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Widerruf von Einwilligungen beim Recht am eigenen Bild

von Meike Kirschner (Autor:in)
©2021 Dissertation 264 Seiten

Zusammenfassung

Im Zeitalter der „Bilderflut" machen sich Abgebildete häufig keine Gedanken darüber, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt mit der Veröffentlichung oder Verbreitung einer sie zeigenden Personenaufnahme nicht mehr einverstanden sein könnten. Ein mit der Einwilligung nach § 22 KUG korrespondierendes Recht zum Widerruf hat bislang jedoch keine gesetzliche Verankerung gefunden. Dies führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit, was sich auch an der Vielzahl der divergierenden Entscheidungen in der Praxis bemerkbar macht. Die Autorin untersucht, ob die Kodifizierung eines mit § 22 KUG korrespondierenden Widerrufrechts vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung des Persönlichkeitsrechts erforderlich ist. Hierbei beleuchtet sie insbesondere die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, sowie die Möglichkeit der analogen Anwendung bereits kodifizier Vorschriften. Die Arbeit schließt mit einem eigenen Regelungsvorschlag ab, welcher auch die Interessen eines potenziellen Widerrufgegners, der auf den Bestand der Einwilligung vertraut hat, berücksichtigt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort I
  • Inhalt
  • Einleitung
  • A. Einführung in die Problematik
  • B. Rechtlicher Rahmen
  • I. Kunsturhebergesetz
  • II. Datenschutzrecht
  • 1. Personenbildnisse im Anwendungsbereich des Datenschutzrechts
  • 2. Anwendungsvorrang des Kunsturhebergesetzes
  • 3. Exkurs: Das Herstellen von Personenaufnahmen
  • III. Zivilrecht und Zivilprozessrecht
  • IV. Verfassungsrecht
  • C. Gang der Untersuchung
  • Kapitel 1: Das Recht am eigenen Bild als Gegenstand des Eingriffs
  • A. Die Entwicklung des Bildnisschutzes in Deutschland
  • I. Entwicklung des Rechts am eigenen Bild als besonderes Persönlichkeitsrecht
  • 1. Entwicklung der Fotografie als Ausgangspunkt
  • 2. Erste gesetzliche Kodifizierungen
  • 3. Verankerung im Kunsturhebergesetz
  • II. Die Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • 1. Forderung nach Persönlichkeitsschutz im Schrifttum
  • 2. Versuch einer gesetzlichen Kodifizierung
  • 3. Anerkennung durch Leserbriefentscheidung des BGH
  • 4. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach heutigem Verständnis
  • a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht
  • b) Schutzgüter
  • III. Das Verhältnis des Rechts am eigenen Bild zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht
  • IV. Neue Herausforderungen für den Bildnisschutz durch Neue Medien und Techniken
  • 1. Bildaufnahmen als Massenprodukte
  • 2. Internet und Soziale Netzwerke
  • a) Verändertes Kommunikationsverhalten
  • b) Selbst- und Fremdinszenierung in der Online-Welt
  • 3. Werteverschiebung durch das Internet und Neue Medien?
  • V. Zwischenergebnis und kritische Würdigung
  • B. Schutzgut und Wesen des Rechts am eigenen Bild
  • I. Schutz der Persönlichkeit
  • II. Das rechtlich geschützte Interesse
  • III. Vorverlagerung des Persönlichkeitsschutzes
  • IV. Räumlicher und zeitlicher Schutzumfang
  • 1. Räumlicher Schutzbereich
  • 2. Zeitlicher Schutzumfang
  • V. Zwischenergebnis
  • C. Bildnisse und ihre Wirkungen
  • I. Der Bildnisbegriff des § 22 KUG
  • II. Erkennbarkeit
  • III. Wirkungsweisen von Bildnissen und konkrete Auswirkungen für Abgebildete
  • 1. Starke Wirkungsweise und hohe Glaubwürdigkeit
  • 2. Assoziationen als Ausdruck eines subjektiven Betrachteranteils
  • 3. Bildaufnahme als Momentaufnahme
  • 4. Folgen und Konsequenzen durch Bildnisse
  • a) Herrschaftsmacht durch Verfügungsgewalt über ein Bildnis
  • b) Nachteilige Konsequenzen im Einzelfall
  • (i) Kränkungen und Beleidigungen
  • (ii) Arbeitsplatzverlust/Nachteile im Bewerbungsverfahren
  • (iii) Sonstige Konsequenzen
  • IV. Zwischenergebnis
  • V. Bedeutung und Funktion von Bildnissen
  • 1. Illustration, Dokumentation und Information durch Bildnisse
  • 2. Merchandising durch Bildnisse
  • 3. Ideelle Bedeutung von Bildnissen
  • 4. Sonstige Funktion von Bildnissen
  • 5. Zwischenergebnis
  • D) Verbreiten und öffentliches Zurschaustellen von Bildnissen, § 22 S. 1 KUG
  • I. Verbreiten von Bildnissen
  • II Öffentliches Zurschaustellen
  • III. Exkurs und Abgrenzung: Das (unbefugte) Herstellen eines Bildnisses
  • IV. Zwischenergebnis
  • E) Das Recht am eigenen Bild als Vermögensrecht
  • I. Gegenstand der kommerziellen Verwertung beim Recht am eigenen Bild
