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Die Rechtsstellung der für die Börse tätigen Personen

von Heinrich Eva (Autor:in)
©2017 Dissertation 260 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch untersucht die Be- und Anstellungsverhältnisse im durch seine dualistische Struktur geprägten deutschen Börsenwesen. Die Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts administriert den Börsenhandel durch ihre Organe. Getragen wird diese Anstalt vom Börsenträger, der durchweg eine juristische Person des Privatrechts ist. Da den Börsenträger nach dem Börsengesetz die Pflicht trifft, der Börse die für den Börsenbetrieb erforderlichen personellen Mittel zur Verfügung zu stellen, werden die Organmitglieder zwar von der Börse bestellt, ihre Dienstverträge aber mit dem Börsenträger geschlossen. Der Autor arbeitet die Besonderheiten der Rechtsstellung dieser Organmitglieder heraus.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • A. Einführung
  • B. Darstellung der Problematik und Gang der Untersuchung
  • I. Darstellung der Problematik unter Bestimmung des relevanten Personenkreises
  • 1. Börsenrat
  • a) Historische Entwicklung und Aufgaben des Börsenrats
  • b) Zusammensetzung
  • c) Rechtsnatur des Börsenrates
  • d) Rechtsverhältnis zum Börsenträger und Haftung
  • 2. Börsengeschäftsführung
  • a) Allgemeines
  • b) Rechtsverhältnis zum Börsenträger
  • 3. Handelsüberwachungsstelle
  • a) Entstehungsgeschichte
  • b) Personelle Besetzung der Überwachungsstelle
  • 4. Sanktionsausschuss
  • a) Historische Entwicklung
  • b) Rechtsnatur des Sanktionsausschusses
  • c) Zusammensetzung
  • d) Rechtsverhältnis zum Börsenträger und Haftung
  • 5. Vormals: Zulassungsstelle
  • a) Historischer Rückblick
  • b) Zusammensetzung des Gremiums
  • c) Rechtsstatus der Zulassungsstelle
  • d) Geschäftsstelle
  • e) Ausschuss
  • II. Gang der vorliegenden Abhandlung
  • C. Erster Teil: Die Rechtsstellung der Börsengeschäftsführer
  • I. Der Rechtstatus bis zum Inkrafttreten des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes
  • II. Die Rechtsstellung seit Inkrafttreten des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes
  • 1. Die Bestellung und Anstellung des Börsengeschäftsführers de lege lata
  • a) Die rechtliche Bedeutung von Bestellung und Anstellung
  • aa) Einheitstheorie
  • bb) Trennungstheorie
  • cc) Stellungnahme
  • b) Bestellung
  • aa) Begriff und Rechtsnatur im Kapitalgesellschaftsrecht
  • bb) Übertragbarkeit auf das Börsenrecht
  • (1) Die Bestellung als Verwaltungsakt
  • (2) Die Bestellung als körperschaftlicher Akt
  • (3) Stellungnahme
  • cc) Zuständigkeit und Mitwirkungserfordernis
  • dd) Voraussetzung der Bestellung und Eignungsvoraussetzungen
