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Der Deutsche Künstlerbund im Spiegel seiner Ausstellungspraxis

1903–1936

von Tanja Moormann-Schulz (Autor:in)
©2017 Dissertation 458 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch untersucht den Deutschen Künstlerbund, der mit seiner höchst heterogenen Aufstellung unter den Künstlervereinigungen im frühen 20. Jahrhundert einzigartig war. Seine Gründung im Winter 1903 bildete den Höhepunkt der Kontroverse um eine Liberalisierung des offiziellen Kunstbetriebs im wilhelminischen Kaiserreich. Junge und alte, moderne und traditionelle Künstler aus dem ganzen deutschsprachigen Raum kamen hier zusammen. Diese erste umfassende Monografie zum Deutschen Künstlerbund beleuchtet, wie sich der Bund von seinen Anfängen bis zur Zwangsauflösung 1936 zwischen den scheinbar unvereinbaren Polen Tradition und Moderne positioniert hat und inwiefern er seine heterogene Struktur im Sinne der modernen Kunstbewegung nutzbar machte.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • I. Einleitung
  • Besonderheiten
  • Aufgaben des Deutschen Künstlerbundes
  • Der Deutsche Künstlerbund in der kunsthistorischen Forschung
  • Überlegungen
  • II. Die Anfänge der modernen Kunstbewegung in Deutschland
  • II.1 Offizielle Kunstförderung im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert
  • II.1.1 Die Kunstpolitik Wilhelms II.
  • Kritik an der kaiserlichen Kunstpolitik
  • II.1.2 Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin
  • Die Ausstellungen der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin
  • II.1.3. Der Verein Berliner Künstler
  • Die Internationale Kunstausstellung 1891
  • II.1.4 Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft
  • Die Ausstellungstätigkeit der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
  • II.2 Aufzug in die Moderne
  • II.2.1 Der Fall Munch
  • II.2.2 Die Gruppe XI
  • II.2.3 Die Berliner Sezession
  • Die Ausstellungen der Berliner Sezession
  • II.3 Das Maß ist voll! – Die Weltausstellung in St. Louis 1904
  • III. Dem Künstler seine Freiheit – Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes
  • III.1 Die Gründung in Weimar
  • III.1.1 Harry Graf Kesslers Pläne für ein Neues Weimar
  • III.1.2 Der Deutsche Künstlerbund wird gegründet
  • III.1.3 Kesslers Gründungspamphlet
  • Liberalität und Individualität
  • Talentförderung
  • Wirtschaftlichkeit
  • Internationale Konkurrenzfähigkeit
  • Modernes Kunstmuseum
  • III.1.4 Das kunstpolitische Ausmaß der Gründung
  • Die Debatte im Reichstag
  • III.2 Zusammensetzung und Struktur des Deutschen Künstlerbundes
  • III.2.1 Der Vorstand
  • Gesamtvorstand
  • III.2.2 Die Jury
  • III.2.3 Die Mitglieder
  • III.2.4 Tätigkeitsfelder des Deutschen Künstlerbundes
  • Ausstellungen
  • Vergabe des Villa-Romana-Preises
  • III.2.5 Resümee
  • IV. Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
  • IV.1 Der Konfliktpunkt „Ausstellung“
  • IV.1.1 Zur Rezeption „moderner“ Kunstausstellungen
  • IV.1.2 Zur feuilletonistischen Rezeption der Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
