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Schiedsrichtermanipulationen aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht

von Eva-Maria Hoyler (Autor:in)
©2017 Dissertation XIV, 250 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin untersucht die Strafbarkeit von Schiedsrichtermanipulationen aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht. Dabei konzentriert sie sich zunächst auf die Vermögensdelikte Betrug und Untreue und anschließend auf den Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Im Rahmen der Subsumtion unter die Vermögensdelikte erweist sich nahezu jedes Tatbestandsmerkmal als problematisch. Betrug und Untreue sind nur im Einzelfall geeignet, Schiedsrichtermanipulationen zu erfassen. Der Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist hingegen de lege lata insgesamt ungeeignet, Schiedsrichtermanipulationen zu sanktionieren. Dies legt die Autorin anhand einer umfassenden Tatbestandsauslegung dar.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • § 1 Einführung und Problemaufriss
  • A. Untersuchungsgegenstand
  • B. Erkenntnisziel, methodischer Ansatz und Gang der Untersuchung
  • C. Schilderung einer typischen Fallgestaltung
  • § 2 Manipulation von Schiedsrichtern im Lichte des Betrugstatbestandes
  • A. Betrugsrechtliche Beurteilung von Schiedsrichtermanipulationen durch Geschäftsführer von Sportvereinen
  • I. Tathandlung: Täuschung über Tatsachen
  • 1. Täuschung gegenüber dem (Vertreter des) ausrichtenden Verband(es)
  • a) Erster Anknüpfungspunkt: Die Zuwendungsgewährung
  • b) Zweiter Anknüpfungspunkt: Die Meldung der Mannschaft
  • aa) Relevanz der Fallgruppenbildung in rechtlicher sowie phänomenologischer Hinsicht
  • bb) Im Meldungszeitpunkt bereits erfolgte Zuwendungsgewährung
  • (1) Der Täuschungsgegenstand
  • (2) Das Täuschungsverhalten
  • (a) Ausdrückliche Täuschung im Meldungszeitpunkt
  • (b) Vorliegen einer konkludenten Täuschung im Meldungszeitpunkt
  • (aa) Notwendigkeit eines Erklärungswertes
  • (bb) Die Ermittlung des Erklärungswertes des Täterverhaltens
  • (aaa) Erster Erklärungswert: Erfüllungswilligkeit und Erfüllungsfähigkeit
  • (bbb) Zweiter Erklärungswert: Keine Manipulation des Vertragsgegenstandes
  • (ccc) Dritter Erklärungswert: Keine Manipulation der Geschäftsgrundlage
  • (cc) Der Topos der Vermögensrelevanz
  • (dd) Zwischenergebnis zur konkludenten Täuschung im Meldungszeitpunkt
  • (3) Ergebnis zur Täuschung im Meldungszeitpunkt
  • c) Dritter Anknüpfungspunkt: Das Antreten-Lassen zum Spiel
  • aa) Konkludente Täuschung durch Antreten-Lassen
  • bb) Täuschung durch Unterlassen durch Antreten-Lassen zum Spiel
  • (1) Die Garantenstellung aus vertraglicher bzw. tatsächlicher Übernahme
  • (2) Die Garantenstellung aus Ingerenz
  • cc) Ergebnis zur Täuschung beim Antreten-Lassen
  • d) Vierter Anknüpfungspunkt: Die Gegenzeichnung des Spielberichtsbogens
  • e) Fünfter Anknüpfungspunkt: Die Entgegennahme des Antrittsgeldes
  • f) Ergebnis zur Täuschung des (Vertreters des) ausrichtenden Verbands
  • 2. Täuschung gegenüber dem (Vertreter des) Preisspender(s)
  • a) Erster Anknüpfungspunkt: Die Meldung der Mannschaft
  • b) Zweiter Anknüpfungspunkt: Das Antreten-Lassen
  • c) Dritter Anknüpfungspunkt: Die Entgegennahme der Prämie
  • d) Ergebnis zur Täuschung des (Vertreters des) Preisspenders
  • 3. Täuschung gegenüber dem (Vertreter des) gegnerischen Verein(s)
  • 4. Zusammenfassung zur Tathandlung
  • II. Irrtum
  • 1. Vorliegen eines Irrtums
  • 2. Kausalität der Täuschung für den Irrtum
  • 3. Zusammenfassung zum Irrtum
  • III. Vermögensverfügung und Vermögensschaden
  • 1. Verfügungsbedingte Vermögensschädigung des ausrichtenden Verbandes
  • a) Vermögensverfügungsbedingter Vermögensschaden durch Eingehung des Teilnahmevertrages
  • aa) Vorbemerkungen zu Vermögensverfügung und Vermögensschaden beim Eingehungsbetrug
  • bb) Eingehungsbetrug durch Abschluss des Teilnahmevertrages
  • b) Vermögensverfügungsbedingter Vermögensschaden durch Auszahlung des Antrittsgeldes
  • aa) Verfügungsbedingter Vermögensschaden
  • (1) Exkurs: Zivilrechtliche Folgen einer kausalen Manipulation
  • (2) Exkurs: Zivilrechtliche Folgen der non-kausalen und erfolglosen Manipulation
