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Nova Acta Paracelsica 28/2018

Beiträge zur Paracelsus-Forschung

von Pia Holenstein Weidmann (Band-Herausgeber:in)
©2018 Konferenzband 270 Seiten
Reihe: Nova Acta Paracelsica, Band 28

Zusammenfassung

Der vorliegende Band dokumentiert Beiträge der Jahresversammlungen der Paracelsus-Gesellschaft 2016 in Zurzach und 2017 in Staufen. Diese waren zwei Themenkreisen gewidmet, welche zeitliche und überzeitliche Gesundung miteinander verbinden. Ergänzend enthält er eine Studie zum Namen des Paracelsus von Martin Steinmann und Buchbesprechungen von Pia Holenstein Weidmann und von Pirmin Meier.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Zwischen den Welten (Claudia Storz)
  • Wassergeister als universales Motiv: Paracelsus’ Deutung der Nymphengestalt und die Figur Mami Wata in Afrika (Bea Lundt)
  • „Von was vor einer köstlichen Wirckung dieses […] Wasser sey.“ August Hauptmann (1607–1674) und die Balneologie (Michael Ulrich Brysch)
  • Paracelsus’ Elementenlehre und seine Philosophie des Wassers (Gunhild Pörksen)
  • Zum ,Limbus‘-Begriff als ,Materia prima‘ im Corpus Paracelsicum (Katharina Dück)
  • Paracelsus und Faust – Magie, Alchemie und Medizin in der Renaissance (Claus Priesner)
  • Alchemische Handschriften in der Leopold-Sophien-Bibliothek (Franziska Schaudeck)
  • Paracelsus und Luther (Kathrin Pfister)
  • War Paracelsus ein erfolgreicher Arzt? Zu einem Streit im ausgehenden 16. Jahrhundert (Julian Paulus)
  • Paracelsus im kaiserlichen Russland: Zur Geschichte der russischen Paracelsiana zwischen 1780 und 1840 (Witalij Morosow)
  • Paracelsus. Eine neue Deutung seines Namens (Martin Steinmann)
  • Meine Begegnung mit Paracelsus (Elke Bussler)
  • Vergnüglich nutzbarer Leitfaden für Kenner und Liebhaber: Elke Bußlers Paracelsus-Register (Pirmin Meier)
  • Manuel, Münster und der Mensch Luther – Drei Publikationen (Pia Holenstein)
  • Anschriften der Autorinnen und Autoren
  • Reihenübersicht

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Vorwort

Paracelsus für Leib und Seele

Die Jahresversammlungen der Paracelsus-Gesellschaft 2016 in Zurzach und 2017 in Staufen waren zwei Themenkreisen gewidmet, welche zeitliche und überzeitliche Gesundung miteinander verbinden. Beiträge beider Tagungen dokumentiert dieser Band. Ergänzend enthält er eine Studie zum Namen des Paracelsus von Martin Steinmann und Buchbesprechungen von Pia Holenstein Weidmann und von Pirmin Meier.

Der Aufenthalt in der Bäderstadt Zurzach, einst römische Siedlung und dann überlieferter Aufenthaltsort der Thebäerin Verena, legte es nahe, die heilende Wirkung des Wassers ins Auge zu fassen. Bea Lundt, Michael Ulrich Brysch und Gunhild Pörksen beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen paracelsischen Perspektiven. Witalji Morosow beschrieb die russische Paracelsus-Rezeption am Beginn der Moderne und Claudia Storz vermittelte einen lebendigen Einblick in ihr eigenes literarisches Werk. Das Lutherjahr 2017 lenkte die Aufmerksamkeit auf Renaissance und Reformation. Katharina Dück und Kathrin Pfister stellten die vielfältigen Beziehungen zwischen Paracelsus und der reformatorischen Theologie dar. Claus Priesner und Franziska Schaudeck setzten sich mit Fragen der frühneuzeitlichen Alchemie auseinander, und Julian Paulus untersuchte Beurteilungen zur ärztlichen Kunst des Paracelsus um 1700. Elke Bussler vermittelte einen lebendigen Einblick in ihre beeindruckende Forscherinnenwerkstatt und berichtete von der Entstehung des Registers zu Sudhoffs Paracelsus-Ausgabe. Das große Werk ist in diesen Wochen im Druck erschienen – für den vorliegenden Band hat es Pirmin Meier besprochen.

