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Deutschland – Frankreich – Polen seit 1945

Transfer und Kooperation

von Corine Defrance (Band-Herausgeber:in) Michael Kissener (Band-Herausgeber:in) Jan Kusber (Band-Herausgeber:in) Pia Nordblom (Band-Herausgeber:in)
©2015 Konferenzband 298 Seiten

Zusammenfassung

Das Weimarer Dreieck zwischen Frankreich, Deutschland und Polen stellt eine neue Kooperationsform in Europa dar, die ihre Vorläufer in den ersten Jahren nach dem Fall des «Eisernen Vorhangs» hat. In der Rückschau wechselten sich in dieser Zusammenarbeit Erfolge und Fehlschläge ab, so dass sie auch in Zukunft vor neuen Herausforderungen stehen wird. Ausgehend von den Anfängen analysiert dieser Sammelband die Zirkulationen, die sich nach 1945 ergaben. Das Trauma des Konflikts, der Kalte Krieg und die politischen Richtungsentscheidungen hatten unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Akteure des Beziehungsgeflechtes. Die Annäherungsprozesse zwischen den beiden deutschen Staaten und ihren Nachbarn resultierten direkt aus diesen Faktoren. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auf allen Ebenen politische, wirtschaftliche und kulturelle Initiativen von den Regierungen und Zivilgesellschaften ausgingen. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwieweit die westdeutsch-französische Aussöhnung als ein Anhaltspunkt verstanden werden kann und über Transfer und Erfahrungsaustausch die anderen Beziehungsachsen inspirierte. Zugleich fordern auch die Praktiken der deutsch-polnischen und französisch-polnischen Beziehungen die deutsch-französische Kooperation heraus, sich immer wieder neu zu erfinden in einem größeren Europa, das sich immer stärker durch Multilateralismen auszeichnet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort (Corine Defrance, Michael Kißener, Jan Kusber, Pia Nordblom)
  • Das Weimarer Dreieck – Deutsches Konstrukt und europäischer Entwurf zwischen Mächtepolitik und Kooperationsperspektiven (Hans-Jürgen Bömelburg)
  • Die (west-)deutsch-französischen Beziehungen nach 1945 (Michael Kißener)
  • Von der Katastrophe zur Normalität in Europa. Wegmarken der deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945 (Jan Kusber)
  • Die französisch-polnischen Beziehungen seit 1945 (Tomasz Schramm)
  • Die Anfänge des Weimarer Dreiecks. Historische Perspektiven (Dieter Bingen)
  • Das Weimarer Dreieck: Ein Modell trilateraler Beziehungen? (Jérôme Vaillant)
  • Die trilaterale Wirtschaftskooperation im Weimarer Dreieck. Bestandsaufnahme, Perspektiven und Potentiale (Frédéric Plasson)
  • Das Deutsch-Französische Jugendwerk. Ein „Modell“ für die Einrichtung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks? (Corine Defrance)
  • Bilanz und Perspektiven der trinationalen Zusammenarbeit des Deutsch-Französischen Jugendwerks mit Polen (Eva Sabine Kuntz)
  • Universitäre und wissenschaftliche Zusammenarbeit im Weimarer Dreieck: Science-(and)-Fiction? (Kornelia Kończal & Robert Żurek)
  • Polnisch-deutsche Versöhnungsinitiativen seit den 1960er Jahren (Lisa Bicknell)
  • Städtepartnerschaften im trilateralen Kontext am Beispiel der Kommunalbeziehungen der Stadt Wolfsburg (Tanja Herrmann)
  • Nachbarschaft: Chance oder Bürde? Das Elsass und (Ober-)Schlesien seit 1945 (Pierre-Frédéric Weber)
  • Personenregister
  • Ortsregister
  • Institutionen
  • Akronyme
  • Autoren und Herausgeber
  • Reihenübersicht

