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Nova Acta Paracelsica 29/2021

Beiträge zur Paracelsus-Forschung

von Pia Holenstein Weidmann (Band-Herausgeber:in) Markus Ries (Band-Herausgeber:in)
©2021 Konferenzband 192 Seiten
Reihe: Nova Acta Paracelsica, Band 29

Zusammenfassung

Die Beiträge des Bandes untersuchen Paracelsus’ aggressiv wirkende Rhetorik, seine speziellen Aussagen über die Evolution, seine Konzepte von Engeln und Geistern sowie die Paracelsus-Bezüge russischer Gelehrter. Präsentiert werden ein authentischer Brief des Paracelsus und Bucheinträge im Stift Einsiedeln.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • „Der Dreck ist das best an euch“: Angriff und Verteidigung in Paracelsus’ Rhetorik (Pia Holenstein Weidmann)
  • Viehsterne, Menschenlicht und ein falsch verstandenes Wortspiel (Elke Bussler)
  • „Für einen bloßen Adepten hat man ihn wohl erklären wollen“: Paracelsus und Alexander von Scherer (Witalij Morosow)
  • Invisible Beings in the Natural World: Paracelsus on Ghosts, Angels, and Elemental Creatures (Dane Thor Daniel)
  • Paracelsus an Hans Ungnad III.: Neuedition des Briefs vom 2. März 1540 (Urs Leo Gantenbein)
  • Altes und Neues von Paracelsus (Martin Steinmann)
  • Paracelsus und C. G. Jung im Kloster Einsiedeln (Bruder Gerold Zenoni OSB)
  • Buchbesprechung
  • Prof. Lucien Braun und des Paracelsus „unergründlicher Grund“ (Pirmin Meier)
  • Register der Buchbesprechungen in den NAP 14–29/ 2000–2021
  • Anschriften der Autorinnen und Autoren dieses Bandes

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Vorwort

Die Nummer 29 der Neuen Folge der Nova Acta Paracelsica erscheint drei Jahre nach der letzten, Nummer 28. In dieser Zeit traf sich die Schweizerische Paracelsus-Gesellschaft zu drei eindrücklichen Jahrestagungen: 2018 in Solothurn, 2019 in Dresden, gemeinsam mit der Deutschen Bombastus-Gesellschaft, und im Corona-Jahr 2020 trotz allem, in bescheidenerem Rahmen, im Kloster Engelberg.

Ein Teil der hier abgedruckten Beiträge entstammt den dort gehaltenen Vorträgen.

Elke Bussler referierte in Solothurn über die Bedeutung paracelsischer Ausdrücke wie „Viehsterne“ und „Menschenlicht“ und stellte sie der eigenartigen Konzeption des Tierischen bei Leendert F. Mees gegenüber.

Der russische Forscher Witalij Morosow machte uns in Salzburg mit dem gelehrten Petersburger Pharmazeuten Alexander von Scherer bekannt und untersucht hier dessen Rede zu Paracelsus auf ihren Einfluss in russischen Gelehrtenkreisen.

Auch die Analyse der angriffslustigen Rhetorik des Paracelsus von der Unterzeichnenden basiert auf einem Vortrag in Dresden.

Eine Arbeit unseres Kollegen Dane Thor Daniel über die unsichtbaren Wesen in der Astronomia-Magna-Schrift von Paracelsus ist uns aus Übersee zugeflogen. Gemäß unserer polyglotten Tradition drucken wir sie im englischen Original.

Urs Leo Gantenbein, der Herausgeber der Neuen Paracelsus-Edition, hat einen für die Paracelsusforschung enorm interessanten Brief einer neuen Lektüre unterzogen und macht ihn hier mit zahlreichen neuen Informationen zugänglich.

Auch Martin Steinmann hat bereits in den Nova Acta veröffentlicht und bietet weitere neue Erkenntnisse. Aus der Bibliothek des Klosters Einsiedeln erreichen uns Fundstücke von Bruder Gerold Zenoni, deren Hintergrund und Bedeutung er aufzeigt. ←5 | 6→Pirmin Meier erinnert an den verstorbenen großen Paracelsus-Forscher Lucien Braun.

Als Dienstleistung an unsere Leser*innen haben wir die Bücherbesprechungen der letzten zwanzig Jahre zusammengestellt.

Eine Beiseite-Bemerkung zum soeben gesichteten Asterisk, dem Gender-Sternchen. Wir haben es in dieser Nummer da und dort eingesetzt als kleinen Protest gegen den Rat der deutschen Sprache, der sich seit über dreißig Jahren einer Lösung für geschlechterneutrale Sprache verschließt (indem er damals das große I und heute das Gendersternchen „verbot“) und weiterhin nur die komplizierte Doppelnennung akzeptiert.

Unser Dank gilt den Autorinnen und den Autoren der Beiträge, die zum Teil lange auf die Publikation warten mussten; sodann allen, welche diese sorgfältig und kenntnisreich lektoriert haben. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir Vergnügen und Bereicherung.

Pia Holenstein Weidmann

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„Der Dreck ist das best an euch“: Angriff und Verteidigung in Paracelsus’ Rhetorik

Pia Holenstein Weidmann

Dieser Aufsatz weist auf die außerordentliche Fülle von Beschimpfungen hin in vielen überlieferten Texten von Theophrastus von Hohenheim, untersucht die verschiedenartigen Gründe dafür und versucht sie zu erklären.