  • ee) Amtsdauer der Bestellung
  • c) Anstellung
  • aa) Begriff
  • bb) Rechtsnatur des Anstellungsvertrags
  • (1) Der Arbeitnehmerbegriff im Gesetz
  • (a) BGB und arbeitsrechtliche Gesetze
  • (b) Öffentlich-rechtliche Gesetze
  • (c) Europäische Rechtsvorschriften
  • (d) Zwischenergebnis
  • (2) Der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung
  • (a) Der Europäische Gerichtshof
  • (b) Das Bundessozialgericht
  • (c) Der Bundesfinanzhof
  • (d) Bundesarbeitsgericht
  • (aa) Verpflichtung zur Leistung von Arbeit
  • (bb) Privatrechtlicher Vertrag
  • (cc) Im Dienste eines anderen
  • (3) Der Arbeitnehmerbegriff in der arbeitsrechtlichen Literatur
  • (a) Herrschende Lehre
  • (b) Lehre von der sozialen Schutzbedürftigkeit
  • (c) Begriffsbestimmung nach soziologischen Gesichtspunkten
  • (d) Teleologische Begriffsbestimmung nach Richardi
  • (e) Teleologische Begriffsbestimmung nach Wank
  • (f) Einheitliche Begriffsbestimmung nach Brammsen
  • (4) Stellungnahme
  • (5) Übertragbarkeit des Arbeitnehmerbegriffs auf Organmitglieder juristischer Personen
  • (a) Das Vorstandsmitglied einer AG
  • (aa) Die Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandmitglieds im Lichte der Rechtsprechung
  • (bb) Die Stellung des Vorstandsmitglieds aus Sicht der herrschenden Literatur
  • (cc) Abweichende Ansätze in der Literatur
  • (dd) Sonderfall der Drittanstellung
  • (ee) Stellungnahme
  • (b) Der Geschäftsführer einer GmbH
  • (aa) Der Rechtsstatus des GmbH-Geschäftsführers in der Rechtsprechung
  • (bb) Die Doktrin der Geschäftsführerstellung in der Literatur
  • (cc) Stellungnahme
  • (c) Ergebnis
  • (6) Die Übertragung des Arbeitnehmerbegriffs auf das Mitglied der Börsengeschäftsführung
  • cc) Zuständigkeit des Börsenträgers
  • (1) (Teil-)Rechtsfähigkeit der Börse
  • (a) Fehlende Vollrechtsfähigkeit der Börse
  • (b) (Teil-)Privatrechtsfähigkeit der Börse
  • (2) Zulässigkeit der Anstellungskompetenz des Börsenträgers
  • (3) Drittanstellungsvertrag oder Vertrag zugunsten Dritter?
  • d) Der Drittanstellungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag
  • e) Die rechtliche Beurteilung fehlerhafter Bestellung und Anstellung
  • aa) Mängel hinsichtlich der Bestellung
  • bb) Mängel hinsichtlich der Anstellung
  • cc) Die rechtliche Behandlung einer nichtigen Bestellung
  • dd) Die rechtliche Beurteilung einer unwirksamen Anstellung
  • ee) Wechselwirkung zwischen Bestellung und Anstellung
  • 2. Aufgaben und Befugnisse des Börsengeschäftsführers
  • a) Leitungsaufgaben
  • b) Überwachungspflichten
  • c) Beauftragungs- und Weisungsbefugnis
  • d) Vertretung der Börse
  • 3. Die Beendigung der Börsengeschäftsführerstellung
  • a) Das Verhältnis zwischen Abberufung und Kündigung
