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Die Rolle des Traditionspapiers bei Verfügungen über Containerware im Seehandel

von Susan Rödiger (Autor:in)
©2021 Dissertation 246 Seiten

Zusammenfassung

Was sind Traditionspapiere und was die historischen Grundlagen der dinglichen Traditionswirkung? Nach § 524 S. 1 HGB hat die Begebung des Konnossements an den darin benannten Empfänger, für den Erwerb von Rechten an dem Gut dieselben Wirkungen wie die Übergabe des Gutes. Die dogmatische Einordnung dieser handelsrechtlichen Traditionswirkung in die bürgerlich-rechtlichen Normen des Eigentumserwerbs anhand der absoluten Theorie, der relativen Theorien und der wertpapierrechtlichen Theorien bildet den Schwerpunkt dieser Publikation. Im Rahmen eines Anhangs und Ausblicks werden zudem rechtliche und technische Fragen zur Digitalisierung von Traditionspapieren behandelt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Seehandelsrecht
  • C. Seefrachtvertrag und beteiligte Personen
  • I. Seefrachtvertrag
  • 1. Stückgutfrachtvertrag (§§ 481 ff. HGB)
  • 2. Reisefrachtvertrag (§§ 527 ff. HGB)
  • II. Die Beteiligten des Seefrachtvertrages
  • 1. Verfrachter und Befrachter
  • 2. Ablader
  • 3. Ausführender Verfrachter
  • D. Kaufmännische Orderpapiere
  • I. Orderpapiere
  • II. Kaufmannseigenschaft
  • III. Einwendungsausschluss des § 364 Abs. 2 HGB
  • E. Traditionspapiere und Traditionswirkung
  • I. Definition des Traditionspapiers
  • II. Doppelnatur der Traditionspapiere
  • III. Die handelsrechtlichen Traditionspapiere
  • 1. Ladeschein (§§ 443 ff. HGB)
  • 2. Lagerschein (§§ 475 c ff. HGB)
  • 3. Konnossement (§§ 513 ff. HGB)
  • a) Der Begriff des Konnossements
  • b) Inhaltliche Bedeutung des Konnossements
  • c) Wirtschaftliche Bedeutung des Konnossements
  • d) Dokumentenakkreditiv
  • e) Geschichtliche Entwicklung des Konnossements als Warenpapier
  • f) Arten des Konnossements
  • F. Containertransport
  • I. Entwicklung des Containerverkehrs
  • II. Container und Angaben im Konnossement
  • III. Anwendbarkeit des deutschen Rechts
  • G. Geschichtlicher Ursprung der dinglichen Traditionswirkung
  • H. Geschichtliche Entwicklung des § 647 HGB
  • I. Das 4. Seerechtsänderungsgesetz
  • J. Voraussetzungen der Traditionswirkung
  • I. Besitz des Verfrachters
  • II. Begebung des Traditionspapiers
  • 1. Übertragung des verbrieften Anspruchs
  • a) Rektakonnossement
  • b) Inhaberkonnossement
  • c) Orderkonnossement
  • 2. Einigung bezüglich der Rechtsänderung an der Sache
  • III. Legitimation des Erwerbers
  • K. Verfügung über das Gut ohne Traditionspapier
  • L. Vorteile der Verfügung mittels Traditionspapiers
  • I. Einwendungsausschluss nach § 364 Abs. 2 HGB
  • II. Gutgläubiger Erwerb (§ 365 Abs. 1 HGB i.V.m. Art. 16 Abs. 2 WG)
  • III. Rechte Dritter § 936 Abs. 3 BGB
  • M. Geschichtliche Entwicklung der Theorien zur dinglichen Wirkung der Traditionspapiere
  • I. Dingliche Theorien / Traditionstheorien (Besitztheorien)
  • 1. Symbolische Tradition
  • 2. Constitutum possessorium
  • 3. Schiffer besitzt für Konnossementsinhaber
  • 4. Schiffer als Besitzerwerbsstellvertreter
  • II. Obligatorische Theorien
  • III. Zessionstheorie
  • IV. Dingliche Theorien
  • 1. Detentionstheorie
  • 2. Die Theorien von Exner und Brunner
  • a) Die Theorie Exners
  • b) Die Theorie Brunners
  • N. Absolute Theorie
  • I. Inhalt der absoluten Theorie
  • II. Konstruktion des Rechtserwerbs
  • III. Die Begründung der Theorie
  • 1. Historische Grundlagen
  • 2. Ersetzung des Besitzes als Publizitätsträger durch Übergabe des Traditionspapiers
  • 3. Wortlaut des § 650 a.F. HGB
  • IV. Konsequenzen der absoluten Theorie
  • 1. Eigentumserwerb vom Berechtigten
  • 2. Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten
  • a) Übergabe des Gutes durch den unmittelbaren Besitzer (Ausnahme)
  • b) Übergabe des Traditionspapiers
  • 3. Wirkung des Eigentumserwerbs auf belastende Rechte Dritter
  • 4. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch den Berechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 5. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch einen Nichtberechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 6. Bestellung eines gesetzlichen Pfandrechts an der Ware mittels eines Traditionspapiers
  • 7. Verpfändung des Anspruchs aus dem Traditionspapier
  • 8. Wirkung der Papierübergabe nach dem Untergang der Güter
  • 9. Der Rechtserwerb der Ware durch ein gestohlenes Traditionspapier
  • 10. Wirkung der Papierübergabe bezüglich abhanden gekommener Güter
