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Die Dogmatik des gesetzlichen Änderungsrechts nach § 650b BGB

Zugleich eine praktische Kritik

von Lukas Moritz Lindner (Autor:in)
©2021 Dissertation 270 Seiten

Zusammenfassung

Seit dem 1. Januar 2018 regelt das deutsche Zivilrecht den Bauvertrag in den §§ 650a ff. BGB. § 650b BGB enthält das gesetzliche Leistungsänderungsrecht, das dem Besteller die Möglichkeit verleiht, einseitig Änderungen am Vertragsinhalt vorzunehmen. Diese Publikation untersucht, wie weit die Änderungsbefugnis reicht, welche Rechtsnatur der Norm zukommt und welche Herausforderungen sich in der Anwendung stellen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • § 1 Einleitung
  • A. Charakter des Bauvertrags
  • I. Zustandekommen
  • II. Erfolgsbezogenheit des Bauvertrags
  • III. Wesentliche Elemente des Bauvertrags
  • 1. Phänomenologie des Bauvertrags als Langzeitvertrag
  • 2. Rahmenvertragscharakter
  • 3. Langzeitcharakter
  • 4. Kooperationscharakter
  • 5. Besonderheit des Bauvertrags: Der funktionale Mangelbegriff
  • a. Inhalt und Bedeutung
  • b. Der funktionale Mangelbegriff: Eine dogmatische Fehlkonstruktion?
  • aa. Die Zuordnung des Funktionalitätsrisikos
  • bb. Unbekannte erforderliche Leistung?
  • cc. Missachtung der gesetzlichen Hierarchie?
  • dd. Vergütung der erforderlichen Mehrleistung
  • c. Eigene Ansicht
  • B. Grundsatz der Privatautonomie
  • I. Vertragstreue
  • II. Beendigung des bestehenden Vertrags
  • C. Interessen der Parteien an der Änderung
  • I. Interessen des Bestellers:
  • 1. Notwendige Änderungen
  • 2. Gewillkürte Änderungen
  • II. Interessen des Unternehmers
  • § 2 Die einseitige Änderung in Vertrag und Gesetz
  • A. Einseitiges Änderungsrecht vor 2018
  • I. Das einseitige Änderungsrecht in der VOB/​B
  • 1. Bauentwurfsänderung, § 1 Abs. 3 VOB/​B
  • a. Bauentwurf
  • aa. Parteien und Leistungsort
  • bb. Leistungsinhalt
  • cc. Bauumstände
  • dd. Ausführungszeit
  • ee. Fazit
  • b. Art und Weise, Grenzen und Rechtsfolgen der Änderung
  • c. Vergütung nach § 2 Abs. 5 Alt. 1 VOB/​B
  • 2. Ausführung nicht vereinbarter Leistungen, § 1 Abs. 4 VOB/​B
  • a. Erforderliche Leistungen, § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/​B
  • b. Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/​B
  • II. Das einseitige Änderungsrecht im BGB
  • 1. Änderungsrecht aus Treu und Glauben –​ und aus Gesetz?
  • 2. Kein gesetzliches Änderungsrecht bis 2018
  • 3. Stellungnahme
  • III. Umgang mit unwirksamen gewillkürten Änderungen
  • B. Einseitiges Änderungsrecht seit 2018
  • I. Gewillkürte Änderung, § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB
  • 1. Das Änderungsbegehren
  • a. Rechtscharakter des Änderungsbegehrens
  • b. Der Änderungsvertrag und seine Vergütung