  • (3) Konsequenz der zivilrechtlichen Rechtslage für das Vorliegen eines Vermögensschadens durch Auszahlung des Antrittsgeldes
  • bb) Kausalität des Irrtums für die Vermögensverfügung (Antrittsgeld-Zahlung)
  • cc) Zwischenergebnis
  • c) Verfügungsbedingter Vermögensschaden durch Unterlassen verbandsrechtlicher Handlungsmöglichkeiten
  • d) Ergebnis zur verfügungsbedingten Vermögensschädigung des ausrichtenden Verbandes
  • 2. Verfügungsbedingte Vermögensschädigung des Preisspenders
  • a) Unanwendbarkeit der Grundsätze zum Eingehungsund Erfüllungsbetrug sowie der Hoyzer-Rechtsprechung
  • b) Verfügungsbedingter Vermögensschaden durch Auszahlung der Gewinnprämie
  • aa) Sportwettbewerb als Auslobung i. S. v. § 657 BGB
  • bb) Sportwettbewerb als Preisausschreiben i. S. v. § 661 BGB
  • cc) Stellungnahme zur rechtlichen Einordnung eines Sportwettbewerbs und Folge für den Betrugstatbestand
  • c) Keine Schadensbegründung wegen Verfehlung des verfolgten sozialen Zwecks
  • d) Ergebnis zur verfügungsbedingten Vermögensschädigung des Preisspenders
  • 3. Verfügungsbedingte Vermögensschädigung des gegnerischen Vereins
  • 4. Zusammenfassung zum verfügungsbedingten Vermögensschaden
  • IV. Die erstrebte (Eigen- oder Dritt-) Bereicherung
  • 1. Vorab: Erstreben eines Vermögenvorteils
  • 2. Erstrebte Vermögenvorteile
  • 3. Zusammenfassung zur erstrebten Bereicherung
  • B. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Betrugstatbestand
  • § 3 Manipulation von Schiedsrichtern im Lichte des Untreuetatbestandes
  • A. Untreuerechtliche Beurteilung von Schiedsrichtermanipulationen durch Geschäftsführer von Sportvereinen
  • I. Die Pflichtverletzung
  • 1. Die Gewährung von Vereinsgeldern als Befugnismissbrauch
  • 2. Die Gewährung von Vereinsgeldern als Treubruch
  • a) Primärrechtliche Pflichtwidrigkeit der Geldgewährung
  • b) Strafrechtliche Pflichtwidrigkeit der Geldgewährung
  • aa) Der Einwand der Sozialadäquanz
  • bb) Die Irrelevanz der Risikogeschäftslehre
  • cc) Der Topos der „Vermögensrelevanz der Pflichtverletzung“
  • (1) Darstellung des theoretischen Fundaments
  • (2) Übertragung der Grundsätze auf Sachverhalte des Profisports
  • (3) Übertragung der Grundsätze auf Manipulationen im Profisport unter Einbeziehung des Bundesligaskandal-Urteils des BGH
  • (4) Zwischenergebnis zum Topos der Vermögensrelevanz
  • c) Ergebnis zum Vorliegen eines Treubruchs durch Geldgewährung
  • 3. Die Gewährung von Schmiergeldern über Mittelsmänner als Errichtung einer sog. schwarzen Kasse
  • 4. Zusammenfassung zur Pflichtverletzung
  • II. Der Vermögensnachteil: zur Kompensation von Vermögensabflüssen durch Exspektanzen
  • 1. Der Zusammenhang zwischen der Kompensationstauglichkeit von Exspektanzen und der Risikogeschäftslehre
  • 2. Vorliegen einer Exspektanz
  • a) Kompensation auch durch Exspektanzen aus rechtlich missbilligten Geschäften
  • b) Die Exspektanz, das entscheidende Spiel zu gewinnen
  • c) Die Exspektanz, Mehreinnahmen zu erzielen
  • aa) Vorab: Einzelfallabhängigkeit der Betrachtung
  • bb) Arten von Mehreinnahmen
  • cc) Zwischenergebnis zum Vorliegen einer Exspektanz
  • d) Bewertung des kompensationstauglichen Vermögenszuflusses
  • 3. Zusammenfassung zum Vermögensnachteil
  • III. Hinweise zum subjektiven Tatbestand
  • B. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Untreuetatbestand
  • § 4 Manipulation von Schiedsrichtern im Profisport im Lichte des Tatbestandes der Bestechung im geschäftlichen Verkehr
  • A. Konturierung und Implikationen des tatbestandlich relevanten Wettbewerbsbegriffs
  • I. „Im Wettbewerb“ bzw. „zu Zwecken des Wettbewerbs“
  • 1. Die Ermittlung des tatbestandlich relevanten Wettbewerbsbegriffs durch Auslegung
  • a) Wortlautauslegung
  • b) Systematische Auslegung
  • c) Historische Auslegung
  • d) Teleologische Auslegung
  • e) Zusammenfassung: Tatbestandsrelevanz nur wirtschaftlichen Wettbewerbs
  • 2. Die Handhabung von Schiedsrichtermanipulationsfällen vor dem Hintergrund von Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Verwobenheit sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerbs im Profisport
  • a) Einführung in die Problemstellung
