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Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals bei personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften – GmbH & KGaA

von Sebastian Heite (Autor:in)
©2016 Dissertation 206 Seiten

Zusammenfassung

Das Bezugsrecht der GmbH-Gesellschafter und der Kommanditaktionäre kann trotz der regelmäßig personalistischen Struktur der GmbH und der KGaA ausgeschlossen werden. Erfolgt der Bezugsrechtsausschluss im Rahmen einer genehmigten Kapitalerhöhung, steht er im Spannungsverhältnis zwischen dem gesteigerten Interesse der Bezugsrechtsinhaber an einem effektiven Schutz ihres Bezugsrechts einerseits und der beschleunigenden Wirkung des genehmigten Kapitals andererseits. Der Autor bietet zunächst eine übersichtliche Darstellung des Rechtsinstituts des genehmigten Kapitals und des Bezugsrechtsausschlusses. Daran anschließend stellt er die an einen zulässigen Bezugsrechtsausschluss zu stellenden Anforderungen systematisch für die unterschiedlichen Rechtsformen und Konstellationen auf.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Begrenzung Des Untersuchungsgegenstandes
  • I. Kapitalgesellschaften
  • II. Personalistische Struktur
  • 1. Kapitalistische und personalistische Kapitalgesellschaften als Gesellschaftstypen
  • 2. Typusmerkmale personalistischer Kapitalgesellschaften
  • a) Anzahl der Gesellschafter
  • b) Beziehung der Gesellschafter
  • c) Tätigkeit in der Gesellschaft
  • d) Beschränkte Möglichkeit der Anteilsübertragung
  • e) Kapitalisierung
  • f) Zusammenfassung
  • 3. Einfluss der typologischen Unterscheidung auf die Rechtsanwendung
  • III. Subsumtion und Zuordnung der Gesellschaftsformen
  • 1. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • a) Legislatorisches Leitbild
  • aa) Historisches Leitbild
  • bb) Gegenwärtiges Leitbild
  • b) Rechtstatsächliche Ausgestaltung
  • 2. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien
  • a) Legislatorisches Leitbild
  • b) Rechtstatsächliche Ausgestaltung
  • 3. Die Aktiengesellschaft
  • B. Grundlagen des genehmigten Kapitals und des Bezugsrechtsausschlusses
  • I. Genehmigtes Kapital
  • 1. Verfahren
  • a) Schaffung des genehmigten Kapitals
  • b) Ausnutzung des genehmigten Kapitals
  • c) Durchführung der Kapitalerhöhung
  • 2. Zweck
  • a) Ausgangspunkt: Satzungsanpassungsbefugnis
  • aa) Aktienrecht
  • bb) GmbH-Recht
  • (1) Ausschließliche Zuständigkeit der Gesellschafter
  • (2) Unanwendbarkeit des § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG
  • (3) Zuständigkeit der Geschäftsführung
  • (4) Form des Anpassungsbeschlusses
  • b) Schnelligkeit und Flexibilität
  • c) Kostenersparnis
  • II. Bezugsrechtsausschluss
  • 1. Bezugsrecht
  • 2. Bezugsrechtsausschluss
  • a) Direktausschluss
  • aa) Ausschlussentscheidung der Gesellschafter
  • (1) … in der Gründungssatzung
  • (2) … im Ermächtigungsbeschluss
  • (a) Formelle Voraussetzungen
  • (b) Materielle Voraussetzungen
  • bb) Ausübungsentscheidung der Geschäftsführung
  • b) Ausschlussermächtigung
  • aa) Erteilung der Ausschlussermächtigung
  • bb) Ausübung der Ausschlussermächtigung
