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Religion und Politik

Historische und aktuelle Konstellationen eines spannungsvollen Geflechts

von Jörg Dierken (Band-Herausgeber:in) Dirk Evers (Band-Herausgeber:in)
©2016 Sammelband 382 Seiten

Zusammenfassung

Religion und Politik bilden seit jeher ein spannungsvolles Geflecht wechselseitiger Begründungs- und Abgrenzungsprozesse. Die in diesem Band versammelten Autoren beleuchten historische und aktuelle Konstellationen dieser Prozesse durch die Verschränkung von systematischen und historischen Perspektiven. So reicht die Spannweite der Beiträge von der Frühzeit des Christentums über die Reformation bis hin zu Schelling, Schleiermacher, Troeltsch und Barth, während gleichzeitig aktuelle Debatten u.a. zur Theologie in der DDR, zur Bedeutung der Menschenrechte, zum Konzept der inneren Führung und zur Flüchtlingsdebatte kritisch nachgezeichnet werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • I. Historische Perspektiven
  • Vom Rächer der Christen zum Christenverfolger: Kaiser Licinius in der spätantiken christlichen Literatur
  • I.
  • II.
  • A.
  • B.
  • C.
  • III.
  • Regieren als Beruf: Martin Luther und die Obrigkeit
  • I.
  • II.
  • III.
  • IV.
  • V.
  • VI.
  • Reformation und Frauenrecht
  • Einleitung
  • I. Kontext und Personen
  • II. Aufgeklärter Protestantismus
  • III. Sarah Moore Grimké
  • IV. Sojourner Truth
  • V. Elisabeth Cady Stanton
  • VI. Zum Schluss: ein Mosaik
  • „Carolus Stuardus“ – Religion und Politik in Gryphius‘ Trauerspiel
  • Das Verhältnis von Staat und Religion: Überlegungen zu Schellings Würzburger System von 1804 und dessen rechtsphilosophischen Hintergründen
  • I
  • II
  • III
  • Sozialstruktur und Politik: Schleiermacher als Prediger des Alten Testaments
  • Die Grenze des Moralismus: Zur Antinomik ethischen Handelns nach Albert Schweitzer
  • I.
  • II.
  • III.
  • IV.
  • Zur Genese der Theologie Barths in der Abwendung von Wilhelm Herrmann
  • Einleitung
  • I. Religiöse Forderung nach Realisierung des Guten im Anschluss an W. Herrmann
  • II. Religion als Voraussetzung der Geltung der Norm im Anschluss an Kutter
  • II.A. Kritik an den Idealen
  • II.B. Gott als Voraussetzung der Gültigkeit der Idee des Guten
  • II.C. Gott als umfassende Wirklichkeit des Lebens
  • II.D. Die Wirklichkeit Gottes im Menschen
  • III. Einsicht in die Gültigkeit des Guten als Gottes Geschichte mit den Menschen im Anschluss an die Bibel
  • III.A. Der Weg der Erkenntnis Gottes
  • III.B. Christus als Bild der Gotteserkenntnis und der Geschichte Gottes
  • IV. Konstruktion der biblischen Geschichte in einem theologisch-trinitarischen Gesamtbild
  • IV.A. Die trinitarische Gliederung des Erkenntniswegs
  • IV.B. Zusammenfassung: Das ganze Leben als trinitarische Darstellung der Geschichte Gottes
  • IV.C. Der Zusammenhang von ethischer Reflexivität, religiöser Erkenntnis, trinitarischer Struktur und biblischem Geschichtsbild in der Christologie
  • II. Gegenwärtige Debatten
  • Inseln im „roten Meer“: Die Kirchlichen Hochschulen in der DDR als Beispiel für freie theologische Bildung in einer totalitären Gesellschaft
  • I. Inseln oder Oasen christlicher Freiheit
  • II. Angefochtene Freiheit
  • III. Vergangenheit und Zukunft
  • Erinnerungskultur ohne Geschichtsphilosophie? Überlegungen im Anschluss an Ernst Troeltsch
  • 1. Erinnerungskultur – Versuch einer Annäherung
  • 2. Geschichtsphilosophie unter den Bedingungen des Historismus
  • 3. Die Bedeutung der Geschichtsphilosophie für die Erinnerungskultur
