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W.G. Sebalds «Nach der Natur»

Eine Analyse

von Andrea Fieler (Autor:in)
©2015 Monographie VI, 184 Seiten

Zusammenfassung

W.G. Sebalds Nach der Natur. Ein Elementargedicht wurde 1988 mit sechs schwarz-weiß Fotografien des Münchener Künstlers Thomas Becker publiziert. Erst Sebalds spätere Werke Schwindel. Gefühle (1990), Die Ausgewanderten. Vier lange Erzählungen (1992), Die Ringe des Saturn. Eine englische Wallfahrt (1995) und Austerlitz (2001) erregten die Aufmerksamkeit der kritischen Öffentlichkeit. Jedoch handelt es sich bei Nach der Natur – im handwerklichsten Sinne – um das Meisterstück des Autors.
Dieses Buch setzt sich in einer konkreten und textnahen Betrachtung mit dem Gedicht Nach der Natur auseinander. Im speziellen hat es sich diese Arbeit zur Aufgabe gemacht, die unzähligen – teils versteckten, teils offensichtlichen – Hinweise, die Sebald in das Gedicht eingebaut hat, literarisch einzuordnen und zu erläutern. Die Analyse folgt dabei der Chronologie des Gedichts. Zusätzlich sind die sechs Bilder von Thomas Becker, die Teil der ursprünglichen Publikation von Nach der Naturwaren, hier reproduziert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort: Max
  • Einführung
  • Plates
  • 1. Kapitel: Sebalds Grünewald
  • 2. Kapitel: Sebalds Steller
  • 3. Kapitel: Sebalds auktoriale Intertextualität
  • 4. Kapitel Sebalds Numerologie
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Bibliografie
  • Index
  • Danksagung
  • Reihenübersicht

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Vorwort: Max

Winfried Georg Sebald, der den Spitznamen Max bevorzugte, erblickte am 18. Mai 1944 das Licht der Welt. Zusammen mit zwei Schwestern, der drei Jahre älteren Gertrud und der sieben Jahre jüngeren Beate, wuchs er als mittleres Kind in dem Luftkurort Wertach im Allgäu am Rande der Alpen auf.

Sein Vater Georg kam ursprünglich aus dem Bayrischen Wald und war gelernter Schlosser. 1929 trat er in die Reichswehr ein und lernte Rosi Egelhofer in Wertach während eines Skilagers seiner Kompanie kennen. Im November 1936 traten sie dann in Wertach in den Stand der Ehe ein. Drei Jahre später wurde der Vater zum Polen-Feldzug einberufen. Wegen einer Knochenentzündung wurde er nach Frankreich verlegt, von wo aus er – nun Hauptmann – 1945 via Basel die Grenze zu überschreiten versuchte. Er wurde jedoch festgenommen und lebte bis 1947 in französischer Kriegsgefangenschaft. Georg diente bis 1971, zuletzt als Oberstleutnant, in der Bundeswehr. Der Vater lernte seinen einzigen Sohn folglich erst in dessen drittem Lebensjahr kennen. Wie tief, bis in die fragile Frage der Identität, das kafkaeske Gefühl der Entfremdung vom eigenen Vater bei Sebald reichte, zeigt sich bereits in der Bevorzugung des selbst erfundenen Namens Max gegenüber der grundsätzlichen Ablehnung seiner eigentlichen Vornamen Winfried und Georg. Eine bessere Beziehung hatte Sebald zu seiner Mutter Rosi und deren Eltern, Theresia, geb. Harzenetter, und Josef Egelhofer, der als gelernter Schmied bis zu seiner Pensionierung Gendarm im Dorf war. Die Egelhofers hatten 1905 geheiratet, und alle vier Kinder, wobei Rosi die jüngste war, waren in Wertach geboren und aufgewachsen. Wie Sebald selbst 1966 nach England auswanderte, so waren bereits Rosis drei Geschwister in den zwanziger Jahren nach Amerika emigriert.

Im Alter von zehn Jahren besuchte Sebald das Realgymnasium Maria Stern in Immenstadt. Ab 1955 lernte er an der Oberrealschule in Oberstdorf und bestand dort 1963 sein Abitur. Da Sebald einen Herzfehler von seinem ← 1 | 2 → Großvater Josef geerbt hatte, wurde er von der Wehrpflicht befreit, was Sebald die Möglichkeit gab, von 1963 bis 1965 an der Universität von Freiburg im Breisgau Germanistik zu studieren. Anschließend wechselte er zur Universität Fribourg in der Schweiz, wo er 1966 seinen Abschluss Licence ès lettres machte und ins englische Manchester emigrierte. Von 1966 bis 1968 war er Lektor an der University of Manchester. 1967 heiratete er in England eine Bekannte aus Schulzeiten, Ute, und unterrichtete ein Jahr lang als Privatlehrer am Internat Institut auf dem Rosenberg in der Schweiz Deutsch und Englisch. 1969 reichte Sebald seine Magisterarbeit über Sternheim ein, 1973 promovierte er mit seiner Arbeit über Döblin. 1968 habilitierte sich Sebald an der Universität von Hamburg. Ab 1970 lehrte er an der University of East Anglia in Norwich, wo er ab 1988 als Professor für Neuere Deutsche Literatur angestellt war. 1976 bezog er mit seiner Frau und Tochter das ehemalige Pfarrhaus The Old Rectory in Poringland.

Sebald verstarb am 14. Dezember 2001. Infolge eines Herzinfarktes kollidierte sein Wagen mit einem auf der Gegenspur entgegenkommenden LKW. Er wurde auf dem St. Andrew’s Churchyard in Framingham Earl, Norfolk beigesetzt.