  • c. Die Ungerechtigkeit der §§ 650b f. BGB
  • d. Verletzung einer Verhandlungspflicht?
  • aa. Sehr niedriges oder hohes Angebot
  • bb. Nicht verhandelbares Änderungsangebot
  • cc. Änderungsangebot ohne Hinweis auf drohenden Mangel
  • dd. Empfehlung einer mangelhaften Änderung
  • ee. Kein Bedürfnis für Neuverhandlungspflichten
  • 2. Inhaltsumfang der Änderung
  • a. Abgrenzung im Allgemeinen ex negativo
  • b. Bauzeit
  • aa. Definition der Bauzeit
  • bb. Auslegung nach Wortlaut
  • cc. Systematische Auslegung
  • dd. Historische Auslegung
  • ee. Teleologische Auslegung
  • ff. Ergebnis
  • c. Art der Ausführung
  • d. Eingrenzung durch die Zumutbarkeit
  • aa. Die Zumutbarkeit im BGB
  • aaa. § 308 Nr. 4 BGB
  • bbb. §§ 440 S. 1, 636 BGB
  • ccc. § 648a Abs. 1 BGB
  • ddd. §§ 324, 282 BGB
  • eee. § 275 Abs. 2, 3 BGB
  • bb. Zwischenergebnis
  • cc. Weitere Fälle der Unzumutbarkeit
  • e. Betriebsinterne Vorgänge
  • f. Geltendmachung und Beweislast
  • g. Eingrenzung durch die Möglichkeit
  • h. Keine weitere Eingrenzung
  • 3. Definition des Werkerfolgs
  • II. Notwendige Änderung, § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB
  • 1. Konflikt mit dem funktionalen Mangelbegriff?
  • 2. Funktionaler Mangelbegriff und notwendiges Änderungsrecht
  • 3. Problem des Änderungsangebots
  • a. Preisbindung des Änderungsangebots
  • b. Sittenwidrigkeit bei Nachträgen im Bauvertrag
  • c. Übertragbarkeit der Sittenwidrigkeitsmaßstäbe
  • d. Beispiel und Lösung
  • aa. Umdeutung des sittenwidrigen Vertrags
  • bb. Verwehrung der Mehrvergütung insgesamt
  • cc. Eingeschränkte Anwendung des § 650c Abs. 1 BGB
  • 4. Grenzen der notwendigen Anordnung
  • III. Die Anordnung
  • IV. § 650c BGB –​ Vergütungsanpassung bei Änderungen
  • 1. § 650c Abs. 1 BGB –​ Tatsächliche Kosten
  • 2. § 650c Abs. 2 BGB –​ Fortschreibung der Urkalkulation
  • 3. § 650c Abs. 3 BGB –​ 80-​Prozent-​Regelung
  • C. Verfassungsmäßigkeit des § 650b BGB
  • I. Schutzbereich
  • II. Eingriff
  • III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
  • 1. Legitimer Zweck
  • a. Flexibilität
  • b. Leitbild
  • c. Rechtssicherheit
  • 2. Geeignetheit
  • 3. Erforderlichkeit
  • a. Fakultatives gesetzliches Musterformular
  • b. Beschränkung auf bestimmte Geschäftsfelder
  • c. Beschränkung durch bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen
  • d. Anpassungsanspruch
  • e. Schaffung von Anreizen
  • f. Zwischenergebnis
  • 4. Angemessenheit
  • a. Angemessenheit der gewillkürten Änderung
  • b. Angemessenheit der notwendigen Änderung
  • IV. Ergebnis
  • § 3 Die dogmatische Einfügung von § 650b BGB
  • A. Abgrenzung von ähnlichen Erscheinungsformen
  • I. Geschuldete Leistungen
  • 1. Bloßes Abfordern
  • 2. Konkretisierung des Inhalts
  • 3. Mitbestellte Änderungen und Mengenänderungen