  • b) Weite Betrachtungsweise: Anwendbarkeit des § 299 StGB infolge Identität von wirtschaftlichem und sportlichem Wettbewerb?
  • aa) Parallelgedanken sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerbs
  • bb) Unüberbrückbare Unterschiede zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Wettbewerb
  • (1) Start und Ausgangsbedingungen, Ende des Wettbewerbs
  • (2) Organisation
  • (3) Parameter der Leistungsmessung
  • (4) Funktionsweise des Wettbewerbs, Ablauf in der Realität
  • (5) Horizontal- und Vertikalverhältnis
  • (a) Betrachtung des Vertikalverhältnisses
  • (b) Betrachtung des Horizontalverhältnisses
  • (c) Das Zusammenspiel von Vertikal- und Horizontalverhältnis
  • cc) Zusammenfassung: Keine Identität der Wettbewerbsausprägungen
  • c) Weite Betrachtungsweise: Anwendbarkeit des § 299 StGB infolge enger Verwobenheit sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerbs im Profisport?
  • d) Enge Betrachtungsweise: Anwendbarkeit des § 299 StGB nur bei unmittelbarer Betroffenheit gerade wirtschaftlichen Wettbewerbs
  • aa) Stützung des Unmittelbarkeitsgedankens
  • bb) Trennung auch in der Lebens- und Rechtswirklichkeit
  • cc) Ähnliche Trennungsgedanken auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur
  • dd) Erzielung sachgerechter Ergebnisse
  • e) Zusammenfassung zur Handhabung von Schiedsrichtermanipulationsfällen
  • 3. Zusammenfassung zur Konturierung und zu Implikationen des tatbestandlich relevanten Wettbewerbsbegriffs
  • II. Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes
  • 1. Der Schiedsrichter als „Angestellter“ oder „Beauftragter“
  • a) Der Schiedsrichter als „Angestellter“?
  • b) Der Schiedsrichter als „Beauftragter“ des den Wettkampf ausrichtenden Verbandes
  • aa) „Beauftragter“ auch der Sportvereine?
  • bb) Kein „Beauftragter“, da „Betriebsinhaber“ bzw. „eigene Wirtschaftsstufe“?
  • cc) Kein „Beauftragter“ wegen Verfolgung eines Gemeininteresses?
  • c) Zusammenfassung zur Stellung als „Beauftragter“
  • 2. Der Prinzipal des Schiedsrichters als „geschäftlicher Betrieb“
  • a) Im weiteren Sinne dichotome Betriebe als „geschäftlicher Betrieb“?
  • aa) Begriffskonturierung durch Negativ-Abgrenzungen
  • bb) Begriffskonturierung durch Positivdefinition
  • (1) Irrelevanz der Gewinnerzielungsabsicht
  • (2) „Teilnahme am Wirtschaftsleben“ nur bei „Tätigkeit nach den Grundsätzen eines Erwerbsgeschäfts“
  • (a) Exkurs: Beleuchtung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge
  • (b) Tätigkeit einer Organisatorin nach „Grundsätzen eines Erwerbsgeschäfts“?
  • (aa) Handlungs-„Entscheidung“ des Betriebes?
  • (bb) „Ökonomische“ Handlungsentscheidung des Betriebes?
  • (c) Zwischenergebnis zur Tätigkeit einer Organisatorin
  • cc) Ergebnis: Organisatorin eines im weiteren Sinne dichotomen Betriebes kein geschäftlicher Betrieb
  • b) Im engeren Sinne dichotome Betriebe als „geschäftliche Betriebe“?
  • aa) Weite, sog. generalisierende Betrachtungsweise?
  • bb) Enge, sog. sektorielle Betrachtungsweise
  • cc) Ergebnis: Im engeren Sinne dichotomer Betrieb kein geschäftlicher Betrieb
  • c) Zusammenfassung zur Einordnung von Sportverbänden als „geschäftliche Betriebe“ im Sinne des § 299 StGB
  • III. Vornahme der Tathandlung „im geschäftlichen Verkehr“
  • IV. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Konturierung und Implikationen des tatbestandlich relevanten Wettbewerbsbegriffs
  • B. Das auf Schiedsrichtermanipulationen unpassende Beziehungsgeflecht des § 299 StGB
  • I. Bezug von „Waren“ oder „gewerblichen Leistungen“?
  • 1. Pokale, Medaillen und Preisgelder
  • 2. Die „Teilnahmemöglichkeit“ an einem sportlichen Wettkampf
  • 3. Der „Sieg“ in einem Wettkampf
  • 4. Zusammenfassung: Fehlende Handelbarkeit
  • II. Die Bezugsparteien und Bezugsströme
  • 1. Die Spielleitungsleistung des Schiedsrichters
  • 2. Pokale, Medaillen
  • 3. Zusammenfassung zu Bezugsparteien und Bezugsströmen
  • III. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Problemkreis des Beziehungsgeflechts
  • C. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Strafbarkeit wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr
  • § 5 Zusammenfassung und Ausblick
  • Literaturverzeichnis

