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Sprachliche Variation im Deutschen

Unterrichtsdidaktische, deskriptive und internationale Perspektiven

von Jutta Ransmayr (Band-Herausgeber:in) Elena Vasylchenko (Band-Herausgeber:in)
©2019 Sammelband 216 Seiten

Zusammenfassung

Die Bandbreite an Variation in der deutschen Sprache in verschiedenen didaktischen und sprachwissenschaftlichen Kontexten steht im Mittelpunkt dieses Bandes. Aus einer fachdidaktischen Perspektive widmen wir uns sprachlichen Normfragen, die sowohl im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht als auch im schulischen muttersprachlichen Deutschunterricht relevant sind. Gleichermaßen gibt der Band Einblick in aktuelle Forschungsergebnisse zur Aussprache in den Standardvarietäten des Deutschen und nimmt auch deutschsprachige Minderheiten aus didaktischer und forschender Sicht mit in den Blick. Der Band bietet einen Streifzug durch Beiträge, die im Rahmen der Sektion «Sprachliche Variation im Deutschen» der XVI. Internationalen Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer vorgestellt wurden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Editorial
  • „Im Unterricht versuch ich schon – die Standardsprache zu sprechen.“ Varietäten des österreichischen Deutsch in der Schule (Rudolf de Cillia)
  • Sprachnormen und Sprachnormenvermittlung im muttersprachlichen Deutschunterricht: Theorie und Praxis und einige Überlegungen zur Relevanz für den DaF-Unterricht (Winifred V. Davies)
  • Fehler oder nicht? – Sprachliche Variation in Schulaufsätzen (Andrea Abel / Aivars Glaznieks)
  • Österreichisches Deutsch und sprachliche Variation im Deutschen – ein Thema der PädagogInnenbildung in Österreich? (Dagmar Gilly / Barbara Schrammel-Leber)
  • „Sackerl“ tut echt weh, aber „lecker“ auch – Varietäten des Deutschen und was passiert, wenn Wörter auf Grenzen stoßen (Susanne Hartmann)
  • Wie gehen Deutschlernende beim Hörverstehen mit Standardvariation um? (Naomi Shafer)
  • Norm und Variation bei deutschsprachigen Minderheiten. Ein Lehrkonzept für den Unterricht und die Lehre (Henning Radke)
  • Zum Umgang mit Jugendsprache im DaF-Unterricht (Franziska Trepke)
  • Die Standardaussprache von Nachrichtensprechern des Bayerischen Rundfunks (BR) und Österreichischen Rundfunks (ORF) (Dennis Mohn)
  • Wandelprozesse bei der R-Aussprache in den nationalen Varietäten des Standarddeutschen (Elena Vasylchenko)
  • „Schwyzertütsch isch Kult“ − Schweizerdeutsch lernen im akademischen Kontext der zweisprachigen Universität Freiburg (Claudine Brohy)
  • Die Sprachinsel Michailowka: Überblick über die demografische, soziolinguistische und sprachliche Situation (Marina Smolia)

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Editorial

Vom 31. Juli bis zum 4. August fand in Fribourg/Freiburg in der Schweiz die XVI. Internationale Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer statt. Im vorliegenden Band werden Beiträge publiziert, die im Rahmen der Sektion D9 „Sprachliche Variation im Deutschen“ präsentiert worden sind.

Dieser Band soll einen Streifzug durch die Bandbreite der Variation in der deutschen Sprache und ihre Bedeutung in unterschiedlichen sprachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Bereichen bieten. Die im vorliegenden Band enthaltene Auswahl an Sektionsbeiträgen reflektiert zum einen die fachdidaktische Relevanz von Fragen rund um Norm(en) und Variation der deutschen Sprache für den Deutsch als Fremdsprache (DaF)-Unterricht in nicht deutschsprachigen Ländern wie auch gleichermaßen für den schulischen, muttersprachlichen Deutschunterricht in den deutschsprachigen Ländern selbst. Zum anderen werden aktuelle Forschungsergebnisse zu Aussprachephänomenen, zum Dialektlernen in der Schweiz und zu sprachlichen Minderheiten vorgestellt.