  • C. Bezugsrechtsausschluss im GmbH-Recht
  • I. Bezugsrecht
  • 1. Ordentliche Kapitalerhöhung als Ausgangspunkt
  • a) Erfordernis eines Zulassungsbeschlusses
  • b) Gesetzliches Bezugsrecht analog § 186 Abs. 1 AktG
  • 2. Übertragbarkeit auf das genehmigte Kapital
  • a) Bei Annahme eines Zulassungsbeschlusserfordernisses
  • b) Bei Annahme eines gesetzlichen Bezugsrechts analog § 186 Abs. 1 AktG
  • II. Bezugsrechtsausschluss
  • 1. Direktausschluss
  • 2. Ausschlussermächtigung
  • III. Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss
  • 1. Direktausschluss in der Gründungssatzung
  • a) Ausschlussentscheidung
  • b) Ausübungsentscheidung
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • (1) Sachliche Rechtfertigung
  • (2) Kein vereinfachter Bezugsrechtsausschluss
  • (3) Berichterstattung
  • (a) Weisungsrecht im Rahmen des genehmigten Kapitals
  • (aa) Ablehnung eines Weisungsrechts
  • (bb) Differenzierung zwischen Untersagungsweisung und Durchführungsweisung
  • (cc) Stellungnahme
  • (b) Vorabberichterstattung
  • (aa) Vorabbericht erforderlich
  • (bb) Vorabbericht nicht erforderlich
  • (cc) Differenzierende Lösungswege
  • (dd) Stellungnahme
  • (4) Keine Beteiligung der Gesellschafter erforderlich
  • 2. Ausschlussermächtigung in der Gründungssatzung
  • a) Erteilung der Ausschlussermächtigung
  • b) Ausübung der Ausschlussermächtigung
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • (1) Grenzen der Ermächtigungen
  • (2) Sachliche Rechtfertigung
  • (3) Vorabberichterstattung
  • (4) Keine Beteiligung der Gesellschafter erforderlich
  • 3. Direktausschluss im Ermächtigungsbeschluss
  • a) Ausschlussentscheidung
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • b) Ausübungsentscheidung
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • (1) Sachliche Rechtfertigung
  • (2) Vorabberichterstattung
  • (3) Keine Beteiligung der Gesellschafter erforderlich
  • 4. Ausschlussermächtigung außerhalb der Gründungssatzung
  • a) Erteilung der Ausschlussermächtigung
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • b) Ausübung der Ausschlussermächtigung
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • (1) Grenzen der Ermächtigung
  • (2) Sachliche Rechtfertigung
  • (3) Vorabberichterstattung
  • (4) Keine Beteiligung der Gesellschafter erforderlich
  • 5. Einheitliche Anwendung auf alle Gesellschaftstypen
  • D. Bezugsrechtsausschluss im KGaA-Recht
  • I. Bezugsrecht
  • II. Bezugsrechtsausschluss
  • III. Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss
  • 1. Regelung in der Gründungssatzung
  • a) Gründungssatzung
  • b) Komplementärbeschluss
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • (1) Sachliche Rechtfertigung
  • (2) Vereinfachter Bezugsrechtsausschluss
  • (3) Keine Vorabberichterstattungspflicht
  • 2. Regelung in satzungsänderndem Ermächtigungsbeschluss
  • a) Hauptversammlungsbeschluss
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • b) Komplementärbeschluss
  • aa) Formelle Anforderungen
  • bb) Materielle Anforderungen
  • 3. Einheitliche Anwendung auf alle Gesellschaftstypen
  • E. Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