  • II. Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte?
  • 1. Dogma der Unverzichtbarkeit, Unveräußerlichkeit und Unübertragbarkeit
  • 2. Wandel der Anschauungen über die Qualifizierung von Persönlichkeitsrechten als Vermögensrechte
  • 3. Anerkennung des Vermögenswerts des Rechts am eigenen Bild durch den BGH
  • III. Die Vererblichkeit des Rechts am eigenen Bild
  • IV. Die Übertragbarkeit des Rechts am eigenen Bild
  • 1. Thematik in der Rechtsprechung bislang offengelassen
  • 2. Auseinandersetzung mit dem Begriff der Übertragbarkeit
  • Kapitel 2: Die Einwilligung in Eingriffe in das Recht am eigenen Bild
  • A. Methodisches Vorgehen
  • B. Erscheinungsformen der Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • I. Vielseitigkeit und Diversität von Einwilligungserklärungen
  • II. Darstellung der wesentlichsten Erscheinungsformen
  • 1. Anlass und Kontext der Einwilligungserteilung
  • a) isoliert erteilte Einwilligung
  • (i) Einwilligung in familiären und sozialen Sphären
  • (ii) Einwilligungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
  • (iii) Einwilligung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsverhältnisses
  • (iv) Einwilligung zum Hochladen des Bildnisses in sozialen Netzwerken
  • b) Vertragliche Einwilligung
  • 3. Begleitumstände der Einwilligung
  • a) Drucksituation
  • b) Überrumpelungssituation
  • 4. Die Einwilligung in die Herstellung von Bildnissen
  • 5. Zwischenergebnis
  • C. Der Begriff der Einwilligung
  • I. Allgemeines Begriffsverständnis
  • II. Zivilrechtliche und strafrechtliche Einwilligungslehre
  • III. Die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung
  • 1. Einwilligung als Betätigung von Selbstbestimmung
  • 2. Die Einwilligung als Dispositionsrecht
  • D) Funktion und Wirkungsweise der Einwilligung gemäß § 22 S. 1 KUG
  • I. Wirkung der Einwilligung im Gesamtunrechtstatbestand
  • 1. Die Einwilligung als negatives Tatbestandsmerkmal
  • 2. Die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund
  • II. Wirkung der Einwilligung auf Rechtsfolgenseite
  • 1. Die Einwilligung als Erlass, § 397 BGB
  • 2. Pactum de non petendo
  • III. Streitentscheid
  • E) Die Rechtsnatur der Einwilligung
  • I. Die Einwilligung als Realakt
  • II. Die Einwilligung als geschäftsähnliche Handlung
  • III. Die Einwilligung als rechtsgeschäftliche Willenserklärung
  • IV. Die Einwilligung als atypisches Rechtsgeschäft
  • V. Kritische Würdigung und eigener Lösungsansatz
  • 1. Die Elemente einer rechtsgeschäftlichen Willenserk- lärung
  • 2. Die isolierte Einwilligung als Gefälligkeit
  • a) Abgrenzung von Gefälligkeitsverhältnissen und Gefälligkeitsverträgen
  • b) Rechtsbindungswille bei isolierten Einwilligungen
  • c) Feststellung des Rechtsbindungswillens anhand Auslegung
  • d) Zwischenergebnis
  • F) Voraussetzungen der Einwilligungserteilung nach § 22 S. 1 KUG
  • I. Die Einwilligungserklärung
  • II. Einwilligungsberechtigung
  • 1. Rechtsinhaber als Einwilligungsberechtigter
  • 2. Einwilligung bei beschränkter Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit
  • 3. Einwilligung durch Dritte
  • a) Bevollmächtigung und Stellvertretung
  • b) Einwilligung durch Angehörige im Sinne des § 22 S. 3 KUG
  • III. Dauer
  • IV. Umfang und Reichweite
  • G) Erlöschen, Nichtigkeit, Anfechtung der Einwilligung
  • I. Anfechtung der Einwilligung
  • II. Bedingung und Befristung
  • III. Sonstige Beendigungsgründe
  • Kapitel 3: Die Widerruflichkeit einer Einwilligung in Eingriffe in das Recht am eigenen Bild
  • A) Einführung in die Problematik
  • I. Problemaufriss
  • II. Methodisches Vorgehen
  • B) Die Widerruflichkeit - Darstellung des Streitstands
  • I. Auffassungen in der Literatur
  • 1. Freie Widerruflichkeit
  • 2. Unwiderruflichkeit
  • 3. Vermittelnde Auffassungen
  • a) Widerruf zulässig unter persönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten
  • b) Widerruf zulässig bei Vorliegen eines wichtigen Grundes
  • c) Differenzierung nach Art der Einwilligungserk- lärung
  • d) Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Widerrufs
  • e) Erforderlichkeit einer Interessensabwägung
  • f) Sonderfall Soziale Netzwerke
  • II. Auffassungen in der Rechtsprechung
  • 1. Freie Widerruflichkeit
  • 2. Unwiderruflichkeit
  • 3. Widerruf zulässig bei Vorliegen eines wichtigen Grundes
  • a) geänderte Umstände als wichtiger Grund
  • b) Interessensabwägung
  • (i) Überrumpelungssituation
  • (ii) Art der Abbildung und Aufnahme
  • (iii) Grad der Beeinträchtigung/Sphärentheorie
  • c) Zeitliches Element bei der Beurteilung eines Wandels der inneren Einstellung
