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Der Ausdruck der Konzessivität im heutigen Französisch und Italienisch

Mit einem Vorwort von Wilhelm Pötters

von Tommaso Detti (Autor:in)
©2017 Dissertation 489 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch untersucht diachron die Konzessivität und zeigt, wie sich diese als ein Zusammenspiel zwischen «antecedens» und dem überraschenden «consequens» manifestiert und vom Sprecher vielseitig und produktiv verwendet werden kann. Anhand authentischer Beispiele aus dem heutigen Französisch und Italienisch visualisiert der Autor das Spektrum an konzessiven Ausdrucksmöglichkeiten. Er verdeutlicht, wie polyfunktional die Konzessivität in der Sprache ist. Der Band schließt mit einer kontrastiven Analyse zwischen beiden Sprachen, die strukturelle Vor- und Nachteile sowie bestimmte stilistische Vorlieben des jeweiligen Sprachsystems verdeutlicht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort von Wilhelm Pötters
  • Einleitung
  • 1 Ein historischer Rückblick. Von der Rhetorik zur Grammatik
  • 1.1 Concessio in der Lexikographie des Französischen und des Italienischen. Einst und heute
  • 1.1.1 Die ersten Wörterbücher des Französischen und des Italienischen
  • 1.1.2 Die concessio in den lexikographischen Werken des Französischen und des Italienischen in der heutigen Zeit
  • 1.2 Der Ursprung in der Rhetorik. Die griechische und römische Antike
  • 1.2.1 Rhetorik
  • 1.2.2 Rhetorica ad Herennium
  • 1.2.3 De Inventione
  • 1.2.4 De Institutione Oratoria
  • 1.3 Die terminologische Aufnahme in die Grammatik
  • 1.3.1 Der Terminus ‚konzessiv‘ bis zum 17. Jahrhundert
  • 1.3.2 Der Terminus ,konzessiv‘ bis zum 19. Jahrhundert
  • 1.4 Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der ersten konzessiven Konjunktionen
  • 2 Die Konzessivität in der Grammatik. Ein Sonderstatus
  • 2.1 Der Konjunktiv als Modus verbi. Einige Erklärungsansätze
  • 2.1.1 Der polyphonische Ansatz
  • 2.1.2 Der kognitive Ansatz
  • 2.1.3 Der kommunikative Ansatz
  • 2.1.4 Der argumentative Ansatz
  • 2.2 Die (unmögliche) Fokussierung
  • 2.3 Die Komplexität im Sprachgebrauch und -erwerb
  • 3 Definitorische Faktoren der Konzessivität
  • 3.1 Grammatische Konzessivität und rhetorische concessio
  • 3.1.1 Ablehnung eines Zusammenhanges
  • 3.1.2 Annahme eines Zusammenhanges
  • 3.1.3 Zur Eingrenzung der rhetorisch-pragmatischen Konzessivität
  • 3.2 Der Gegensatz
  • 3.2.1 Der Widerspruch
  • 3.2.2 Die Opposition
  • 3.2.3 Kontrast
  • 3.2.4 Weitere den Gegensatz fokussierende definitorische Faktoren
  • 3.3 Die Enttäuschung einer Erwartung
  • 3.4 Das Hindernis
  • 3.5 Abweichung von der Norm
  • 3.6 Negierung einer Kausal- bzw. Konditionalrelation
  • 3.7 Schlussbemerkungen
  • 4 Die Beschreibungsebenen der Konzessivität
  • 4.1 Die ideationelle Ebene
  • 4.1.1 Faktisch
  • 4.1.2 Hypothetisch
  • 4.1.3 Skalar
  • 4.2 Retroaktiv: von der ideationellen zur interpersonellen Ebene
  • 4.2.1 Bestärkend
  • 4.2.2 Explikativ
  • 4.2.3 Kommentarisch
  • 4.2.4 Rektifikativ
  • 4.3 Die interpersonelle Ebene
  • 4.3.1 Metakommentare: zu einer möglichen Reaktion wird Stellung genommen
  • 4.3.2 Übereinstimmung: Konsens wird gefördert
  • 4.3.3 Backing Down: Missverständnisse werden vermieden
  • 4.3.4 Präventive Korrektur: eine ungewollte Schlussfolgerung wird ausgeschlossen
  • 4.3.5 Abwägen: Objektivität wird gezeigt
  • 4.3.6 Antizipation: Angriffe werden vorweggenommen
  • 4.3.7 Polemischer Auftakt: ein Täuschungsmanöver wird ausgeführt
  • 4.4 Die textuelle Ebene
  • 4.4.1 Digression
  • 4.4.2 Thematische Einleitung
  • 4.4.3 Topic change
  • 4.4.4 Zusammenfassende Darstellung
  • 4.5 Zusammenfassung und Überblick
  • 5 Die Ausdrucksmarker der Konzessivität
  • 5.1 Der grammatische Ausdruck
  • 5.1.1 Französisch
  • 5.1.2 Italienisch
  • 5.2 Der lexikalische Ausdruck
  • 5.2.1 Französisch
  • 5.2.2 Italienisch
  • 5.3 Eine französisch-italienische Gegenüberstellung
  • 5.3.1 Der grammatische Ausdruck
  • 5.3.2 Der lexikalische Ausdruck
  • 5.3.3 Grammatischer vs. lexikalischer Ausdruck
  • 6 Ausdruck und Funktion der Konzessivität im Übersetzungsvergleich (französisch-italienisch und italienisch-französisch)
  • 6.1 Französisch → Italienisch
  • 6.1.1 Grammatischer Ausdruck
  • 6.1.2 Lexikalischer Ausdruck
  • 6.2 Italienisch → Französisch
  • 6.2.1 Grammatischer Ausdruck
  • 6.2.2 Lexikalischer Ausdruck
  • 6.3 Zusammenfassung und Überblick
  • 7 Schluss
  • Bibliographie