Die personalistische Ausgestaltung von Kapitalgesellschaften ist gesetzgeberisch anerkannt und rechtstatsächlich vielfach umgesetzt. Sie führt aufgrund der sich bereits in den Begriffen personalistisch und Kapitalgesellschaft widerspiegelnden Gegensätze jedoch zu zahlreichen Schwierigkeiten bei Rechtsauslegung und -anwendung. Diese Schwierigkeiten treten insbesondere dann auf, wenn klassische Elemente der Kapitalgesellschaften berührt sind. Zu diesen klassischen Elementen gehört unter anderem die Kapitalerhöhung, die in Gestalt des genehmigten Kapitals Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist.

Das Rechtsinstitut des genehmigten Kapitals wurde bereits 1937 in das Aktienrecht eingeführt. Eine Übernahme in das GmbHG erfolgte dagegen erst im Jahre 2008 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG). Die dem genehmigten Kapital bis zu dessen Einführung in das GmbH-Recht entgegengebrachte ablehnende Haltung, die späte Einführung im Gesetzgebungsverfahren sowie das bis heute bestrittene Bedürfnis nach einem genehmigten Kapital im GmbH-Recht zeigen, dass das Rechtsinstitut des genehmigten Kapitals nicht bedenkenlos in das Recht der personalistisch strukturierten Gesellschaft mit beschränkter Haftung passt.

Die zeitliche Verzögerung, mit der das genehmigte Kapital nach seiner Einführung in das Aktienrecht auch in das GmbH-Recht aufgenommen wurde, wirft nahezu zwangsläufig die Frage auf, inwieweit sich die in über 70 Jahren in Literatur und Rechtsprechung gewonnenen Erkenntnisse zum Aktienrecht auf das GmbH-Recht übertragen lassen. Diese Frage ist jedoch nur unter Berücksichtigung der von der Aktiengesellschaft abweichenden personalistischen Struktur der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu beantworten. Ist die Frage der Übertragbarkeit aktienrechtlicher Beurteilungen auf das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung beantwortet, liegt die Folgefrage der Behandlung der ebenfalls personalistisch strukturierten Kommanditgesellschaft auf Aktien nahe.

Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist die Beantwortung der Frage, inwiefern das aktienrechtliche Konzept zum Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. die Kommanditgesellschaft auf Aktien übertragen werden kann. Insoweit eine Übertragung ausscheidet, soll ein schlüssiges Konzept dazu entworfen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. der Kommanditgesellschaft auf Aktien ein Ausschluss des Bezugsrechts im Rahmen des genehmigten Kapitals möglich ist. ← 13 | 14 →

Um einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals bei personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften den Weg zu bereiten, erfolgt zunächst die Darstellung einiger Grundlagen. Dazu werden die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie die Kommanditgesellschaft auf Aktien als personalistisch strukturierte Kapitalgesellschaft eingeordnet. Der Begriff der personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft als Typusbegriff erfordert dabei eine Auseinandersetzung mit der Typuslehre, die insbesondere in Österreich und der Schweiz Gegenstand zahlreicher Schriften ist, in der deutschen Rechtsliteratur bisweilen jedoch wenig Aufmerksamkeit erhalten hat.

Im Anschluss erfolgt eine Einführung in das Rechtsinstitut des genehmigten Kapitals sowie den Bezugsrechtsausschluss. Die Darstellung des genehmigten Kapitals konzentriert sich dabei neben dessen Verfahren insbesondere auf dessen Zweck, da die vom genehmigten Kapital beabsichtigte Wirkung der Beschleunigung und Flexibilisierung der Kapitalerhöhung im Laufe der vorliegenden Arbeit stets aufzugreifen sein wird. Die Darstellung der Grundlagen des Bezugsrechtsausschlusses im Rahmen des genehmigten Kapitals erfolgt insbesondere, um die verschiedenen Zeitpunkte, in denen Maßnahmen zum Bezugsrechtsausschluss eingeleitet und durchgeführt werden können, sowie die daraus erwachsenden Konstellationen voneinander abzugrenzen.

