentlicht. Deswegen konnte sie keine derartige normative Kraft entfalten. Kuliš und Puljuj hatten aber mit ihrer Übersetzung ein einflussreiches Dokument geschaffen, das sich noch nachhaltig auf den ukrainischen Sakralstil auswirkte. Die Übersetzer verbanden dabei nicht nur ein breites Spektrum ukrainischer Dialekte, sondern festigten die Schrifttradition einer mündlich geprägten Sprache. In Abgrenzung zur russischen und polnischen Schrifttradition sollte die Bibelübersetzung so mündlich wie möglich sein, aber gleichzeitig stilistisch ebenbürtig mit anderen Übersetzungen der Bibel.

Die steten Bemühungen der ukrainischen Intellektuellen, eine Bibel in ihrer ridna mova herauszugeben, erhöhte den Druck auf den Heiligen Synod der russisch-orthodoxen Kirche. Es verwunderte, dass es im Russischen Imperium bereits Bibelübersetzungen in Nationalsprachen des Zarenreichs gab, u.a. die Lettische, aber noch keine in russischer Sprache (vgl. Alekseev 2002: 7). Für die russische Übersetzung wurde die Arbeit der Britischen Bibelgesellschaft von 1823 fortgesetzt, nachdem dieser die vom Synod unabhängige Überset-zungsarbeit untersagt worden war. Ironischerweise wurde im Jahre 1876, als der russische Herrscher Aleksandr II. in Bad Ems die Publikation ukrainisch-sprachiger („kleinrussischer“) Texte verbat, die erste vollständige Bibelübersetzung in ein modernes Russisch publiziert, die so genannte synodale Übersetzung. Diese Übersetzung soll im Folgenden mit RusSyn abgekürzt werden.

3. Unterschiede im Gebrauch der Partizipien

Sowohl das Ukrainische als auch das Russische kennen mehrere partizipiale Formen. Beide Sprachen können Partizipien im Präteritum und im Präsens bilden, sowohl aktiv als auch passiv und zum Teil in einer Lang- und einer Kurzform. Im Ukrainischen ist die Verwendung der präsentischen Langformen hingegen stilistisch konnotiert, bzw. sind diese zu Adjektiven erstarrt. Deswegen steht bereits seit den ersten Normierungsversuchen Anfang des 19. ←11 | 12→Jahrhunderts zur Debatte, ob die präsentische Partizipienbildung im Ukrainischen produktiv sein soll (vgl. Pavlovs’kyj 1978: 21, 119). Diese Diskussion betrifft vor allem die aktiven präsentischen Partizipien. Kuliš und Puljuj hingegen verwendeten präsentische Partizipienformen in ihrer Übersetzung. Passive Partizipien im Präsens existieren im Urkainischen meist als ehemals kir-chenslavische Formen, die zu Adjektiven erstarrt sind.

Die Kurzformen der aktiven Partizipien existieren in beiden Sprachen als Adverbialpartizipien. Die Formen sind erstarrt und flektieren nicht mehr – anders als noch im Kirchenslavischen. Im Ukrainischen enden die Adverbialpartizipien auf - чи im Präsens, im Russischen auf -я (-а); im Präteritum im Ukrainischen auf - ши und im Russischen auf - вши, -ши oder auf den stammauslau-tenden Konsonanten. Die passiven Partizipien werden in beiden Sprachen m.E. gleich gebildet; im Ukrainischen ist außerdem eine unpersönliche präteritale Passivform auf -o möglich, wie auch im Polnischen. Das Russische verwendet hingegen passive Präsenspartizipien produktiv und dies sowohl in Lang- als auch in Kurzform. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die einzelnen Formen. Da passive Partizipien im Präteritum im Ukrainischen vollständig zu Adjektiven erstarrt sind, wurden diese in der Tabelle nicht verzeichnet.

Tab. 1: Übersicht über die Partizipienformen im Ukrainischen und im Russischen

In folgender Übersicht sind die absoluten Zahlen der Partizipialkonstruktionen in den vier Evangelien der ukrainischen und der russischen Bibelübersetzung dargestellt. Auffällig ist, dass in der russischen Übersetzung mit 2370 Formen weitaus mehr Partizipien vorkommen als in KulPul, in der 1939 partizipiale Konstruktionen vorkommen. Die Kurzformen des Präteritumpartizips ←12 | 13→im Passiv wurden aufgrund der fehlenden eindeutigen Äquivalente im Russischen nicht mit einberechnet. Die Kurzformen der aktiven Partizipien sind in der Übersicht als Adverbialpartizipien verzeichnet.

Tab. 2: Anzahl der einzelnen Partizipienformen in KulPul und RusSyn

Form

Anzahl KulPul

Anzahl RusSyn

Part.Präs.Akt.

139

435

Präs. Adverbialpartizip

521

443

Part.Präs.Pass.

187

Part.Prät.Akt.

37

287

Prät. Adverbialpartizip

950

697

Part.Prät.Pass

288

455

Gesamt Adverbialpartizipien

1471

1140

Gesamt Langformen

468

Details

Seiten
292
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631860557
ISBN (ePUB)
9783631860564
ISBN (MOBI)
9783631860571
ISBN (Paperback)
9783631855706
DOI
10.3726/b18750
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Juli)
Schlagworte
Softcover Geisteswissenschaften Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft Slawische Sprachwissenschaft 5 6 8 Empirische Sprachwissenschaft Eye-Tracking Russisch Polnisch Minderheitensprachen
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 292 S., 21 farb. Abb., 38 s/w Abb.

Biographische Angaben

Nelli Ritter (Band-Herausgeber:in) Martin Henzelmann (Band-Herausgeber:in)

Die HerausgeberInnen Nelli Ritter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Leseforschung und des Eye-Trackings. Sie fokussiert sich dabei auf einen kontrastiven Ansatz, der vor allem das Russische und das Deutsche beleuchtet. Martin Henzelmann arbeitet an der Universität Hamburg. Er ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und forscht zu Sprachminderheiten im slavistischen Kontext sowie zur Herausbildung slavischer Mikroliteratursprachen.

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