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Vorwort

Die ersten Worte dieser Danksagung gelten meinem Doktorvater Professor Erich Samson. Seine beeindruckende Persönlichkeit war es, die mich dazu bewog, im Wirtschaftsstrafrecht zu promovieren. Wer ihn erlebt hat, weiß um die Sogwirkung, die er auf sein Umfeld ausübte. Professor Samson begleitete die Entstehung der Arbeit durch wertvolle Anregungen, bereichernde Streitgespräche und kritische Hinweise. Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, bei und von ihm gelernt zu haben.

Nach dem Scheiden meines Doktorvaters im Juni 2014 übernahmen Professor Thomas Rönnau und Professor Karsten Gaede die Begutachtung mit einer Selbstverständlichkeit, die mich mit großer Dankbarkeit erfüllte. Sie ermöglichten, dass die Abhandlung als Dissertation an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – angenommen wurde und das Promotionsverfahren mit der mündlichen Prüfung am 21. Oktober 2015 seinen Abschluss fand.

Mein größter Dank gilt aber meinen Eltern. Sie eröffneten mir unentwegt die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und für mich zu entdecken. Ihre Liebe und ihr grenzenloses Vertrauen haben mich beflügelt, jedes meiner Ziele mit Verve anzugehen. Mit ihrer Weltoffenheit und Toleranz waren und sind sie mir Vorbilder.

Mein Vater hat jeden meiner Schritte wachsam mitverfolgt und liebevoll begleitet. So auch die Einreichung der vorliegenden Arbeit, deren endgültige Fassung er leider nie in Händen wird halten können. Ihm ist die Arbeit gewidmet.

Berlin, im Dezember 2015 ← 1 | 2 →

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§ 1  Einführung und Problemaufriss

Wir schreiben das Jahr 1975. Der Deutsche Fußball-Bund deckt am Anfang des Jahrzehnts den sog. Bundesligaskandal auf, in dessen Verlauf der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Sportvereins D. S. C. Arminia Bielefeld Verlust- und Siegesprämien1 an vereinsfremde Spieler gezahlt hatte, um durch diese Geldzuwendungen die Ergebnisse der sportlichen Wettkämpfe im Sinne „seines“ Vereins zu beeinflussen. Das Landgericht Bielefeld sprach den angeklagten ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Sportvereins D. S. C. Arminia Bielefeld vom Anklagevorwurf strafbarer Untreue frei,2 nachdem drei Jahre zuvor eine Untreuestrafbarkeit von demselben Gericht, wenn auch einer anderen Strafkammer, bejaht wurde.3 Grund für die Neubeurteilung des Falles war eine zwischenzeitlich eingelegte Revision des Angeklagten, die – über eine vollumfängliche Aufhebung des Ersturteils durch den BGH – in eine Zurückverweisung zur Neuverhandlung mündete.4 Ein düsteres Kapitel sporthistorischer Vergangenheit5 wurde geschlossen.

Wir schreiben das Jahr 2005. Der Ex-Fußball-Schiedsrichter Hoyzer gesteht, in dieser Funktion mehrere Spiele, soweit ihm möglich, zu Gunsten der ihm zuvor benannten Mannschaften „verpfiffen“ zu haben; seine Komplizen hatten in Gewinnerwartung auf die entsprechenden Spiele gewettet.6 Das Landgericht Berlin verurteilte Hoyzer wegen Beihilfe zum (Wett-)Betrug.7 Die Verurteilung hatte auch vor dem BGH Bestand.8 Während also in den Siebzigerjahren der Untreuetatbestand in das Visier der strafjustiziellen Aufmerksamkeit gelangte, ← 3 | 4 → stand nunmehr der Betrugstatbestand im Fokus. Ein weiteres düsteres Kapitel sporthistorischer Geschichte.9

Wir schreiben das Jahr 2011. Die Debatte um die Reinheit des Sports entbrennt in einer neuen Facette: Das Landgericht Kiel eröffnet das Hauptverfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer und den ehemaligen Trainer des THW Kiel, welche verdächtigt werden, die Schiedsrichter einer Champions-League-Finalpartie durch Gewährung eines hohen fünfstelligen Betrages aus dem Vereinsvermögen manipuliert zu haben, um diese, soweit ihnen möglich, in kritischen Situationen günstig für „ihre“ Vereinsmannschaft entscheiden zu lassen. Der THW Kiel gewann in der betreffenden Saison das Finale und wurde Champions-League-Sieger. Im Fokus des Landgerichts standen – insoweit wenig überraschend – der Betrugs- und der Untreuetatbestand. Unerwartet kam demgegenüber der Hinweis des Landgerichts Kiel im Zwischenverfahren, eine Strafbarkeit wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) zu erwägen.10 Letztendlich erfolgte im Jahre 2012 mangels zu führenden Tatnachweises ein – mittelweile rechtskräftiger11 – Freispruch der Angeklagten.12 Ein weiteres düsteres Kapitel sporthistorischer Vergangenheit.