  • d) Sonderfall: Der Widerruf einer Einwilligung in die Herstellung eines Bildnisses
  • e) Der Widerruf im Arbeitsrecht
  • III. Zwischenergebnis und Schlussfolgerung
  • C) Dogmatische Begründung und Entwicklung eines Lösungsansatzes
  • I. Schlussfolgerungen aus der Untersuchung der Einwilligung
  • 1. Ohne Rechtsbindungswillen erteilte Einwilligungen als Gefälligkeit jederzeit kündbar
  • 2. Im Übrigen Widerrufsrecht nur im Ausnahmefall
  • II. Vergleich mit gesetzlich geregelten Widerrufs-, Kündigungs-, und Rücktrittsmöglichkeiten
  • 1. Zivilrecht
  • a) Die Widerruflichkeit der Zustimmung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes
  • (i) Regelungsgehalt des § 183 BGB
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • b) Der Widerruf einer Vollmacht
  • (i) Regelungsgehalt des § 168 S. 2 BGB
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • c) Widerruf eines Auftrags
  • (i) Regelungsgehalt des § 671 Abs. 1 BGB
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • d) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (AGV)
  • (i) Regelungsgehalt des § 312g BGB
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • e) Heranziehung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage
  • (i) Regelungsgehalt des § 313 Abs. 1 BGB
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • f) Die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund
  • (i) Regelungsgehalt des § 314 Abs. 1 S. 1 BGB
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • 2. Urheber- und Verlagsrecht
  • a) Widerruf bei Verträgen über unbekannte Nutzungsarten
  • (i) Regelungsgehalt des § 31a UrhG
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • b) Parallele zum Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung
  • (i) Regelungsgehalt des § 42 Abs. 1 S. 1 UrhG
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • c) Rücktritt vom Verlagsvertrag
  • (i) Regelungsgehalt des § 35 VerlG
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • 3. Datenschutzrecht
  • (i) Regelungsgehalt des Art. 7 Abs. 3 DSGVO
  • (ii) Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • 4. Zivilprozessordnung
  • 5. Exkurs: Widerruf im Kontext mit dem Recht auf Vergessenwerden
  • (i) Der Regelungsgehalt des Art. 17 DSGVO
  • (ii) Vergleichbarkeit mit der Interessensalge bei der Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
  • III. Abschließende Stellungnahme
  • D. Die Widerrufserklärung
  • I. Rechtsnatur des Widerrufs
  • II. Person des Widerrufenden
  • 1. Widerruf betreffend der Abbildung eines Minderjährigen
  • a) Rechtslage hinsichtlich der ohne Rechtsbindungswillen erteilten Einwilligung
  • b) Widerruf der rechtsgeschäftlichen Einwilligung
  • 2. Widerruf bei Rechtsnachfolge
  • 3. Widerruf bei Stellvertretung
  • III. Der richtige Widerrufsgegner
  • 1. Widerruf gegenüber dem Einwilligungsempfänger
  • 2. Widerruf gegenüber Personenmehrheiten
  • a) Widerruf bei gegenüber der Allgemeinheit erteilten Einwilligung
  • b) Widerruf bei gegenüber mehreren Medien erteilten Einwilligung
  • 3. Widerruf gegenüber Nutzungsberechtigten
  • IV. Umfang und Beschränkung des Widerrufs
  • Kapitel 4: Rechtslage nach erfolgtem Widerruf
  • A. Mögliche Ansprüche des Widerrufenden
  • I. Anspruch auf Schadensersatz
  • 1. Die Ersetzung des materiellen Schadens
  • 2. Immaterieller Schadensersatzanspruch
  • 3. Schadensersatz wegen Verstoß gegen die DSGVO
  • II. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung
  • III. Anspruch auf Unterlassung
  • IV. Anspruch auf Beseitigung/Löschung/Vernichtung
  • 1. Besondere Beseitigungsansprüche, §§ 37 ff. KUG
  • 2. Beseitigungsanspruch nach BGB
  • 3. Löschungsanspruch nach Datenschutzrecht
  • V. Prozessuales
  • 1. Rechtsweg und Verfahrensart
  • 2. Hinreichende Bestimmtheit des Antrags
  • a) Hinreichende Bestimmtheit von Unterlassungsansprüchen
  • b) Hinreichende Bestimmtheit von Löschungs- und Beseitigungsansprüchen
  • 3. Vollstreckung
  • B) Ansprüche des Widerrufsgegners
  • I. Anspruch auf Schadensersatz
  • 1. Ersatz des materiellen Schadens
  • 2. Ersatz des Vertrauensschadens bei berechtigtem Widerruf
  • II. Rückzahlung einer für die Einwilligung erhaltenen Vergütung
  • Kapitel 5: Zusammenfassung in Thesen und Regelungsvorschlag
  • A) Grundsätzliche Anerkennung eines Regelungsbedürfnisses
  • B) Regelungsvorschlag/eigener Lösungsansatz
  • I. Ort der gesetzlichen Verankerung
  • II. Notwendiger Inhalt eines zu kodifizierenden Widerrufsrechts
  • C. Zusammenfassung in Thesen
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