  • b) Abberufung
  • aa) Rechtliche Konstruktion der Abberufung
  • bb) Zuständigkeit und Verfahren
  • cc) Sachliche Voraussetzungen
  • (1) Anwendbarkeit von § 49 VwVfG
  • (2) Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze
  • (3) Entsprechende Anwendbarkeit des § 84 Absatz 3 AktG
  • (4) Stellungnahme
  • dd) Wichtiger Grund als Abberufungsvoraussetzung
  • ee) Anhörungserfordernis
  • ff) Abberufungsfrist
  • gg) Rechtswirkung der Abberufung
  • c) Kündigung des Anstellungsvertrags
  • aa) Zuständigkeit und Verfahren
  • bb) Außerordentliche Kündigung
  • (1) Allgemeines
  • (2) Wichtiger Grund nach § 626 Absatz 1 BGB
  • (3) Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Absatz 2 BGB
  • (4) Rechtsfolgen der Kündigung
  • (5) Vereinbarung von Koppelungsklauseln
  • cc) Ordentliche Kündigung
  • d) Rechtsschutzmöglichkeiten
  • e) Beendigung durch den Börsengeschäftsführer
  • aa) Amtsniederlegung
  • bb) Kündigung
  • 4. Die analoge Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften
  • a) Allgemeines zur Analogiebildung
  • b) Analoge Anwendung einzelner Arbeitnehmerschutzvorschriften
  • aa) Bundesurlaubsgesetz
  • bb) Mutterschutzgesetz
  • cc) Entgeltfortzahlungsgesetz
  • dd) Arbeitnehmererfindungsgesetz
  • ee) Schwerbehindertenschutz
  • ff) Arbeitszeitgesetz
  • gg) Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatzer
  • hh) Betriebliche Übung
  • ii) Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung
  • jj) Betriebsübergang (§ 613a BGB)
  • kk) Pfändungsschutz (§§ 850 ff. ZPO)
  • ll) Nachträgliches Wettbewerbsverbot gem. §§ 74 ff. HGB
  • mm) Betriebliche Altersversorgung
  • nn) Anspruch auf Erteilung eines Dienstzeugnisses (§ 630 BGB)
  • oo) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
  • pp) Verbrauchereigenschaft des Börsengeschäftsführers (§ 13 BGB)
  • 5. Haftungsrechtliche Verantwortung für Fehlverhalten des Börsengeschäftsführers
  • 6. Der Sonderfall der Personenidentität zwischen Börsengeschäftsführung und Börsenträgervorstand
  • D. Zweiter Teil: Die Rechtsstellung des Leiters der Handelsüberwachungsstelle
  • I. Die Stellung der Handelsüberwachungsstelle im Gefüge des Aufsichtsrechts
  • II. Aufgaben und Befugnisse der Handelsüberwachungsstelle
  • III. Die Rechtsstellung des Leiters der Handelsüberwachungsstelle nach geltendem Recht
  • 1. Bestellung und Anstellung des Leiters der Handelsüberwachungsstelle
  • a) Bestellung
  • b) Anstellung
  • 2. Haftungsrechtliche Verantwortung für Fehlverhalten des Leiters der Handelsüberwachungsstelle
  • E. Dritter Teil: Die Rechtsstellung des Personals der Handelsüberwachungsstelle
  • F. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
  • G. Ausblick
  • Literaturverzeichnis