Welche Wichtigkeit pädagogische und didaktische Aspekte des Umgangs mit sprachlicher Variation im Deutschen nicht nur für den DaF-Unterricht, sondern auch für den schulischen Deutschunterricht in den deutschsprachigen Ländern und Regionen haben, war bisher nur am Rande Gegenstand der fachdidaktischen Forschung. Der Umgang mit Varietäten und sprachlichen Normen ist jedoch ein unvermeidlicher und fester Bestandteil des Unterrichtsalltags. Lehrerseitiges und schülerseitiges Sprachhandeln wird von vielen Faktoren beeinflusst, unter anderem spielen Spracheinstellungen und die innersprachliche Mehrsprachigkeit unter Lehrkräften und Lernenden dabei eine Rolle. Umso notwendiger erscheint es daher, dass Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer in der Varietäten-Thematik auf fundiertes Wissen zurückgreifen können, weil Normvorstellungen und Spracheinstellungen der Sprachlehrkräfte für die Spracheinstellungen und die sprachliche Identität der Lernenden prägend sein können. Naturgemäß zeigen sich dabei Überschneidungen zwischen DaM (Deutsch als Muttersprache) und DaF/DaZ (Deutsch als Zweitsprache): Denn nicht nur im Deutschunterricht in den deutschsprachigen Ländern und Regionen, sondern auch im DaF- und DaZ-Unterricht nimmt das Thema der Variation im Deutschen einen wichtigen Platz in den Bereichen „Sprachreflexion“ und „Umgang mit sprachlichen Normen“ ein. Im Fremd- und Zweitsprachenunterricht bietet die Variations- und Varietätenthematik zudem Anknüpfungspunkte für (sprach-)kulturelle, literaturdidaktische und landeskundliche Felder, und sie fungiert nicht zuletzt auch als Tor in die sprachliche und kulturelle Realität in den einzelnen deutschsprachigen Ländern und Regionen. ← 7 | 8 →

Im Eröffnungsbeitrag bietet Rudolf de Cillia Einblicke in die Sprachverwendung unter österreichischen Deutschlehrkräften und Schülerinnen und Schülern. De Cillia zeigt anhand von Forschungsergebnissen aus dem FWF-Projekt „Österreichisches Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache“, dass in den Schulen und auch im Unterricht das gesamte Spektrum des Dialekt-Standard-Kontinuums und nicht ausschließlich nur Standardsprache verwendet wird.

Welches Normverständnis und welche Auffassung von Standardsprache unter Deutschlehrkräften in Schulen Deutschlands (in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) vorzufinden ist, hat Winifred Davies untersucht. In ihrem Beitrag geht sie auch auf das Spannungsfeld zwischen den Lehrermeinungen, was Standarddeutsch sei, und den diesbezüglichen Vorgaben in sogenannten präskriptiven Werken ein.

Vor welchen Herausforderungen Deutschlehrkräfte stehen können, wenn sie Entscheidungen über korrekten bzw. angemessenen oder falschen bzw. unangemessenen schülerseitigen Sprachgebrauch treffen müssen, zeigen Andrea Abel und Aivars Glaznieks in ihrem Beitrag. Abel und Glaznieks setzen sich in ihrem Beitrag vor dem Hintergrund präskriptiver Vorgaben mit sprachlichen Zweifelsfällen im Zusammenhang mit Sprachwandel und regionalsprachlicher Variation auseinander.

Dass Deutschlehrkräfte in ihrer Ausbildung nicht immer das fachliche Rüstzeug für Fragen des Umgangs mit sprachlicher Variation mitbekommen, haben Dagmar Gilly und Barbara Schrammel-Leber untersucht. Sie weisen in ihrem Beitrag darauf hin, wie wichtig solides fachspezifisches Wissen für Lehrende ist und plädieren für die verstärkte Aufnahme der Varietätenthematik in die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften.