  • Coole Theologie? Eberhard Jüngels Bemerkungen zur politischen Verantwortung von Christentum und Kirche
  • I. ‚Coole‘ Philosophie
  • II. „Coole“ Theologie?
  • III. Müssen Christen Sozialisten sein?
  • A. Die 1970er Jahre
  • B. Eberhard Jüngel zur Funktion politischer Theologie
  • IV. Qualifizierte Unterscheidungen
  • A. Barmen V und die Rechtzeitigkeit politischen Widerstands
  • B. Rechtfertigung und Recht
  • C. Analogie
  • D. Pluralismus aus Prinzip80
  • V. Schluss
  • „Die Sakralität der Person“: Hans Joas‘ Deutung der Menschenrechte – im Gespräch mit Ernst Troeltsch
  • I. Sakralität oder Fundierung durch Umwege
  • II. Troeltsch und die affirmative historische Genealogie
  • III. Person – oder Subjektivität und die soziale Bedeutung von Individualität
  • Staurologische Politik: Zum religiösen Dialog mit der Gewalt
  • I. Kategoriale Gewalt
  • II. Staatliche Gewalt
  • III. Empirische Gewalt
  • IV. Göttliche Gewalt
  • Vom Kompromiss: Ein (kleiner) theologisch-politischer Traktat
  • I.
  • II.
  • III.
  • IV.
  • V.
  • VI.
  • Das öffentliche Böse: Zum theologischen Fundus politischer Ethik
  • I. Unverhältnismäßigkeit von Politik und Religion
  • II. Die böse Lust an asozialer Destruktion
  • III. Politologie, Theologie und das öffentliche Böse
  • IV. Zur destruktiven Lust in den Medien
  • V. Evangelisch gegen die Lust am Wüten. Entmischen und Einmischen
  • Gottvertrauen – Zwischen Sicherheitswahn und Gelassenheit
  • Einführung
  • I. Sicherheit, Terror und Folter
  • II. Grenzen der Sicherheit
  • III. Gottvertrauen und Gelassenheit
  • Work-Life-Balance? Evangelische Arbeitsethik heute
  • I. Worum geht es, wenn man von Work-Life-Balance spricht?
  • II. Was hat protestantische Arbeitsethik mit der Work-Life-Balance zu tun?
  • III. Taugt die Work-Life-Balance als Programm protestantischer Arbeitsethik?
  • 60 Jahre Innere Führung
  • I. Die Rede der Bundesministerin der Verteidigung: Leitbegriff Vertrauen
  • II. Die Innere Führung: Leitlinie für Selbstverständnis und Führungskultur der Bundeswehr
  • III. Zeitgeschichtliche Einordnung und Würdigung
  • IV. Zur Entstehung der Rede
  • V. Die Innere Führung – ministeriell und wissenschaftlich
  • VI. Überlegung zum beruflichen Selbstbild von wissenschaftlich arbeitenden Theologen bei der Bundeswehr
  • Radikaler moralischer Universalismus, begrenzte Verantwortung und partikulare Staatlichkeit: Fragen angesichts der Flüchtlingskrise. Ein Essay
  • I. Vorbemerkungen
  • II. Zwei mögliche Deutungen der moralischen Konfliktkonstellation
  • A. Gesinnungs- vs. Verantwortungsethik?
  • B. Erbarmen gegenüber Recht?
  • III. Der Grundkonflikt – radikaler moralischer Universalismus im Gegenüber zu begrenzten Verantwortungsräumen
  • IV. Zehn Anfragen an den radikalen moralischen Universalismus in der Flüchtlingsdebatte
  • 1. Eine ethische Anfrage: Gibt es grenzenlose Verantwortung?
  • 2. Eine theologische Anfrage: Grenzenlose Weltverantwortung anstelle göttlicher Fürsorge?
  • 3. Eine geschichtsphilosophische Anfrage: Gibt es Tragik?
  • 4. Eine diskurstheoretische Anfrage: Wirkt Moral als Konfliktverstärker?
  • 5. Die soziologische Frage: Gibt es nicht doch problemschaffende Lösungen?
  • 6. Eine juristische Anfrage: Sind alle einfach ‚Fremde‘?
  • 7. Eine politisch-theologische Frage: Wozu führt eine Moralisierung der Politik?
  • 8. Eine anthropologische Frage: Sind alles nur Opfer?
  • 9. Eine politische Frage: Wird eine Unterminierung von Staatlichkeit riskiert?
  • 10. Die moralische Anfrage: Wie unmoralisch ist der moralische Universalismus?
  • V. Und nun?
  • Liste der Beitragenden