Neben seinen literaturwissenschaftlichen Werken, welche sich neben Franz Kafka häufig auf österreichische Literatur konzentrierten, wurden Sebalds literarische Werke mit unzähligen Preisen, auch postum, honoriert und die Relevanz seiner Themen machte die Übersetzungen seiner Prosa in verschiedene Sprachen zu einer Notwendigkeit. Mit dem vorsichtig und genau komponierten Gedicht Nach der Natur. Ein Elementargedicht (1988) machte Sebald sein Debüt, gefolgt von Schwindel. Gefühle (1990), Die Ausgewanderten. Vier lange Erzählungen (1992), Die Ringe des Saturn. Eine englische Wallfahrt (1995) und Austerlitz (2001).

Sebalds Themen, die bei Lesern generell und bei Literaturwissenschaftlern im speziellen enormen Anklang fanden, wurden von Michael Hutchins in seiner Arbeit Tikkun: W.G. Sebald’s Melancholy Messianism (2011) am treffendsten und verständlichsten zusammengefasst:

In their introduction to a 2006 volume of essays, Michael Niehaus and Claudia Öhlschläger identify seven general themes that play a role in Sebald’s work and ← 2 | 3 → that always return to the center of attention in Sebald scholarship. These are: travel, homeland, exile, intertextuality, imagery, history constructions, and memory. In his more recent review of current scholarship, Jonathan Long has adds to this list the following topics: critique (of Sebald’s scholarly work), the Holocaust, the ethics of representation, melancholy, Sebald’s reception, and lastly miscellany. Lynn Wolff adds to Long’s catalog trauma, nature, and „the tenuous border between fact and fiction“ (79). Of course, the inventory could expand indefinitely, since none of these lists include topics like sexuality and gender, or the role of animals in Sebald’s writing, which are only just now being explored. (5)

Die Herausarbeitungen und Analysen der verschiedenen Themen und Motive in der Sekundärliteratur über Sebalds Oeuvre beziehen sich primär auf Sebalds längere Werke, und häufig wird Nach der Natur zwar als Bestandteil seines literarischen Schaffens anerkannt, jedoch – vermutlich auf Grund der Gedichtform und der zugegebenermaßen komplexen Intertextualität des Gedichts – in der kritischen Öffentlichkeit weitgehend außer Acht gelassen. Einige Ausnahmen in der jüngsten Forschung stellen dabei Claudia Albes, Anja K. Maier, Sven Meyer, Colin O’Riordan und Greg Bond dar. Viele der Motive, wie z. B. Bildlichkeit, Intertextualität, Geschichtskonstruktion, Natur, Melancholie und Dokumentation versus Fiktion werden ebenfalls in Nach der Natur reflektiert.

Um sich ein geordnetes Bild von Nach der Natur zu machen, ist es zuerst unumgänglich, Sebalds Ästhetik und Schreibstil zu erläutern. Wie Wolff in ihren Diskursen (2014) bereits anmerkte, ist es häufig schwierig, in Sebalds Werken zwischen Dokumentation oder Intertextualität einerseits und Fiktion andererseits zu unterscheiden. Sebald gibt für diese Schreibweise eine ästhetische Begründung, wenn er während eines der letzten Interviews vor seinem Tod mit dem Spiegel anmerkt: „Ich glaube, dass gerade an der Nahtstelle zwischen Dokument und Fiktion literarisch die interessanten Dinge entstehen […]“ (2001). Dabei wird es dem Leser überlassen, die primär unmarkierten Nahtstellen selber zu identifizieren. Die Texte verlangen stets eine Mitarbeit des Lesers, der sich, ähnlich Bertolt Brechts Technik des epischen Theaters, nicht passiv zurücklehnen kann, sondern durch die Mitarbeit lernen soll. Immerhin war Sebald neben seinen Rollen als Autor und Literaturkritiker ebenfalls Lehrer. ← 3 | 4 →

Die verschwommene Dichotomie zwischen Autor und Erzähler spiegelt die scheinbar unidentifizierbare Trennung von Dokumentation und Fiktion ebenfalls wider. Dazu merkte Sebald im Kontext von Austerlitz 2001 selbst an:

SPIEGEL: Der Ich-Erzähler in Ihrem Buch, der als Gesprächspartner von Austerlitz auftaucht, trägt deutlich Ihre Züge. Stört es Sie, wenn man ihn mit Sebald gleichsetzt?

Sebald: Die bürgerliche Person ist etwas anderes als der Schriftsteller. Der Schriftsteller ist etwas anderes als der Erzähler. Und der Erzähler ist wiederum etwas anderes als die Figuren, die er beschreibt.

SPIEGEL: Aber die Lebensdaten und Details sind die Ihrer Biografie?

Details

Seiten
VI, 184
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783035307542
ISBN (ePUB)
9783035399509
ISBN (MOBI)
9783035399493
ISBN (Paperback)
9783034302920
DOI
10.3726/978-3-0353-0754-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Dezember)
Schlagworte
Thomas Becker gedicht Elementargedicht
Erschienen
Oxford, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Wien, 2015. VI, 184 S., 6 s/w Abb.

Biographische Angaben

Andrea Fieler (Autor:in)

Andrea Fieler emigrierte 2002 aus Deutschland in die USA. 2009 wurde sie an der University of Cincinnati promoviert. Sie lehrt derzeit als Dozentin an der Northern Kentucky University. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören W.G. Sebald, der Bildungsroman, deutscher Film und Reiseliteratur.

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Titel: W.G. Sebalds «Nach der Natur»
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