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Geschäftsleiterpflichten und -haftung in der Insolvenz im deutschen und spanischen Recht

von Sven Hendrik Haumesser (Autor:in)
©2016 Dissertation 356 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor beschäftigt sich rechtsvergleichend mit den Pflichten und der Haftung der Geschäftsleiter in Krisensituationen in Deutschland und in Spanien. Dabei nimmt er eine Einteilung in drei unterschiedliche Krisenstadien vor, anhand derer der Rechtsvergleich erfolgt: das Stadium vor Insolvenzreife, das Stadium ab Eintritt eines Insolvenzgrundes und die Verletzung der Insolvenz- bzw. Konkursantragspflicht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung des dritten Krisenabschnittes und der Insolvenzverschleppungshaftung. Hier arbeitet der Autor insbesondere die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Haftungsfolgen heraus, auch bezüglich der zur Verschleppungshaftung entwickelten Gegenvorschläge des deutschen Rechts, und unterbreitet einen Regelungsvorschlag für das deutsche Recht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • I. Einführung
  • 1. Die Problemstellung: Geschäftsleiterpflichten und effektiver Gläubigerschutz in der Insolvenz
  • 2. Themenbegrenzung
  • 3. Methodik und Gang der Untersuchung
  • II. Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz vor Eintritt der Insolvenzreife
  • 1. Das Regelungsproblem
  • 2. Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz vor Eintritt der Insolvenzreife im deutschen Recht
  • a. Die Pflicht zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung (§§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG)
  • aa. Normzweck
  • bb. Adressatenkreis
  • cc. Materielle Voraussetzung: Der hälftige Kapitalverlust
  • (1) Bewertung des Vermögens
  • (2) Zeitpunkt der Verlustfeststellung
  • (3) Relevanz des Jahresfehlbetrages?
  • dd. Frist und Form der Einberufung
  • ee. Ausnahmen
  • ff. Rechtsfolgen der Verletzung der Einberufungspflicht
  • gg. Kritik des Schrifttums
  • b. Die Insolvenzverursachungsverbote (§§ 92 Abs. 2 S. 3 AktG, 64 S. 3 GmbHG)
  • aa. Normzweck
  • bb. Gesellschafts- oder insolvenzrechtlicher Charakter?
  • cc. Tatbestandliche Voraussetzungen
  • (1) Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit
  • (2) Normadressaten
  • (3) Der Zahlungsbegriff
  • (4) Zahlungsempfänger
  • (5) Kausalzusammenhang zur Zahlungsunfähigkeit
  • (6) Verschuldenserfordernis und Ausnahmetatbestand
  • dd. Beweislast
  • ee. Rechtsfolgen
  • ff. Kritik des Schrifttums
  • c. Zwischenergebnis
  • 3. Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz vor Eintritt der Insolvenzreife im spanischen Recht
  • a. Die Pflicht zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung nach Arts. 363 Abs. 1 Nr. e), 365 LSC
  • aa. Hälftiger Kapitalverlust als gesetzlicher Auflösungsgrund (Art. 363 Abs. 1 Nr. e) LSC)
  • (1) Sachliche Voraussetzung: Absinken des Reinvermögens unter den hälftigen Betrag des Grundkapitals
  • (a) Der Begriff des Reinvermögens
  • (b) Bewertung des Vermögens und Behandlung von Rücklagen
  • (c) Besonderheiten bei der Verlustbestimmung
  • (2) Rechtsfolge
  • (3) Vermeidung der Auflösung durch Anpassung des Grundkapitals
  • (4) Der Zusammenhang zwischen Auflösungsgrund und Stellung des Konkursantrages
  • (a) Das Verhältnis von Auflösungsgrund und Zahlungsunfähigkeit
  • (b) Das Verhältnis von Auflösungsgrund und drohender Zahlungsunfähigkeit
  • bb. Die Einberufungspflicht (Art. 365 Abs. 1 LSC)
  • (1) Norminhalt
  • (a) Fristbeginn
  • (b) Weitere formale Anforderungen
  • (2) Das Verhältnis von Einberufungspflicht und Konkursantrag
  • (a) Hälftiger Kapitalverlust ohne gleichzeitige Insolvenz
  • (b) Zusammentreffen von hälftigem Kapitalverlust und Insolvenz
  • (aa) Zusammentreffen von hälftigem Kapitalverlust und Zahlungsunfähigkeit
  • (bb) Zusammentreffen von hälftigem Kapitalverlust und drohender Zahlungsunfähigkeit
  • (c) Zuständigkeit/Verfahren zur Stellung des Konkursantrages und Frist
  • (aa) Vorherige Einberufung der Versammlung und Frist bei Zusammentreffen von hälftigem Kapitalverlust und Zahlungsunfähigkeit
  • (bb) Vorherige Einberufung der Versammlung und Frist bei Zusammentreffen von hälftigem Kapitalverlust und drohender Zahlungsunfähigkeit
  • (d) Zusammenfassung
  • cc. Regelung im Gesetzentwurf für das Handelsgesetzbuch
  • b. Die Pflicht zur Beantragung der gerichtlichen Auflösung nach Art. 366 Abs. 2 LSC
  • aa. Normzweck
  • bb. Materielle Voraussetzung und formale Anforderungen
  • cc. Erlöschen der Pflicht und Verhältnis zum Konkursantrag
  • dd. Regelung im Gesetzentwurf für das Handelsgesetzbuch
  • c. Die Haftung bei Nichterfüllung der Pflichten nach Art. 367 LSC
  • aa. Normzweck
  • bb. Rechtsnatur
  • cc. Tatbestandliche Voraussetzungen
  • dd. Ungeschriebene Voraussetzungen
  • (1) Erfordernis des Kausalzusammenhangs ?
  • (2) Verschuldens- bzw. Zurechnungserfordernis ?