← 8 | 9 → Vorwort

Corine Defrance, Michael KIßENER, Jan Kusber, Pia Nordblom

„Nachdem unter Adenauer und de Gaulle die Aussöhnung mit Frankreich gelang, nachdem sich in den vergangenen zehn Jahren die deutsch-polnischen Beziehungen auf ganz unwahrscheinliche und unerwartete Weise entkrampft haben […], wäre die Achse Paris-Berlin-Warschau zu stärken. Der europäische Alltag ist quicklebendig, fürchten muss man die müden Sinnstiftungs-Routinen“1

Schrieb Jens Bisky Anfang 2014 in der „Süddeutschen Zeitung“ und mahnte, dass gerade in den Zeiten der Krise kein Platz für große Europadiskurse und Europa-Floskeln ist. Wie lebendig die Beziehungen „in dem Dreieck Frankreich, Deutschland und Polen“ bisweilen sind, unterstreichen die Beiträge in dem vorliegenden Sammelband, der aus historischer Perspektive eine Bestandsaufnahme vornehmen und überdies untersuchen will, ob bzw. auf welche Weise die sogenannte deutsch-französische Verständigung und Kooperation auch auf Dritte – und in diesem Fall auf Polen – übertragbar sein kann.

Mit dem Begriff des „Erfahrungswissens“ („transfert d’expérience“) sollen alle Formen von Austausch und Kooperation erfasst werden, die sich zwischen Deutschland (bis 1989/90 in den ← 9 | 10 → beiden deutschen Staaten), Frankreich und Polen entwickelt haben. Der eigentliche Austausch zwischen diesen Ländern lässt sich im engeren Sinne als Zirkulation bezeichnen, ergaben sich doch vielfältige und vielschichtige Bewegungen in diesem geographischen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Raum in der Mitte Europas. Es geht dabei jedoch nicht um den Export, die Nachahmung oder Wiederholung des sogenannten deutsch-französischen „Modells“ in einem von diesem ursprünglichen Muster abweichenden Kontext. Vielmehr stehen ganz allgemein Austauschformen und ihre selektive Aneignung und Entleihungen einzelner Elemente aus dem deutsch-französischen Beziehungsgefüge im Bereich von Annäherung und Kooperation im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Dies gilt auch für derartige Mechanismen in andere Richtungen, so die Übernahme von Elementen aus den deutsch-polnischen oder französisch-polnischen Beziehungen in die deutsch-französischen Beziehungsgeflechte. Bildhaft könnte man von einem Werkzeugkasten sprechen: Welches Ländertandem hat Erfahrungen mit welchem Werkzeug gemacht? Welche Werkzeuge werden weitergegeben, vielleicht auch für andere Zwecke eingesetzt, welche werden auf Grund veränderter Anforderungen neu konstruiert? Lassen sich also feststehende Muster und Formen beobachten, die ein Ländertandem an ein anderes weitergibt, um eine engere Zusammenarbeit herzustellen? Welche Mittel erweisen sich als erfolgreich, welche bleiben in ihrer Wirkung begrenzt im deutsch-französischen, im deutsch-polnischen und französisch-polnischen Austausch sowie in den Beziehungen auf trilateraler Ebene, die – anlehnend an das 1991 begründete Weimarer Dreieck2 – auch als „Weimarisierung“ bezeichnet werden?

Der vorliegende Band behandelt diese Transferprozesse und Kooperationen aus multidisziplinären Perspektiven: Historiker, Germanisten, Politologen, aber auch Experten aus der Praxis tragen durch ihre Analysen hierzu bei. Die jeweiligen Beziehungen und Austauschprozesse sollen mittels zweier Vorgehensweisen erfasst werden: zum einen durch den Vergleich der jeweiligen bilateralen Beziehungen – diese Sichtweise bildet den Schwerpunkt ← 10 | 11 → des ersten Teils dieser Arbeit –, zum anderen durch Fallstudien zu Austauschprozessen und Interaktionen. Hierbei geht es vor allem darum, die Möglichkeiten und Grenzen der vergleichenden Methode zu erproben. Was das deutsch-polnische Tandem angeht, waren die Ausgangsbedingungen für eine Annäherung zwischen den vormaligen Feindstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg und der brutalen NS-Besatzungspolitik in Polen unvergleichlich viel schwieriger als für die (west-)deutsch-französischen Beziehungen, denen europaweit geradezu eine Pionierfunktion als transnationale Kommunikationsagenten zukamen.