  • Kunst und Künstler (erschienen von 1902 bis 1933 in Berlin)
  • Kunstchronik (erschienen von 1866 bis 1926 in Leipzig)
  • Der Cicerone (erschienen von 1909 bis 1930 in Leipzig)
  • Deutsche Kunst und Dekoration (erschienen von 1897 bis 1932 in Darmstadt)
  • Das Kunstblatt (erschienen von 1917 bis 1933 in Berlin)
  • Zeitschrift für bildende Kunst (erschienen von 1866 bis 1932 in Leipzig)
  • Die Kunst für Alle (erschienen von 1885 bis 1944 in München)
  • Kunstwart (erschienen von 1887 bis 1937 in München)
  • IV.1.3 Spezifika der Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
  • IV.2 Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
  • 1904: 1. Jahresausstellung in München
  • 1905: 2. Jahresausstellung in Berlin
  • 1906: 3. Jahresausstellung in Weimar
  • 1906: Modern German Art in London
  • 1907: 1. Grafikausstellung in Leipzig
  • 1908: 4. Jahresausstellung in Dresden (im Rahmen der Großen Kunstausstellung Dresden)
  • Die Säle 1–29
  • Die Abteilung der Grafik
  • 1909: 2. Grafikausstellung in Dresden
  • 1910: 5. Jahresausstellung in Darmstadt
  • 1910: 3. Grafikausstellung in Hamburg
  • 1911: 6. Jahresausstellung in Leipzig
  • Exkurs: Der Bremer Kunststreit
  • 1912: 7. Jahresausstellung in Bremen
  • 1912: 4. Grafikausstellung in Chemnitz
  • 1913: 8. Jahresausstellung in Mannheim
  • 1913: 5. Grafikausstellung in Hamburg
  • 1914: 6. Grafikausstellung in Leipzig
  • 1920: 9. Jahresausstellung in Chemnitz
  • 1921: 10. Jahresausstellung in Hamburg
  • 1927: 7. Grafikausstellung in Dresden
  • 1928: 11. Jahresausstellung in Hannover
  • 1929: 12. Jahresausstellung in Köln
  • 1930: 13. Jahresausstellung in Stuttgart
  • 1931: 14. Jahresausstellung in Essen
  • 1932: 8. Grafikausstellung in Königsberg, Danzig, Rostock, Hannover, Kiel
  • 1933: 9. Grafikausstellung in Magdeburg, Kassel, Saarbrücken
  • 1936: 15. Jahresausstellung in Hamburg
  • IV.3 Die Ausstellungspolitik des Deutschen Künstlerbundes
  • V. Die Rolle des Deutschen Künstlerbundes innerhalb der Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland im Spiegel seiner Ausstellungspraxis
  • Anhang
  • Harry Graf Kessler, Der Deutsche Künstlerbund (1904)
  • Der engere Vorstand des Deutschen Künstlerbundes
  • Der Gesamtvorstand des Deutschen Künstlerbundes
  • Juroren des Deutschen Künstlerbundes
  • Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes
  • Archivalien
  • Archiv der Akademie der Künste, Berlin – Archiv Bildende Kunst (AdK)
  • Archiv Kunsthalle Bremen
  • Archiv Kunsthalle Mannheim
  • Bayerische Staatsbibliothek München (BSB München)
  • Georg-Kolbe-Museum, Berlin (GKM)
  • Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK)
  • Stadtarchiv Darmstadt
  • Stadtarchiv Mannheim
  • Stadtarchiv München (StadtA Mü)
  • Stadtarchiv Rostock
  • Gedruckte Quellen
  • Ausstellungskataloge des Deutschen Künstlerbundes bis 1936
  • Ausstellungskataloge mit Beteiligung des Deutschen Künstlerbundes
  • Ausstellungskataloge der Berliner Sezession
  • Sonstige Ausstellungskataloge bis 1937
  • Literaturverzeichnis
  • Personenregister