  • 11. Begebung mehrerer Konnossementsexemplare
  • 12. Ende der dinglichen Wirkung
  • V. Die Argumente für die absolute Theorie
  • 1. Auslegung nach dem Wortlaut – kein Erfordernis des dauerhaften Besitzes des Verfrachters
  • 2. Systematische Auslegung
  • 3. Historische Auslegung
  • 4. Auslegung unter Beachtung der Entstehungsgeschichte
  • 5. Auslegung unter Berücksichtigung von Verkehrsschutz gesichtspunkten
  • 6. Auslegung nach dem Sinn und Zweck
  • 7. Konnossement als Legitimationsmittel
  • 8. Rechtsvergleichende Betrachtung
  • VI. Einwände gegen die absolute Theorie
  • 1. Auslegung nach dem Wortlaut
  • 2. Konnossement als Legitimationsmittel anstelle des Besitzes
  • 3. Fortdauernder unmittelbarer Besitz des Verfrachters
  • 4. Ablehnung des gutgläubigen Erwerbs im Ausnahmefall
  • VII. Zusammenfassende Würdigung
  • O. Die relativen Theorien
  • P. Streng relative Theorie
  • I. Inhalt der streng relativen Theorie
  • II. Konstruktion des Rechtserwerbs
  • III. Die Begründung der Theorie
  • IV. Konsequenzen der streng relativen Theorie
  • 1. Eigentumserwerb vom Berechtigten
  • 2. Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten
  • 3. Wirkung des Eigentumserwerbs auf belastende Rechte Dritter
  • 4. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch den Berechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 5. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch einen Nichtberechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 6. Verpfändung des Anspruchs aus dem Traditionspapier
  • 7. Wirkung der Papierübergabe nach dem Untergang der Güter
  • 8. Der Rechtserwerb der Ware durch ein gestohlenes Traditionspapier
  • 9. Wirkung der Papierübergabe bezüglich abhanden gekommener Güter
  • 10. Begebung mehrerer Konnossementsexemplare
  • 11. Ende der dinglichen Wirkung
  • V. Argumente für die streng relative Theorie
  • VI. Einwände gegen die streng relative Theorie
  • 1. Auslegung nach dem Wortlaut
  • 2. Systematische Auslegung – Entbehrlichkeit §§ 448, 475 g, 650 HGB a.F.
  • 3. Verkehrsschutzgesichtspunkte/Ungewisser Eigentumserwerb
  • 4. Notwendigkeit einer Verpfändungsanzeige
  • 5. Rechte Dritter
  • VII. Zusammenfassende Würdigung
  • Q. Repräsentationstheorie (relative Theorie)
  • I. Inhalt der Repräsentationstheorie
  • II. Konstruktion des Rechtserwerbs
  • III. Die Begründung der Theorie
  • IV. Konsequenzen der Repräsentationstheorie
  • 1. Eigentumserwerb vom Berechtigten
  • 2. Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten
  • a) Übergabe des Gutes durch den unmittelbaren Besitzer
  • b) Übergabe des Traditionspapiers
  • 3. Wirkung des Eigentumserwerbs auf belastende Rechte Dritter
  • 4. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch den Berechtigten
  • a) Verpfändung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs
  • b) Verpfändung mittels eines Traditionspapiers
  • 5. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch einen Nichtberechtigten mittels eines Traditionspapiers – Rechte Dritter am Gut
  • 6. Bestellung eines gesetzlichen Pfandrechts an der Ware mittels eines Traditionspapiers
  • 7. Verpfändung des Anspruchs aus dem Traditionspapier
  • 8. Wirkung der Papierübergabe nach dem Untergang der Güter
  • 9. Der Rechtserwerb an der Ware durch ein gestohlenes Traditionspapier
  • a) Rektakonnossement
  • b) Inhaberkonnossement
  • c) Orderkonnossement
  • 10. Wirkung der Papierübergabe bezüglich abhanden gekommener Güter
  • a) Orderkonnossement
  • b) Rektakonnossement
  • c) Inhaberkonnossement
  • 11. Begebung mehrerer Konnossementsexemplare
  • 12. Ende der dinglichen Wirkung
  • V. Argumente für die Repräsentationstheorie
  • 1. Auslegung nach dem Wortlaut
  • 2. Auslegung nach dem Sinn und Zweck
  • 3. Schutz des gutgläubigen Erwerbers
  • 4. Erleichterte Verpfändung
  • 5. Konnossement als Legitimationsmittel
  • 6. Die Auffassung der Rechtsprechung
  • VI. Einwände gegen die Repräsentationstheorie
  • 1. Auslegung nach dem Wortlaut
  • 2. Annahme einer Besitzfiktion
  • 3. Notwendigkeit des mittelbaren Besitzes des Traditionspapierinhabers
  • 4. Ungewisser Zeitpunkt des Eigentumserwerbs
  • 5. Historische Auslegung
  • VII. Zusammenfassende Würdigung
  • R. Wertpapierrechtlich fortgebildete streng relative Theorie
  • I. Inhalt der Theorie
  • II. Konstruktion des Rechtserwerbs
  • III. Die Begründung der Theorie
  • IV. Rechtsfortbildung nach Ansicht von Canaris
  • V. Konsequenzen der wertpapierrechtlich fortgebildeten streng relativen Theorie