  • ee. Rechtsfolge
  • (1) Art. 262 Abs. 5 LSA/Art. 105 Abs. 5 LSRL (bis einschließlich 15. November 2005)
  • (2) Art. 262 Abs. 5 LSA/Art. 105 Abs. 5 LSRL ( ab 16. November 2005) und Art. 367 Abs. 1 LSC
  • (a) Ersatz eines Schadens?
  • (b) Bestimmung des Haftungsumfangs und Rechtfertigung der Beschränkung
  • ff. Haftende Personen
  • gg. Gesamtschuldcharakter der Haftung
  • (1) Das Außenverhältnis
  • (2) Das Innenverhältnis
  • (3) Der Rückgriffsanspruch des Verwalters im Konkursverfahren
  • hh. Anspruchsberechtigte
  • ii. Beweislast und Verjährung
  • jj. Die Haftung bei verspäteter Pflichterfüllung
  • kk. Kritik des Schrifttums
  • ll. Regelung im Gesetzentwurf für das Handelsgesetzbuch
  • d. Insolvenzverursachungshaftung im spanischen Recht?
  • e. Zwischenergebnis
  • 4. Rechtsvergleichende Betrachtung
  • a. Die Pflicht zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung bei Eintritt des schweren Verlustes
  • aa. Zweck und Konstruktion der Einberufungspflicht
  • bb. Voraussetzungen der Einberufung
  • cc. Einberufungsfrist und -modalitäten
  • dd. Haftende Geschäftsleiter
  • ee. Das Verhältnis von Einberufungspflicht und Insolvenz- bzw. Konkursantrag
  • ff. Die Konsequenzen der unterlassenen Einberufung
  • gg. Stellungnahme
  • b. Weitere Regelungen
  • aa. Die Pflicht zur Beantragung der gesetzlichen Auflösung
  • bb. Die Regel „Rekapitalisiere oder liquidiere“
  • (1) Regelung in den Rechtsordnungen
  • (2) Stellungnahme
  • cc. Insolvenzverursachungshaftung
  • (1) Regelung in den Rechtsordnungen
  • (2) Stellungnahme
  • c. Abschließende Bewertung für das Krisenstadium vor Eintritt der Insolvenzreife
  • III. Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz ab Eintritt eines Insolvenzgrundes
  • 1. Das Regelungsproblem
  • 2. Pflichten der Geschäftsleiter und Gläubigerschutz ab Eintritt eines Insolvenzgrundes im deutschen Recht
  • a. Die Insolvenzgründe im deutschen Recht
  • aa. Der Insolvenzgrund der Überschuldung
  • bb. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit
  • cc. Die drohende Zahlungsunfähigkeit
  • b. Die Zahlungsverbote nach §§ 92 Abs. 2 S. 1 AktG, 64 S. 1 GmbHG
  • aa. Normzweck
  • bb. Zeitlicher und persönlicher Anwendungsbereich
  • cc. Tatbestandliche Voraussetzungen
  • (1) Der Zahlungsbegriff
  • (2) Verschulden
  • dd. Ausnahmetatbestand
  • ee. Rechtsfolge: Die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft
  • (1) Rechtsnatur des Anspruches
  • (2) Anspruchsinhalt
  • (3) Geltendmachung des Anspruches
  • (4) Beweislast und Verjährung
  • ff. Kritik des Schrifttums
  • c. Zwischenergebnis
  • 3. Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz ab Eintreten eines Insolvenzgrundes im spanischen Recht
  • a. Insolvenzgründe
  • aa. Zahlungsunfähigkeit
  • bb. Drohende Zahlungsunfähigkeit
  • b. Handlungspflichten und Haftung
  • c. Zwischenergebnis
  • 4. Rechtsvergleichende Betrachtung
  • a. Insolvenzgründe und Geschäftsleiterpflichten
  • b. Stellungnahme
  • IV. Die Insolvenz- bzw. Konkursantragspflicht und die Folgen ihrer Nichtbeachtung
  • 1. Das Regelungsproblem
  • 2. Die Insolvenzantragspflicht und die Folgen ihrer Nichtbeachtung im deutschen Recht
  • a. Die Pflicht zur Stellung des Eröffnungsantrages nach § 15a InsO
  • aa. Zweck und Rechtfertigung
  • bb. Adressatenkreis
  • cc. Sachliche Voraussetzung
  • dd. Antragsfrist und Fristbeginn
  • b. Verschleppungshaftung nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 S. 1 AktG
  • c. Verschleppungshaftung gegenüber den Gläubigern (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO)
  • aa. Tatbestandliche Voraussetzungen der Haftung
  • (1) Verletzung des Schutzgesetzes § 15a InsO
  • (2) Weitere Haftungsvoraussetzungen
  • bb. Rechtsfolgen und Unterscheidung in Alt- und Neugläubiger
  • (1) Der Anspruch der Altgläubiger
  • (a) Der Quotenschaden: Inhalt und Berechnung
  • (b) Geltendmachung und Verjährung
  • (2) Der Anspruch der Neugläubiger
  • (a) Schadensinhalt
  • (b) Die gesetzlichen Neugläubiger
  • (c) Geltendmachung und Verjährung
  • (d) Quotenschaden der Neugläubiger?
  • (e) Schutz der Neugesellschafter?
  • cc. Das Verhältnis von Zahlungsverbot und Verschleppungshaftung
  • dd. Kritik
  • (1) Die Kritik von K. Schmidt
  • (2) Die Kritik von Altmeppen/Wilhelm
  • e. Die Konzeption eines Gesamtgläubigerschadens nach K. Schmidt
  • aa. Die Schutzgesetzeigenschaft des § 15a InsO
  • bb. Die Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs des 15a InsO
  • cc. Der einheitliche Quotenschaden aller Insolvenzgläubiger (Gesamtgläubigerschaden)
  • dd. Der individuelle Neugläubigerschaden
  • ee. Die Geltendmachung des Gesamtgläubigerschadens und des Individualschadens
  • ff. Kritik
  • gg. Der Ansatz von C. Poertzgen
  • f. Die Konzeption eines Verlustausgleichsanspruchs nach Altmeppen/Wilhelm
  • aa. Der Verlustausgleichsanspruch auf Grundlage des Zahlungsverbots
  • bb. Der Ersatz des negativen Interesses der Neugläubiger
