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Samuel Mareschal – Der Genfer Psalter in Bearbeitungen für Tasteninstrumente

von Ramona Hocker (Band-Herausgeber:in) Matteo Nanni (Band-Herausgeber:in)
©2015 Andere 462 Seiten

Zusammenfassung

Angesichts der Tatsache, dass die reformierte Liturgie üblicherweise keinen Raum für selbständige Instrumentalmusik bietet, sind die hier nach den Quellen CZ-Pn Bludov R 18, CH-Bu F IX 47, CH-Bu F IX 48 edierten kompletten Bearbeitungen des Genfer Psalters, die der Basler Lehrer und Organist Samuel Mareschal (1554–1640) anfertigte, bemerkenswert. Zudem bieten die Sätze in ihrer dem Stegreifspiel nahen Faktur seltene Einblicke in die Musizierpraxis und Instrumentalpädagogik im Kontext von Universität und Schulwesen. Nicht zuletzt sind Mareschals Tabulaturen auch Zeugnisse privater Frömmigkeit der nachreformatorischen Zeit in Basel und in Mähren.
Der vorliegende Band enthält eine Edition der drei autographen Tabulaturhandschriften, die durch einen kurzen historischen Abriss, Quellenbeschreibungen, Anmerkungen zur Notation und Transkription sowie ein Lesartenverzeichnis mit weiteren Informationen zum Schreibprozess ergänzt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort / Préface / Prefazione / Foreword
  • Einleitung
  • Introduction
  • Faksimiles
  • Notenteil
  • CZ-Pn Bludov R 18
  • CH-Bu F IX 47
  • CH-Bu F IX 48
  • Kritischer Bericht
  • Anmerkungen zur Notation
  • Zur Übertragung
  • Die Quellen
  • Lesartenverzeichnis und Anmerkungen
  • Literaturverzeichnis
  • Quellenverzeichnis
  • Register
  • Psalmsätze nach Psalmnummer
  • Psalmsätze nach französischem Incipit
  • Bludov R 18 Anhang
  • Bludov R 18 Choräle (alphabetisch)
  • Reihenübersicht

Vorwort

Die Schweizerische Musikforschende Gesellschaft hat seit ihrer Gründung verschiedene musikalische Editionsreihen herausgegeben. Zwischen 1955–1987 wurden 12 Bände unter dem Reihentitel „Schweizerische Musikdenkmäler / Monuments de la musique suisse“ publiziert, in denen wichtige Quellen und Repertoires kritisch ediert wurden. Seit 2007 erscheint die Reihe „Musik aus Schweizer Klöstern“, die einem spezifischen Korpus gewidmet ist und als Unterreihe in die 2015 neu gegründete Reihe „Editionen der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft“ eingeht. Die „Editionen der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft“ führen die älteren Reihen somit fort und wollen Werken, Autoren, Repertoires oder musikalischen Zusammenhängen ein editorisches Zuhause bieten, die für die Arbeit der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft relevant sind.

Préface

La Société Suisse de Musicologie a publié plusieurs séries d’éditions musicales depuis sa fondation. Entre 1955 et 1987, 12 volumes ont paru sous l’intitulé «Schweizerische Musikdenkmäler / Monuments de la Musique Suisse»: ils incluaient les éditions critiques de sources et de répertoires particulièrement importants. À partir de 2007, la série «Musique des Monastères Suisses» est consacrée à ce corpus spécifique; depuis 2015, elle devient une sous-série de la nouvelle collection. Les «Éditions de la Société Suisse de Musicologie» assurent la continuité avec les anciennes séries de notre Société, avec le but d’offrir un débouché éditorial pour les œuvres, les auteurs, les répertoires ou les contextes musicaux faisant l’objet de l’activité de recherche menée au sein de la Société Suisse de Musicologie.

Prefazione

Fin dagli inizi della sua costituzione la Società Svizzera di Musicologia ha dato alle stampe numerose edizioni musicali. Sotto il titolo “Schweizerische Musikdenkmäler / Monuments de la musique suisse” sono usciti, fra il 1955 ed il 1987, dodici volumi, che includono fonti e repertori di rilievo pubblicati in edizione critica. La collana “Musik aus Schweizer Klöstern”, edita dal 2007, è consacrata ad un repertorio particolare e va ora a costituire una raccolta subordinata alla nuova serie “Editionen der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft”, istituita nel 2015. Le Edizioni della Società Svizzera di Musicologia si pongono in continuità con le collane pubblicate in precedenza e intendono offrire uno spazio editoriale ad opere, autori, repertori e contesti musicali di rilievo per l’attività della Società Svizzera di Musicologia.

Foreword

Since it was founded, the Swiss Musicological Society has released a number of musical series. Between 1955 and 1987, a series of twelve volumes was published under the title Schweizerische Musikdenkmäler / Monuments de la musique suisse, in which important sources and repertoires were edited critically. The series Musik aus Schweizer Klöstern, which is devoted to a specific corpus and runs into the new series for 2015 entitled Editionen der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft, was launched in 2007. The Swiss Musicological Society Editions thus continue the older series and aim to offer works, authors, repertoires or musical contexts that are relevant to the Swiss Musicological Society’s work an editorial home.