Autorenangaben

Tanja Moormann-Schulz hat Kunstgeschichte und italienischen Philologie studiert und an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg promoviert. Sie hat an zahlreichen Dokumentationen zu dem einstigen Direktor der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi mitgearbeitet.

Über das Buch

Das Buch untersucht den Deutschen Künstlerbund, der mit seiner höchst heterogenen Aufstellung unter den Künstlervereinigungen im frühen 20. Jahrhundert einzigartig war. Seine Gründung im Winter 1903 bildete den Höhepunkt der Kontroverse um eine Liberalisierung des offiziellen Kunstbetriebs im wilhelminischen Kaiserreich. Junge und alte, moderne und traditionelle Künstler aus dem ganzen deutschsprachigen Raum kamen hier zusammen. Diese erste umfassende Monografie zum Deutschen Künstlerbund beleuchtet, wie sich der Bund von seinen Anfängen bis zur Zwangsauflösung 1936 zwischen den scheinbar unvereinbaren Polen Tradition und Moderne positioniert hat und inwiefern er seine heterogene Struktur im Sinne der modernen Kunstbewegung nutzbar machte.

Zitierfähigkeit des eBooks

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Inhalt

I. Einleitung

II. Die Anfänge der modernen Kunstbewegung in Deutschland

II.1 Offizielle Kunstförderung im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert

II.1.1 Die Kunstpolitik Wilhelms II.

II.1.2 Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin

II.1.3. Der Verein Berliner Künstler

II.1.4 Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft

II.2 Aufzug in die Moderne

II.2.1 Der Fall Munch

II.2.2 Die Gruppe XI

II.2.3 Die Berliner Sezession

II.3 Das Maß ist voll! – Die Weltausstellung in St. Louis 1904

III. Dem Künstler seine Freiheit – Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes

III.1 Die Gründung in Weimar

III.1.1 Harry Graf Kesslers Pläne für ein Neues Weimar

III.1.2 Der Deutsche Künstlerbund wird gegründet

III.1.3 Kesslers Gründungspamphlet

III.1.4 Das kunstpolitische Ausmaß der Gründung

III.2 Zusammensetzung und Struktur des Deutschen Künstlerbundes

III.2.1 Der Vorstand

III.2.2 Die Jury

III.2.3 Die Mitglieder

III.2.4 Tätigkeitsfelder des Deutschen Künstlerbundes

III.2.5 Resümee←7 | 8→

IV. Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes

IV.1 Der Konfliktpunkt „Ausstellung“

IV.1.1 Zur Rezeption „moderner“ Kunstausstellungen

IV.1.2 Zur feuilletonistischen Rezeption der Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes

IV.1.3 Spezifika der Ausstellungen des Deutschen
Künstlerbundes

IV.2 Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes

1904: 1. Jahresausstellung in München

1905: 2. Jahresausstellung in Berlin

1906: 3. Jahresausstellung in Weimar

1906: Modern German Art in London

1907: 1. Grafikausstellung in Leipzig

1908: 4. Jahresausstellung in Dresden (im Rahmen der Großen Kunstausstellung Dresden)

1909: 2. Grafikausstellung in Dresden

1910: 5. Jahresausstellung in Darmstadt

1910: 3. Grafikausstellung in Hamburg

1911: 6. Jahresausstellung in Leipzig

Exkurs: Der Bremer Kunststreit

1912: 7. Jahresausstellung in Bremen

1912: 4. Grafikausstellung in Chemnitz

1913: 8. Jahresausstellung in Mannheim

1913: 5. Grafikausstellung in Hamburg

1914: 6. Grafikausstellung in Leipzig

1920: 9. Jahresausstellung in Chemnitz

1921: 10. Jahresausstellung in Hamburg

1927: 7. Grafikausstellung in Dresden

1928: 11. Jahresausstellung in Hannover

1929: 12. Jahresausstellung in Köln

1930: 13. Jahresausstellung in Stuttgart

1931: 14. Jahresausstellung in Essen

1932: 8. Grafikausstellung in Königsberg, Danzig, Rostock, Hannover, Kiel

1933: 9. Grafikausstellung in Magdeburg, Kassel, Saarbrücken

1936: 15. Jahresausstellung in Hamburg

IV.3 Die Ausstellungspolitik des Deutschen Künstlerbundes←8 | 9→

V. Die Rolle des Deutschen Künstlerbundes innerhalb der Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland im Spiegel seiner Ausstellungspraxis

Anhang

Harry Graf Kessler, Der Deutsche Künstlerbund (1904)