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A.   Einführung

Das Kapitalmarktrecht hat in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung erfahren. Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.07.2007 hat der nationale Gesetzgeber die vorläufig letzte große Umsetzung einer europäischen Richtlinie auf den Weg gebracht. Diese Reform war aufgrund der Markt- und Finanzdienstleistungsrichtline (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID)1 notwendig. Neben dieser Regelung wurde gleichzeitig die Durchführungsrichtlinie der Kommission zur MiFID umgesetzt.2 Die Markt- und Finanzdienstleistungsrichtlinie stellt das Grundgesetz des europäischen Finanzmarktrechts dar, welches die veraltete Wertpapierdienstleistungsrichtlinie3 ersetzt und inhaltlich wesentlich umgestaltet und erweitert. Die Neuerungen betreffen insbesondere den Anwendungsbereich, Transparenzanforderungen für Handelsplattformen und die rechtlichen Grundlagen zur Ausführung von Wertpapiergeschäften. Darüber hinaus hat das FRUG das Börsengesetz völlig neu gefasst. Mit dieser Neufassung hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die bis dahin geltende Trennung zwischen amtlichem und geregeltem Markt abzuschaffen und eine einheitliche Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel zu regeln (sog. regulierter Markt). Ebenso ist die Zulassungsstelle als Börsenorgan weggefallen. Stattdessen sieht die aktuelle Fassung nur noch vier Börsenorgane vor: den Börsenrat, die Börsengeschäftsführung, die Handelsüberwachungsstelle und den Sanktionsausschuss (vgl. § 3 Absatz 1 Satz 2 BörsG). Durch die Abschaffung der Zulassungsstelle als eigenständiges Börsenorgan obliegt nun die Aufgabe der Zulassungsstelle der Börsengeschäftsführung. Mit diesem Schritt beabsichtigte der Gesetzgeber, die Börsen aufgrund der Internationalisierung und Globalisierung der Finanzmärkte flexibler und wettbewerbsfähiger zu gestalten.4 In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich über die Organisationsstruktur des deutschen Börsenwesens klar zu werden. Das deutsche Börsenwesen ist durch ein duales System geprägt. Es muss zwischen zwei Rechtssubjekten unterschieden werden. Auf der einen Seite steht der Börsenträger, der mit Erlangung einer schriftlichen Erlaubnis seitens der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes (§ 4 BörsG) mit der Führung des Betriebs der Börse beauftragt wird.5 Dabei beschränken sich die vom Börsenträger zu erbringenden Leistungen auf die erforderliche Ausstattung des Börsenbetriebes, die ausdrücklich durch § 5 Abs. 1 BörsG bestimmt wird. Auf der ← 15 | 16 → anderen Seite existiert die Börse, die für eine ordnungsmäßige Durchführung des Börsenhandels verantwortlich ist. Sie ist also der tatsächliche Marktveranstalter. Soweit die einzelnen Betriebspflichten zum Verantwortungsbereich der Börse gehören, weist das BörsG diese Pflichten verschiedenen Organen der Börse zu. Da die Börse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts6 selbst nicht handlungsfähig ist, bedarf sie somit der für sie handelnden Organe. Hierunter sind rechtlich geschaffene Einrichtungen der Verwaltungsträger zu verstehen, die deren Zuständigkeit wahrzunehmen haben.7 Die für die Organbildung notwendigen personellen Ressourcen werden dabei vom Börsenträger im Rahmen seiner Betriebspflicht zur Verfügung gestellt, indem er das Personal der Börse unter Vertrag nimmt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG). An diesem Punkt knüpft die vorliegende Arbeit an und geht der noch wenig diskutierten Frage nach, welche Rechtsstellung die für die Börse tätigen, beim Börsenträger Beschäftigten inne haben.


1 Richtline vom 21.04.2004, abgedruckt in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennz. 925.

2 Richtlinie vom 10.08.2006, abgedruckt in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kennz. 925/2.

3 Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. L Nr. 141 v. 11.06.1993, S. 27.

4 Kerkloh, Börsen-Zeitung v. 11.01.2007, S. 19.

5 BT-Drs. 14/8017, S. 72.

6 Die Rechtsnatur der Börsen war seit jeher umstritten. Der Gesetzgeber bestimmte in der amtlichen Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz die Börsen als unselbständige Anstalten des öffentlichen Rechts, BT-Drs. 14/8017, S. 72. Seit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz enthält die Neufassung in § 2 Abs. 1 BörsG zum ersten Mal eine Legaldefinition des Börsenbegriffs. Darin werden die Börsen als teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bestimmt. Damit hat der Streit an Bedeutung verloren. Allgemein zum früheren Diskussionsstand siehe Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, S. 52 ff.; Beck in: Schwark/Zimmer, 4. Auflage, § 2 BörsG Rn. 33 ff. m. w. N.

7 Kümpel in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennz. 060, S. 101 Rn. 281; Beck in: Schwark/Zimmer, § 2 BörsG Rn. 37; Burgi, WM 2009, 2337, 2338.

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B.   Darstellung der Problematik und Gang der Untersuchung

I.   Darstellung der Problematik unter Bestimmung des relevanten Personenkreises

Mit der Rechtsstellung der Börsenbeschäftigten haben sich bisher weder die Rechtsprechung noch die Literatur auseinandergesetzt. Bevor auf die in Betracht kommenden Konfliktsituationen eingegangen wird, ist der einschlägige Personenkreis dieser Abhandlung zu ermitteln. Hierbei ist zwischen den Mitgliedern der Börsenorgane und den übrigen Beschäftigten zu differenzieren. Nicht jeder, der für die Börse tätig ist, hat zugleich ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Börsenträger. Da das deutsche Börsensystem vier Börsenorgane kennt, muss zunächst der Frage nachgegangen werden, welches Personal davon beim Börsenträger beschäftigt ist.