A. Einführung in die Problematik

Menschen posieren bereitwillig für Bildaufnahmen, laden Fotos und Videos von sich und anderen auf sozialen Plattformen wie Facebook, Instagram, und Youtube1 hoch oder verschicken diese Aufnahmen über Medienkanäle wie Whatsapp an Freunde und Bekannte. Manch einer hat vielleicht auch schon vor der Kamera ein Interview gegeben, gegen Entgelt sein Konterfei für Werbeaufnahmen zur Verfügung gestellt oder sich (gar unbekleidet) in einer Zeitschrift abbilden lassen. All diese Fallbeispiele, so verschiedenartig sie auch sein mögen, betreffen denselben Eingriffsgegenstand: das Recht am eigenen Bild. Dieses ist in den §§ 22–24 Kunsturhebergesetz (KUG) einfachgesetzlich verankert und heute zudem als Teilausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt.

Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Herstellung der Bildaufnahme ist von dieser Vorschrift nicht erfasst, kann aber gleichwohl im Anwendungsbereich des Datenschutzrechts oder als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ebenfalls eine Einwilligungserklärung erfordern.

Im Moment einer (konkludenten) Einwilligungserteilung machen sich Abgebildete jedoch häufig keine Gedanken darüber, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Publizierung und Verbreitung ihres Bildnisses bzw. dem Umstand, dass jemand anderes über die entsprechende Aufnahme verfügt, nicht mehr einverstanden sein könnten.2 Gerade im Zeitalter sozialer Netzwerke und Neuer Medien ist im Umgang mit fremden und eigenen Bildnissen eine gewisse Hastigkeit und Leichtfertigkeit zu verzeichnen. Dabei können sich durch veröffentlichte, verbreitete oder schlicht existente Bildnisse für den Betroffenen und sein Leben gravierende Auswirkungen und Folgen ergeben. Daneben kann auch eine vormals wohlüberlegte Einwilligungserteilung zu einem späteren Zeitpunkt den Interessen des Abgebildeten zuwiderlaufen, wenn er sich, etwa aufgrund eines Wandels seiner Persönlichkeit oder inneren Einstellung, heute anders entscheiden würde.

Doch wie verhält es sich, wenn der zunächst Einwilligende sich später, aus welchen Gründen auch immer, von seiner vormals erteilten Einwilligung wieder ←19 | 20→lösen möchte? Ist eine einmal erteilte Einwilligung in Eingriffe in das Recht am eigenen Bild widerrufbar?

Während Einwilligungen in die Herstellung (oder Speicherung) von Bildnissen, die den datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegen, unter den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 3 DSGVO widerrufen werden können, fehlt eine mit der Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG korrespondierende Widerrufsregelung im Kunsturhebergesetz. Ist hierin die gesetzgeberische Intention zu erkennen, Einwilligungserklärungen beim Recht am eigenen Bild unwiderruflich auszugestalten? Schließlich hat der Gesetzgeber an anderen Stellen, etwa im Zivilrecht3 und Urheberrecht4, die Möglichkeit eines Einwilligungswiderrufs explizit normiert.

In Literatur und Rechtsprechung ist seit Langem streitig, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einwilligung, vor allem eine solche nach § 22 S. 1 KUG, widerruflich ist. Die Praxis der Gerichte entspricht dabei der Vielfalt der Meinungen in der Literatur. Verkompliziert wird die rechtliche Beurteilung dadurch, dass schon die Rechtsnatur der Einwilligung selbst, die einem Widerruf naturgemäß vorgeschaltet ist, höchst umstritten ist. Sowohl ihre Rechtswirkungen als auch ihre Rechtsnatur können daher nicht eindeutig bestimmt werden. Abgesehen von der umfassenden Abhandlung „Volenti non fit iniuria“ von Ansgar Ohly, sowie der Dissertation von Dasch speziell zur Einwilligung beim Recht am eigenen Bild gibt es jedoch kaum tiefer gehende Auseinandersetzungen mit der Rechtsfigur der Einwilligung.

Bei der Suche nach einer dogmatisch vertretbaren und insbesondere auch interessensgerechten Lösung gilt es, eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen. Mit einer pauschalen Bejahung oder Verneinung eines Widerrufsrechts ist es nicht getan. Einwilligungen in Eingriffe in das Recht am eigenen Bild können in den verschiedensten Lebenslagen und Situationen erteilt werden. Für verschiedene Konstellationen können sich unterschiedliche Folgeproblematiken ergeben. So kann etwa ein Einwilligungsempfänger im konkreten Fall auf den Bestand der Einwilligung vertraut haben und in diesem Vertrauen besonders schutzwürdig sein. Welche Anforderungen können und müssen also an ein Recht zum Widerruf gestellt werden, um sowohl dem Betroffenen, als auch den Einwilligungs- bzw. Widerrufsempfänger, effektiv und bestmöglich zu schützen? Besondere Schwierigkeiten bestehen außerdem, wenn der Abgebildete für die ←20 | 21→nun widerrufene Einwilligung seinerzeit ein Entgelt erhalten hat. Denn hieran anknüpfend stellt sich die Frage, ob ein solches zurückbezahlt werden muss und wenn ja, in welcher Höhe. Nicht eindeutig ist außerdem die Rechtsfolge eines Widerrufs. Besteht ein Anspruch auf vollständige Löschung bzw. Vernichtung, oder muss möglicherweise schon die Unkenntlichmachung der eigenen Person auf der Abbildung, etwa durch Retuschen oder Verpixelungen, als milderes Mittel für ausreichend erachtet werden?