Die Ausführungen zum GmbH-Recht beginnen mit einer ausführlichen Begründung der Existenz eines Bezugsrechts der GmbH-Gesellschafter. Schließlich ist im Gegensatz zum Aktienrecht weder das Bezugsrecht selbst noch dessen Ausschluss im GmbH-Recht geregelt. Im Anschluss an die grundsätzliche Anerkennung eines Bezugsrechts sowie eines Bezugsrechtsausschlusses im GmbH-Recht werden die für einen wirksamen Bezugsrechtsausschluss erforderlichen Anforderungen systematisch dargestellt. Diese Darstellung erfolgt separat für jede denkbare Konstellation, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschafter ihr Bezugsrecht ausschließen bzw. die Geschäftsführung zum Bezugsrechtsausschluss ermächtigen.

Abschließend werden die Existenz des Bezugsrechts sowie des Bezugsrechtsausschlusses auch im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien begründet. Wie zuvor für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung erfolgt auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien eine systematische Darstellung der für den wirksamen Bezugsrechtsausschluss erforderlichen Voraussetzungen.

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A.    Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist der Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals bei personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften. Dazu ist nachfolgend zunächst die Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes in subjektiver Hinsicht auf personalistisch strukturierte Kapitalgesellschaften erforderlich. Nach einer abstrakten Analyse der Begriffe Kapitalgesellschaften und personalistische Struktur werden die einschlägigen Gesellschaftsformen dem Typus der personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft zugeordnet und auf diesem Wege von der kapitalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft abgegrenzt.

Eine sorgsame Darstellung dieser Grundlagen ist nicht nur zum Zweck der Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes erforderlich, sondern auch weil auf die strukturellen Unterschiede der Gesellschaftsformen in der weiteren Arbeit regelmäßig Bezug zu nehmen sein wird. Die Einordnung der Gesellschaften als personalistisch bzw. kapitalistisch ist für die Frage des anwendbaren Rechts im Falle gesetzlicher Regelungslücken sowie dessen Auslegung von grundsätzlicher Bedeutung1 und kann im Falle des Bezugsrechtsausschlusses im Rahmen des genehmigten Kapitals ganz konkret der Entwicklung weiterer Lösungsmöglichkeiten dienen.

Die Klassifizierung der einschlägigen Kapitalgesellschaften als personalistisch strukturierte Kapitalgesellschaften erfordert ein zweistufiges vorgehen. In einem ersten Schritt ist die Einordnung als Kapitalgesellschaft erforderlich. Dabei erfolgt eine Abgrenzung zu Personengesellschaften.2 In einem zweiten Schritt sind die Kapitalgesellschaften näher zu differenzieren. Dazu erfolgt eine Unterscheidung von personalistisch und kapitalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften.3 ← 15 | 16 →

Der Klarstellung halber sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Klassifizierung der Gesellschaftsformen als Kapitalgesellschaften im Folgenden nach der gesetzlich beabsichtigten Idealstruktur erfolgt.4 Im Rahmen der Zuordnung als personalistisch bzw. kapitalistisch ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um Typusbegriffe handelt, die einen bestimmten Typ real ausgestalteter Gesellschaften umschreiben. Insofern ist dabei vorwiegend die Realstruktur der Gesellschaften maßgeblich.5

I.    Kapitalgesellschaften

Eine gesetzliche Definition des Begriffs Kapitalgesellschaften findet sich sowohl im Handelsgesetzbuch als auch im Umwandlungsgesetz. Die Überschrift des zweiten Abschnitts des dritten Buches des Handelsgesetzbuches lautet:

Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften (§§ 264 – 335b)

§ 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG definiert die Kapitalgesellschaften ebenfalls mittels Aufzählung:

Kapitalgesellschaften (Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien)

Daraus ergibt sich, dass die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Kapitalgesellschaften sind. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die Societas Europaea (die europäische Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft) und die Unternehmergesellschaft (als Rechtsformvariante der Gesellschaft mit beschränkter Haftung) Kapitalgesellschaften darstellen.6 ← 16 | 17 →