  • II. Änderungsvertrag
  • III. (Teil-​)Kündigung (§ 648 BGB, § 8 VOB/​B)
  • IV. Änderung, § 1 Abs. 3, 4 VOB/​B
  • V. Selbstübernahme, § 2 Abs. 4 VOB/​B
  • VI. Aufholanweisung, § 5 Abs. 3 VOB/​B
  • VII. Ausführungsanordnung, § 4 Abs. 1 Nr. 3, 4 VOB/​B
  • VIII. Einseitige Leistungsbestimmung, § 315 BGB
  • IX. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB
  • X. Anweisung, § 645 BGB
  • XI. Behinderung, § 6 VOB/​B
  • B. Ausgestaltung und Rechtscharakter
  • I. § 650b Abs. 2 BGB –​ ein Gestaltungsrecht?
  • 1. Allgemeine Natur des Gestaltungsrechts
  • a. Kategorisierung nach Erscheinungsformen
  • b. Rechtsfolge der Ausübung
  • c. Korrekturfunktion
  • d. Bedingungsfeindlichkeit
  • e. Unwiderruflichkeit
  • f. Ausübungs-​ und Begründungspflicht
  • 2. Einordnung des § 650b Abs. 2 BGB
  • a. Rechtsfolge der Ausübung
  • b. Korrekturfunktion
  • c. Bedingungsfeindlichkeit
  • d. Unwiderruflichkeit
  • e. Ausübungs-​ und Begründungspflicht
  • II. Unterschiede zu ähnlichen Gestaltungsrechten
  • 1. Leistungsbestimmungsrecht, § 315 BGB
  • a. Allgemeines
  • b. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Anleihen
  • aa. Unmittelbare Tatbestandsmerkmale
  • bb. Übertragung der Billigkeit auf § 650b BGB
  • 2. Wahlschuld, § 262 BGB
  • a. Gemeinsamkeiten und Anleihen
  • b. Unterschiede
  • 3. Mieterhöhung wegen Modernisierung
  • 4. Direktionsrecht des Arbeitgebers
  • 5. Änderung der Arbeitszeit, § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG
  • 6. Vergütungsfestsetzung der Arbeitnehmererfindung
  • a. Tatbestand und Anleihen?
  • b. Übertragung des Procedere?
  • 7. Klauselersetzungsbefugnis, §§ 164, 176, 203 VVG
  • 8. Änderungen in Strom-​ & Gasverträgen
  • III. Unterschiede zu sonstigen Erscheinungsformen
  • 1. Vertragsanpassungsanspruch, § 313 Abs. 1 BGB
  • 2. Reisevertraglicher Änderungsvorbehalt, § 651f BGB
  • 3. Auftragsrecht und Weisung, § 665 BGB
  • 4. Beförderungsvertragliches Leistungsänderungsrecht
  • 5. Vertragliche Regelwerke
  • IV. Fazit und Folgen
  • 1. Notwendiges Änderungsrecht
  • 2. Gewillkürtes Änderungsrecht
  • a. Vorbildcharakter
  • b. Möglichkeiten analoger Anwendung?
  • c. Ergebnis
  • C. Wesentliche Grundgedanken des § 650b BGB
  • I. Phase des Strebens nach Einvernehmen
  • 1. 30 Tage –​ starre Frist?
  • 2. Fristlose Anordnung
  • II. Zumutbarkeit
  • III. Textform
  • IV. Werkerfolg
  • 1. Bauzeit
  • 2. Funktionstüchtigkeit des Werks
  • D. Alternative Konstruktionen?
  • I. Anpassungsanspruch
  • 1. Vertragsanpassung als Kontrahierungszwang?
  • 2. Praxiserwägungen
  • II. Zustimmungsfiktion
  • III. Leistungsbestimmungsrecht
  • IV. Gestaltungsklage
  • V. Fazit
  • Zusammenfassung der wissenschaftlichen Erkenntnisse
  • Literaturverzeichnis
  • Gesetzesmaterialien, Verordnungen und VOB:
  • Literatur:

←18 | 19→

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

andere Ansicht

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a.F.

alte Fassung

Abs.

Absatz

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AGK

Allgemeine Geschäftskosten

allg. M.

allgemeine Meinung

allg.

allgemein

Alt.

Alternative

Anm. d. Verf.

Anmerkung des Verfassers

Art.

Artikel

ATV

Allgemeine Technische Vertragsbedingungen

Aufl.

Auflage

AVB

Allgemeine Versicherungsbedingungen

AVBEItV

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden

BAG

Bundesarbeitsgericht

BauNVO

Baunutzungsverordnung

BayOblG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGK

Baustellengemeinkosten

BOKraft

Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr

BR-​Drs.

Drucksache des Bundesrats

BReg

Bundesregierung

BSG

Bundessozialgericht

BT-​Drs.

Drucksache des Bundestags

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

bzw.

beziehungsweise

DCFR

Draft Common Frame of Reference

Ders./​Dies.

Derselbe/​dieselbe

DIN

Deutsches Institut für Normung←19 | 20→

DTV-​Güter

Güterversicherungsbedingungen des Deutschen Transport Verbands

DVA

Deutscher Vergabe-​ und Vertragsausschuss für Bauleistungen

Ebd.

Ebenda

Ed.

Edition

Einl.

Einleitung

et al.

et alii, aliae, alia = und weitere

etc.

et cetera

EUR

Euro

f.

folgend

FeV

Fahrerlaubnisverordnung

ff.

folgende

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GasGVV

Gasgrundversorgungsverordnung

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

h.M.

herrschende Meinung

HGB

Handelsgesetzbuch

HOAI

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure

Hrsg.

herausgegeben/​Herausgeber

Hs.

Halbsatz

i. V. m.

in Verbindung mit

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NAV

Niederspannungsanschlussverordnung

NDAV

Niederdruckanschlussverordnung

Nr.

Nummer

OLG

Oberlandesgericht

PBefG

Personenbeförderungsgesetz

Ref-​E

Referentenentwurf

Rn.

Randnummer

S.

Seite /​ Satz

s.

siehe

SchwarzArbG

Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz

s.u.

siehe unten

SMG

Schuldrechtsmodernisierungsgesetz

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StromGVV

Stromgrundversorgungsverordnung←20 | 21→

TzBfG

Teilzeit-​ und Befristungsgesetz

u.a.

unter anderem/​n

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz

Var.

Variante

Vgl.

Vergleiche

VOB/​A

Vergabe-​ und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A

VOB/​B

Vergabe-​ und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B

VOB/​C

Vergabe-​ und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil C

Vorb.

Vorbemerkung(en)

VVG

Versicherungsvertragsgesetz

z.B.

zum Beispiel

zit.

zitiert

ZPO

Zivilprozessordnung

Zeitschriften:

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

BauR

Baurecht

BeckOK

Beck-​Online-​Kommentar

BeckRS

Beck Rechtsprechung

DB

Der Betrieb

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DStR

Deutsches Steuerrecht

DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts-​ und Insolvenzrecht

IBR

Immobilien & Baurecht

JA

Juristische Arbeitsblätter

JherJB

Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

jM

juris Monatsschrift

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

LMK

Kommentierte BGH-​Rechtsprechung Lindenmaier-​Möhring

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NZBau

Neue Zeitschrift für Baurecht

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RW

Rechtswissenschaft

VuR

Verbraucher und Recht←21 | 22→

ZAP

Zeitschrift für die Anwaltspraxis

ZEuP

Zeitschrift für europäisches Privatrecht

ZfBR

Zeitschrift für Baurecht

ZfIR

Zeitschrift für Immobilienrecht

ZJS

Zeitschrift für das Juristische Studium

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess

←22 | 23→

§ 1 Einleitung

Auf den Tag 16 Jahre nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes,1 das das deutsche Schuldrecht in wesentlichen Teilen verändert und erneuert hat, gilt ab dem 1. Januar 2018 das neue Bauvertragsrecht, das für das Bauwesen große Veränderungen und vor allem notwendige Kodifizierungen mit sich bringt.2 Mit den §§ 650a bis 650o BGB, und in Erweiterung um spezielle Regelungen für Architekten-​, Ingenieur-​ und Bauträgerverträge (§§ 650p bis 650v BGB), sind 22 neue Vorschriften entstanden, die als gesetzliches Bauvertragsrecht bezeichnet werden. Die wohl bedeutendste Norm dieser Novelle, das einseitige Änderungsrecht des Bestellers in § 650b BGB, wird Gegenstand dieser Arbeit sein.