  • cc. Kritik
  • dd. Ähnliche Lösungsansätze
  • g. Weitere zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen
  • h. Weitere Maßnahmen
  • aa. Die Vorschusspflicht nach § 26 Abs. 4 InsO
  • bb. Das Soll-Eigenkapital bzw. Insolvenzeröffnungskapital
  • cc. Geschäftsleiterdisqualifikation
  • i. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
  • j. Der Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit
  • k. Zwischenergebnis
  • 3. Die Konkursantragspflicht und die Folgen ihrer Nichtbeachtung im spanischen Recht
  • a. Die Pflicht zur Stellung des Konkursantrages nach Art. 5 LC
  • aa. Normzweck
  • bb. Erfasster Personenkreis
  • cc. Sachliche Voraussetzung
  • dd. Frist und Fristbeginn
  • b. Haftung wegen Verletzung der Konkursantragspflicht nach Art. 367 LSC
  • aa. Voraussetzungen
  • bb. Rechtsfolge
  • cc. Regelung im Gesetzentwurf für das Handelsgesetzbuch
  • c. Haftung wegen Verletzung der Konkursantragspflicht nach Art. 172bis LC
  • aa. Die Qualifizierungsphase und das Qualifizierungsurteil
  • (1) Zweck der Qualifizierungsphase
  • (2) Verfahren
  • bb. Rechtsnatur der Haftung
  • cc. Voraussetzungen der Haftung nach Art. 172bis LC
  • (1) Qualifizierung des Konkurses als schuldhaft und Liquidation (materielles Element)
  • (a) Qualifizierung des Konkurses als schuldhaft und Verletzung der Konkursantragspflicht
  • (aa) Handlung oder Unterlassung
  • (bb) Verursachung oder Vertiefung der Insolvenz
  • (cc) Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
  • (dd) Kausalzusammenhang
  • (b) Eröffnung der Liquidationsphase
  • (2) Insuffizienz der Masse (quantitatives Element)
  • (3) Haftende Personen (subjektives Element)
  • dd. Rechtsfolge: Verurteilung zum Ausgleich des Massedefizits
  • (1) Die Bedeutung der Formulierung „kann“
  • (2) Die Neuerungen durch das Gesetz 38/2011
  • (3) Berechnung des zu ersetzenden Haftungsbetrages bei Verletzung der Konkursantragspflicht
  • (4) Die Haftung mehrerer Verwalter
  • ee. Geltendmachung, Beweislast und Verjährung
  • ff. Sicherstellung der Effektivität der Haftung durch Art. 48ter LC
  • gg. Kritik
  • hh. Das Verhältnis von Art. 172bis LC zur allgemeinen Organhaftung
  • (1) Gesellschaftsrechtliche Haftungsklage
  • (a) Regelung in Art. 48 Abs. 2 LC a. F.
  • (b) Regelung in Arts. 48quáter, 51 Abs. 1 LC
  • (c) Bewertung der Konkurrenzproblematik durch das Schrifttum
  • (2) Individualhaftungsklage
  • (a) Der direkte Schaden bei Verletzung der Konkursantragspflicht
  • (b) Zulässigkeit der Klage während des Konkursverfahrens?
  • ii. Das Verhältnis von Art. 172bis LC zu Art. 367 LSC
  • (1) Problemstellung
  • (2) Vor der Reform der LC durch das Gesetz 38/2011
  • (3) Nach der Reform: Regelung in Arts. 50 Abs. 2, 51bis Abs. 1 LC
  • d. Haftung wegen Verletzung der Konkursantragspflicht nach Art. 172 Abs. 2 Nr. 3 LC?
  • aa. Voraussetzungen des Art. 172 Abs. 2 Nr. 3 LC
  • bb. Rechtsfolge und Verhältnis zu Art. 172bis LC
  • e. Weitere Sanktionsmechanismen
  • aa. Masselose Insolvenzen
  • bb. Verwalterdisqualifikation
  • cc. Verlust aller Rechte als Konkurs- oder Massegläubiger
  • f. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
  • g. Zwischenergebnis
  • 4. Rechtsvergleichende Betrachtung
  • a. Die Pflicht zur Stellung des Insolvenz- bzw. Konkursantrages
  • aa. Die sachlichen Voraussetzungen
  • bb. Antragsfrist und Fristbeginn
  • cc. Der erfasste Personenkreis
  • dd. Stellungnahme
  • b. Die Haftungsfolgen der Insolvenzverschleppung
  • aa. Die Haftung gegenüber der Gesellschaft
  • bb. Die Haftung gegenüber den Gläubigern
  • (1) Dogmatische Konstruktion und Rechtsnatur
  • (2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen
  • (3) Die Rechtsfolgen und der Haftungsumfang
  • (4) Geltendmachung und Verjährung
  • (5) Koordinationsprobleme
  • (6) Stellungnahme
  • (7) Die Gegenvorschläge des deutschen Rechts
  • (a) Inhalt und dogmatische Begründung
  • (b) Stellungnahme
  • (aa) Der Vorschlag von K. Schmidt
  • (bb) Der Vorschlag von Altmeppen/Wilhelm
  • (cc) Kongruenz der Gegenvorschläge hinsichtlich der Schadensberechnung
  • (dd) Ersatz des Verschleppungsgesamtschadens nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG?
  • (c) Bezugspunkte der Alternativkonzepte des deutschen Rechts zu Art. 172bis LC?
  • c. Weitere Sanktionen
  • aa. Inhalte der Regelungen
  • bb. Stellungnahme
  • d. Strafrechtliche Verantwortlichkeit
  • e. Abschließende Bewertung für das dritte Krisenstadium
  • 5. Rechtspolitische Überlegungen für die Verschleppungshaftung nach deutschem Recht
  • a. Kriterien für einen neu gefassten Haftungstatbestand
  • b. Innen- oder Außenhaftungstatbestand?
  • c. Regelungsstandort des Haftungstatbestandes
  • d. Berechnung des Schadensersatzes
  • V. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Verzeichnis der Normen des spanischen Rechts
  • Literaturverzeichnis zum deutschen Recht
  • Literaturverzeichnis zum spanischen Recht