Die unterschiedlichen Beziehungsstrukturen nach West und Ost erklären sich durch anders gelagerte Kriegserfahrungen sowie durch die politische Systemdifferenz in der Zeit des Kalten Krieges, als Deutschland geteilt und zwischen zwei Blöcken gespalten war. Dadurch wurden in Richtung DDR und Polen und von dort Richtung Westeuropa transnationale und individuelle private Kontakte erheblich erschwert. Doch nach 1989/90 entwickelten sich rasch eine Fülle von Elementen einer transnationalen Gesellschaft, wie sich beispielhaft an den vielen deutsch-polnischen Städtepartnerschaften und dem Strom von Arbeitsemigranten zeigen lässt. Diese Beziehungsebene wird in doppelter Weise in den vorliegenden Beiträgen eingebracht: zum einen im Sinne der Kooperation der drei beteiligten Staaten, wie sie sich in Form des Weimarer Dreiecks im August 1991 gebildet hat, zum anderen auf der Ebene der zivilgesellschaftlichen Akteure. Wie haben sich die transnationalen Beziehungen zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaft entwickelt, nachdem die benachbarten Länder bilaterale Beziehungen lange Zeit im Sinne klassischer Nationalstaaten gepflegt hatten? Wie gestalteten sich fortan die Kommunikationsräume, die Handlungen und der Umgang miteinander? Wurden sie offener, in welcher Form traten sie zu Tage und was bedeutet in diesem Zusammenhang nationalstaatliche Souveränität? Die Bedeutung dieser neuen Aktionsfelder und Räume wird immer wichtiger, weil sich der Einfluss der nichtstaatlichen Akteure auch auf die Beziehungen der Staaten und der mit ihnen verbundenen Gesellschaften erstreckte. Man könnte gar fragen, ob dieses trilaterale Beziehungsgeflecht, dessen Motor anfangs bei den politischen Akteuren lag, nicht längst bedeutendere Impulse aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich gewinnt und eine Abkehr von nationalstaatlichen Bezugskategorien eingeleitet ist.

← 11 | 12 → Nach einem einführenden Überblicksbeitrag von Hans-Jürgen Bömelburg, der das nun bald ein Vierteljahrhundert bestehende Weimarer Dreieck und die damit verbundenen unterschiedlichsten Erwartungen und Ängste in Europa beschreibt, gliedert sich der Band im Weiteren in vier Sektionen.

Im ersten Teil umreißen Michael Kißener, Jan Kusber und Tomasz Schramm aus historischer Perspektive die Entwicklung der drei bilateralen Beziehungsgeschichten zwischen Deutschland und Frankreich, Deutschland und Polen sowie Polen und Frankreich. Die Beiträge der beiden erstgenannten Autoren, die sich auf die asymmetrischen und wechselseitig verschränkten Beziehungen zu Ost- und Westdeutschland beziehen, konzentrieren sich daher auf den Zeitraum zwischen 1949 und 1989.

Der zweite Teil des Bandes befasst sich mit dem Weimarer Dreieck im eigentlichen Sinne. Aus historisch-politikwissenschaftlicher Perspektive werden die Interessen und Ziele der beteiligten Partner beleuchtet (Dieter Bingen), weiterhin werden die Erfolge und Niederlagen in einzelnen Lebensbereichen wie Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft bilanziert, denn gerade im zivilgesellschaftlichen Bereich fand die „Weimarisierung“ in allen drei Ländern wichtige Fürsprecher (Jérôme Vaillant und Frédéric Plasson).

Im dritten Teil stehen transnationale Transfer- und Austausch­prozesse zwischen den drei Ländern und die Frage nach der Existenz eines „deutsch-französischen Werkzeugkastens“ im Mittelpunkt. Dies soll vor allem an Fragen, die die Jugend betreffen, geprüft werden. Hat z.B. das Deutsch-Französische Jugendwerk als Vorbild für das Deutsch-Polnische Jugendwerk gedient und wenn ja, inwiefern? Welche Entwicklungsperspektiven kommen dabei trilateralen Kooperationen (Corine Defrance, Eva Sabine Kuntz) oder dem Hochschulbereich (Robert Żurek/Kornelia Kończal) zu?