1.   Börsenrat

a)   Historische Entwicklung und Aufgaben des Börsenrats

Als oberstes Börsenorgan ist an jeder Wertpapierbörse8 der Börsenrat einzurichten (§§ 12 BörsG, 4 Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (BörsO FWB)). Dieses Gremium steht im Mittelpunkt der Börsenorganisation. Nach früherem Recht fungierte der sogenannte Börsenvorstand als umfassend zuständiges Organ. Im Zuge des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes9 erfolgte eine tiefgreifende Änderung der inneren Börsenorganisationsstruktur. Danach wurde der Börsenvorstand zum Börsenrat umbenannt, welcher seit dieser Gesetzesnovelle insbesondere Kontrollaufgaben wahrnimmt. Der Gesetzgeber sah sich hier aufgrund zunehmenden nationalen und internationalen Wettbewerbs veranlasst, die alte Leitungsstruktur durch ein neues, leistungsfähigeres Management zu ersetzen. Deshalb orientiert sich die geltende Organisationsstruktur an dem aktienrechtlichen Modell.10 Allerdings ← 17 | 18 → fallen auf den zweiten Blick Unterschiede zu den Organen einer Aktiengesellschaft ins Auge. Der Börsenrat ist zwar dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nachgebildet, aber es kommt ihm prinzipiell eine stärkere Stellung zu. Darüber hinaus kennt die Börse als Anstalt keine Hauptversammlung.11 Nach §§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BörsG, 4 Abs. Nr. 1 BörsO FWB besitzt der Börsenrat die Zuständigkeit zum Erlass der Börsenordnung. Ihm steht damit eine Rechtssetzungs- und Grundlagenkompetenz zu. Mit Erlass der Geschäftsbedingungen sowie der Gebührenordnung übt er zusätzliche Kompetenzen aus, die normalerweise in den Aufgabenbereich einer Geschäftsführung fallen. Darüber hinaus ist er für die Bestellung und Abberufung der Börsengeschäftsführung zuständig (vgl. §§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BörsG, 4 Abs. 1 Nr. 6 BörsO FWB). Neben diesen wichtigen Aufgaben wirkt der Börsenrat auch bei anderen grundlegenden Maßnahmen mit, die die Organisation oder den Betrieb der Börse betreffen. Er ist auch für den Erlass einer Geschäftsordnung der Börsengeschäftsführung zuständig (vgl. §§ 12 Abs. 2 Nr. 4 BörsG, 4 Abs. 1 Nr. 8 BörsO FWB). Im Vergleich zum aktienrechtlichen Modell stellt diese Befugnis eine Abweichung von § 77 Absatz 2 AktG dar. Grundsätzlich erlässt der Vorstand einer Aktiengesellschaft seine Geschäftsordnung selbst, es sei denn, die Satzung überträgt den Erlass der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat oder der Aufsichtsrat erlässt die Geschäftsordnung für den Vorstand. Hinsichtlich der Überwachung der Geschäftsführung (§§ 12 Abs. 2 Nr. 3 BörsG, 4 Abs. 1 Nr. 7 BörsO FWB) ist dieser Aufgabenbereich dagegen mit dem des Aufsichtsrates vergleichbar. Der Gesetzgeber hat also bei der Änderung der Leitungsstruktur das aktienrechtliche Modell als Vorbild zugrunde gelegt, dieses jedoch nicht komplett auf das deutsche Börsenorganisationsrecht übertragen. Die dem ehemaligen Börsenvorstand zugewiesenen Leitungsfunktionen wurden damit dem Börsenrat genommen und alle allgemeinen Leitungskompetenzen der Börsengeschäftsführung zugeordnet.