Namens der Schweizerischen Paracelsus-Gesellschaft danke ich allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge und in besonderer Weise Pia Holenstein Weidmann für die Redaktion des Bandes. ← 5 | 6 → Leserinnen und Lesern wünsche ich erweiterte Einsichten bei der Auseinandersetzung mit Paracelsus und seiner Epoche – und auch beim Nachdenken über Heilen und Heilwerden an Leib und Seele.

Luzern, 21. Juni 2018

Markus Ries

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Zwischen den Welten

CLAUDIA STORZ

illustration

Aare mein Fluss, vom Mond gesehen

Es rinnt eine silberne Ader

über die Schuppenhaut des Planeten

verbindet den Gletscher

mit der kleinen Stadt und dem Meer

Meine Tränen sind Salzwasser

mein Herz

ein Quell. ← 7 | 8 →

Zwischen den Welten

Zwischen den Welten und

zwischen den Gezeiten

schwimmen wir

heimatlos, ratlos

über den Wolken.

Ist es zwei Uhr?

Schläfst du Liebster wie in

Buenos Aires oder wachst du

wie in Buenos Aarau?

Die Kompassnadel schlägt aus

und wir tauschen das Kreuz des Südens

mit dem Kreuz des Alltags.

Aare, mein Fluss

Aare, mein Fluss

Schilf streicht über meine Wangen

auf dem Pfad im Dickicht.

Nass kräuselt übers Geröll

und der Einsiedlerkrebs

zieht sich zurück.

Ein Kuckuck ruft

im neuen Frühling

und legt sein Ei in mein Herz.

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Wassergeister als universales Motiv

Paracelsus’ Deutung der Nymphengestalt und die Figur Mami Wata in Afrika

BEA LUNDT

Also seind uns die ding exempel, dorbei wir verstehn sollen,
was wir auf erden sind.

Paracelsus, SW XIV, 142 (um 1530)

Einleitung

Wassergeister werden in allen bekannten Kulturen beschrieben und tauchen in vielfacher Gestalt auf.1 Diese Ubiquität einer animistischen Personifizierung des fluiden Mediums beruht auf der zentralen existentiellen Bedeutung von Wasser für den Menschen; es bedeckt die Erde zu gut 70 %2 und ist auch ein Bestandteil des menschlichen Körpers. Nichts wächst ohne Wasser. Als Regen, Schnee und Hagel von oben, als ersehntes Nass durch Brunnen in der Erde: Von außen und innen, von oben und unten ist Wasser allgegenwärtig.3

Es ist daher auch ein wichtiger Imaginationsraum, in dessen Rahmen phantasiehafte Narrationen gesponnen werden, welche ← 9 | 10 → Gestalten aquatischen Ursprungs in Handlungen mit dem Menschen verstricken. Solche Geschichten um „Wassergeister“ kommen in fast allen Ursprungsmythen vor, aber auch in populären Texten wie Sagen, Märchen, Legenden; sie begegnen auch in literarischen Gattungen in künstlerischer Gestaltung.4 Unter ihnen sind positiv besetzte Gestalten, die als kraftvolle Lebensspender materiellen und ideellen Reichtum, Nachwuchs und Zukunft bringen, Heilung und Reinigung, vor allem auch eine spirituelle, ermöglichen. Doch erweist sich die Macht des Wassers auch als bedrohlich und als nur begrenzt durch den Menschen kontrollierbar. Wetter- und Flutkatastrophen nehmen das, was sie spenden können: Haus und Hof und Menschenleben. Auf Karten aus Mittelalter und Früher Neuzeit wird das Wasser von unheimlichen fiktiven Wesen bevölkert gezeigt, die sich oft aus verschiedenen Tieren oder auch Menschen zusammensetzen, die diese Mischung aus Wunder, Heil und Gefahr repräsentieren.5