  • 1. Eigentumserwerb vom Berechtigten
  • 2. Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten
  • a) Übergabe des Gutes durch den unmittelbaren Besitzer
  • b) Übergabe des Traditionspapiers
  • 3. Wirkung des Eigentumserwerbs auf belastende Rechte Dritter
  • a) vertragliche Pfandrechte
  • b) gesetzliche Pfandrechte und Besitzpfandrechte Dritter
  • 4. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch den Berechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 5. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch einen Nichtberechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 6. Bestellung eines gesetzlichen Pfandrechts an der Ware mittels eines Traditionspapiers
  • 7. Verpfändung des Anspruchs aus dem Traditionspapier
  • 8. Wirkung der Papierübergabe nach dem Untergang der Güter
  • 9. Wirkung der Papierübergabe bezüglich abhanden gekommener Güter
  • 10. Begebung mehrerer Konnossementsexemplare
  • 11. Ende der dinglichen Wirkung
  • VI. Argumente für die wertpapierrechtlich fortgebildete streng relative Theorie
  • VII. Einwände gegen die wertpapierrechtlich fortgebildete streng relative Theorie
  • 1. Auslegung nach dem Wortlaut
  • 2. Systematische Auslegung: Entbehrlichkeit §§ 448, 475 g, 524 HGB
  • 3. Rechte Dritter
  • 4. Numerus clausus der Traditionspapiere
  • VIII. Zusammenfassende Würdigung
  • S. Theorie des wertpapierrechtlichen, aber sachenrechts-bezogenen Rechtsschutzes
  • I. Inhalt der Theorie
  • II. Konstruktion des Rechtserwerbs
  • III. Die Begründung der Theorie
  • IV. Konsequenzen der Theorie des wertpapierrechtlichen, aber sachenrechtsbezogenen Rechtsschutzes
  • 1. Eigentumserwerb vom Berechtigten
  • 2. Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten/belastende Rechte Dritter
  • 3. Einzelfragen des vertraglichen Pfandrechts an der Ware
  • 4. Verpfändung des Anspruchs aus dem Traditionspapier
  • 5. Wirkung der Papierübergabe nach dem Untergang der Güter
  • 6. Der Rechtserwerb an der Ware durch ein gestohlenes Traditionspapier
  • 7. Wirkung der Papierübergabe bezüglich abhanden gekommener Güter
  • 8. Ende der dinglichen Wirkung
  • V. Argumente für die Theorie Zöllners
  • VI. Einwände gegen die Theorie Zöllners
  • VII. Zusammenfassende Würdigung
  • T. Wertpapierrechtliche Theorie
  • I. Inhalt der wertpapierrechtlichen Theorie
  • II. Konstruktion des Rechtserwerbs
  • III. Die Begründung der wertpapierrechtlichen Theorie
  • IV. Konsequenzen des Theorieansatzes
  • 1. Eigentumserwerb vom Berechtigten/Nichtberechtigten
  • 2. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch den Berechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 3. Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an der Ware durch einen Nichtberechtigten mittels eines Traditionspapiers
  • 4. Bestellung eines gesetzlichen Pfandrechts an der Ware mittels eines Traditionspapiers
  • 5. Verpfändung des Anspruchs aus dem Traditionspapier
  • 6. Wirkung der Papierübergabe nach dem Untergang der Güter
  • 7. Wirkung der Papierübergabe bezüglich abhanden gekommener Güter
  • 8. Ende der dinglichen Wirkung
  • V. Argumente für die wertpapierrechtliche Theorie
  • VI. Einwände gegen die wertpapierrechtliche Theorie
  • VII. Zusammenfassende Würdigung
  • U. Anhang und Ausblick – Digitalisierung des Traditionspapiers
  • I. Auslieferung der Güter ohne Konnossement durch Empfängerrevers (Letter of Indemnity)
  • II. Seefrachtbrief als alternatives Transportdokument
  • III. Entwicklung des elektronischen Konnossements
  • 1. SeaDocs Bill of Lading
  • 2. CMI-Rules for Electronic Bills of Lading
  • 3. Bolero Bill of Lading
  • a) Der technische Hintergrund
  • b) Die Ausstellung des BBL
  • c) Der Handel mit dem BBL
  • d) BBL und die Vereinbarkeit mit § 516 Abs. 2 HGB
  • e) Gewährleistung der Authentizität und Integrität der Daten
  • f) Ermächtigung § 516 Abs. 3 HGB
  • 4. Das Blockchain-Traditionspapier
  • V. Zusammenfassung und Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Bei der Verschiffung von Gütern über See im internationalen Handelsverkehr spielen handelbare Wertpapiere noch immer eine bedeutende Rolle. Einerseits besteht das Bedürfnis, die Übergabe der Ladung an den Verfrachter sowie deren Zustand im Zeitpunkt der Übergabe zu dokumentieren. Andererseits hat der Eigentümer der Waren beim Seehandel, aufgrund der meist verlängerten Transportzeit, ein Interesse daran, über die Güter während des Transports verfügen zu können, d.h. die Güter während des Transportes zu veräußern oder zu verpfänden.