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Abkürzungsverzeichnis

AAPAuto de la Audiencia Provincial (Beschluss der Audiencia Provincial)
ADCoAnuario de Derecho Concursal (spanische Zeitschrift)
AJAActualidad Jurídica Aranzadi (spanische Zeitschrift)
APAudiencia Provincial (entspricht etwa dem deutschen Landgericht)
BOEBoletín Oficial del Estado (offizielles spanisches Gesetzblatt)
CcCódigo Civil (Spanisches Zivilgesetzbuch)
CcomCódigo de Comercio (Spanisches Handelsgesetzbuch)
CEConstitución Española (Spanische Verfassung)
CCJCCuadernos Civitas de Jurisprudencia Civil (spanische Zeitschrift)
CPCódigo Penal (Spanisches Strafgesetzbuch)
D. F.Disposición Final (Schlussbestimmung)
DSRDireito das Sociedades em Revista (portugiesische Zeitschrift)
EdDEstudios de Deusto (spanische Zeitschrift)
ESUGGesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. 12. 2011 (BGBl. I S. 2582)
InDretRevista para el Análisis del Derecho (spanische Zeitschrift)
JMJuzgado de lo Mercantil (Handelsgericht)
LCLey Concursal (Spanisches Konkursgesetz)
LHLibro Homenaje (Festschrift)
LMVLey del Mercado de Valores (Spanisches Gesetz über den Wertpapiermarkt)
LSALey de Sociedades Anónimas (Spanisches Gesetz über die Aktiengesellschaften)
LSCLey de Sociedades de Capital (Spanisches Gesetz über die Kapitalgesellschaften)
LSRLLey de Sociedades de Responsabilidad Limitada (Spanisches Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
MoMiGGesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10. 2008 (BGBl. I S. 2026)
RCPRevista de Derecho Concursal y Paraconcursal (spanische Zeitschrift)
RDMRevista de Derecho Mercantil (spanische Zeitschrift)
RdSRevista de Derecho de Sociedades (spanische Zeitschrift)
RDLReal Decreto-ley (Königliches Gesetzesdekret)
RJCatRevista Jurídica de Catalunya (spanische Zeitschrift) ← 19 | 20 →
ROJRepertitorio Oficial de Jurisprudencia (Offizielles Rechtsprechungsverzeichnis des Spanischen Generalrates der rechtsprechenden Gewalt, Consejo General del Poder Judicial)
RRMReglamento del Registro Mercantil (Spanische Verordnung über das Handelsregister)
S. A.Sociedad Anónima (spanische Aktiengesellschaft)
SAPSentencia de la Audiencia Provincial (Urteil der Audiencia Provincial)
SJMSentencia del Juzgado de lo Mercantil (Urteil des Juzgado de lo Mercantil)
SRLSociedad de Responsabilidad Limitada (spanische Gesellschaft mit beschränkter Haftung)
STSSentencia del Tribunal Supremo (Urteil des Tribunal Supremo)
TSTribunal Supremo (oberstes spanisches Gericht)
u. a.unter anderem/und andere
v. a.vor allem
Vol.Volumen (Band)

Bezüglich aller übrigen verwendeten Abkürzungen wird auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage 2012 verwiesen.

Die Zitierung spanischer Urteile erfolgt unter Rückgriff auf das Offizielle Rechtsprechungsverzeichnis des Spanischen Generalrates der rechtsprechenden Gewalt (Consejo General del Poder Judicial, ROJ) und die dort für jedes Urteil vergebene Referenz, die sich aus der Bezeichnung der Art der Entscheidung (A für auto=Beschluss, S für sentencia=Urteil), der Abkürzung der jeweiligen Gerichtsbezeichnung (wie sie in diesem Abkürzungsverzeichnis aufgeführt werden) und einer Kombination aus Nummer sowie Jahreszahl zusammensetzt. Um hier trotz der nicht vorhandenen Seitenzahlen genau zitieren zu können, wird der in Bezug genommene Rechtsgrund des Urteils ebenfalls genannt (insoweit wird der Zitierweise spanischer Urteile von Rösner, Verlust des Stammkapitals und Geschäftsführerhaftung in der GmbH, S. XV gefolgt).

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I.   Einführung

1.    Die Problemstellung: Geschäftsleiterpflichten und effektiver Gläubigerschutz in der Insolvenz

Im April 2013 stellte die London School of Economics eine im Auftrag der EU-Kommission ausgearbeitete Studie zur Organhaftung in Europa vor, die sich der vergleichenden Untersuchung dieser Regelungsmaterie in der EU widmet.1 Der Anhang enthält die entsprechenden Länderberichte für alle Mitgliedsstaaten (zum damaligen Zeitpunkt betrug deren Anzahl noch 27; aber auch das zum 1. Juli 2013 beigetretene Kroatien fand bereits Berücksichtigung). Im Rahmen der Untersuchung wird neben vielen anderen Aspekten auch der Haftung der Geschäftsleiter2 von Kapitalgesellschaften in der Insolvenzsituation ein eigener Abschnitt gewidmet, der sich mit der in einer Reihe von Mitgliedsstaaten bestehenden Insolvenzantragspflicht, dem wrongful-trading-Ansatz des englischen Rechts und weiteren die Krisensituation betreffenden Regelungsmechanismen (wie der Regel „Rekapitalisiere oder liquidiere“) beschäftigt.3 Die vorgelegte Arbeit will diesen Abschnitt der Studie zum Anlass nehmen, die rechtlichen Regelungen in Bezug auf Unternehmenskrisen und die Insolvenzsituation rechtsvergleichend anhand des deutschen und spanischen Rechts zu untersuchen.

