Die Bedeutung der Rezeptionsliteratur für Bildung und Kultur der Frühen Neuzeit (1400–1750), Bd. II
Beiträge zur zweiten Arbeitstagung in Haldensleben (Mai 2013)
Series:
Edited By Alfred Noe and Hans-Gert Roloff
Laurent Drelincourts Sonnets Chrétiens (1677) in deutscher Übersetzung. Zwischen Erbauungsschrift und ästhetischer Vorbildfunktion: Elisabeth Rothmund
Extract
Übersetzungen oder Adaptionen fremdländischer Texte dienen meist zur Verbreitung von Werken, die bereits in ihrem Herkunftsland eine gewisse Bedeutung erlangt haben und deren Übertragung in andere Sprachen eine Erweiterung des ursprünglichen Rezeptionsraumes bzw. die Erschließung neuer Rezeptionsräume ermöglichen soll. Durch solche Übertragungen werden die Werke einem breiteren Publikum zugänglich gemacht und tragen somit zur Zirkulation von Ideen, poetischen Formen oder Schreibmodalitäten bei. Im Bereich der frühneuzeitlichen Dichtung und im Kontext der Entstehung von frühmodernen Nationalliteraturen kommt ihnen auch eine didaktische Funktion zu. Die Übersetzung von Mustertexten unterstützt den Aneignungsprozess und die nun in anderen Sprachen verfügbaren Werke übernehmen im jeweiligen Sprachraum ebenfalls eine Vorbildfunktion, die zur weiteren Entwicklung der jeweiligen Nationalliteratur beitragen soll. Auf die translatio folgt die imitatio.1 Laurent Drelincourts Sonnets Chrétiens stellen in dieser Hinsicht einen doppelten Sonderfall dar, einerseits weil die ästhetische Rezeption der Sonettform in Deutschland zur Erscheinungszeit der hier besprochenen Übersetzungen (die alle zwischen dem letzten Drittel des 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts verfasst bzw. veröffentlicht wurden) bereits abgeschlossen war, andererseits weil schon das Echo des französischen Prätextes im französischen Sprachraum ein unerwartetes Ausmaß annahm, schließlich aber auch weil keine der drei vorliegenden deutschen Gesamtübersetzungen auf breitere öffentliche Bekanntmachung des französischen Dichters oder seines Werkes zielte. Die Sonnets Chrétiens des reformierten Predigers Laurent Drelincourt gehören in der Tat nicht zum gängigen Kanon des „Grand Siècle“, wie er in Handbüchern...
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