Den Kapitalgesellschaften stehen einerseits die Personengesellschaften7 sowie andererseits die Vereine, Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit gegenüber.8 Diese Einteilung erfolgt auf Grundlage der gesetzgeberisch festgelegten Idealstruktur, von der die tatsächliche Realstruktur abweichen kann.9 Die in der Rechtswirklichkeit nicht selten vorkommende personalistische Ausgestaltung von Kapitalgesellschaften hat zu sog. personalistischen Kapitalgesellschaften geführt. Umgekehrt werden Personengesellschaften kapitalistisch ausgestaltet. In diesem Zusammenhang ist dann von kapitalistischen oder körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften die Rede.10 Dies zeigt, dass die Grenzen zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften in der Rechtswirklichkeit zunehmend verschwimmen und sich eine eindeutige Zuordnung jedenfalls auf Grundlage mitgliedschaftlicher Merkmale als schwierig erweist.11 Folglich lässt sich feststellen, dass zwischen Gesellschaftstyp und Gesellschaftsform eine dahingehende Wechselwirkung besteht, dass sich durch eine für die jeweilige Rechtsform atypische Ausgestaltung der Struktur die Unterschiede zwischen Kapital- und Personengesellschaften relativieren lassen.12

Kennzeichen der Kapitalgesellschaften ist die gesetzliche Verpflichtung, ein Mindestmaß an Kapital aufzubringen.13 Die Kapitalbeteiligung steht im Vordergrund und lässt die Individualität der Gesellschafter in den Hintergrund ← 17 | 18 → rücken.14 Daraus folgt eine „kapitalistische Prägung der Mitgliedschaft“15. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Anteil an der Gesellschaft als ein Bruchteil des Garantiekapitals verstanden wird (vgl. § 1 Abs. 2 AktG; §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 14 GmbHG) und sich sowohl das Stimmrecht (§ 134 Abs. 1 AktG; § 47 Abs. 2 GmbHG) als auch der Gewinnanteil (§ 60 Abs. 1 AktG; § 29 Abs. 3 GmbHG) nach der Höhe der Kapitalbeteiligung richten.16 Die Existenz eines Garantiekapitals ist mithin konstituierendes Merkmal der Kapitalgesellschaften.17

Die persönliche Haftung der Gesellschafter stellt dagegen kein taugliches Merkmal zur Abgrenzung von Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft dar. Nicht selten wird die Existenz einer persönlichen Haftung bei Personengesellschaften und deren Fehlen bei Kapitalgesellschaften18 zu jeweiligen Charakteristika erklärt.19 Dabei wird jedoch übersehen, dass die Kommanditgesellschaft auf Aktien trotz einhelliger Zuordnung zu den Kapitalgesellschaften zwingend mindestens einen unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) haben muss (§ 278 Abs. 1 AktG).20 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Existenz persönlich haftender Gesellschafter weder eine Klassifizierung als Personengesellschaft begründen, noch eine Klassifizierung als Kapitalgesellschaft ausschließen kann.

Eine vom Recht der Aktiengesellschaft bzw. dem der Gesellschaft mit beschränkter Haftung abweichende Regelung im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien führt dazu, dass auch das Merkmal der Selbst- bzw. Fremd-/Drittorganschaft kein hinreichendes Kriterium für eine Unterscheidung ist.21 Diese Prinzipien befassen sich mit der gesetzlichen Bindung der Organfunktionen an die Mitgliedschaft.22 Beispielsweise stehen die organschaftlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ipso iure den Gesellschaftern zu, vgl. §§ 709 ff. BGB. Dagegen gestattet § 6 Abs. 3 S. 1 ← 18 | 19 → GmbHG einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausdrücklich, dass sowohl Gesellschafter als auch Dritte zu Geschäftsführern bestellt werden können, es aber auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer eines Bestellungsaktes bedarf. Dies wird dahingehend ausgeweitet, dass das Prinzip der Selbstorganschaft für Personengesellschaften und das Prinzip der Fremd-/Drittorganschaft für Kapitalgesellschaften charakteristisch sei23 (insoweit auf Aktiengesellschaft und offene Handelsgesellschaft zurecht). Ein dahingehender Gleichlauf wird jedoch von der Kommanditgesellschaft auf Aktien durchbrochen. Gemäß § 278 Abs. 2 AktG i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 114, 125, 164, 170 HGB sind ausschließlich und kraft Gesetzes die Komplementäre die Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane der Kommanditgesellschaft auf Aktien,24 sodass – obwohl Kapitalgesellschaft – dieser Gesellschaftsform das Prinzip der Selbstorganschaft zugrunde liegt.25