Der vierte Teil des Bandes analysiert insbesondere Transfer- und Kooperationsbeziehungen im zivilgesellschaftlichen Bereich. Lisa Bicknell untersucht Initiativen zur deutsch-polnischen Versöhnung seit den 1960er Jahren und beleuchtet dabei die Rolle der christlichen Kirchen. Tanja Herrmann spürt den deutsch-französischen und deutsch-polnischen Städtepartnerschaften und ihrer Bedeutung für die europäische Integration der Bürger nach. Am Beispiel der Partnerschaften von Wolfsburg (BRD) mit ← 12 | 13 → Marignane (Frankreich) und Bielsko-Biała (Polen) zeigt sie auf, dass eine zweifache Partnerschaft nicht notwendigerweise zu einer trinationalen Kooperation führen muss. Abschließend beschäftigt sich Pierre-Frédéric Weber mit der regionalen Dimension der Kooperationen, indem er die Nachbarschaftsbeziehungen von Schlesien und dem Elsass zu den angrenzenden Regionen in Deutschland untersucht. Aus historischer Perspektive fragt er danach, ob die geographische Nähe zur Chance oder zur Bürde für eine engere Zusammenarbeit wurde.

Die hier veröffentlichten Beiträge gehen auf eine wissenschaftliche Tagung zurück, die vom 7. bis 9. Oktober 2010 in Mainz im Zusammenarbeit des Centre national de la Recherche scientifique / Université Paris 1-Panthéon-Sorbonne (UMR IRICE, Paris) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Historisches Seminar, Arbeitsbereiche Zeitgeschichte und Osteuropäische Geschichte unter Leitung von Corine Defrance, Michael Kißener und Jan Kusber stattgefunden hat3. Für die freundliche Unterstützung der Tagung und der Veröffentlichung danken wir der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH), dem Centre interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne (CIERA), dem Zentrum für Interkulturelle Studien (ZIS) an der Johannes Gutenberg-Universität sowie dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz.

Sowohl die Vorbereitungen und Durchführung der Tagung als auch die Publikation des Tagungsbandes profitierten ganz erheblich von mannigfacher Unterstützung durch Studierende des Historischen Seminars. Tanja Herrmann und Anna Lina Werry übertrugen die Manuskripte von Corine Defrance, Frédéric Plasson, Tomasz Schramm, Jérôme Vaillant und Pierre-Frédéric Weber aus dem Französischen ins Deutsche; Lotte Kosthorst, Lisa Lüdke, Charlotte Pissors und Verena Schmehl fertigten die Register an. Ihnen allen möchten wir ganz besonders danken.

Zu Jahresbeginn 2014 können wir nur hoffen, dass die Menschen und Regierungen in Europa den Wert der engen Zusammenarbeit ← 13 | 14 → auch in Zukunft als kostbares Gut begreifen und sich jenseits nationalstaatlicher Egoismen um den Ausbau von Kooperation und Transfer bemühen.

Mainz, 8. Januar 2014

 

Post scriptum: Während der Drucklegung dieser Arbeit ent­wickelte sich die Ukraine-Krise zur neuen Herausforderung für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Polen. Diese jüngsten Ereignisse sind nicht mehr Gegenstand dieses Bandes.

__________

1    Jens Bisky, Fürchtet die Müdigkeit. Europas Krise ist nicht vorüber. Nun sollte endlich ein Gespräch über die Zwecke der EU stattfinden, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 4, 7.1.2014, S. 9.

2    Vgl. das handbuchartige Kompendium: Klaus-Heinrich Standke (Hg.), Das Weimarer Dreieck in Europa. Die deutsch-französisch-polnische Zusammenarbeit. Entstehung – Potentiale – Perspektiven, Toruń 2009.

3    Ausführlicher Tagungsbericht: Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (AHF), Tagungsberichte, Dezember 2010, Nr. 250-10 (Anlage 1) (URL http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/Berichte/pdf/2010/250-10.pdf [31.12.2013]).