Das zu lösende Grundproblem liegt darin, einen wirksamen Gläubigerschutz in der Insolvenzsituation zu gewährleisten, v. a. durch geeignete Haftungsfolgen für die gar nicht oder zu spät handelnden Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften in Krisensituationen.4 Hier ist den Gläubigern aufgrund der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen der Zugriff auf das persönliche Gesellschaftervermögen verwehrt. Insbesondere die Insolvenzverschleppung als rechtspolitisches Problem ist kein neues, beschäftigte sie doch bereits im Jahr 2006 den deutschen Juristentag, der in seinen Beschlüssen auch die Forderung zur Regelung eines einheitlichen, ← 21 | 22 → rechtsformneutralen Insolvenzhaftungstatbestandes erhob.5 Alternativvorschläge zum geltenden System der Verschleppungshaftung liegen bereits seit längerer Zeit auf dem Tisch.6 Noch immer fehlt es aber an einem kohärenten Haftungssystem und an einer einheitlichen gesetzlichen Regelung der Folgen der Insolvenzverschleppung.

Häufig wird die Stellung des Eröffnungsantrages für das Insolvenzverfahren um mehrere Monate hinausgeschoben oder gänzlich unterlassen, weil die Geschäftsleiter noch die Hoffnung hegen, die Krise überwinden zu können. Darunter leiden in erster Linie die Gesellschaftsgläubiger, deren oft ohnehin schon niedrige Insolvenzquote dann noch geringer ausfallen wird. Dass für dieses Rechtsproblem nach wie vor keine zufriedenstellende gesetzliche Lösung gefunden wurde, deutet darauf hin, dass seine Behandlung für die Politik, konkret die jeweilige Regierung, unabhängig von ihrer politischen Zusammensetzung, nur eine untergeordnete Rolle spielt. Man mag darüber spekulieren, worin die genauen Gründe dafür liegen. Auch in jüngster Zeit wird im Schrifttum erneut die Reform der Insolvenzhaftung angemahnt.7

Für eine rechtsvergleichende Untersuchung, die sich dieses Themas annehmen will, weckt Spanien besonderes Interesse, da sich das Land in den letzten Jahren quasi im Dauerzustand der Krise befunden hat. Dies drückte sich auch in den Zahlen der Unternehmensinsolvenzen aus.8 Mehrere Darstellungen nahmen sich bereits der Problematik der Insolvenzverschleppungshaftung isoliert für das deutsche Recht an.9 Zur Thematik der Organhaftung ist bereits eine Arbeit erschienen, die das deutsche Haftungsregime mit seinen allgemeinen Regelungsgehalten mit dem spanischen (und daneben auch dem argentinischen und brasilianischen) vergleicht.10 Eine rechtsvergleichende Untersuchung zu den spezifischen Geschäftsleiterpflichten in der Insolvenz und insbesondere zur Verschleppungshaftung, die die deutsche Rechtsordnung der spanischen gegenüberstellt, steht dagegen noch aus.11 Ziel dieser Arbeit ist zum einen, die relevanten Regelungen und den derzeitigen Stand von Rechtsprechung und Schrifttum zur Insolvenzhaftung in beiden Ländern zuverlässig zu ermitteln und mit seinen wesentlichen Inhalten darzustellen, v. a. hinsichtlich der zu den einzelnen Bereichen in der jeweiligen Rechtsordnung vertretenen h. M., um ← 22 | 23 → diese Regelungen anschließend einer vergleichenden Betrachtung und Bewertung zuführen zu können. Zum anderen soll anhand der Darstellung des spanischen Rechts erörtert werden, inwiefern sich aus diesem u. U. neue Impulse zur Lösung insbesondere der Problematik der Verschleppungshaftung im deutschen Recht ergeben können.

2.    Themenbegrenzung

Diese Arbeit konzentriert sich auf die Pflichten und die Haftung der Geschäftsleiter der beiden großen Kapitalgesellschaften AG und GmbH (für das deutsche Recht) bzw. der Verwalter in der SA und in der SRL (für das spanische Recht). Beide Rechtsformen werden dabei gemeinsam behandelt. Im spanischen Recht besteht mit der LSC ohnehin eine Norm, die das Recht der Kapitalgesellschaften insgesamt regelt. Sofern sich hinsichtlich bestimmter Regelungen Unterschiede ergeben, wird an den entsprechenden Stellen darauf hingewiesen werden. Ausgeklammert bleiben damit die Regelungen zur KGaA und zur Genossenschaft sowie die Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte bzw. die Anwendbarkeit der deutschen Normen auf Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland.

3.    Methodik und Gang der Untersuchung

Die Untersuchung wird auf der Grundlage der funktionalen Rechtsvergleichung12 durchgeführt, sodass für beide Rechtsordnungen diejenigen Regelungen ermittelt werden sollen, die das gleiche Regelungsproblem adressieren. Zu diesem Zweck wird eine Einteilung in drei Krisenstadien13 vorgenommen, die die Oberbegriffe bilden und die damit die Struktur der Untersuchung vorgeben: Zunächst werden die Pflichten und Haftungsfolgen der Geschäftsleiter vor Insolvenzreife behandelt, die auch bereits einen gewissen Bezug zum Insolvenzstadium aufweisen können. Anschließend erfolgt eine Untersuchung der Pflichten und der gläubigerschützenden Regelungen ab Eintritt eines Insolvenzgrundes. Das dritte Krisenstadium schließlich konzentriert sich auf die Insolvenzantragspflicht und die Folgen eines verspäteten oder nicht erfolgten Geschäftsleiterhandelns. Durch die Betrachtung dieser drei Stadien wird ein rechtsvergleichender Überblick über das Gesamtsystem der Krisen- bzw. Insolvenzhaftung ermöglicht. Trotz der im Grundsatz vorgenommenen getrennten Betrachtung der Krisenstadien sollen jeweils die Wechselwirkungen und Bezüge der einzelnen Stadien zueinander Berücksichtigung finden.