b)   Zusammensetzung

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BörsG setzt sich der Börsenrat aus höchstens 24 Mitgliedern zusammen. Im früheren Börsenvorstand gab es einen sehr großen Einfluss der Börsenratsmitglieder aus der Kreditwirtschaft. An manchen Börsen waren Emittenten und Anleger nur vereinzelt oder gar nicht vertreten. Mit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz hat der Gesetzgeber den Einfluss der am Börsenhandel unmittelbar oder mittelbar Beteiligten gestärkt. Weil das Geschehen an der Börse nicht nur die am Börsenhandel zugelassenen Unternehmen betrifft, sondern auch den Kreis der Emittenten, Privatanleger und institutionellen Anleger, sollten nach der Intention des Gesetzgebers diese Beteiligten auch im Börsenrat repräsentiert sein.12 Nach ← 18 | 19 → geltender Gesetzeslage müssen nunmehr die zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Kreditinstitute einschließlich der Wertpapierhandelsbanken, ferner die zugelassenen Finanzdienstleistungsinstitute und sonstigen zugelassenen Unternehmen, die Skontroführer, die Versicherungsunternehmen, andere Emittenten solcher Wertpapiere, die zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Kapitalanlagegesellschaften sowie die Anleger im Börsenrat vertreten sein. Durch die Aufnahme von Mitgliedern aus sämtlichen genannten Kreisen können bedeutende Problemstellungen, z. B. die Entscheidung darüber, wer die finanzielle Last im Zusammenhang mit der Fortentwicklung des Börsenbetriebs zu tragen hat, interessengerecht bewältigt werden. Der gesetzgeberische Wille hat damit Eingang ins Gesetz gefunden und ist seitdem für die Zusammensetzung des Börsenrates obligatorisch.

c)   Rechtsnatur des Börsenrates

Als Organ der Börse und damit Organ eines Trägers öffentlicher Verwaltung kann der Börsenrat konkrete Rechtshandlungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts vornehmen, weshalb er Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne ist (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG).13 Dass der Börsenrat keinem rechtsfähigen Behördenträger zugeordnet werden kann, ist nicht von entscheidender Bedeutung, denn der verwaltungsrechtliche Behördenbegriff kann unmittelbar auch auf selbständige Verwaltungseinheiten, die – wie die Börse – teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind, angewendet werden, wenn die Außenwirkung der Einrichtung als entscheidende Voraussetzung einer Behörde gegeben ist.14 Allerdings ist die rechtliche Außenwirkung der Maßnahmen, die vom heutigen Börsenrat ausgehen, deutlich eingeschränkt, weil dieser erheblich weniger Kompetenzen im Vergleich zum ehemaligen Börsenvorstand besitzt.15 Darüber hinaus fehlt dem Börsenrat als Behörde die Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.16 Er ist also weder fähig, grundsätzlich die Börse in einem Prozessverfahren gerichtlich zu vertreten, noch ist er in der Lage, Eigentum für die Börse zu erwerben. Einzige Ausnahme bildet die prozessuale Vertretung der Börse hinsichtlich gerichtlicher Auseinandersetzung mit der Börsengeschäftsführung. Hierauf wird zurückzukommen sein. ← 19 | 20 →