Jörg Dierken / Dirk Evers (Hrsg.)

Religion und Politik

Historische und aktuelle Konstellationen eines spannungsvollen Geflechts

Hartmut Ruddies zum 70. Geburtstag

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Autorenangaben

Jörg Dierken ist Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dirk Evers ist Professor für Systematische Theologie und Dogmatik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Über das Buch

Religion und Politik bilden seit jeher ein spannungsvolles Geflecht wechselseitiger Begründungs- und Abgrenzungsprozesse. Die in diesem Band versammelten Autoren beleuchten historische und aktuelle Konstellationen dieser Prozesse durch die Verschränkung von systematischen und historischen Perspektiven. So reicht die Spannweite der Beiträge von der Frühzeit des Christentums über die Reformation bis hin zu Schelling, Schleiermacher, Troeltsch und Barth, während gleichzeitig aktuelle Debatten u.a. zur Theologie in der DDR, zur Bedeutung der Menschenrechte, zum Konzept der inneren Führung und zur Flüchtlingsdebatte kritisch nachgezeichnet werden.

Zitierfähigkeit des eBooks

Diese Ausgabe des eBooks ist zitierfähig. Dazu wurden der Beginn und das Ende einer Seite gekennzeichnet. Sollte eine neue Seite genau in einem Wort beginnen, erfolgt diese Kennzeichnung auch exakt an dieser Stelle, so dass ein Wort durch diese Darstellung getrennt sein kann.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Historische Perspektiven

Jörg Ulrich

Vom Rächer der Christen zum Christenverfolger. Kaiser Licinius in der spätantiken christlichen Literatur

Martin Ohst

Regieren als Beruf. Martin Luther und die Obrigkeit

Susanne Hennecke

Reformation und Frauenrecht

Jan Rohls

„Carolus Stuardus“ – Religion und Politik in Gryphius‘ Trauerspiel

Ulrich Barth

Das Verhältnis von Staat und Religion. Überlegungen zu Schellings Würzburger System von 1804 und dessen rechtsphilosophischen Hintergründen

Marianne Schröter

Sozialstruktur und Politik. Schleiermacher als Prediger des Alten Testaments

Constantin Plaul

Die Grenze des Moralismus. Zur Antinomik ethischen Handelns nach Albert Schweitzer

Folkart Wittekind

Zur Genese der Theologie Barths in der Abwendung von Wilhelm Herrmann←5 | 6→

II. Gegenwärtige Debatten

Wolf Krötke

Inseln im „roten Meer“. Die Kirchlichen Hochschulen in der DDR als Beispiel für freie theologische Bildung in einer totalitären Gesellschaft

Roderich Barth

Erinnerungskultur ohne Geschichtsphilosophie? Überlegungen im Anschluss an Ernst Troeltsch

Dirk Evers

Coole Theologie? Eberhard Jüngels Bemerkungen zur politischen Verantwortung von Christentum und Kirche

Jörg Dierken

„Die Sakralität der Person“: Hans Joas‘ Deutung der Menschenrechte – im Gespräch mit Ernst Troeltsch

Björn Pecina

Staurologische Politik. Zum religiösen Dialog mit der Gewalt

Christian Polke

Vom Kompromiss. Ein (kleiner) theologisch-politischer Traktat

Christian Senkel

Das öffentliche Böse. Zum theologischen Fundus politischer Ethik

Werner Schneider-Quindeau

Gottvertrauen – Zwischen Sicherheitswahn und Gelassenheit

Malte Dominik Krüger

Work-Life-Balance? Evangelische Arbeitsethik heute

Angelika Dörfler-Dierken

60 Jahre Innere Führung

Günter Thomas

Radikaler moralischer Universalismus, begrenzte Verantwortung und partikulare Staatlichkeit. Fragen angesichts der Flüchtlingskrise. Ein Essay