Für jedes Krisenstadium soll dann zunächst, über den allgemeinen Problemaufriss in dieser Einleitung hinaus, in einigen kurzen Sätzen das sich jeweils stellende ← 23 | 24 → Regelungsproblem behandelt werden. Anschließend erfolgt die Darstellung der Pflichten und möglichen Haftungsfolgen, zunächst nach deutschem, dann nach spanischem Recht. Die rechtsvergleichende Betrachtung bildet dann den letzten Teil der Untersuchung jedes Krisenstadiums. Diese Arbeit richtet sich insoweit nicht nach dem „klassischen“ Aufbau für rechtsvergleichende Untersuchungen, d. h. der Darstellung aller Regelungsgehalte aus den betrachteten Rechtsordnungen in Länderberichten mit dem sich erst daran anschließenden Vergleich der gesamten Materie.14 Der Schwerpunkt der Untersuchung soll auf dem dritten Stadium und der Problematik der Insolvenzverschleppungshaftung liegen. Beide untersuchten Rechtsordnungen kennen das Regelungsinstrument der Insolvenz- bzw. Konkursantragspflicht. Im deutschen Recht ergibt sich aus § 15a Abs. 1 S. 1 InsO, im spanischen Recht aus Art. 5 Abs. 1 LC für die Organe juristischer Personen die Pflicht, bei Vorliegen der dort beschriebenen Voraussetzungen einen Eröffnungsantrag für das Insolvenz- bzw. Konkursverfahren zu stellen. Ihre grundsätzliche Berechtigung soll in dieser Arbeit nicht infrage gestellt werden. In diesem Zusammenhang sollen im letzten Teil der Arbeit auch einige rechtspolitische Anmerkungen erfolgen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform schließt die Arbeit ab.


1 Gerner-Beuerle/Paech/Schuster, LSE-Studie.

2 Da die Organmitglieder der AG als Vorstände und diejenigen der GmbH als Geschäftsführer bezeichnet werden, wird zur Vereinfachung der Oberbegriff Geschäftsleiter verwendet, soweit beide Gesellschaftsformen gemeinsam behandelt werden. Im spanischen Recht werden die Organmitglieder als „administradores“ bezeichnet. Die deutsche Übersetzung dafür lautet Verwalter, so dass dieser Begriff bei der Behandlung des spanischen Rechts Verwendung findet. In den rechtsvergleichenden Abschnitten findet ebenfalls der Oberbegriff des Geschäftsleiters Verwendung.

3 Gerner-Beuerle/Paech/Schuster, LSE-Studie, S. 208 ff.

4 Zur Bedeutung der Organhaftung siehe Haas, GmbHR 2006, 505 („Eckpfeiler eines jeden Gläubigerschutzsystems“).

5 Beschluss Nr. 24 der Abteilung Wirtschaftsrecht des 66. DJT, in: Verhandlungen des 66. DJT, Bd. II/1, 2006, S. P 144.

6 Zum einen K. Schmidt, ZHR 175 (2011), 433 ff.; zum anderen Altmeppen, ZIP 2001, 2201 ff.

7 So bei Bachmann, Gutachten E zum 70. DJT, S. E 124.

8 Siehe den Überblick zur Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen ab dem Jahr 2005 bei Fries/Mateo/von Wolffersdorff, Ley Concursal, S. 1.

9 Poertzgen, Organhaftung; Eckhoff, Die Haftung der Geschäftsleiter wegen Insolvenzverschleppung; Biehl, Geschäftsführer- und Gesellschafterhaftung.

10 Lotz, Haftung des Vorstandes der Aktiengesellschaft.

11 Siehe aber zur Haftung im spanischen Recht bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals und in Ansätzen auch zur spanischen Insolvenzhaftung Rösner, Verlust des Stammkapitals und Geschäftsführerhaftung in der GmbH.

12 Die Funktionalität stellt die Grundmethode der Rechtsvergleichung dar, siehe Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 33 ff.

13 Siehe zur Abfolge der Krisenstadien Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 20 Rn. 1 (wenn auch in anderer Reihenfolge).

14 Siehe zur Gegenüberstellung der Gliederungsmöglichkeiten für rechtsvergleichende Untersuchungen H. Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, § 13 Rn. 50.

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II.   Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz vor Eintritt der Insolvenzreife

Den ersten in die Betrachtung einfließenden Krisenabschnitt bildet der Zeitraum noch vor Eintritt der Insolvenzreife. In den Blickpunkt rücken damit die Pflichten, die den Geschäftsführern vor Insolvenzreife auferlegt werden und die – wenn sie auch im Grundsatz eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen15 – bereits in einem Zusammenhang zum Insolvenzstadium sowie dessen Pflichten stehen können.16 Daher rechtfertigt sich ihre Einbeziehung in diese Betrachtung. Auch im Schrifttum werden die Krisenstadien Insolvenz und Vorfeld der Insolvenz häufig im Zusammenhang betrachtet.17

1.    Das Regelungsproblem

Es fragt sich, ob bereits vor Eintritt der Insolvenzreife, so z. B. bei Eintreten bestimmter Verlustschwellen, spezifische Handlungsanweisungen für Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften gesetzlich statuiert werden sollen. Weiterhin ist zu fragen, unter welchen konkreten Voraussetzungen diese Pflichten eintreten sollen und welche Haftungsfolgen sich für die Geschäftsführer bei ihrer Nichtbeachtung ergeben können. Zu klären ist in diesem Zusammenhang insbesondere, inwieweit der Gläubigerschutz bereits in diesem Stadium zum Bezugspunkt des Geschäftsleiterhandelns werden und ob dem Geschäftsleiter bei Verstößen u. U. eine direkte Haftung gegenüber den Gläubigern auferlegt werden soll. Zu untersuchen ist ferner, inwieweit die Insolvenzprävention gezielt eine Rolle spielen soll.