Die Lage vor dem Jahr 2018 gestaltete sich so:3 Die Parteien schließen einen Bauvertrag, durch den der Unternehmer verpflichtet wird, das versprochene Werk herzustellen. Der Besteller ist auch nach Vertragsschluss allerdings noch in der Lage, autonom zu bestimmen, ob das Bauwerk errichtet werden soll oder nicht. Ihm steht ein jederzeitiges Kündigungsrecht zu. Er kann das Werk stets als Ganzes kündigen. Eine Teilkündigung ist nur insoweit möglich, als dieser Teil vom Rest des Werks abgrenzbar ist.4

Der Besteller konnte also zwischen „Werk wie vereinbart“ und „Gesamtabbruch“ wählen. Einseitige Änderungen waren gesetzlich nicht erwähnt. Für eine Änderung bedurfte es einer zusätzlichen Vereinbarung. Der Unternehmer konnte daher entscheiden, ob er Änderungen ausführen wollte oder nicht. Für den Besteller bestand die Gefahr, dass weitere Störungen entstehen würden, wenn die Änderung nicht zügig erbracht würde. Der Unternehmer konnte diese Lage zu seinem Vorteil nutzen, indem er ein den objektiven Auftragswert übersteigendes Angebot zu einem Änderungsvertrag unterbreitete. Die Beauftragung eines Dritten mit den Arbeiten wäre für den Besteller womöglich noch umständlicher, teurer oder nicht möglich, sodass er das überhöhte Angebot annehmen musste. Und selbst, wenn das Angebot objektiv dem Wert der ←23 | 24→Änderungsleistungen entsprach. Stets brauchte der Besteller die Zustimmung des Unternehmers, damit die Änderung wirksam wurde.

Diese Situation hat sich durch § 650b BGB geändert. Die trennscharfe Alternativität zwischen „Werk wie vereinbart“ und „Gesamtabbruch“ wurde aus gutem Grund um ein drittes erweitert. Zu häufig weicht die Planung des Bauwerks von den Gegebenheiten der Baustelle ab, zu schnell ändern sich die maßgeblichen Rechtsvorschriften und zwischen dem ersten Spatenstich und dem letzten Anstrich liegen nicht selten mehrere Jahre. Dazu bedarf es nicht der Kündigung des gesamten Werks, sondern oft nur einer Anpassung. § 650b BGB berechtigt den Besteller nun dazu, den Vertrag einseitig zu ändern.

Das einseitige Änderungsrecht des § 650b BGB ist in seiner Form für das Bürgerliche Recht ein Novum. Zwar sind dem Zivilrecht Änderungsrechte nicht fremd. Vor allem verbreitet ist etwa im Bauvertragsrecht das Anordnungsrecht des Auftraggebers gem. § 1 Abs. 3, 4 VOB/​B oder das Wahlrecht findet in § 262 BGB gesetzliche Erwähnung. Diese Rechte aber müssen vertraglich vereinbart werden. Auch die Bestimmung einer noch ungestalten Leistung, angedeutet etwa in § 315 BGB oder § 611a BGB, ist nicht das Gleiche wie das Recht in § 650b BGB, das zur Änderung von Leistungen berechtigt, ohne dass die Parteien dies vorher vereinbart hätten.

Ziel dieser Arbeit ist, § 650b BGB auf seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen zu überprüfen, die Rechtsnatur herauszuarbeiten, um schließlich dessen Einfügung in das System des Vertragsrechts zu analysieren.

Details

Seiten
270
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631862124
ISBN (ePUB)
9783631862131
ISBN (MOBI)
9783631862148
ISBN (Hardcover)
9783631856727
DOI
10.3726/b18692
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Juli)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 270 S.

Biographische Angaben

Lukas Moritz Lindner (Autor:in)

Lukas Moritz Lindner studierte von 2012 bis 2017 Rechtswissenschaften an der Universität Passau. Während der Promotion arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer baurechtlichen Kanzlei. Seinen Juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte er von 2019 bis 2021 in Hamburg.

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