Diese Transportdokumente, wie zum Beispiel das Konnossement, ermöglichen dem Verkäufer (Exporteur) eine Verfügung über die Waren während des Transports und dem Käufer (Importeur), das Gut am Bestimmungshafen durch Vorlage des Papiers vom Schiffer heraus zu verlangen.1 Das Konnossement, der Ladeschein und der Orderlagerschein sind aufgrund ihrer Doppelfunktion, zum einen den Herausgabeanspruch zu verbriefen und zum anderen dingliche Verfügungen über die Ware zu ermöglichen, Traditionspapiere, die im Welthandel unerlässlich für seine sichere und schnelle Handelbarkeit der Waren auf See sind.

Die Frage, wie die Traditionswirkung dieser Wertpapiere im Einzelnen herzuleiten und zu rechtfertigen ist, ist schon seit langer Zeit umstritten. Heymann hat hinsichtlich der dogmatischen Herleitung der Traditionswirkung als erster zwischen drei Theorien unterschieden: der absoluten Theorie, der streng-relativen Theorie und der Repräsentationstheorie (relative Theorie). In der Folgezeit haben sich weitere Theorien herausgebildet: die wertpapierrechtlich fortgebildete streng-relative Theorie, die Theorie des wertpapierrechtlichen aber sachenrechtsbezogenen Rechtsschutzes und die wertpapierrechtliche Theorie.