Prof. Dr. Cristina Urchueguía (Bern)
Prof. Dr. Luca Zoppelli (Fribourg)
Prof. Dr. Matteo Nanni (Basel)
Dr. Michael Matter (Basel/Bern)

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Einleitung

Im vorliegenden Band werden die drei Autographe von Samuel Mareschals instrumentalen Bearbeitungen des Genfer Psalters1 (auch Hugenottenpsalter genannt) kritisch ediert. Es handelt sich hierbei um zwei verschiedene Fassungen, die der Basler Münsterorganist jeweils 1593 und 1638–40 für Tasteninstrumente adaptierte und in deutscher Tabulatur notierte. Insgesamt handelt es sich bei den beiden hier vorliegenden Instrumentalfassungen um Intabulierungen für Tasteninstrumente der 150 Psalmen und des Canticum Simeonis („Nunc dimittis“ bzw. „Or laisse Createur“). Mareschals Bearbeitungen des Genfer Psalters sind nach der Übernahme der Reformation2 entstanden: Zwischen dem Zeitpunkt der ersten und dem der zweiten Bearbeitung vollzog sich die von Johann Jakob Grynaeus eingeleitete Übernahme der reformierten calvinistischen Ausrichtung der Basler Kirche. In seiner Amtszeit hatte Grynaeus auch eine Reform des Schulwesens durchgesetzt und hatte das Basler Bekenntnis aus dem Jahre 1534 zu einer ausführlichen Kirchenordnung erweitert.3 Mareschals Werk wurde zu einem religionsgeschichtlichen Zeitpunkt komponiert, in dem zeitgleich mit der Zuwendung zum Calvinismus der Stadt Basel die Gebiete im umgebenden Bistum rekatholisiert wurden. Es ist daher auffällig, dass damit keine Einschränkungen der Kirchenmusikpraxis und insbesondere der instrumentalen Ausübung durch die Basler Kirchenvorsteher einherging. Vielmehr scheint es der Fall zu sein, dass im Zuge des Sonderwegs der Basler Reformationsgeschichte die Bedeutung der Musik zunehmend gewürdigt wurde. Der Kirchenmusik wurde eine Rolle der Vermittlung reformatorischen Gedankenguts zugesprochen und sie galt im Hinblick auf die Ausübung einer privaten Frömmigkeit als Instrument der Vergegenwärtigung und der Verinnerlichung des reformierten Glaubens.4 Dass Mareschal in diesem Zusammenhang den kompletten Psalter zwei Mal bearbeitete, lässt sich als ein Zeichen für die Durchsetzung des calvinistischen Gedankenguts gegenüber der zunächst etablierten lutherischen Glaubensrichtung deuten. An der Schwelle zum 17. Jahrhundert, etwa ein Jahrhundert nach den Erschütterungen des Bildersturms und der Säkularisierung, entstanden somit Mareschals musikalische Instrumentalbearbeitungen in einer Epoche der Konsolidierung des reformierten Glaubens und in einem Klima der Offenheit gegenüber der Komposition und der Ausübung geistlicher Instrumentalmusik.

Der Schweizer Musiker flämischer Herkunft Samuel Mareschal5 wurde 1554 in Tournai geboren und ← 9 | 10 → lässt sich als Amtsnachfolger des katholischen Organisten Gregor Meyer ab 1576 als Organist des Basler Münsters nachweisen. In der Widmung einer der hier edierten Tabulaturhandschriften nennt er sich Notar, Musicus, Organist und Bürger der Stadt Basel.6 Ein Jahr nach seiner Einstellung als Münsterorganist war er an der Universität Basel immatrikuliert und wurde dann dort „Professor musices“ und Lehrer an der Münsterschule. Während seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor verfasste Mareschal einige theoretische Abhandlungen, in denen die Grundkenntnisse der Musiklehre in einfacher und pädagogischer Weise dargestellt werden. Es handelt sich um den 1589 geschriebenen allgemeinen Musiktraktat Porta musices in dem auch Anweisungen zur vokalen und instrumentalen Ausübung zu finden sind und um die 1622 verfasste Abhandlung Melodiae Suaves et Concinnae Psalmorum, in der als Appendix das kurze Kompendium Musices rudimenta angehängt ist. 1606 verfasste Mareschal vierstimmige Vokalbearbeitungen des Genfer Psalters nach der 1573 in Leipzig erschienen deutschen Übersetzung von Ambrosius Lobwasser offenbar für den praktischen Gebrauch seiner Schüler.7 Neben Vokalmusik verfasste er auch mehrere Intabulierungen von Vokalwerken flämischer, deutscher und italienischer Komponisten wie unter anderem Clemens non Papa, Thomas Créquillon, Hans Leo Haßler, Clemens Jannequin, Orlando de Lassus, Claudio Merulo und Giovanni Pierluigi da Palestrina. Seine Tabulaturhandschriften waren allesamt für ein nicht professionelles Publikum bestimmt und zeugen vermutlich von der eigenen Improvisationspraxis im Rahmen seiner Tätigkeit als Organist in Basel.8 Er starb am 1. November 1640 in Basel und wurde auf dem Leonhardskirchhof beigesetzt.