Im Folgenden soll es um Mischwesen mit einem Bezug zum Wasser gehen. Verbreitet und bekannt sind in der Regel Quellen zu diesem Erzähltyp aus Europa und Asien. Ich möchte zunächst einen einflussreichen Traktat des Paracelsus (1493–1541) vorstellen und in die europäische Überlieferungsgeschichte von einer Wasserfrau einordnen. Sodann möchte ich auf eine (west)afrikanische Gestalt hinweisen, die den europäischen Varianten sehr ähnlich ist. Im Fazit umreiße ich die aktuelle Bedeutung der Beschäftigung mit Zwischenwesen als Antworten auf die Herausforderung einer „Inklusion“ angesichts der Globalisierung der Gesellschaft. ← 10 | 11 →

Die Definition der „Elementargeister“ bei Paracelsus

Paracelsus hat einen naturphilosophischen Traktat verfasst, in dem den „Nymphen“ eine herausragende Bedeutung zukommt: De quatuor hominibus non animatis. Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de ceteris spiritibus.6 Sie werden als erste unter den vier von ihm im Titel der Schrift benannten Wesen genannt, die zwar eine menschliche Gestalt haben, aber nicht beseelt sind. Diese Zwischenwesen sind den vier bekannten Elementen zugeordnet; sie werden daher in der Fachliteratur „Elementargeister“ genannt.7 Paracelsus bezieht sich in seiner Analyse auf zwei romanhafte Gestaltungen von Konfliktfällen zwischen weiblichen Wasserwesen, den Nymphen, und Menschenmännern. Er übt scharfe Kritik an einer Dämonisierung und Verurteilung der Wassergeister, wie sie die Theologen seiner Zeit vornehmen, und entfaltet alternativ dazu ein innovatives Konzept. Zu Recht gilt seine Schrift daher als ein „Werk von größter Originalität“.8

Zunächst zum Inhalt des Werkes: Der Text erschien als siebtes von 23 Büchern der Philosophia de divinis operibus et factis, et de secretis naturae (Philosophie der göttlichen Werke und Fakten und der Geheimnisse der Natur). Entstanden vermutlich um 1530, erschien er postum in vollständiger Form 1590, also erst einige Jahrzehnte nach Paracelsus’ Tod. Seine Schrift versah er mit Titeln ← 11 | 12 → in der Wissenschaftssprache Latein, doch verfasste er sie in der Volkssprache, was die Verbreitung sehr förderte.

„De spiritibus“, von Geistern ist die Rede, die aber zugleich auch „homines“, also Menschenwesen sind, eben „leut“ (123), wenn auch „nicht aus Adam“ (118). Zwar „sind sie beide fleisch, blut, bein und dergleichen“ (120), doch sind die „geistmenschen“ (118), wie Paracelsus diese Geschöpfe zusammenfassend nennt, „ein subtil fleisch und ist nit zu binden noch zu fassen“ (120). Gott hat mit ihnen „ein gemischts gemacht von beiden, wie ein compositum von zweien stucken“ (121). Die vier Elemente bringen jeweils eigene Wesen hervor, die in Familien leben und sich wie Menschen fortpflanzen. Sie alle sind „Wunderwerk“ (116), die „gebraucht werden“ (115). Denn Gott hat sie geschaffen, um die Schätze der Natur zu hüten. Für die Nymphen gilt: „die undenen (=Undinen) sind hüter im wasser der großen wasserschez, so in dem mer und der gleichen ligt“ (149). Diese Gruppe von Elementargeistern wird von ihm bezeichnet mit den Begriffen „wasserleut“, „wasserfrau“, „nymph“, „sirene“ sowie den Namen „undina“, auch in männlicher Form als „der unda“ sowie „Melosina“. Es fällt auf, dass sie mehrheitlich, aber nicht ausschließlich in einer weiblichen Konnotation auftauchen.