In dieser Arbeit werden diese Theorien hinsichtlich ihres Inhaltes, ihrer Konstruktion, ihrer Begründung und den Konsequenzen dargestellt und verglichen. Es soll aufgezeigt werden, welche Theorien aufgrund ihrer Konsequenzen abzulehnen sind und welcher Theorie aufgrund ihrer schlüssigen Herleitung und den damit einhergehenden gut vertretbaren Konsequenzen aus heutiger Sicht auch im Hinblick auf das 4. Seerechtsänderungsgesetz aus 2013 gefolgt werden kann.

Des Weiteren enthält diese Arbeit einen Ausblick zur Digitalisierung des Traditionspapiers.

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1 Herber, FS Magnus, S. 674; Schlodtmann, Konnossement, S. 41 f.

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B. Seehandelsrecht

Das deutsche Seehandelsrecht ist im Fünften Buch des Handelsgesetzbuchs (§§ 476-619 HGB) geregelt. Es lässt sich als derjenige Teil des Rechts beschreiben, der die Verhältnisse der Schifffahrt regelt und ist der Inbegriff der sich auf das Seewesen überhaupt und den Seehandel insbesondere beziehenden Gesetze und Gewohnheiten.2 Als das Sonderrecht der Schifffahrt auf See3 ist es ein traditionsreiches und international bedeutsames Teilgebiet des Handelsrechts.

Bereits bei Inkrafttreten des HGB am 10. Mai 1897 galt das darin kodifizierte Seehandelsrecht, welches auf das ADHGB4 von 1869 zurückging, als überaltert, wurde aber dennoch in das HGB übernommen. Zwar wurde es seitdem mehrfach aktualisiert, doch dienten die Änderungen im Wesentlichen der innerstaatlichen Umsetzung internationaler seerechtlicher Übereinkommen.5 In Deutschland wurden die Haager Regeln6 von 1924, die einheitliche Haftungsvorschriften des Verfrachters gegenüber dem Befrachter für Verschiffungen festlegen, über die ein Konnossement ausgestellt ist und das diese ändernde Protokoll von Visby7 (Haag-Visby Regeln) von 1968 inhaltlich in das Seehandelsrecht eingearbeitet.

Am 25. April 2013 trat das Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts in Kraft. Dadurch wurde das deutsche Seehandelsrecht insgesamt neu gefasst, modernisiert und für den internationalen Wettbewerb aufgestellt. Das Gesetz regelt im Wesentlichen drei Bereiche: Das Seehandelsrecht, das allgemeine Transportrecht und das Binnenschifffahrtsrecht. Im Mittelpunkt stand das Seehandelsrecht, das vollständig neu gefasst wurde. Das allgemeine Transportrecht und das Binnenschifffahrtsrecht wurden in einigen Punkten modernisiert.

Zum Seehandelsrecht wurden unter anderem die folgenden Neuerungen in das HGB eingearbeitet:

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1. Veraltete Vorschriften wie die Partenreederei8 und das seerechtliche Verklarungsverfahren9 wurden abgeschafft.

2. Die Regelungen über den Kapitän und die Haverei wurden verschlankt.

Das Seefrachtrecht wurde klarer strukturiert und modernisiert.