Die weitgehende Unklarheit über die Zulässigkeit und etwaige Rechtsfolgen eines Widerrufes der Einwilligung beim Recht am eigenen Bild erstaunt vor dem Hintergrund, dass mit dem (besonderen) Persönlichkeitsrecht ein hohes Schutzgut im Raum steht. Zudem kommt diesem Interesse aufgrund der vielfältigen digitalen Möglichkeiten zur Verbreitung solcher Aufnahmen, die durch das Internet breite Massen erreichen können, immer größere Bedeutung zu. Die Relevanz der Thematik ist somit enorm.

Zwei aktuelle obergerichtliche Entscheidungen haben die Problematik um den Einwilligungswiderruf beim Recht am eigenen Bild jüngst wieder ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. So hatte der BGH in einem Fall zu urteilen, in dem es um das Schicksal intimer Bild- und Filmaufnahmen nach Beziehungsende ging5, während das BAG sich mit der Frage auseinandersetzen musste, ob der klagende Arbeitnehmer einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Veröffentlichung eines auch ihn zeigenden Videos auf der Homepage des beklagten Arbeitgebers hat, zu dessen Aufnahme er seinerzeit einwilligte.6 Aus den Entscheidungsgründen wird jeweils deutlich, dass sich die Gerichte zur dogmatischen Herleitung des von ihnen gewünschten Ergebnisses nicht auf eine eindeutige gesetzliche Grundlage stützen konnten, sondern sich vor allem Analogien und konstruiert wirkender Auslegungen bedienen mussten. Urteilsbegründung und gegenwärtige Gesetzeslage geben demzufolge Anlass zur kritischen Betrachtung.

B. Rechtlicher Rahmen

I. Kunsturhebergesetz

Gesetzlich verankert ist das Recht am eigenen Bild in den §§ 22-24 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Gesetzlich verankert ist das Recht am eigenen Bild in den §§ 22-24 des Gesetzes betreffend ←21 | 22→das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetzetz – KUG) vom 09.01.1907.7 Ergänzende Vorschriften finden sich in den §§ 33, 37, 38, 42-48 sowie § 50 KUG. Diese Vorschriften sind im Zuge der Neufassung des Urheberrechts im Jahre 1965 ausdrücklich aufrechterhalten worden, § 141 Nr. 5 UrhG, da die Neuregelung des Rechts am eigenen Bild einer Gesamtkodifikation des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes überlassen werden sollte, zu der es bis heute nicht gekommen ist.8

Strafrechtlich wird das Recht am eigenen Bild durch § 33 KUG geschützt, indem das unbefugte Verbreiten bzw. öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet wird. Ergänzend wird durch § 201a StGB auch die Herstellung und Verwertung unbefugter Bildaufnahmen von Personen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick geschützten Raum befinden, sanktioniert. 9

Zentrale Vorschrift im Kunsturhebergesetz ist § 22 S. 1 KUG, wonach Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Die Einwilligung ist damit der zentrale Faktor im Rahmen des Bildnisschutzes. Soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände der §§ 23, 24 KUG greift, ist die Rechtmäßigkeit der Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung eines Bildnisses an ihr zu messen.

Die Möglichkeit eines Widerrufs einer nach § 22 S. 1 KUG erteilten Einwilligung soll schwerpunktmäßiger Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Der hinter einem Widerruf stehende Wunsch nach einer Unterlassung der weiteren Verwendung einer Bildaufnahme bzw. ihrer Zerstörung, Beseitigung oder Löschung tangiert dabei auch andere Rechtsgebiete und Rechtsnormen, die bei der Prüfung berücksichtigt werden müssen. Denn mit einem entsprechenden Vorgehen wird gleichzeitig die Einwilligung in die Herstellung der entsprechenden Aufnahme eliminiert. Die Herstellung einer Bildaufnahme ist jedoch gerade nicht vom Anwendungsbereich des Kunsturhebergesetzes erfasst. Zudem werden zur Begründung eines Widerrufsrechts Vorschriften aus dem Zivilrecht, Urheberrecht und Verlagsrecht analog herangezogen, sodass auch diese näher betrachtet werden müssen. Bei der Beleuchtung der Thematik des Einwilligungswiderrufs muss aus diesem Grund ein Blick über den Tellerrand des Kunsturhebergesetzes hinaus geworfen werden.

←22 | 23→

II. Datenschutzrecht

Zunächst ist zu untersuchen, welcher Bedeutungsgehalt dem Kunsturhebergesetz und damit auch der Vorschrift des § 22 S. 1 KUG nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung10 (DSGVO) im Frühjahr 2016 überhaupt noch zukommt. Die Datenschutzgrundverordnung ist nach Ablauf einer zweijährigen Übergangsfrist seit dem 25.05.2018 in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar. Zeitgleich ist auch das neue Bundesdatenschutzgesetz11 in Kraft getreten. Dieses ergänzt, konkretisiert und modifiziert die Datenschutzgrundverordnung, findet aber keine Anwendung, soweit die Datenschutzgrundverordnung unmittelbar gilt, § 1 Abs. 5 BDSG.12