Sie erfüllen also eine wichtige praktische Funktion, der sie aufgrund des Schöpfungsplanes auf Erden nachgehen, um die Kostbarkeit des Wassers und damit auch das Gleichgewicht der Natur zum Nutzen des Menschen zu erhalten. Doch haben alle diese Zwischenwesen keine Seele, denn sie haben keinen Anteil an dem Bündnis der Menschen mit Gott und damit der Unsterblichkeit. Sie sehnen sich aber nach einer Beseelung. „Daraus folget nun, das sie umb den menschen bulen, zu im sich fleißen“ (133). Dies gilt insbesondere für die Wassermenschen, vor allem die Frauen. Gelingt es ihnen, aus ihrer „wonung“, dem nassen Element, zu den Menschen zu gelangen und mit einem Menschenmann in eine Beziehung einzutreten, so können sie Kinder haben, die eine Seele erhalten, und sie können auch selber beseelt werden. Allerdings ist diese Gemeinschaft nicht immer stabil, denn die Nymphen können ← 12 | 13 → auch wieder in ihr Element zurückkehren, „so sie beim mannen erzürnt werden auf den wassern und dergleichen“ (137). Auch im Fall einer Trennung ist der Mann aber an sein Eheversprechen gebunden und darf keine andere Frau heiraten. Übertritt er dieses Verbot, dann kann es geschehen, dass „sie kum und im den tod zufüge“ (138). Denn auch nach ihrer Rückkehr in das Wasser bleibt die Nymphe ein beseeltes Wesen und wird am Jüngsten Tag „der büntnus und pflicht halben“ (137) erscheinen und ihren Anspruch geltend machen.

Neben dieser konkreten Beschreibung der Kennzeichen, Aufgaben, Arbeit und der Aktivitäten der Zwischenwesen unter den Menschen verweist Paracelsus aber auch nachdrücklich auf eine weitere Ebene: Es ist eine symbolische, spirituelle. „Also seind uns die ding exempel, dorbei wir verstehn sollen, was wir auf erden sind“ (142). Mit den „Ding“ meint Paracelsus die „Materie“, die sich in der Körperlichkeit der Naturgeister äußert. Diese sind auch „Exempel“, also narrative Beispiele, die auf etwas verweisen, das aussagestark und aktuell bleibt, weil es sich wiederholt.9 Die Beschäftigung mit ihnen hilft dem Menschen also in immer neuen Situationen, sich im Vergleich mit den anderen selbst zu erkennen. Deshalb ist es Paracelsus wichtig, dieses Buch zu schreiben, denn es erfüllt eine theologische, aber auch eine didaktische Aufgabe, denn er will belehren über richtiges Verhalten:

Seliger ist es, zu beschreiben die nymphen, dan zu beschreiben die orden; seliger ist, zu beschreiben den ursprung der risen, dan zu beschreiben die hofzucht; seliger ist zu beschreiben melosinam, dan zu beschreiben reuterei und artellerei […] dan in den dingen wird der geist braucht zu wantlen in göttlichen werken (117).

Details

Seiten
270
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783034335812
ISBN (ePUB)
9783034335829
ISBN (MOBI)
9783034335836
ISBN (Paperback)
9783034335805
DOI
10.3726/b14420
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (November)
Schlagworte
zeitliche Gesundung überzeitliche Gesundung Paracelsus Medizingeschichte
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 270 S., 29 farb. Abb., 3 s/w Abb.

Biographische Angaben

Pia Holenstein Weidmann (Band-Herausgeber:in)

Pia Holenstein Weidmann ist Kulturwissenschaftlerin und Publizistin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören literarische Formen und Rezeption, Drama, Paracelsus, Ehediskurs sowie Frauen im Mittelalter und früher Neuzeit.

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Titel: Nova Acta Paracelsica 28/2018
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