Der engere Vorstand des Deutschen Künstlerbundes

Der Gesamtvorstand des Deutschen Künstlerbundes

Juroren des Deutschen Künstlerbundes

Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes

Archivalien

Gedruckte Quellen

Ausstellungskataloge des Deutschen Künstlerbundes bis 1936

Ausstellungskataloge mit Beteiligung des Deutschen Künstlerbundes

Ausstellungskataloge der Berliner Sezession

Sonstige Ausstellungskataloge bis 1937

Literaturverzeichnis

Personenregister ←9 | 10→ ←10 | 11→

I. Einleitung

Es gibt keine Einrichtung, deren geschichtliche Entwicklung

nicht maßgebend wäre für ihre Beurteilung.1

(Heinrich Deiters)

Im Dezember 1903 wurde in Weimar der Deutsche Künstlerbund gegründet – eine Vereinigung von Künstlern, Kunsthistorikern und Kunstinteressierten, deren Anliegen es war, die Fesseln der restriktiven Kunstpolitik Kaiser Wilhelms II. zu lösen. Auf zwei Besonderheiten muss sogleich verwiesen werden, die den Deutschen Künstlerbund bis heute als eine der traditionsreichsten Künstlervereinigungen Deutschlands erscheinen lassen. Zum einen war er neben der 1856 gegründeten Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft der einzige überregionale Zusammenschluss von Künstlern. Zum anderen erstreckte sich sein Bestehen über eine Periode, die geprägt war von einschneidenden politischen Ereignissen und Veränderungen (ausgehendes Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus).

Wie auch schon bei den kurz zuvor entstandenen regionalen Sezessionen ging es bei der Gründung des Deutschen Künstlerbundes darum, die strikten ästhetischen Vorgaben der kaiserlichen Kunstpolitik aufzubrechen, denen die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft so voll und ganz verpflichtet war, und einen liberaleren Kunstbetrieb zu ermöglichen.2 Dabei wollte sich der Bund allen modernen Richtungen der Zeit gegenüber grundsätzlich offen zeigen und machte es sich zur Aufgabe, durch mehr oder weniger regelmäßige Ausstellungen einen möglichst umfassenden Überblick über das künstlerische Geschehen im gesamten deutschsprachigen Raum zu vermitteln. Das ist ihm fraglos gelungen, wenn man sich die Namen der Künstler vor Augen führt, die im Laufe der 33 Jahre seines Bestehens an den Ausstellungen des Bundes teilgenommen haben oder zu seinen Mitgliedern zählten.3

Anders als die Sezessionen, die mit dem aufkommenden Expressionismus an Relevanz verloren haben, wirkte der Künstlerbund weiter und spielte bis zu seiner Zwangsauflösung durch das nationalsozialistische Regime 1936 eine Rolle im deutschen Ausstellungswesen. 1950 wurde der Deutsche Künstlerbund unter anderen von Karl Hofer in Westberlin wiedergegründet. Der Bund existiert bis heute. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich jedoch allein auf die Jahre bis 1936, ohne dass darauf weiter verwiesen wird.←11 | 12→

Besonderheiten

In seiner inneren Struktur barg der Deutsche Künstlerbund einige Besonderheiten, die ihn von anderen Zusammenschlüssen unterscheiden. So war er damals die einzige Vereinigung moderner Künstler, deren Existenz längere Beständigkeit hatte. 33 Jahre war der Verein aktiv, bis es zu einer Unterbrechung kam, die allein durch äußere politische Umstände begründet war. Im Fall des Deutschen Künstlerbundes scheint diese Beständigkeit eher ungewöhnlich. Schließlich handelte es sich nicht um eine Lehranstalt im Sinne einer Akademie oder einer Schule und ebenso wenig um den Dachverband einer Berufsgenossenschaft wie die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft, sondern vielleicht eher um einen Interessenverband. Interessen aber sind selten beständig, sie ändern sich im Laufe der Zeit, wie die allgemeine Kurzlebigkeit der damaligen modernen Künstlervereinigungen gezeigt hat.4