Was passiert, wenn Wörter gemeinsam mit ihren österreichischen und deutschen VerwenderInnen auf die Reise gehen und auf Staatsgrenzen stoßen, schildert augenzwinkernd und auf unterhaltsame Weise Susanne Hartmann, wenn sie in ihrem Beitrag über „sprachliche Migrationserfahrungen“ österreichischer Zuwanderer nach Deutschland und deutscher Zuwanderer nach Österreich schreibt und Vorschläge macht, wie das in ihrem Beitrag präsentierte Material im DaF-/DaZ-Unterricht zur Sensibilisierung der Lernenden für sprachliche Variation eingesetzt werden kann.

Was die plurizentrische Vielfalt der deutschen Sprache und insbesondere Ausspracheunterschiede zwischen (nord-)deutschen, österreichischen und Schweizer Sprechern und Sprecherinnen für das Hörverständnis beim Lehren und Lernen von Deutsch als Fremdsprache bedeutet, hat Naomi Shafer in einer Studie mit Hörverständnistests untersucht. Sie stellt in ihrem Beitrag nicht nur ihre Ergebnisse vor, sondern liefert auch Impulse für den Umgang mit Varietäten und Varianten in der DaF-Praxis. ← 8 | 9 →

Ein Konzept für Unterricht und Lehre zum Thema Norm und Variation bei deutschsprachigen Minderheiten präsentiert Henning Radke, in dessen Beitrag anhand von deutschsprachigen Minderheiten Fragen rund um Varietäten, Norm und Standard oder Non-Standard zum Thema gemacht werden.

Mit der Frage, ob, warum und wie Jugendsprache in den DaF-Unterricht integriert werden kann, beschäftigt sich Franziska Trepke. In ihrem Beitrag tritt sie dafür ein, dass DaF-Lernende an einen möglichst alltagsnahen Sprachgebrauch herangeführt werden sollten, indem neben der hauptsächlichen Vermittlung der normativen Standardsprache die Lernenden auch neugierig auf Jugendsprache gemacht werden sollen.

Mit der Standardaussprache von NachrichtensprecherInnen des Österreichischen Rundfunks (ORF) und des Bayrischen Rundfunks (BR) hat sich Dennis Mohn in einer Untersuchung auseinandergesetzt. In seinem Beitrag präsentiert er seine Ergebnisse zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten unter den österreichischen und bayrischen BerufssprecherInnen, was deren Aussprache sowie die jeweils vom Kodex vorgegebenen Rahmenbedingungen angeht.

Ein besonderes Aussprache-Phänomen nimmt Elena Vasylchenko in den Blick. In ihrem Beitrag geht sie auf die Unterschiede hinsichtlich der Aussprache des Phonems /r/ in den Standardvarietäten Österreichs, der Schweiz und Deutschlands ein.

Von Erfahrungen beim Erlernen der Deutschschweizer Dialekte an der Universität Freiburg in der Schweiz berichtet Claudine Brohy in ihrem Beitrag, in dem sie nach einem allgemeinen Überblick über den Dialekt in der Schweiz die Ergebnisse einer Untersuchung zu Motivation und Hintergrund der Kursteilnehmer „Schweizerdeutsch verstehen“ präsentiert.

Von der Schweiz nach Russland führt uns der abschließende Beitrag dieses Bandes von Marina Smolia, in dem wir über Studienergebnisse zur demographischen, soziolinguistischen und sprachlichen Situation der deutschsprachigen Sprachinsel Michailowka in Sibirien erfahren.

Wien, im Juni 2019
Jutta Ransmayr und Elena Vasylchenko ← 9 | 10 →

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„Im Unterricht versuch ich schon – die Standardsprache zu sprechen.“ Varietäten des österreichischen Deutsch in der Schule

Rudolf de Cillia

Abstract: Der vorliegende Beitrag referiert – nach einer kurzen Darstellung des Forschungsprojekts „Österreichisches Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache“ (vgl. dazu de Cillia/ Ransmayr1) und dessen theoretischer Positionierung – einen Ausschnitt aus den Ergebnissen des Projekts. In dessen Rahmen wurden im Sinne einer Triangulierung eine umfassende Fragebogenerhebung bei LehrerInnen und SchülerInnen in allen neun Bundesländern Österreichs, Interviews mit LehrerInnen aller Schultypen, Gruppendiskussionen und teilnehmende Unterrichtsbeobachtungen durchgeführt. Im Folgenden werden die Ergebnisse desjenigen Teils des Projekts berichtet, der sich mit der Verwendung von Varietäten im schulischen Kontext befasst. Es zeigte sich, dass in den Schulen und auch im Unterricht das gesamte Spektrum des Dialekt-Standard-Kontinuums, und nicht nur hauptsächlich Standardsprache verwendet wird.