d)   Rechtsverhältnis zum Börsenträger und Haftung

Da sich der Börsenrat aus verschiedenen Interessengruppen zusammensetzt, drängt sich die Frage in den Vordergrund, in welchem Rechtsverhältnis die Mitglieder des Börsenrates zum Börsenträger stehen. Um diese Frage zu beantworten, muss man sich das Haftungsregime der Börsenratsmitglieder vergegenwärtigen. Ausgangspunkt ist hier zunächst die Stellung des Börsenrats als Behörde. Wie bereits ausgeführt handelt der Börsenrat in Ausübung seiner ihm vom Staat übertragenen Hoheitsrechte. Die Betrauung mit der Ausübung öffentlicher Gewalt macht die Mitglieder des Börsenrats zu Beamten im haftungsrechtlichen Sinne des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Danach trifft die Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Dass der Börsenrat in keinem eigentlichen Dienstverhältnis zum Staat oder einem anderen Träger öffentlicher Verwaltung steht, schließt die rechtliche Qualifikation seiner Mitglieder als Beamte im Sinne dieser Vorschriften nicht aus. Vielmehr reicht es aus, dass der Beamte im haftungsrechtlichen Sinne mit der Ausübung öffentlicher Gewalt betraut ist und eine hoheitliche Tätigkeit ausübt.17 Nach Art. 34 GG ist das Haftungssubjekt entweder das Land oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte im haftungsrechtlichen Sinne steht. Nach § 12 Abs. 5 BörsG wirkt der Staat bei der Bestellung des Börsenrats mit, indem die jeweilige Börsenaufsichtsbehörde mit Genehmigung einer neuen Börse einen vorläufigen Börsenrat bestellt. Die Amtszeit des vorläufigen Börsenrats beträgt höchstens ein Jahr, da nach § 13 Abs. 1 BörsG der Börsenrat von den in §12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 genannten Gruppen zu wählen ist. Mit der Wahl des neuen Börsenrats beschränkt sich die Mitwirkung des Staates sodann auf eine bloße Rechtsaufsicht. Die Mitglieder des Börsenrats stehen aber weder zur Börse selbst noch zum Börsenträger in einem Anstellungsverhältnis.18 Obwohl die Börse von einem beliehenen Börsenträger als öffentlich-rechtliche Einrichtung betrieben wird, ist der Börsenträger nicht das richtige haftungsrechtliche Zuordnungssubjekt. Vielmehr haftet das Bundesland für Amtspflichtverletzungen des Börsenrats, weil das Land den Börsenrat kraft Gesetzes mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet hat. Allerdings soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Staatshaftung Dritten gegenüber generell ausgeschlossen sein, weil der Börsenrat seine Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrnimmt (vgl. § 12 Abs. 6 BörsG).19 Auch wenn die Börsenratsmitglieder weder zur Börse noch zum Börsenträger in einem Anstellungsverhältnis stehen, haben sie dennoch eine öffentlich-rechtliche Funktion. Die 24 Mitglieder, die aus den in § 12 Abs. 1 BörsG ← 20 | 21 → genannten Gruppen in den Börsenrat gewählt werden, nehmen eine ehrenamtliche Tätigkeit an der Börse wahr.20 Die Mitglieder sind folglich in ihrer Stellung als Organ der Börse und damit als Teil der Börsenselbstverwaltung unentgeltlich tätig.21 Da zwischen dem Börsenträger und den Börsenratsmitgliedern kein Beschäftigungsverhältnis besteht, ist im Ergebnis daher festzustellen, dass dieser Personenkreis nicht zum Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit gehört.

2.   Börsengeschäftsführung

a)   Allgemeines

An jeder Wertpapierbörse ist ein Börsenorgan einzurichten, welches die allgemeinen Leitungsfunktionen, die der tägliche Betrieb der Börse mit sich bringt, übernehmen soll. Gemäß §§ 15 BörsG, 7 BörsO FWB obliegt die Leitung der Börse der Geschäftsführung. Seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz ist sie nunmehr das für die laufenden Angelegenheiten zuständige Verwaltungsorgan. Vor dem Inkrafttreten ← 21 | 22 → dieses Gesetzes wurde jene Funktion von dem jetzigen Börsenrat ausgeübt. Dieser hatte die grundlegenden Entscheidungen über die Geschäftspolitik der jeweiligen Börse zu treffen. Da der Börsenvorstand seine Tätigkeit nicht hauptberuflich wahrgenommen hatte, bedurfte er für die laufende Geschäftsführung einer Unterstützung. Daher wurde die Börsengeschäftsführung mit den laufenden Leitungsaufgaben betraut. Mit der Novelle zum BörsG 1989 hat die Börsengeschäftsführung auch erstmals Eingang in das Gesetz gefunden. Die Geschäftsführer waren nunmehr nicht mehr Angestellte des Börsenvorstandes, sondern bildeten ein selbständiges Börsenorgan.22 Die Geschäftsführung, die jetzt die Börse in eigener Verantwortung leitet (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 BörsG, 7 Abs. 1 Satz 1 BörsO FWB), ist im Gegensatz zum Börsenrat hauptberuflich tätig.23