Eine weitere Besonderheit liegt in der nationalen Überregionalität des Bundes, die sich nicht allein in der Zusammensetzung seiner Mitglieder und Ausstellungsteilnehmer niedergeschlagen hat. Der Künstlerbund wollte sich zudem im Laufe der Zeit durch wechselnde Veranstaltungsorte im ganzen Reich präsentieren. Auch die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft war überregional ausgerichtet und führte ihre Ausstellungen an verschiedenen Orten durch. Sie hatte aber in allen Regionen lokale Ortsgruppen. Der Künstlerbund war zentral organisiert, mit Sitz in Weimar und später in Berlin, und versuchte, die sonst konkurrierenden Kunstzentren zu vereinen. In der Überregionalität sah Harry Graf Kessler, der wohl engagierteste Mitbegründer des Bundes, einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Sezessionen:

„Der Künstlerbund wird […] die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland auf Eine […] Ausstellung hinlenken. Und da diese Ausstellung zwischen Nord-, Süd und Mitteldeutschland wechseln wird, so kommt trotzdem ein ebenso großer und noch größerer Kreis mit ihr in nahe Berührung. Der Markt wird zugleich einheitlicher und weiter werden.“5

Darüber hinaus ist die Zusammensetzung der Mitglieder und Teilnehmer bemerkenswert. Nicht Wenige von ihnen gehören heute zu den Protagonisten der Klassischen Moderne. Die Mitgliedschaft beschränkte sich überdies nicht auf Kunstschaffende und Kunsthistoriker. Auch private Sammler und Förderer – Rechtsanwälte, Ärzte, Bankiers und Industrielle – traten dem Bund als Mitglieder bei.

Aufgaben des Deutschen Künstlerbundes

Zur Gründung des Deutschen Künstlerbundes kam es im Dezember 1903, nachdem der Konflikt zwischen traditionellen und progressiven Vertretern der bildenden Kunst im Zuge der Vorbereitungen des deutschen Kunstbeitrags für die Weltaus←12 | 13→stellung in St. Louis unlösbar kulminiert war. Die Gründung des Bundes war damit zunächst ein direkter Protest gegen ein bestimmtes Ereignis, das, wie so oft bei Kulturfragen, allein politisch gelöst worden ist. Der Bund wollte aber keinesfalls eine Eintagsfliege bleiben. Erklärtes Ziel war es, langfristig ein Gegengewicht zur konservativen Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft zu bilden. Dies schien sich tatsächlich zu bewahrheiten. Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes schlug ein wie eine Bombe und war zwei Tage lang Thema im deutschen Reichstag.6 Grundlage der Debatte war ein Aufsatz, den Kessler unmittelbar nach der Gründung des Bundes verfasst hatte, um die Ambitionen der neuen Gesellschaft vorzustellen.7 Sie lassen sich in fünf Punkten umreißen: 1. künstlerische Freiheit, 2. Talentförderung unter qualitativen Maßstäben, 3. Wirtschaftlichkeit, 4. internationale Konkurrenzfähigkeit und 5. die Schaffung eines modernen Kunstmuseums. Erreicht werden sollten die genannten Ziele mittels des Mediums Ausstellung.

Unbedingtes Kriterium war es, jede künstlerische Eigenart zu gewähren, ohne eine Richtung zu bevorzugen oder auch strikt abzulehnen, dabei aber niemals den Qualitätsmaßstab aus den Augen zu verlieren. Der Anspruch bestand darin, Talente zu fördern. Diese Zielvorstellungen haben sich auch nach der Neugründung 1950 nicht verändert, was ihre Gültigkeit bestätigt.8 Dem Künstlerbund ging es um die Schaffung autonomer Arbeitsbedingungen und die besondere Förderung talentierter, junger, auch eigenwilliger Künstler. Dies diente nicht nur dem Selbstzweck der Vereinigung. Auch der ökonomische Aspekt spielte zunehmend eine Rolle, seitdem sich in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts der Kunsthandel zu einem aufstrebenden Wirtschaftsfaktor entwickelt hatte. Umso wichtiger war es, auch das internationale Ansehen der deutschen Kunst wieder anzuheben und ihre Konkurrenzfähigkeit im internationalen Kunsthandel zu sichern.