Das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung hat das Kunsturhebergesetz in seinen Grundfesten erschüttert, haben doch beide Gesetzeswerke den Anspruch, die Selbstbestimmung des Einzelnen hinsichtlich der Darstellung seiner Person zu wahren.13 An dieser Stelle muss daher das Verhältnis zwischen Datenschutzgesetzen (Datenschutzgrundverordnung und Bundesdatenschutzgesetz) zum Kunsturhebergesetz aufgeschlüsselt werden. Insbesondere ist zu klären, inwieweit dem nationalen Gesetzgeber neben der Datenschutzgrundverordnung ein eigenständiger Regelungsspielraum verbleibt, oder ob nationale Regelungen wie das Kunsturhebergesetz – als im weiteren Sinne datenschutzrechtliche Regelung – im Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung verdrängt werden. Eine Abgrenzung ist praktisch bedeutsam, da sich die Regelungen hinsichtlich der Einwilligung, ihrer Form, ihrer Widerruflichkeit sowie der gesetzlichen Erlaubnistatbestände unterscheiden.14

1. Personenbildnisse im Anwendungsbereich des Datenschutzrechts

Personenbildnisse fallen sowohl in den Anwendungsbereich des Kunsturhebergesetzes als auch der Datenschutzgrundverordnung, da sie personenbezogene ←23 | 24→Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO darstellen, wenn eine Identifizierbarkeit aufgrund der Gesichtszüge oder sonstigen körperlichen Merkmale gegeben ist.15 Die von § 22 S. 1 KUG geregelten Verhaltensweisen des Verbreitens und öffentlichen Zurschaustellens fallen ebenso in den Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung.16 Denn sie können eine Verarbeitung17 personenbezogener Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellen.18 Mit der in Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO normierten Einwilligung ist wie in § 22 S. 1 KUG außerdem eine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung eines Personenfotos (als Verarbeitungsvorgang hinsichtlich personenbezogener Daten) vorgesehen.19 Das Kunsturhebergesetz steht damit in einem Spannungsverhältnis zur Datenschutzgrundverordnung, welche als europäische Verordnung grundsätzlich Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten genießt.20 Zu beachten ist die sogenannte Haushaltsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO, wonach die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten findet.

2. Anwendungsvorrang des Kunsturhebergesetzes

Eine dem § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG a. F. vergleichbare Regelung, nach welcher Rechtsvorschriften des Bundes, (die auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden waren), den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes vorgehen sollten, ist heute weder in der Datenschutzgrundverordnung, noch in anderen nationalen Gesetzen vorzufinden.21 Grundsätzlich könnte demnach eine Verdrängung der §§ 22 ff. KUG durch das europäische Sekundärrecht stattfinden, da diesem Anwendungsvorrang gegenüber nationalen ←24 | 25→Bestimmungen zukommt. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Datenschutzgrundverordnung den Mitgliedstaaten für bestimmte Bereiche einen Gestaltungsspielraum zubilligt.22 In der Tat erlaubt die Datenschutzgrundverordnung den Mitgliedstaaten an diversen Stellen weiterhin, nationale Regelungen vorzusehen, in dem es an mehreren Stellen sog. Öffnungsklauseln vorsieht.23 Für Bildnisse könnte eine solche „obligatorische Spezifizierungsklausel“ mit Art. 85 DSGVO gegeben sein.24

Im Hinblick auf Bildnisveröffentlichung zu journalistischen Zwecken besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Art. 85 Abs. 2 DSGVO eine Öffnungsklausel darstellt und die §§ 22, 23 KUG insoweit eine Ausnahme gegenüber der Datenschutzgrundverordnung normieren.25

Zu dem Verhältnis von Datenschutzgrundverordnung und Kunsturhebergesetz hat das OLG Köln26 Stellung bezogen. In der Sache hatte das OLG in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ausgeführt, dass es bei einem Fernsehbeitrag keiner Einwilligung nach der Datenschutzgrundverordnung bedürfe, da das Ausstrahlen eines Personenbildnisses in einem Fernsehbeitrag von § 23 KUG gedeckt sei. Diese Annahme beruhte auf dem Verständnis, dass das Kunsturhebergesetz im Rahmen der Öffnungsklausel nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO eine Ausnahme zur Datenschutzgrundverordnung darstelle und somit auch nach deren Inkrafttreten weiterhin anwendbar sei. Nach dem OLG Köln würden der Regelung in Art. 85 DSGVO auch keine europarechtlichen Bedenken entgegenstehen. Denn diese würde nur die Erforderlichkeit der Herbeiführung praktischer Konkordanz zwischen Datenschutz und Informations- und Äußerungsfreiheit feststellen, jedoch keine materiellen Vorgaben machen. Ziel der Vorschrift sei es gerade, Konflikte zu vermeiden. Auch das Kunsturhebergesetz ziele auf einen solchen Ausgleich zwischen den Rechten des Betroffenen und dem öffentlichen Informationsinteresse ab und enthalte diesbezüglich mit den §§ 22, 23 Abs. 1 KUG ein ausdifferenziertes Abwägungssystem. Das Kunsturhebergesetz füge sich daher inhaltlich in das System der Datenschutzgrundverordnung und insbesondere in die Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO ein.