b)   Rechtsverhältnis zum Börsenträger

Nachdem vorstehend festgestellt worden ist, dass die Mitglieder der Börsenleitung hauptberuflich tätig sind, ist in einem weiteren Schritt ihr Verhältnis zum Börsenträger zu klären. Weil der Börsenträger nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG der Börse die erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel der Börse zur Verfügung stellen muss, werden demnach die für die Börse handelnden Mitarbeiter von ihm unter Vertrag genommen. Für die Geschäftsführung kann nichts anderes gelten. Als leitendes Börsenorgan, welches für den inneren Betriebsablauf zuständig und damit für eine ordnungsgemäße Marktveranstaltung verantwortlich ist, sind dessen Organmitglieder somit für die Börse tätig. Demzufolge werden die Anstellungsverträge mit dem Börsenträger geschlossen.24 Da die Börsengeschäftsführer in einem Beschäftigungsverhältnis zum Börsenträger stehen, wird Ziel der vorliegenden Arbeit sein, ihre Rechtsstellung innerhalb des Börsensystems herauszuarbeiten und auf mögliche Interessenkonflikte einzugehen, welche sich aus ihrer Stellung heraus ergeben könnten.

3.   Handelsüberwachungsstelle

a)   Entstehungsgeschichte

Im Zuge des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes wurde die Rechtsgrundlage für die staatliche Marktaufsicht geschaffen. Zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland sah sich der deutsche Gesetzgeber gefordert, die bisherige Beaufsichtigung des Börsenhandels zu einer effizienten Marktaufsicht über den gesamten Wertpapierhandel auszubauen.25 Im Vorfeld des ← 22 | 23 → Gesetzgebungsverfahrens gab es Diskussionen darüber, ob der Staat oder die Börsen selbst die Marktaufsicht über den Börsenhandel ausüben sollten. Letztendlich ist der Gesetzgeber dem Wunsch der Börsen nachgekommen, indem er ihnen die Möglichkeit eingeräumt hat, den Börsenhandel und die Geschäftsabwicklung eigenverantwortlich zu überwachen. Nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 BörsG, 11 BörsO FWB ist nunmehr die Börse verpflichtet, eine Handelsüberwachungsstelle als eigene, ihrem Geschäftsbetrieb angemessene Überwachungsorganisation einzurichten und zu betreiben. Die Handelsüberwachungsstelle stellt damit ein selbständiges Organ dar, wobei ihre Organisation als Organ ihre Selbständigkeit und Selbstverantwortung für transparente und attraktive Märkte klarer zum Ausdruck bringen soll.26 Dem Gesetzeswortlaut nach liegt dabei die Pflicht zur Einrichtung der Handelsüberwachungsstelle nicht beim Börsenträger, sondern bei der Börse als öffentlich-rechtlicher Anstalt.27 Da dieses Börsenorgan eigenverantwortlich das Tagesgeschäft an der Börse kontrollieren soll, ist die Marktaufsicht mithin als wesentlicher Teil der den Börsen im Rahmen der Selbstverwaltung zugewiesenen Aufgaben anzusehen.28

Details

Seiten
260
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631702901
ISBN (PDF)
9783653068856
ISBN (MOBI)
9783631702918
ISBN (Hardcover)
9783631674413
DOI
10.3726/978-3-653-06885-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Januar)
Schlagworte
Rechtsfähigkeit Drittanstellung Börsenorganmitglieder Börsenorganmitglieder Personenidentität Bestellung Abberufung
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 260 S.

Biographische Angaben

Heinrich Eva (Autor:in)

Heinrich Eva schloss das Studium der Rechtswissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen ab, wo er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Deutsches und Europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht tätig war. Seine Schwerpunkte sind Bankrecht und Prozessführung.

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Titel: Die Rechtsstellung der für die Börse tätigen Personen
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