Kessler hatte also den Ehrgeiz, mit dem Künstlerbund in den Kunstmarkt einzugreifen, ihn bestmöglich mitzubestimmen. Zu diesem Zweck strebte er explizit „Elite-Ausstellungen“9 an, die jede Durchschnittlichkeit übertreffen sollten.

Kesslers Absichten reichten bis in die Museumspolitik, indem auch lebenden Künstlern nun der Weg ins Museum geöffnet werden sollte. Seine Idee blieb keine Vision. Die ersten Museumsleiter, die sich dafür engagierten, ihre Häuser der modernen Kunst zu öffnen, waren zu einem großen Teil Mitglieder im Deutschen Künstlerbund: Alexander Dorner, Richard Graul, Ludwig Justi, Walter Kaesbach, Alfred Lichtwark, Gustav Pauli, Hans Posse, Fritz Wichert.←13 | 14→

Die Forderung nach künstlerischer Freiheit war 1903 nicht mehr neu. Seitdem sich Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Kaufkraft für Kunstgegenstände mehr und mehr auf private Sammler verlagert und der Staat keine Monopolstellung mehr als Förderer und Auftraggeber hatte, konnten die Künstler endlich abrücken von nationalästhetischen Sujets, die ihre neuen Auftraggeber oder potentiellen Kunden nicht mehr interessierten. Stilistisch aber waren sie weiterhin an den allgemeinen Kunstgeschmack gebunden, wenn sie ihre Arbeiten auch verkaufen wollten. Hinzu kam, dass das neunzehnte Jahrhundert ein enormes Überangebot an akademisch ausgebildeten Künstlern hervorgebracht hatte. Qualitätvolle Arbeiten gingen in den Massen unter. Im Großen und Ganzen herrschte ein Künstlerproletariat vor, „das eine große Zahl von Mittelmäßigen und wenige der Besten umfaßte“, das war „typisch für das 19. Jahrhundert.“10

Schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hatten sich lokale Kunstvereine gebildet, die eine erste Demokratisierung des Kunstbetriebs vorzeichneten, wie 1829 der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen oder 1844 in München der Künstler-Unterstützungs-Verein. Diese ersten Zusammenschlüsse dienten der Kommunikation unter den Künstlern und der Schaffung einer solidarischen Künstlerschaft. Es lag ihnen aber noch völlig fern, für einen künstlerischen Individualismus zu kämpfen. 1903 ging es um mehr. Insbesondere Kessler wollte eine Künstlerorganisation schaffen, die unabhängig von Staat und Regierung agieren konnte. Er sparte in seinem Aufsatz nicht an Hohn, wenn er auf den ärgsten Gegenspieler der modernen Kunstbewegung Anton von Werner anspielte: „Denn es steht fest, dass in der Kunst nur die Ausnahme Wert hat; kein Fleiß, keine Gesinnung, keine Richtung, nur die Eigenart. Alles Andre ist nicht nur weniger wert, sondern Nichts wert. Es ist Nichts und hat kein Recht, wie Etwas behandelt, berücksichtigt, gehängt zu werden.“.11

Details

Seiten
458
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631704974
ISBN (PDF)
9783653069419
ISBN (MOBI)
9783631704981
ISBN (Paperback)
9783631715697
DOI
10.3726/978-3-653-06941-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Februar)
Schlagworte
Moderne Kunst Avantgarde Berliner Sezession Offizielle Kunstpolitik Wilhelm II. Harry Graf Kessler Künstlerische Freiheit Liberalisierung des Kunstbetriebs Reichstagsdebatte Künstlervereinigungen Kunstausstellungen 20. Jahrhundert Künstlerförderung
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 458 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Tanja Moormann-Schulz (Autor:in)

Tanja Moormann-Schulz hat Kunstgeschichte und italienische Philologie studiert und an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg promoviert. Sie hat an zahlreichen Dokumentationen zu dem einstigen Direktor der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi mitgearbeitet.

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Titel: Der Deutsche Künstlerbund im Spiegel seiner Ausstellungspraxis
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