Wie bereits einleitend auf Grundlage der Legaldefinitionen festgestellt, handelt es sich bei den Gesellschaftsformen Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Kommanditgesellschaft auf Aktien um Kapitalgesellschaften. Dieses Ergebnis lässt sich inhaltlich insbesondere mit dem gemeinsamen Erfordernis eines Garantiekapitals begründen. Soweit zur Begründung der Klassifizierung jedoch auf das Merkmal der kapitalistisch geprägten Mitgliedschaft abgestellt wird, ist Vorsicht geboten. Dieses Merkmal trifft zwar auf Gesellschaften zu, die dem Idealtyp entsprechend ausgestaltet sind, jedoch nicht auf solche, die eine davon abweichende reale Ausgestaltung erfahren haben. Eine Klassifizierung anhand der persönlichen Haftung oder den Prinzipien der Selbst- bzw. Fremd-/Drittorganschaft ist schlicht falsch.

II.    Personalistische Struktur

Im Rahmen der Gestaltungsspielräume, die insbesondere im GmbH-Recht weitreichend gegeben sind, werden kapitalbezogene Elemente häufig durch personenbezogene Regelungen ersetzt bzw. von solchen ergänzt.26 Durch die daraus resultierende große Bandbreite real ausgestalteter Gesellschaften ist das Bedürfnis nach einer weiteren Einteilung der Kapitalgesellschaften, die heute weitestgehend übereinstimmend ihrer Struktur nach in kapitalistische und personalistische ← 19 | 20 → Gesellschaften eingeordnet werden, gewachsen.27 Diese Einteilung erfolgt – anders als die Klassifizierung als Personen- bzw. Kapitalgesellschaft – nicht anhand der Idealstruktur, sondern auf Grundlage der Realstruktur, sprich der konkreten tatsächlichen Ausgestaltung der Gesellschaft.28 Bereits an dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass ähnlich der Grenze zwischen Kapital- und Personengesellschaften auch die Grenze zwischen kapitalistischer und personalistischer Gesellschaften zunehmend aufweicht und häufig fließende Übergänge bestehen.29 Dies liegt vor allem an der Eigenschaft dieser Begriffe als Typusbegriffe30, die eine Zuordnung lediglich in mehr oder weniger hohem Maße zulassen.31

Die Umschreibung des Typusbegriffs der personalistischen Kapitalgesellschaft ist erforderlich, um die an den Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals zu stellenden Anforderungen mit Blick auf eben diesen Typus und mithin die typische Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. die typische Kommanditgesellschaft auf Aktien angemessen und interessengerecht aufzustellen.

1.    Kapitalistische und personalistische Kapitalgesellschaften als Gesellschaftstypen

Details

Seiten
206
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783631697627
ISBN (ePUB)
9783631697634
ISBN (MOBI)
9783631697641
ISBN (Paperback)
9783631697610
DOI
10.3726/978-3-631-69762-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (September)
Schlagworte
Typuslehre Kapitalerhöhung Gründungssatzung Ermächtigungsbeschluss Direktausschluss Ausschlussermächtigung
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2016. 206 S.

Biographische Angaben

Sebastian Heite (Autor:in)

Sebastian Heite studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Unternehmensrecht an der Universität zu Köln. Er war zudem als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer internationalen Wirtschaftskanzlei tätig.

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