2.    Geschäftsleiterpflichten und Gläubigerschutz vor Eintritt der Insolvenzreife im deutschen Recht

Zunächst sollen die Geschäftsleiterpflichten und die Reichweite des Gläubigerschutzes für das erste Krisenstadium im deutschen Recht untersucht werden. Das deutsche Recht beantwortet die für dieses Stadium aufgeworfenen Fragen mit zwei Regelungskomplexen: zum einen durch die Festlegung einer gesetzlichen Pflicht zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung bei hälftigem Verlust des ← 25 | 26 → Grund- bzw. Stammkapitals nach den §§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG, zum anderen durch die Statuierung der sog. Insolvenzverursachungsverbote in den §§ 92 Abs. 2 S. 3 AktG, 64 S. 3 GmbHG.

a.    Die Pflicht zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung (§§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG)

Nach dem Norminhalt des § 92 Abs. 1 AktG muss unverzüglich die Hauptversammlung einberufen werden, wenn sich bei Aufstellung der Jahres- oder einer Zwischenbilanz ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals ergibt. Gleiches gilt nach § 49 Abs. 3 GmbHG für die Einberufung der Gesellschafterversammlung, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Der Wortlaut beider Normen ist damit weitgehend kongruent, sodass sie häufig im Schrifttum18 und daher auch hier als parallele Regelungen gemeinsam behandelt werden. § 92 Abs. 1 AktG nennt bei den Tatbestandsmerkmalen neben der Jahres- oder Zwischenbilanz noch die Möglichkeit, dass sich die Feststellung des Verlustes nach pflichtgemäßem Ermessen ergibt, und verlangt neben der Einberufung der Hauptversammlung auch die Anzeige des Verlustes an die Aktionäre. Im GmbHG findet die Pflicht zur Verlustanzeige in § 84 Abs. 1 Erwähnung. Für die aktienrechtliche Norm ist in europarechtlicher Hinsicht die Richtlinie 2012/30/EU19 zu beachten, die in ihrem Art. 19 Abs. 1 die Einberufung der Hauptversammlung bei Eintritt eines schweren Verlusts innerhalb einer zu bestimmenden Frist festlegt und in Abs. 2 bestimmt, dass das nationale Recht den schweren Verlust nicht auf mehr als die Hälfte des Grundkapitals festsetzen darf. Mit § 92 Abs. 1 AktG bestand im deutschen Recht bereits eine den Anforderungen der Richtlinie entsprechende gesetzliche Regelung. Die Einberufungspflicht weist im deutschen Recht eine lange Tradition auf: Bereits das ADHGB aus dem Jahr 1861 sah in Art. 240 Abs. 1 eine Pflicht zur Verlustanzeige vor, und § 83 Abs. 1 des AktG von 1937 enthielt eine Anzeige- und Einberufungspflicht für den Vorstand bei hälftigem Verlust des Grundkapitals.20

aa.    Normzweck

Der Regelungszweck des § 92 Abs. 1 AktG und des § 49 S. 3 GmbHG liegt darin, die Aktionäre bzw. die Gesellschafter – in ihrer Rolle als Anteilseigner – rechtzeitig bezüglich der nahenden Krisensituation zu unterrichten.21 Die Aktionäre sollen in ← 26 | 27 → die Lage versetzt werden, auf der Hauptversammlung über Maßnahmen zur Krisenabwehr beraten und diesbezügliche Entscheidungen (v. a. Kapitalveränderungen in Form der Kapitalerhöhung oder -herabsetzung) treffen zu können.22 Aus diesem Grund wird auch von einer aktienrechtlichen „Alarmglocke“23 gesprochen. Ein unmittelbarer Schutzzweck der Normen zugunsten der Gesellschaftsgläubiger besteht dagegen nicht.24 Sofern es sich im Falle der AG um börsennotierte Gesellschaften handelt, wird der Informationszweck gegenüber dem Kapitalmarkt ohnehin nach § 15 WpHG verwirklicht, der damit die gesellschaftsrechtliche Norm des § 92 Abs. 1 AktG in kapitalmarktrechtlicher Hinsicht ergänzt.25 Im Fall des § 49 Abs. 3 GmbHG lässt sich gegen den Schutz von Drittinteressen als systematisches Argument anführen, dass es sich bei Abs. 3 um einen Unterfall des Abs. 2 der gleichen Norm handelt, der ausdrücklich vom Interesse der Gesellschaft spricht und damit ebenfalls keinen Schutz Dritter vermittelt.26

Im Schrifttum gab es vereinzelte Versuche, § 92 Abs. 1 AktG darüber hinaus als eine dem Schutz des Aktienmarktes dienende Publizitätsnorm auszulegen und darin einen weiteren unmittelbaren Normzweck anzusehen.27 Bei Erteilung der Verlustanzeige müssen die Aktionäre nach dieser Auffassung die Entwicklung zum Anlass nehmen, u. U. durch Ver- oder Zukäufe auf dem Aktienmarkt tätig zu werden und so auf die Krise zu reagieren.28 Ein solches Verständnis gerät aber in Widerspruch zur parallelen Ausgestaltung von 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG, weil im Fall der GmbH die Öffentlichkeit von der Einberufung der Gesellschafterversammlung keine Kenntnis erlangen wird.29 Teile des Schrifttums vertreten darüber hinaus die Auffassung, dass der auf die Sicherung der Kapitalaufbringung und -erhaltung bedachte Gesetzgeber eine Aufzehrung des Kapitals zwar nicht verhindern könne, aber mit der Statuierung dieser Norm für den Fall des Verlustes der Hälfte des Grundkapitals seine Missbilligung dieser Kapitalstruktur ausdrücken wolle.30 Da der Gesetzgeber der Hauptversammlung keine Handlungsanweisungen vorgegeben hat, kann von einer gesetzlich missbilligten Kapitalstruktur aber nicht ausgegangen werden.31 ← 27 | 28 →