Key words: Varietäten, Plurizentrik, österreichisches Deutsch, Standardsprache, Umgangssprache, Dialekt, Dialekt-Standard-Kontinuum, Sprachverwendung, Unterricht, Schule.

1. Vorbemerkung

Der folgende Beitrag berichtet einen kleinen Ausschnitt aus einem Forschungsprojekt zum österreichischen Deutsch (FWF-Projekt Nr. P 23913-G18; Laufzeit 10/2012 bis 04/2015).2 Das Projekt verortet sich in der Theorie der plurizentrischen Sprachen (vgl. Clyne 2005, Ammon 1995, Ammon / Bickel/ Lenz 2016). Im Rahmen der Forschungsarbeit wurden unterschiedliche Aspekte der Rolle der österreichischen Standardvarietät der deutschen Sprache im schulischen Kontext erforscht. Dabei wurden in einer Daten- und ← 11 | 12 → Methodentriangulation, Quellenstudium, qualitative und quantitative Methoden der Befragung (Fragebogenerhebung, Interviews, Gruppendiskussionen) und teilnehmende Unterrichtsbeobachtung verwendet. Die gewonnenen Daten wurden mittels deskriptiv- und inferenzstatistischer (SPSS) bzw. diskursanalytischer/ gesprächsanalytischer Methoden ausgewertet. Der hier besprochene Ausschnitt aus den Daten betrifft die Verwendung unterschiedlicher Varietäten der deutschen Sprache in den Schulen.

2. Zur theoretischen Positionierung des Projekts

Variationslinguistisch positioniert sich das Projekt in der Theorie der plurizentrischen Sprachen: Für die vorliegenden Fragestellungen schien es uns sinnvoll, Deutsch als plurizentrische Sprache mit drei gleichwertigen staatsbezogenen Varietäten „österreichisches Deutsch“, „deutsch(ländisch)es Deutsch“ und „Schweizer Standarddeutsch“ zu konzeptualisieren3, da es in unserem Projekt in erster Linie um den schulischen Kontext und daher um die Standardvarietät ging. Für die Schulen stecken ja die Rahmenbedingungen gesamtstaatliche Regelungen in Form von Lehrplänen, Studienplänen, staatlich approbierten Lehrmaterialien etc. ab. Gleichzeitig ist u. E. regionale Variation, wie sie in empirisch basierten, pluriarealen Zugängen angenommen wird4, ein wichtiger Aspekt der Analyse5.

Details

Seiten
216
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783034333566
ISBN (ePUB)
9783034333573
ISBN (MOBI)
9783034333580
ISBN (Paperback)
9783034333559
DOI
10.3726/b13270
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Sprachnorm Deutschunterricht DaF DaM Plurizentrik Aussprache Varietäten Standardsprache Sprachminderheiten Dialekt
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 216 S., 13 s/w Abb., 10 Tab.

Biographische Angaben

Jutta Ransmayr (Band-Herausgeber:in) Elena Vasylchenko (Band-Herausgeber:in)

Jutta Ransmayr ist Professorin am Institut für Germanistik und am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien im Fachbereich Sprachdidaktik Deutsch. Sie lehrt und forscht in den Bereichen Sprachdidaktik, Österreichisches Deutsch und Varietäten des Deutschen im Deutschunterricht sowie in der Korpuslinguistik. Elena Vasylchenko ist Leiterin des Lehrstuhls für Fremdsprachen an den Naturwissenschaftlichen Fakultäten der Nationalen Metschnikow-Universität Odessa. Sie lehrt und forscht in den Bereichen Phonetik des Deutschen, Varietäten des Deutschen, Methodik und Didaktik des Deutschunterrichts und fachbezogenes Deutsch (CLIL).

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