Doch wäre statt eines Freispruchs aus tatsächlichen nicht vielmehr ein Freispruch aus Rechtsgründen geboten gewesen? Anliegen der vorliegenden Abhandlung ist es zu untersuchen, inwiefern Schmiergeldgewährungen an Schiedsrichter im Profisport durch Geschäftsführer von Sportvereinen ohne Beteiligung von Wettanbietern wirtschaftsstrafrechtliche Relevanz aufweisen.

A.  Untersuchungsgegenstand

Gegen Manipulationen durch Zuwendungen an Schiedsrichter im Bereich des Profisports mangelt es bis dato an einem spezifischen strafrechtlichen Schutzmechanismus.13 Ausdruck dieses Befundes ist die seitens der Rechtsprechung vorgenommene extensive Auslegung und Anwendung bestehender Strafnormen, insbesondere des Betrugstatbestandes, wie sie etwa im Falle Hoyzer im ← 4 | 5 → Bereich des Täuschungsbegriffs oder unter Rückgriff auf die Konstruktion des Quotenschadens erfolgte.

Der Weg zur Annahme eines Quotenschadens ist jedoch dann abgeschnitten, wenn keine Wettbüros in das Manipulationsgeschehen involviert sind, sondern es allein um die „nackte“ Manipulation des Sportgeschehens durch Tätigung von Zuwendungen an Schiedsrichter geht. Ob in diesen Fällen im Hinblick auf die Vermögensdelikte des Betruges und der Untreue dennoch ein Vermögensschaden vorliegt, ist hochproblematisch: Zu bedenken ist insbesondere, dass mit den manipulationsbedingten Vermögensabflüssen die Aussicht auf nicht unerhebliche Vermögenszuflüsse in Form von Preisgeldern und Einnahmen aus Vermarktungsgeschäften einhergeht.

Sofern sich herausstellt, dass die Vermögensdelikte nicht eingreifen, wird die Beantwortung der Frage nach einer Erfassung des durchaus zu missbilligenden Manipulationsverhaltens durch andere strafrechtliche Vorschriften umso dringlicher. Insofern ist von besonderem Interesse, inwiefern sich der durch das Landgericht Kiel vorgeschlagene Weg einer Pönalisierung derartiger Schiedsrichtermanipulationen durch den Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) als gangbar erweist.

Auf dem Boden des geltenden Rechts ist diesbezüglich die Notwendigkeit zu diagnostizieren, zwischen der Natur des sportlichen Wettbewerbes auf dem Spielfeld bzw. im Stadion – dem fortan sog. sportlichen Wettbewerb – einerseits und dem Wettbewerb außerhalb des Spielfeldes andererseits zu differenzieren: Der sportliche Wettbewerb ist allein an ideellen Werten orientiert. Oberster sport-ethischer Grundsatz ist der sog. Fairnessgedanke.14 Sein Inhalt ist nicht einfach zu konturieren, wobei er am ehesten als „Symbiose aus Chancengleichheit, Vorhersehbarkeit, Ausgewogenheit, Richtigkeit und Gerechtigkeit sportlichen Handelns und sportrechtlicher Maßstäbe“15 zu verstehen ist. Als Sieger soll hervorgehen, wer ehrenhaft und ausschließlich unter natürlichem Leistungseinsatz der Leistungsstärkste ist.

Der Wettbewerb außerhalb des unmittelbaren Sportgeschehens betrifft demgegenüber denjenigen Bereich, der kommerzialisiert ist: Die Kommerzialisierung des Profisports findet ihren Ausdruck nämlich nicht in dem Spielgeschehen auf dem Platz als solchem – dieses unterscheidet sich (abgesehen von der spieltechnischen Qualität) nicht wesentlich vom dem Spiel zwischen Amateuren –; ← 5 | 6 → ihren Ausdruck findet die Kommerzialisierung des Sportes in denjenigen Bereichen, die – quasi als Annex – dem Profisport anhaften: zu denken ist an Werbe-, Sponsorenverträge, Zuschauereinnahmen aus Eintrittskarten- und Fan-Artikel-Verkäufen.16 Der Wettbewerb in diesen (fortan sog.) Annex-Bereichen ist wirtschaftlicher Wettbewerb.