← 14 | 15 → Das Weimarer Dreieck – Deutsches Konstrukt und europäischer Entwurf zwischen Mächtepolitik und Kooperationsperspektiven

Hans-Jürgen Bömelburg

Die bevorzugte Kooperationsebene zwischen Deutschland, Frankreich und Polen, die am 28. August 1991 mit dem sog. Weimarer Dreieck anlässlich eines Außenministertreffens zwischen Hans-Dietrich Genscher, dem Franzosen Roland Dumas und dem Polen Krzysztof Skubiszewski in Weimar ins Leben gerufen wurde, ist fast 25 Jahre nach seiner Gründung ein Konzept, das europaweit sowohl große Hoffnungen wie ebenso große Befürchtungen ausgelöst hat. Teilweise als bloße Deklaration ohne Realisierungsperspektive abgetan, vermag das Weimarer Dreieck, geplant als eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Polen, heute immer noch Ängste auszulösen.

Warum ist das so? Sicherlich spielen hier auch pure mächtepolitische Additionen und banale Hochrechnungen eine auslösende Rolle. Besitzen nicht Deutschland, Frankreich und Polen mit ihren mehr als 180 Millionen Einwohnern (fast 40% der Europäischen Union) und ihrer gemeinsamen Staatsfläche von mehr als 1,2 Millionen km² (knapp 30%) das wirtschaftliche und politische Potential, die europäische Einigung dauerhaft zu prägen und eine zentrale Stellung auf dem europäischen Kontinent zu erlangen? Bilden nicht die den jeweiligen Eliten zugeschriebenen Eigenschaften, deutsche Wirtschaftskraft, französisches planerisches Denken und ← 15 | 16 → polnische Ostkompetenz und Improvisationskraft eine kaum zu überbietende ideale Kombination? Dominierten nicht historisch diese drei Staaten über Jahrhunderte Mitteleuropa und schufen attraktive gesellschaftliche und kulturelle Muster?

Andererseits findet sich gegenüber dem Weimarer Dreieck in der politikwissenschaftlichen Öffentlichkeit auch eine entgegengesetzte „instrumentelle“ Position. Die trilaterale Zusammenarbeit sei bei ihrer Entstehung nur ein instrumenteller Versuch gewesen, das vereinigte Deutschland „einzurahmen“, worauf die deutsche Diplomatie aus Opportunitätsgründen eingegangen sei. Eine tatsächliche französisch-polnische Zusammenarbeit habe es in den mehr als zwanzig Jahren des Bestehens des Dreiecks nie gegeben. Das Dreieck sei eine Schönwetterkonstruktion, die in politischen Krisen – etwa dem französisch-polnischen Konflikt nach der Aufnahme Polens in die EU oder den deutsch-polnischen Konflikten der Ära Kaczyński – handlungsunfähig sei. Außer deklamatorischen Erklärungen hätten die jährlichen Konsultationen der Regierungschefs nichts gebracht. Dies sehe man ganz praktisch auch an dem fehlenden organisatorischen Unterbau, so verfüge das Weimarer Dreieck über keinerlei Institutionalisierungsperspektive, ja noch nicht einmal ein Büro oder einen organisatorischen Apparat.

Details

Seiten
298
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783035264760
ISBN (ePUB)
9783035299564
ISBN (MOBI)
9783035299557
ISBN (Paperback)
9782875742094
DOI
10.3726/978-3-0352-6476-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Weimarer Dreieck Kalter Krieg Eiserner Vorhang
Erschienen
Bruxelles, Bern, Berlin, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2014. 296 S., 10 Graf.

Biographische Angaben

Corine Defrance (Band-Herausgeber:in) Michael Kissener (Band-Herausgeber:in) Jan Kusber (Band-Herausgeber:in) Pia Nordblom (Band-Herausgeber:in)

Corine Defrance ist Professorin für Zeitgeschichte am Centre national de la Recherche scientifique (IRICE, Paris). Michael Kißener ist Professor für Zeitgeschichte am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Jan Kusber ist Professor für Geschichte Osteuropas am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Pia Nordblom ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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