bb.    Adressatenkreis

§ 92 Abs. 1 AktG verpflichtet den Vorstand zur Einberufung der Hauptversammlung und zur Verlustanzeige. Dies schließt fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder, nicht aber solche Personen ein, die faktisch die Funktionen eines Vorstandes ausüben.32 § 121 Abs. 2 S. 1 AktG bestimmt, dass der Vorstand mit einfacher Mehrheit über die Einberufung beschließt. Kann das Mitglied einen derartigen Vorstandsbeschluss nicht herbeiführen, so besteht die Pflicht, sich an den Aufsichtsrat zu wenden, der den Vorstand wegen § 111 Abs. 1 AktG zur Pflichterfüllung anhalten kann oder u. U. wegen § 111 Abs. 3 AktG selbst die Einberufung vorzunehmen hat.33 § 49 Abs. 1 GmbHG bestimmt die Zuständigkeit der Geschäftsführer für die Einberufung der Gesellschafterversammlung, die unabhängig von der Regelung der Geschäftsführung und Vertretung durch jeden einzelnen und auch durch den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer erfolgen kann.34

cc.    Materielle Voraussetzung: Der hälftige Kapitalverlust

Aus dem Wortlaut des § 92 Abs. 1 AktG und des § 49 S. 3 GmbHG ergibt sich als materielle Voraussetzung der Einberufungspflicht der Eintritt eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitals. Diese Voraussetzung ist nach der ganz h. M. erfüllt, wenn das Gesellschaftsvermögen höchstens noch den Betrag der Hälfte des Nennkapitals erreicht.35 Entscheidend ist die Ziffer des in der Satzung festgelegten Betrages, sodass es nicht darauf ankommt, ob dieses bereits voll eingezahlt wurde oder nicht.36 Zur Ermittlung des Gesellschaftsvermögens muss eine Summe gebildet werden, die die folgenden Beträge umfasst: Rücklagen (Kapitalrücklagen, gesetzliche und satzungsmäßige Rücklagen sowie andere Gewinnrücklagen), Bilanzgewinn samt Gewinnvortrag und Eigenkapitalanteil in den Sonderposten samt Rücklageanteil; davon ist der Bilanzverlust (Verlust und Verlustvortrag) abzuziehen.37

(1)    Bewertung des Vermögens

Bei der Ermittlung des Verlustes ist das Vermögen nach den Ansatz- und Bewertungsregeln aus dem Handelsrecht gemäß §§ 252 ff. HGB zu bewerten, was sich v. a. auch aus der Erwähnung des Begriffes „Jahresbilanz“ in den Normen zur ← 28 | 29 → Einberufungspflicht ergibt.38 Dabei sind grundsätzlich Fortführungswerte (Going-Concern-Prinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) und nur bei Vorliegen einer negativen Fortbestehensprognose Liquidationswerte anzusetzen.39 Für den Fall, dass die Fortführungsprognose kein eindeutiges Ergebnis zulässt, soll den Geschäftsleitern ein Ermessensspielraum dahingehend zuzugestehen sein, ob die Bilanzierung zu Fortführungs- oder Liquidationswerten erfolgt.40 Unklarheiten bestehen hinsichtlich der Behandlung stiller Reserven bzw. der Möglichkeit von deren Auflösung zur Verlustdeckung. Nach der ganz h. M. darf deren Auflösung nur in dem Umfang erfolgen, wie es auch im Jahresabschluss geschehen dürfte, denn eine vollständige Auflösung stiller Reserven widerspricht dem Zweck der Normen zur Einberufungspflicht, die Gesellschafter über die wirkliche Lage zu informieren.41 Der BGH entschied, dass die Verlustanzeigepflicht nicht besteht, „…. solange der Verlust noch aus gesetzlichen oder freien, offenen oder stillen Rücklagen unter Zuhilfenahme von weniger als der Hälfte des Grundkapitals gedeckt werden könne“.42 Auch wenn das Urteil keine genauere Erklärung für den Begriff der „stillen Rücklagen“ enthielt, kann die Bezugnahme der gesetzlichen Regelungen zur Einberufungspflicht auf die Jahresbilanz nur dafür sprechen, dass auch der BGH nur die Auflösung der stillen Reserven nach den Regeln für die Erstellung des Jahresabschlusses meinte.43 Aus der Anwendung der Regelungen über den Jahresabschluss für die Verlustermittlung ergibt sich für Rückstellungen, dass sie wegen § 249 Abs. 2 S. 2 HGB auch hier nur aufgelöst werden dürfen, wenn der Grund für ihre Bildung nicht mehr besteht.44 Drückt sich im hälftigen Verlust des Grundkapitals tatsächlich eine Krisensituation aus, so sollten Ansprüche auf Rückgewähr nachrangiger Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) im Rahmen der Verlustanzeige berücksichtigt werden, nicht dagegen in den Fällen, in denen die finanzielle Situation der Gesellschaft durch die Finanzierung mit diesen Darlehen gesichert ist.45

Details

Seiten
356
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783631701041
ISBN (ePUB)
9783631701058
ISBN (MOBI)
9783631701065
ISBN (Hardcover)
9783631701096
DOI
10.3726/978-3-631-70104-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (November)
Schlagworte
Einberufungspflicht Insolvenzgrund Insolvenzantragspflicht Insolvenzverschleppungshaftung Krisenhaftung
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2016. 356 S.

Biographische Angaben

Sven Hendrik Haumesser (Autor:in)

Sven Hendrik Haumesser studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und wurde an der Freien Universität Berlin promoviert. Er ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Spanien zugelassen.

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Titel: Geschäftsleiterpflichten und -haftung in der Insolvenz im deutschen und spanischen Recht
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