Diese Dichotomie des Wettbewerbs im Profisport – sportlicher Wettbewerb einerseits, wirtschaftlicher Wettbewerb andererseits – ist kein phänomenologisches Gedankenspiel. Zwar sind beide Wettbewerbsformen Ausprägungen ein und desselben realen, in der menschlichen Natur verankerten Phänomens17, welches allgegenwärtig und als „Existenzkampf menschlicher Individuen […] prinzipiell unausrottbar“18 ist. Trotz ihres gemeinsamen Ursprungs in einem derart abstrakt verstandenen allgemeinen Wettbewerb – Rittner bezeichnet ihn plastisch als sog. Fundamentalwettbewerb19 –, bestehen zwischen ihnen dennoch erhebliche – im einzelnen noch aufzuzeigende – Differenzen, die eine Gleichstellung der Wettbewerbsausprägungen verbieten. Schon aus diesem, aber auch aus weiteren noch darzulegenden Gründen wird eine Anwendung des Tatbestandes der Bestechung im geschäftlichen Verkehr20 auf Sachverhaltskonstellationen der vorliegend untersuchten Art ausscheiden müssen.

Die Praktikabilität der Differenzierung zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Wettbewerb mag auf den ersten Blick zweifelhaft erscheinen, besteht doch ein enger Zusammenhang zwischen dem sportlichen und dem wirtschaftlichen Wettbewerb im Profisport, der als sog. Interdependenz-Relation gekennzeichnet werden kann: So sichert etwa ein Sieg in der Champions League höhere Werbeeinnahmen, bessere Sendezeiten und dadurch lukrativere Fernseh- und Radioverträge, steigende Zuschauerzahlen, wachsende Einnahmen aus Fan-Artikel-Verkäufen und lukrativere Sponsorenverträge. Manipuliert der homo sapiens im Bereich des Sports, so zeitigt dieses Verhalten Auswirkungen auf den homo athleticus als Akteur im sportlichen Wettbewerb, zeitigt aber zugleich im ← 6 | 7 → Hinblick auf die finanziellen Folgen auch Auswirkungen auf den homo oeconomicus als Akteur im wirtschaftlichen Wettbewerb. Insofern haben Manipulationen im Profisport – mit Bannenberg – eine „doppelte Angriffsrichtung“:21 sie verändern einerseits die relativen Erfolgschancen der manipulierenden Partei, verdrängen den einzig zulässigen Parameter zur Bemessung sportlicher Leistungsstärke und zerstören die Offenheit des Ausgangs des sportlichen Wettkampfes, sie bescheren dem manipulierenden Verein aber andererseits hohe wirtschaftliche Vorteile. Auf derartige mittelbare finanzielle Folgewirkungen kommt es jedoch – wie noch zu zeigen ist – für § 299 StGB nicht an, soll doch durch die Vorteilsgewährung unmittelbar – und dies ist entscheidend – der sportliche Wettbewerb beeinflusst werden.

Die doppelte Angriffsrichtung von Schiedsrichtermanipulationen im Profisport mag aber de lege ferenda gewinnbringend sein. Die Frage nach der Strafwürdigkeit, der Strafbedürftigkeit und der Effizienz einer spezifischen strafrechtlichen Gegensteuerung bewegt sich im Einzelnen allerdings außerhalb des Erkenntnisbereichs der vorliegenden Abhandlung, verweist sie doch in den Bereich der Rechtspolitik.22

B.  Erkenntnisziel, methodischer Ansatz und Gang der Untersuchung

Die vorliegende Abhandlung unternimmt den Versuch, zu analysieren, inwiefern Manipulationen durch finanzielle Zuwendungen an Schiedsrichter im Profisport durch Strafvorschriften begegnet werden kann, sofern diese sich nicht im Kontext von Sportwetten bewegen. Dabei wird methodisch der eingangs dargelegte, dem Urteil des Landgerichts Kiel zugrunde liegende Sachverhalt zum Ausgangspunkt der theoretischen Problemlösung genommen. Die (sogleich unter C.) folgende Darlegung des konkreten Sachverhalts gestattet eine möglichst praxisnahe Analyse derartiger Manipulationskonstellationen. Überdies ermöglicht der Rückgriff auf einen konkreten Sachverhalt eine bessere Veranschaulichung der abstrakt aufgeworfenen Frage nach der grundsätzlichen Strafbarkeit von Geschäftsführern von Sportvereinen im Profisport durch Einsatz von Vereinsmitteln zu Schiedsrichtermanipulationszwecken. Im Zuge der umfassenden rechtlichen Würdigung (unter ← 7 | 8 → § 2 bis § 4) ist auch auf ausgewählte, geringfügig modifizierte Fallkonstellationen einzugehen.

Während der Blick zunächst (unter § 2 und § 3) auf die Vermögensdelikte des Betruges und der Untreue gelenkt wird, erfolgt anschließend (unter § 4) die Betrachtung des Tatbestandes der Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Diese Beschränkung der betrachteten Delikte erfolgt im Sinne einer Bündelung der Leseraufmerksamkeit auf Tatbestände des Kernstrafrechts. Ausgeklammert werden typische Begleittaten von Korruptionsdelikten, etwa „Buchführungsdelikte“ wie § 331 HGB oder der Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Zudem wird eine etwaige Versuchsstrafbarkeit bewusst ausgeklammert. Im Sinne einer Konzentration der Leseraufmerksamkeit auf die problematische Essenz liegt es auch, wenn allein Fragestellungen nachgegangen wird, die genuin mit den betrachteten Konstellationen der Schiedsrichtermanipulation zusammenhängen. Fragen, die kein Spezifikum derartiger Schiedsrichterbeeinflussungen sind, sondern unter diversen Sachverhalten konstruiert werden können – etwa: Fragen rund um etwaige tatbestandsausschließende Einverständnisse, rechtfertigende Einwilligungen oder Irrtümer –, werden in diesem Sinne bewusst ausgeklammert. In sachlicher Hinsicht werden auch Implikationen auf das nationale Recht außer Betracht gelassen, die sich aus Akten der europäischen Union – etwa dem Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor – ergeben könnten. Die vorliegende Arbeit bewegt sich allein auf dem Boden deutschen Strafrechts. Sie verfolgt auch keinen rechtsvergleichenden Ansatz.