1. Zugunsten des Verfrachters besteht kein gesetzlicher Haftungsausschluss mehr für Feuer und nautisches Verschulden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, einen solchen Ausschluss vertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbaren (§ 512 HGB).

2. Erstmals eingeführt wird eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung elektronischer Konnossemente (§ 516 Abs. 2 HGB) und Seefrachtbriefe (§ 526 HGB). Die elektronischen Konnossemente und elektronischen Seefrachtbriefe sind jetzt den Papiergebundenen gleichgestellt, sofern sie die Authentizität und Integrität der Aufzeichnung wahren.

3. Aufgrund der Neuregelung des § 486 Abs. 4 HGB ist eine Verladung auf Deck durch den Verfrachter bei ausgestelltem Konnossement ausnahmsweise ohne ausdrückliche Zustimmung des Abladers zulässig, wenn sich das Gut in oder auf einem Lademittel (z.B. Container) befindet, das für die Beförderung auf Deck tauglich ist, und wenn das Deck für die Beförderung eines solchen Lademittels ausgerüstet ist. Allerdings kann der Befrachter bzw. Ablader einer Decksverladung widersprechen.

4. In einem neuen eigenen Abschnitt für Schiffsüberlassungsverträge wurden erstmalig der Schiffsmietvertrag (Bareboat Charter, §§ 553 ff. HGB) und der Zeitchartervertrag (§§ 557 ff. HGB) als eigenständige, vom Seefrachtvertrag zu unterscheidende Vertragstypen geregelt.

5. Die Haftung des Beförderers für Schäden von Passagieren auf Seeschiffen (§§ 536 ff. HGB) wurde in das Handelsgesetzbuch integriert.

6. Für den Arrest in Seeschiffe wird auf das Vorliegen eines Arrestgrundes verzichtet. Es kommt nicht mehr darauf an, ob ohne den Arrest die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.10


2 Schulz, Entstehung des Seerechts, S. 15.

3 Herber, Seehandelsrecht, § 1 I.

4 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch.

5 Gieße, Verkehrs-Rundschau 2012, Heft 23, 34(35).

6 Übereinkommen vom 28. August 1924 zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente.

7 Protokoll vom 23. Februar 1968 zur Änderung des Übereinkommens vom 25. August 1924 zur Vereinheitlichung der Regeln von Konnossementen.

8 Eine vom Eigentum an einem Schiff abhängige Gesellschaftsform, die aus dem Mittelalter stammt (Gieße, Verkehrs-Rundschau 2012, Heft 23, 34(36)).

9 Besonderes Verfahren, das der Beweisaufnahme über den tatsächlichen Hergang eines Schiffsunfalls dient (Gieße, Verkehrs-Rundschau 2012, Heft 23, 34(36 f.)).

10 http://www.bmjv.de/DE/Themen/WirtschaftHandel/Seehandelsrecht/seehandelsrecht_node.html (25.09.2014).

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C. Seefrachtvertrag und beteiligte Personen

I. Seefrachtvertrag

Ein Frachtvertrag ist der auf die entgeltliche Beförderung von Gütern gerichtete Werkvertrag zwischen Absender und Frachtführer.11 Der Seefrachtvertrag ist der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern mit Seeschiffen.12 Das Seehandelsrecht unterscheidet bei den Seefrachtverträgen hinsichtlich der Beförderungsleistung zwischen dem Stückgutfrachtvertrag (§§ 481 ff. HGB) und dem Reisefrachtvertrag (§§ 527 ff. HGB).

1. Stückgutfrachtvertrag (§§ 481 ff. HGB)

Durch den Stückgutfrachtvertrag wird der Verfrachter gemäß § 481 Abs. 1 HGB verpflichtet, das Gut mit einem Schiff über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort dem Empfänger abzuliefern. Der Empfänger erhält einen Anspruch auf Herausgabe des beförderten Gutes und Ansprüche wie z.B. Schadensersatz bei Beschädigung der Güter oder Kündigungsrechte bei säumiger Abladung der Güter.