Liste der Beitragenden←6 | 7→

Vorwort

Religion und Politik bilden seit jeher ein spannungsvolles Geflecht wechselseitiger Begründungs- und Abgrenzungsprozesse. Für das Christentum sind dabei einerseits grundlegende Formen der Differenzierung zwischen beiden Sphären charakteristisch. Dafür stehen exemplarisch die klassischen Denkmuster von Paulus über Augustin bis zur reformatorischen Zwei-Reiche/Regimenter-Lehre und deren Transformationen in der Moderne. Zu deren wirkungsgeschichtlichem Umkreis gehört auch das moderne Konzept eines weltanschaulich neutralen Staates, der neben der negativen auch die positive Religionsfreiheit schützt und den Kirchen eine bedeutende Stellung in der Öffentlichkeit zuerkennt, ohne daraus seine eigene Legitimität abzuleiten. Andererseits gibt es in der Geschichte des Christentums bedeutende Muster von (hierarchischer) Legitimierung, Einhegung und Kritik der politischen Macht. Die politische Gewalt und ihre Repräsentanten unterstehen danach Gott, ihr Handeln ist an seiner Ordnung zu messen, und diese kann zur Quelle harter Kritik und Opposition werden. Auch hierfür lassen sich klassische Belege aus der biblischen Tradition sowie der Kirchen- und Theologiegeschichte nennen. Gott mehr gehorchen zu müssen als den Menschen, eine höhere Gerechtigkeit gegenüber der von irdischen Herrschern ausgeübten einzuklagen und hiergegen im Grenzfall durch Kirchen und christliche Gruppen aufzubegehren gehört ebenfalls in den Radius der Christentumsgeschichte. Beide Linien, die der Differenzierung wie die der (kritischen) Hierarchisierung von Religion und Politik, lassen sich nicht einfach voneinander absondern. Sie sind vielmehr miteinander verflochten, teils bis zur Unkenntlichkeit. So kann die vielfach kritisch gemeinte Hierarchisierung von Gott und Obrigkeit zum Begründungsmuster für Ansprüche der Geistlichkeit auf weltliche Gewalt mutieren oder die irdische Macht eines vorgeblich christlichen Staates religiös legitimieren und damit irdischer Rechenschaft tendenziell entziehen. Zudem stellt sich immer wieder und auf allen Seiten die grundlegende Frage, wer aufgrund welcher Geschichts- und Christentumshermeneutik die verschlungenen Verhältnisse politischer bzw. religiöser Institutionen und Kommunikationslinien angemessen beurteilen kann und darf. Auch um Deutungshoheit wurde und wird gekämpft, und zwar in sehr unterschiedlichen Arenen.

Die in diesem Band versammelten Arbeiten beleuchten historische und aktuelle Konstellationen dieser Prozesse von Begründung und Abgrenzung von Religion und Politik durch die Verschränkung von systematischen und historischen Perspektiven. So reicht die Spannweite der Beiträge von der Frühzeit des←7 | 8→ Christentums über die Reformation bis hin zu Schelling, Schleiermacher, Troeltsch und Barth, während gleichzeitig aktuelle Debatten u. a. zur Theologie in der DDR, zum Verständnis der Menschenrechte, zum Konzept der inneren Führung und zur Flüchtlingsdebatte kritisch analysiert werden. Wenn die Beiträge einerseits eher historische Perspektiven bieten und andererseits stärker gegenwärtige Debatten aufnehmen, will diese Einteilung keiner simplen Trennung von Geschichtlichem und Gegenwärtigem das Wort reden. Wie Religion und Politik einander überlagern und durchdringen, so bedarf es zu deren Analyse einer wechselseitigen Befruchtung von historischen und systematischen Erörterungsmethoden.

Damit markieren die Stichworte des Titels und die methodischen Zugriffsweisen dieses Bandes ein Feld, das von Hartmut Ruddies vielfältig bearbeitet wurde und wird. In zahlreichen Aufsätzen und Vorträgen sowie bei einschlägigen Tagungen und im Rahmen von Lehrveranstaltungen hat Ruddies dazu beigetragen, das komplexe Geflecht von Religion und Politik zu beleuchten. Im Zentrum standen und stehen dabei die spannungsvollen Konstellationen im 20. Jahrhundert. Charakteristisch für Ruddies ist eine Verschränkung von systematischen und historischen Perspektiven. Seine Arbeiten erörtern ebenso die begrifflichen Strukturen systematischer Konzepte wie auch die historischen Konstellationen ihrer Genese und ihrer Wirkung. Dabei stehen die für die Theologie- und Christentumsgeschichte bedeutenden Namen Ernst Troeltsch und Karl Barth in besonderer Weise im Mittelpunkt. Deren gedanklich kaum zu vereinbarende, ja geradezu konträre Konzepte sollten in ihren historischen Kontexten verständlich gemacht werden, um sie über ihren jeweiligen Ort im geschichtlichen Zusammenhang aufeinander zu beziehen. Ideen- und kulturgeschichtliche Grundfragen sind dabei ebenso im Spiel wie zentrale Themen der Gesellschafts- und Kirchengeschichte.

In den verschiedenen Phasen der Vorbereitung der Drucklegung haben wir vielfältige Unterstützung erfahren. Herzlich bedankt seien Dr. Marianne Schröter, Constantin Plaul und Elisbeth Nebe. Der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gebührt Dank für einen Druckkostenzuschuss. Dem Verlag und seinen Mitarbeitern sei für die verlegerische Betreuung gedankt.