Überdies sind auch in personeller Hinsicht Einschränkungen vorzunehmen, die notwendig sind, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf die zentralen Problemkreise der betrugsstrafrechtlichen Erfassung von Schiedsrichtermanipulationen durch Vereinsfunktionäre zu lenken: Untersucht wird eine Betrugsstrafbarkeit gegenüber und zulasten des ausrichtenden Verbandes, des Preisspenders und des gegnerischen Vereins. Nicht untersucht wird eine etwaige Betrugsstrafbarkeit gegenüber und zulasten nicht unmittelbar an dem genuinen sportlichen Geschehen Beteiligten, etwa gegenüber und zulasten der Zuschauer des manipulierten Spiels oder der Vertragspartner von Vermarktungsverträgen (etwa: Sponsoren) bzw. Verwertungsverträgen (etwa: Fernsehsender).

Ebenfalls nicht beleuchtet wird, inwiefern das Binnenrechtsverhältnis zwischen – einerseits – dem Geschäftsführer und „seinem“ Sportverein sowie – andererseits – zwischen dem Schiedsrichter und seinem Geschäftsherren betrugsstrafrechtlich abgesichert wird, sodass etwa Fragen nach einer Anstiftung des Schiedsrichters nicht behandelt werden. Inwiefern das Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsführer ← 8 | 9 → und seinem Treugeber strafrechtlich abgesichert ist, bildet allein Gegenstand der Ausführungen zum Untreuetatbestand.

Im Einzelnen werden vor allem die jeweils problematischen objektiven Tatbestandsmerkmale einer näheren Betrachtung unterzogen. Für Merkmale des subjektiven Tatbestandes werden hingegen allenfalls abstrakte Leitlinien zur Beurteilung im konkreten Einzelfall vorgegeben: Im Rahmen der vorliegenden abstrakten Abhandlung kann die einzelfallabhängige richterliche Überzeugungsbildung naturgemäß nicht geleistet werden.

Maßstab der vorliegenden Untersuchung ist allein staatliches Recht.23 Lebensweltlich betrachtet werden allein Schiedsrichtermanipulationen in Mannschaftssportarten wie etwa dem (im Fall des Landgerichts Kiel betroffenen) Profi-Handball oder dem Profi-Fußball beleuchtet. Die in diesen Sportarten anzutreffenden Wettbewerbe sind typischerweise internationale Mehrstufenwettbewerbe wie etwa die (im Fall des Landgericht Kiel betroffene) Handball-Champions-League. Rechtlich betrachtet, bestehen mannigfaltige Möglichkeiten, derartige Mehrstufenwettbewerbe zu organisieren und auszurichten. Der vorliegenden Abhandlung ist folgendes rechtliche Umfeld zugrunde gelegt, welches – als Grundfall herangezogen – eine sachgerechte Lösung auch anderer rechtlicher Konstruktionsvarianten ermöglicht: Es wird davon ausgegangen, dass jeder teilnehmende Sportverein eine Vereinbarung in Form eines „Teilnahmevertrages“ mit dem wettkampfausrichtenden Verband eingeht. Dieser verpflichtet als Austauschgeschäft die Sportvereine zur Teilnahme am Wettkampf und den ausrichtenden Verband zur Organisation und Durchführung des Wettkampfes sowie zur Auszahlung eines Antrittsgeldes nach Teilnahme. Zudem besteht eine weitere Rechtsbeziehung zum Preisspender, der für den Erst-, Zweit- und Drittplatzierten (der Höhe nach gestaffelte) Preisgelder auslobt. Auf andere Rechtsbeziehungen (etwa zu Sponsoren, Werbekunden, Zuschauern) kommt es hingegen vorliegend, wie ausgeführt, nicht an, sind sie doch nicht unmittelbar am Sportgeschehen beteiligt.