2. Reisefrachtvertrag (§§ 527 ff. HGB)

Durch den Reisefrachtvertrag verpflichtet sich der Verfrachter gemäß § 527 Abs. 1 HGB das Gut mit einem bestimmten Schiff im Ganzen, mit einem verhältnismäßigen Teil eines bestimmten Schiffes oder in einem bestimmt bezeichneten Raum eines solchen Schiffes auf einer oder mehreren bestimmten Reisen über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort dem Empfänger abzuliefern.

Dementsprechend kann sich ein Seefrachtvertrag auf das Schiff im Ganzen, einen verhältnismäßigen Teil, auf einen bestimmten Raum des Schiffes (Reisefrachtvertrag) oder auf einzelne Güter (Stückgutfrachtvertrag) beziehen.

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II. Die Beteiligten des Seefrachtvertrages

1. Verfrachter und Befrachter

Die Parteien des Seefrachtvertrags werden als Befrachter und Verfrachter bezeichnet. Verfrachter (engl. Carrier) ist, wer es durch den Seefrachtvertrag übernimmt, die verfrachteten Güter zu befördern.13 Er ist der Frachtführer in der Seeschifffahrt. Befrachter (engl. Shipper) ist, wer mit dem Verfrachter den Seefrachtvertrag abschließt und in dessen Rahmen die Stückgüter befördern oder das gecharterte Schiff beladen lässt.14 Er verpflichtet sich zur Anlieferung der Güter und zur Zahlung der Seefracht.

2. Ablader

Im deutschen Recht gibt es zusätzlich die Rechtsfigur des Abladers. Ablader ist gemäß § 513 Abs. 2 HGB, wer das Gut dem Verfrachter zur Beförderung übergibt und vom Befrachter als Ablader zur Eintragung in das Konnossement benannt ist. Er handelt auf Grund einer rechtlichen Befugnis im eigenen Namen und kann auf seinen Namen ausgestellte Konnossemente verlangen.15 International wird nicht zwischen Befrachter und Ablader unterschieden, deshalb wird der Ablader, wie der Befrachter als Shipper bezeichnet.

3. Ausführender Verfrachter

Mit dem Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts wurde die neue Rechtsfigur des „ausführenden Verfrachters“ eingeführt. Ausführender Verfrachter ist nach § 509 Abs. 1 HGB derjenige, der nicht Vertragspartner des Befrachters ist, die Beförderung jedoch ganz oder teilweise selbst durchführt. Dieser soll für Schäden, die während der durch ihn ausgeführten Beförderung an den Gütern entstehen, so haften, als wäre er der Verfrachter. Ausführender Verfrachter kann nur ein Reeder, Ausrüster oder ein in einem Hafengebiet mit Umschlagarbeiten betrautes Unternehmen sein.16 Mit dieser Rechtsfigur soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass in einen Transportvertrag neben dem vertraglichen Verfrachter häufig weitere selbständige Transportunternehmer eingeschaltet werden, die die Beförderung ausführen und dabei für Schäden an den Waren ←24 | 25→verantwortlich sein können. Da der Geschädigte mit diesen selbständigen Transportunternehmern regelmäßig keine vertragliche Beziehung hat, bliebe ihm ohne gesetzliche Haftungserstreckung häufig nur der Anspruch gegen den Verfrachter als seinen Vertragspartner.17 Daher erhält der Befrachter mit der Neuregelung des ausführenden Verfrachters einen gesetzlichen Direktanspruch gegen denjenigen, der als Dritter das Gut befördert hat und in dessen Obhut es zu einer Beschädigung der Waren gekommen ist.18

Beteiligte am Seefrachtvertrag

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11 Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 550.

Details

Seiten
246
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631858639
ISBN (ePUB)
9783631858646
ISBN (MOBI)
9783631858653
ISBN (Paperback)
9783631848296
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Juli)
Schlagworte
Digitalisierung Wertpapierrechtliche Theorien Repräsentationstheorie streng relative Theorie absolute Theorie
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 246 S., 3 s/w Abb.

Biographische Angaben

Susan Rödiger (Autor:in)

Susan Rödiger studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und ist als Syndikusrechtsanwältin im Bankrecht tätig.

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