Mit den hier edierten Quellen des Basler Organisten Samuel Mareschal stehen Dokumente zur Verfügung, anhand derer musikhistorisch relevante Spuren der persönlichen Aneignung reformatorischer Gedanken, der Überlieferung des musikalischen Repertoires in Basel während des Reformationsjahrhunderts sichtbar gemacht werden. Das älteste der drei Manuskripte, die dieser Edition zugrunde liegen, befindet sich in der Sammlung des Sbornik Národiního musea Prag in Velké Losiny (Bludov)9 (CZ-Pn Bludov R 18, Papierhandschrift im Folio-Format, 90 Blätter Umfang), stammt aus dem Jahre 1593 und beinhaltet die erste Fassung von Mareschals Bearbeitung des Genfer Psalters. Die beiden jüngeren Handschriften sind in der Universitätsbibliothek Basel aufbewahrt und sind mit 1638 und 1640 datiert (CH-Bu F IX 47, Papierhandschrift im Folio-Format, 24 Blätter Umfang und CH-Bu F IX 48, Papierhandschrift im Folio-Format, 48 Blätter Umfang).10 Die Widmung, die Vorsätze sowie Register und Notentext sämtlicher Tabulaturhandschriften wurden von derselben Hand aufgeschrieben. Durch den Vergleich mit einem um 1622–23 datierbaren Bittbrief von Samuel Mareschals Hand11 lassen sich die drei genannten Manuskripte als Autographe bestimmen.

Mareschals Handschrift Bludov R 18 trägt den Titel Les Pseaumes de David en tablature sur l’espinete und macht damit deutlich, dass die frühere Adaptation des Genfer Psalters für Spinett (bzw. für ein besaitetes Tasteninstrument) und somit für den häuslichen Privatgebrauch konzipiert war.12 Diese Quelle ← 10 | 11 → ist 1593, also bereits vor Mareschals Vokalfassungen der Psalmen, die er 1606 verfertigte, entstanden. Die in der Handschrift Bludov R 18 enthaltenen Psalmintabulierungen sind nicht mit den späteren in Basel aufbewahrten Bearbeitungen identisch. Mareschal verfasste diese Handschrift in Basel und schenkte sie dem calvinistisch gesinnten Ladislav Velen von Žerotín, einem aus Mähren stammenden Studenten der Universität Basel.13 Dieser war Mitglied einer weitverzweigten mährischen Familie und späterer Rat des böhmischen Königs Friedrich von der Pfalz. Ab 1596 war der aus dem böhmischen Schlesien stammende Amandus Polanus von Polansdorf als Professor für Altes Testament an der Universität Basel tätig, er zog zahlreiche Studenten aus dem Ausland, so auch aus Böhmen, Mähren, Schlesien und Polen, an – so studierte auch Ladislav von Žerotín, neben sechs anderen Familienmitgliedern, einige Jahre an der Universität Basel. Zuvor war Polanus unter anderem Privatlehrer der Familie Žerotín gewesen.14 Die Handschrift belegt Kontakte zwischen Schweizer Zentren der Reformation und den Gebieten im Osten und ist ein Zeugnis für die Bedeutung, die der Musik als Medium reformatorischen Gedankenguts zukam.

Details

Seiten
462
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783035108392
ISBN (ePUB)
9783035193596
ISBN (MOBI)
9783035193589
ISBN (Paperback)
9783034316590
DOI
10.3726/978-3-0351-0839-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
CH-Bu F IX 47 CH-Bu F IX 48 Samuel Mareschal Liturgie CZ-Pn Bludov R 18
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2015. 462 S.

Biographische Angaben

Ramona Hocker (Band-Herausgeber:in) Matteo Nanni (Band-Herausgeber:in)

Ramona Hocker studierte in Tübingen Musikwissenschaft, Empirische Kulturwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre (2007 Magister artium). Sie war als Universitätsassistentin in Wien sowie als Projektmitarbeiterin in Basel tätig und arbeitet derzeit am Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen, Abteilung Musikwissenschaft, an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Matteo Nanni, geb. 1970 in Genua (I), studierte in Cremona und Freiburg i. Br., absolvierte ein Magister Artium 1996, promovierte 2003 und 2015 erfolgte seine Habilitation. Er war 2004–10 Assistent am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Freiburg i. Br. und 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei eikones NFS-Bildkritik. Derzeit ist er Assistenzprofessor im Bereich der älteren Musikgeschichte an der Universität Basel.

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