Die in diesem Band versammelten Beiträge respondieren auf viele Impulse, die Hartmut Ruddies in verschiedene Debatten im Umfeld der Stichworte Religion und Politik gegeben hat. Dieses Buch ist ihm zu seinem 70. Geburtstag gewidmet.

Jörg Dierken

Dirk Evers
←8 | 9→

Jörg Ulrich

Vom Rächer der Christen zum Christenverfolger

Kaiser Licinius in der spätantiken christlichen Literatur

Abstract The article examines the different images of the emperor Licinius sketched by the contemporary Christian authors Lactantius and Eusebius. Corresponding to the changes of Licinius’ political and military fate, these authors portray him as a protector and even avenger of the Christians in the beginning as well as a persecutor of the Christians at the end.

Die antike christliche Apologetik und Historiographie haben über die Jahrhunderte hinweg gleichsam einen Kanon der Christenverfolger geschaffen, der bestimmten römischen Kaisern dezidierte Christenverfolgungen zuschreibt, während er andere Kaiser zu diesem Punkte mehr oder weniger schweigend übergeht. Dieser Kanon hat, abhängig von den jeweiligen Autoren, gewisse Unschärfen an den Rändern, ist aber insgesamt erstaunlich kongruent. Er beginnt in der Regel bei Nero und setzt sich fort über Domitian, Decius, Valerian und Aurelian bis hin zu den Tetrarchen der Diokletianischen Verfolgung.1 Nach 311, als das Galeriusedikt den Christen Religionstoleranz gewährte,2 werden noch Galerius‘ Nachfolger Licinius und dann für die Mitte des vierten Jahrhunderts, freilich←11 | 12→ unter ganz anderen Bedingungen, dem „Apostatenkaiser“ Julian Verfolgungen von Christen zugeschrieben.

Die Ausprägung dieses Kanons erfolgte nach bestimmten apologetischen und historiographischen Prämissen, die in der Literatur oft beschrieben worden sind.3 Sie reichen von einem apologetisch motivierten Nachvollzug der Wertungen der paganen Historiographie bis hin zur Stilisierung der Verfolgerkaiser als negativ-mahnendes Beispiel, welches die gegenwärtig regierenden Kaiser dazu anhalten soll, auf Gewaltmaßnahmen gegen Unschuldige zu verzichten. Für die moderne, kritische Kirchengeschichtsschreibung unserer Tage folgt aus der Kenntnis derartiger Prämissen selbstverständlich, dass der in der antiken christlichen Literatur etablierte Verfolgerkanon nicht für historisch bare Münze zu nehmen ist. Er enthält vielmehr Kaiser, die zwar in der Rückschau insgesamt schlecht beleumundet, aber deswegen noch nicht unbedingt Christenverfolger waren, wie etwa Domitian.4 Und er verschweigt solche Kaiser, die in der Rückschau als gute Herrscher erschienen, unter deren Regierungszeit es aber ganz offensichtlich zu überproportional vielen Martyrien kam, wie etwa Marc Aurel.5

Unter dieser Voraussetzung erscheint es reizvoll, die christliche Überlieferung über den Kaiser Licinius kritisch in Augenschein zu nehmen, zumal diese in den verschiedenen Stadien ihres Entstehens sehr unterschiedliche Liciniusbilder zeichnet. Die Palette reicht vom (anfänglichen) Rächer der Christen bis zum (letztendlichen) Christenverfolger. Ich beabsichtige zunächst, in einem kurzen Abriss die wichtigsten Ereignisse der Regierungszeit des Licinius in Erinnerung zu←12 | 13→ rufen (I.), sichte dann die Texte der wichtigsten Autoren der spätantiken christlichen Überlieferung, also Laktanz (II.A.), Eusebius von Caesarea (II.B.) und die spätere Märtyrerüberlieferung (II.C.) und schließe mit einer zusammenfassenden Bewertung (III.). Ich versuche damit, einen Beitrag aus der Werkstatt der Patristik zum Themenfeld Religion und Politik zu liefern, das seit jeher das Interesse des Jubilars in besonderem Maße auf sich gezogen hat.

I.

Details

Seiten
382
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783631701157
ISBN (ePUB)
9783631701164
ISBN (MOBI)
9783631701171
ISBN (Hardcover)
9783631701140
DOI
10.3726/978-3-631-70115-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Oktober)
Schlagworte
Politische Theologie Protestantismus Geschichtsphilosophie
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2016. 382 S.

Biographische Angaben

Jörg Dierken (Band-Herausgeber:in) Dirk Evers (Band-Herausgeber:in)

Jörg Dierken ist Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dirk Evers ist Professor für Systematische Theologie und Dogmatik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

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Titel: Religion und Politik
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