←25 | 26→

Unklar bleibt, ob daneben Art. 85 (1), dessen Regelungsauftrag sich gerade nicht auf eine Datenverarbeitung zu journalistischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Zwecken beschränkt, als eigenständige, weitere Öffnungsklausel zu werten ist und damit auch ein Anwendungsvorrang des Kunsturhebergesetzes für andere Zwecke besteht. 27

Mittlerweile hat der Deutsche Bundestag zu dieser Thematik eine Stellungnahme verfasst, und vermag mit dieser Ausarbeitung zu teils widersprüchlichen Angaben auf der Webseite des Bundesministeriums des Inneren, Klarheit zu verschaffen. Hierzu führte er aus:

„Aus den angeführten Gründen ist es demgegenüber vorzugswürdig, Art. 85 I DSGVO als eigenständige Öffnungsklausel zu verstehen. Auf dieser Grundlage verbliebe auch bei diesen Sachverhalten weiterhin ein Anwendungsbereich für die äußerungsrechtlichen §§ 22, 23 KUG und das hierzu von der deutschen Rechtsprechung entwickelte „Case law“, das zukünftig allerdings am Maßstab der europäischen Grundrechte zu messen sein wird. Abschließend kann hierüber nur der EuGH entscheiden.“28

Nach all dem muss von einem Anwendungsvorrang der §§ 22, 23 KUG gegenüber den datenschutzrechtlichen Bestimmungen ausgegangen werden. Allerdings können die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes aufgrund ihres beschränkten Anwendungsbereichs die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung nur im Hinblick auf die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen verdrängen.29

3. Exkurs: Das Herstellen von Personenaufnahmen

Im Kunsturhebergesetz selbst ist die Herstellung von Personenaufnahmen nicht erfasst, sodass dieses grundsätzlich keinen Schutz bietet gegen das Anfertigen von Fotografien und Videoaufnahmen oder sonstigen Handlungsformen, die eine Fixierung der äußeren Erscheinung ermöglichen.30 Gesetzlich geregelt ←26 | 27→wurde die Herstellung von Bildaufnahmen lediglich durch den durch das 36. Strafänderungsgesetz vom 30.07.2004 neu eingefügten § 201a StGB. Schutzlos standen Betroffene bislang jedoch nicht da, da eine derartige Begehungsweise eine Verletzung des nach § 823 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründen konnte.31 Entscheidendes Kriterium bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Herstellung von Personenaufnahmen war, ob eine spätere Veröffentlichung des Bildnisses gerechtfertigt sein könnte. Wenn dies der Fall war, galt auch die Herstellung der Aufnahme als zulässig.32 Nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung erscheint eine solche Betrachtungsweise nicht mehr vertretbar. Der pauschale Verweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist für die zu erreichende praktische Konkordanz auf Normebene nicht ausreichend.33 In einigen Landesgesetzen (beispielsweise für Rundfunk und Presse) wurden als Abhilfemaßnahme bereits ausdrückliche, die Herstellung und Speicherung von Bildnissen erfassende Regelungen erlassen. Dementsprechend findet die Datenschutzgrundverordnung in diesem Umfang keine Anwendung auf vor- und nachgelagerte Verarbeitungsphasen, wenn dies zu journalistischen Zwecken erfolgt. Außerhalb dieser Landesgesetze ist mangels einschlägiger nationaler Rechtsgrundlage die Herstellung und Speicherung von Bildnissen ausschließlich an der Datenschutzgrundverordnung (soweit ihr Anwendungsbereich eröffnet ist) zu messen.34 Mangels Rechtsgrundlage im Kunsturhebergesetz verbleibt es insoweit also bei dem in Art. 6 Abs. 1 DSGVO vorgegebenen Maßstab.35

III. Zivilrecht und Zivilprozessrecht

Bietet das Kunsturhebergesetz keinen ausreichenden Schutz, kann wegen Verletzungen des Rechts am eigenen Bild auf die §§ 823, 1004 BGB zurückgegriffen ←27 | 28→werden.36 Keinen ausreichenden Schutz bietet das Kunsturhebergesetz, wie ausgeführt, etwa für die Herstellung von Personenaufnahmen. Ist auch der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung nicht eröffnet, kann eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts relevant werden. Als „Mutterrecht“ erfasst dieses sowohl das Recht am eigenen Bild als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Zudem sind auch die Rechtsfolgen einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz nur lückenhaft geregelt, sodass heute hinsichtlich Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen auf die §§ 823, 1004 BGB zurückgegriffen wird.37 Die Vollstreckung solcher Ansprüche richtet sich wiederum nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

IV. Verfassungsrecht

Die Frage nach der Widerrufbarkeit einer Einwilligung im Sinne des § 22 S. 1 KUG muss auch verfassungsrechtliche Erwägungen berücksichtigen.

Durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit seinerseits differenzierten Ausformungen als Grundrecht gewährleistet.38 Es ist eine den speziellen Freiheitsrechten nahekommende Grundrechtsgarantie.39 Dieses verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht darf jedoch nicht mit dem zivilrechtlichen verwechselt werden.40 Denn seine Funktion besteht in erster Linie aus der Abwehr hoheitlicher Eingriffe. Das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht muss zwar auf rechtlicher Ebene denselben Schutzgehalt aufweisen, kann aber darüber hinausgehen.41 Auf der einen Seite garantiert es die Möglichkeit autonomer Selbstentfaltung durch Abschirmung eines privaten Bereichs und Sicherung der Vertraulichkeit der Interaktion, auf der anderen aber auch die nach außen gerichtete Selbstdarstellung.42 Ebenfalls als gewährleistet anzusehen sind die diesen beiden Komponenten vorgelagerten Grundbedingungen ←28 | 29→freier Entfaltung der Persönlichkeit, wie etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.43

Für die vorliegende Arbeit relevant ist vor allem die Fallgruppe der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, da es in dieser Ausprägung auch das Recht am eigenen Bild erfasst.44 Das Recht am eigenen Bild wird demnach als Teil des in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG angelegten Grundrechts auf Menschenwürde und freie Entfaltung der Persönlichkeit erachtet.45 Es kann zudem auch als Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angesehen werden46, weil das spezifische Schutzbedürfnis vor allem aus den technischen Möglichkeiten herrührt, „das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren“.47 Immer häufiger wird das Recht am eigenen Bild daher als Unterfall des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verstanden.48

C. Gang der Untersuchung

Die Arbeit gliedert sich in fünf Hauptkapitel, deren maßgeblicher Inhalt im Folgenden kurz dargestellt werden soll:

Die Untersuchung der Frage, ob eine Einwilligung in Eingriffe in das Recht am eigenen Bild widerrufen werden kann, erfordert in einem ersten Schritt, dass das Objekt des Eingriffs, dessen Schutz der Widerruf letztlich wieder aufleben lassen soll, rechtlich und dogmatisch eingeordnet wird. Der erste Teil der Arbeit widmet sich daher einer Untersuchung des Rechts am eigenen Bild als solchem. Denn nur ein tief gehendes Verständnis über seine Rechtsnatur und spezifischen Eigenschafen gibt Aufschluss darüber, ob und inwieweit dieses durch Zulassung einer Widerrufsmöglichkeit geschützt werden kann und muss. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit seiner (historischen) Entwicklung und Begründung als besonderes Persönlichkeitsrecht unumgänglich, um es in seinen ganzen Facetten nachvollziehen zu können. Ebenso muss sein Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht geklärt werden.

←29 | 30→

Zugleich ist es in diesem Sinnzusammenhang erforderlich, auf die Wirkung eines Bildnisses einzugehen. Dies meint zum einen den Eindruck im Sinne einer Suggestion, welche das Bildnis bei seinen Betrachtern auslöst. Zum anderen erfasst dieser Aspekt die Beleuchtung derjenigen Auswirkungen, welche die Existenz eines Bildnisses, schon sein bloßes Vorhandensein, für den jeweiligen Abgebildeten haben kann. Schließlich geht es dem Abgebildeten in erster Linie um die Beseitigung ebendieser Effekte, wenn er den Widerruf seiner vormals erteilten Einwilligung erklärt.

Im zweiten Teil der Arbeit werden sodann die rechtlichen und dogmatischen Grundlagen der Einwilligung dargestellt. Dies erfordert, die Einwilligung als ein facettenreiches Rechtsinstitut zu begreifen. Aus diesem Grund sollen an dieser Stelle einzelne Erscheinungsformen der Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG dargestellt werden. Der Schwerpunkt wird dabei auf der Erörterung der Rechtswirkung und Rechtsnatur der Einwilligung liegen, da dieser Aspekt für die Beurteilung einer mit der Einwilligung korrespondierenden Widerrufsmöglichkeit von enormer Relevanz ist.

Der dritte Teil der Arbeit befasst sich mit der Möglichkeit zum Widerruf einer Einwilligung im Sinne des § 22 KUG. Dabei soll zunächst auf die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und Lösungsansätze eingegangen werden. Im Ergebnis sollen dann Kriterien herausgearbeitet und entwickelt werden, die eine Orientierungshilfe bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Widerrufs geben. Zu diesem Zweck sollen bereits gesetzlich kodifizierte Widerrufsmöglichkeiten im Hinblick auf eine mögliche analoge Heranziehung untersucht werden. Ebenfalls zu klären ist in diesem dritten Teil, welche Anforderungen an eine etwaige zulässige Widerrufserklärung zu stellen sind. Hierbei muss insbesondere untersucht werden, welche Form und welchen Erklärungsinhalt eine solche Erklärung bedarf und wem gegenüber sie ausgesprochen werden muss.

Sodann kann und soll im vierten Teil auf die Rechtsfolgen des Widerrufs eingegangen und hierbei auch prozessuale Besonderheiten bei der Durchsetzung von Unterlassungs- Löschungs- und Beseitigungsansprüchen aufgezeigt werden.

Details

Seiten
264
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631869925
ISBN (ePUB)
9783631869932
ISBN (MOBI)
9783631869949
ISBN (Hardcover)
9783631848302
DOI
10.3726/b19202
DOI
10.3726/b19274
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (November)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 264 S.

Biographische Angaben

Meike Kirschner (Autor:in)

| Meike Kirschner hat Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg studiert. Das Rechtsreferendariat hat sie am Landgericht Darmstadt absolviert. An der Universität Stellenbosch, Südafrika hat sie im Anschluss den Titel Master of Laws (LL.M.) erlangt. Seit 2020 ist sie als Rechtsanwältin in Frankfurt am Main zugelassen und tätig.

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Titel: Widerruf von Einwilligungen beim Recht am eigenen Bild
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