Wer mit den Schriften von Theophrastus von Hohenheim bekannt ist, weiß es, und es wurde schon oft darüber geschrieben und spekuliert: Viele davon sind gespickt mit Beschimpfungen. Nicht nur ihre Häufigkeit hat die späteren Leserinnen und Leser beeindruckt, sondern die oft ausgesuchte Grobheit und manchmal auch Kreativität der Beleidigungen, ungefiltert einem Du entgegengeschleudert:

Ihr Schelke, Buben, Narren vnd Gleißner, gehürnete Academische Bachanten, verlogne Schulmeister; Correctores, Procuratores, Visitatores, Beanen, Patres, Cornuten, Calefactores [und immer wieder auch deutsch:] Esel, Parfotten, Holtzschuer, Schlotfeger. Vgl. Abb. 1.

So schimpft Hohenheim daher im Buch Paragranum, auf das unten genauer einzugehen ist.1 Es ist die berühmteste Quelle von Beispielen für Paracelsus’ heftige Ausfälle, doch nicht die einzige. Zu finden sind quer durch seine Schriften hinweg seine „Kälberärzte, Geuchärzte, Lumpenärzte; Stattesel vnd Gloridoctores auff den hohen Schulen“.2 Zuweilen gibt es auch „sanftere“ ←7 | 8→Anschuldigungen: „Poetisch Artzt“, „Rethorisch Receptschreiber, vnnd Nebulonisch Präparierer“.3

Außer auf medizinische Tätigkeiten anspielende Schimpfwörter sind es oft Bezeichnungen aus dem universitären Bereich – „Beanen, Cornuten“ – oder der Religion: „Parfoten“ für Barfüßermönche4, „Clamanten“, Sekten überhaupt.

Den einfachen, umfassenden Begriff für die Ziele seiner Angriffe, nämlich „Widerärzte“, benutze er nur selten, sagt die Übersetzerin.5 Oft bleibt das Arsenal kurz, hart und grob: „Bescheisser, Betrieger der Fürsten, Hundemetzger“, ja sogar: „Kadaver“.6 Immer wieder findet er auch neue oder bildhafte Ausdrücke: „Jhr Leußiager“7, „Ihr Butzy inn der Fastnacht“, „Gugelhanen, Holhipper8; ←8 | 9→Polsterdrucker, Dickendacker9; gemahlte Artzt, contrafete Ölgötzen, Bauchphariseer vnnd Hypocriten.“10

Schließlich verteilt er fantastische, zum Teil wohl schon traditionell für Quacksalber verankerte Namen:

„Doctor Starwadel und Meister Hemmerli,11 Meister Gimpel und Schnargekhen; Doctor Cuntz“12, dazu beleidigende, sprechende Namen wie „Meister Leußsträler/ Meister Arßkratzer“, ergänzt um Tätigkeit und Auftreten: „mit jhren zanbrächerischen zotten/ vnnd hochtragenden Eselsköpffen“13, oder die Herkunft:

Worauß seind jhr Thalarischen vnd Ringlerischen Doctor (Talare und Ringe tragende Ärzte) gewachsen? auß den Eselsfürtzen und Roßfeigen.14

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Hinwiederum bringt er ausgesuchte Vorstellungsbilder und Wendungen hervor: „Duttenkolb, Nudeldrücker, Hurenwirt vnnd Dellerschlecker“, und er ruft: „Ihr seid Schaumärzte, die man mit Prügeln in die Säutröge werfen müsste.“15

Beinahe erinnert diese Schmählust an Käpt’n Haddock aus Tim und Struppi, dessen mit Behagen und Fantasie hervorgebrachten, immer ungewöhnlicheren Kraftausdrücke Kultstatus haben.16

Doch es sind ja nicht nur Einzelwörter, es sind ganze Tiraden. „Schimpforgien“, mit denen er „über seine Kollegen an den Hochschulen und in allen Heilberufen herfällt“, sagt Gunhild Pörksen17, und Joachim Telle nennt ihn „jenen antihumanistischen Rebell, der im Zeichen von ratio und experientia allenorts rabiate Sturmzüge wider das Fabelwerk der Alten geführt hatte“.18

Für diese Züge war er zu seiner Zeit und bei den Medizinhistorikern noch lange notorisch: Philipp Hensler lässt Paracelsus in seiner Geschichte der Lustseuche von 1783 einiges Lob angedeihen, bemerkt jedoch auch:

Details

Seiten
192
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783034344159
ISBN (ePUB)
9783034344166
ISBN (Paperback)
9783034344104
DOI
10.3726/b18815
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (September)
Schlagworte
Medizingeschichte Paracelsus überzeitliche Gesundung zeitliche Gesundung Russland Schimpfwörter Evolution Einsiedeln C.G. Jung
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 192 S., 13 farb. Abb.

Biographische Angaben

Pia Holenstein Weidmann (Band-Herausgeber:in) Markus Ries (Band-Herausgeber:in)

Pia Holenstein Weidmann ist Kulturwissenschaftlerin und Publizistin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören literarische Formen und Rezeption, Drama, Paracelsus, Ehediskurs sowie Frauen im Mittelalter und früher Neuzeit. Markus Ries ist Kirchenhistoriker mit Schwerpunkt Neuzeit und Zeitgeschichte in den deutschsprachigen Ländern.

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Titel: Nova Acta Paracelsica 29/2021
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