Das Erkenntnisziel, den methodischen Ansatz und den Gang der Abhandlung samt Setzungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vorangeschickt, sei nun – der rechtlichen Untersuchung vorangestellt – ein typisches Fallbeispiel für Schiedsrichtermanipulationen im Profisport geschildert. ← 9 | 10 →

C.  Schilderung einer typischen Fallgestaltung

Der zum Ausgangspunkt der vorliegenden Abhandlung genommene Fall hat in der Medienöffentlichkeit einige Aufmerksamkeit erhalten. Der langersehnte erste Sieg des THW Kiel in der Champions League im Jahre 2007 wurde überschattet von dem aufkommenden Verdacht, dass „nachgeholfen worden“ sein könnte. Der damalige Geschäftsführer und der damalige Trainer des THW Kiel standen im Verdacht, in der Saison 2006/2007 die Finalpartie zu Gunsten ihres Vereins durch Gewährung hoher fünfstelliger Geldbeträge an die Schiedsrichter beeinflusst zu haben, um endlich in der Champions League obsiegen zu können. Wetteinsätze auf das konkrete Spiel wurden nicht bekannt. Damit hatte das Landgericht Kiel – gerade nachdem durch die Entscheidung des BGH in der Sache Hoyzer im November 2006 die hitzige Debatte um die Strafbarkeit von Schiedsrichtermanipulationen unter Beteiligung von Wettanbietern zumindest in der Praxis abgekühlt war – einen Fall zu bewältigen, der es ihm verwehrte, unter Rückgriff auf den vom BGH entwickelten „Quotenschaden“ das (offenbar erwünschte) Ergebnis einer strafrechtlichen Pönalisierung von Schiedsrichtermanipulationen zu erzielen.

Die Staatsanwaltschaft Kiel erhob – gegenüber dem für die Zwecke der vorliegenden Abhandlung allein interessierenden ehemaligen Geschäftsführer – Anklage einerseits wegen Betruges zulasten der die Champions League ausrichtenden Europäischen Handballföderation (im Folgenden: EHF) sowie zulasten des unterliegenden gegnerischen Sportvereins, und andererseits wegen Untreue zu Lasten des THW Kiel, wurde doch die zugewendete Summe aus dessen Vereinsmitteln bewirkt.24

Seitens Krack, der die – soweit ersichtlich – bislang einzige Auseinandersetzung mit dem landgerichtlichen Urteil in der Literatur geliefert hat, wurde die gerichtlich im Zwischenverfahren angedeutete Bejahung der Untreue und Ablehnung des Betruges als „im Bereich des für möglich Gehaltenen“ liegend einstuft. Der seitens des Gerichts erfolgte Hinweis darauf, dass eine Bewertung des Tatgeschehens als Bestechung im geschäftlichen Verkehr in Betracht komme, ← 10 | 11 → habe hingegen „sehr überrascht“.25 Schlussendlich erfolgte ein Freispruch der Angeklagten aus tatsächlichen Gründen.

Der Gerichtsprozess zog sich über mehr als vier Monate, in dem das Gericht versuchte, die „Indizien, Lügen, Gerüchte, Halbwahrheiten, persönlichen Animositäten und wirtschaftlichen Interessen“26 zu ordnen. Siebzehn Zeugen sagten aus, darunter Rechtsanwälte, Funktionäre der Europäischen Handballföderation, Funktionäre anderer Handball-Bundesligisten und Schiedsrichter. Zwar stand nach glaubhafter Sachverständigeneinschätzung fest, dass das in Rede stehende Champions-League-Finale unter „sportlich korrekten Bedingungen“ stattgefunden und „nicht manipuliert worden“ sei, dennoch nährten die sich widersprechenden Aussagen und die ungeklärten Fragen auch seitens des Gerichts Zweifel an der Haltlosigkeit der Vorwürfe:

„Die Frage, warum der für den THW Kiel in Diensten stehende Kroate [N. V.] unmittelbar vor dem Finalrückspiel 56.400 Euro von den Kielern erhielt, davon 45.000 abhob und nach Warschau flog, ist weiterhin ungeklärt. In Warschau wohnte Endspiel-Schiedsrichter [M. B.]. [Die Verteidigung sagte, N. V.] sei seit zehn Jahren Scout beim THW gewesen und habe für zahlreiche Tipps 92.000 Euro bekommen […]. Daran hat das Gericht Zweifel, aber für eine mögliche Geldübergabe in Warschau gibt es keinerlei Beweis.“

(Vorläufiger) Schlusspunkt der „quälend langsam voranschreitenden Wahrheitssuche“27 war der Freispruch der beiden Angeklagten in Ermangelung eines zu führenden Tatnachweises.28 Der Vorsitzende der großen Strafkammer wird zitiert: „Die Kammer sei nicht von der Schuld der Angeklagten überzeugt, allerdings auch nicht von der Unschuld.“29

Details

Seiten
XIV, 250
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631703502
ISBN (PDF)
9783653066999
ISBN (MOBI)
9783631703519
ISBN (Hardcover)
9783631671962
DOI
10.3726/b11248
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juni)
Schlagworte
Betrug Untreue Bestechung Wettbewerb Straflosigkeit
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. XIV, 250 S.

Biographische Angaben

Eva-Maria Hoyler (Autor:in)

Eva-Maria Hoyler studierte als Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg und der Université de Paris Panthéon-Sorbonne. Sie absolvierte ihr Referendariat am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg.

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Titel: Schiedsrichtermanipulationen aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht
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