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Vorwort von Wilhelm Pötters

Obwohl sich der Ausdruck von Emotionen im Kontext wissenschaftlicher Arbeit eigentlich verbietet, sei hier nicht verschwiegen, dass ich die vorliegende Schrift mit besonderer Freude und Genugtuung gelesen habe. Wie nämlich den nachfolgenden Seiten zu entnehmen ist, stützt sich Herr Tommaso Detti an zahlreichen Stellen seiner Bonner Dissertation auf die Ergebnisse meiner 1991 und 1992 erschienenen Studien zur Theorie und Beschreibung der konzessiven Satz- und Textstruktur in der literarischen Prosasprache des italienischen Novellenautors Giovanni Boccaccio (1313–1375).

Die aufgrund ihrer historischen Verwurzelung in der traditionellen Rhetorik mit dem Terminus Konzessivität bezeichnete Verknüpfung zweier Propositionen stellt insofern eine besonders raffinierte sprachliche Erscheinung dar, als sich in ihr zwei Ideen, nämlich Kausalität (im weiten Sinne oder besser: Implikation) und Negierung, zu einer einzigartigen Symbiose vereinigen. Vergegenwärtigt man sich, dass sich die syntaktische Struktur der negierten Implikation schlichter gesagt als Ausdruck einer enttäuschten Erwartung oder der Überwindung eines Hindernisses manifestiert, lässt sich ermessen, wie sehr sich in den entsprechenden sprachlichen Formen eine grundlegende Erfahrung des Menschen artikuliert, die je nach Blickrichtung mit folgenden Begriffspaaren wiedergegeben werden kann: Einräumung/Widerspruch, Regel/Ausnahme, Norm/Abweichung, Gesetz/Verstoß, Ordnung/Chaos, Notwendigkeit/Freiheit, Determination/Zufall. Diesen Konzepten entsprechen auf der Ebene des sprachlichen Ausdrucks die Strukturen der Kausalität (genauer: Kausalität im engeren Sinne, Konditionalität, Finalität und Konsekutivität) auf der einen Seite und der Konzessivität auf der anderen.

Angesichts der philosophischen Dimension des linguistischen Themas wundert es also nicht, dass auch Herr Detti von der sprachlichen Wiedergabe der negierten Implikation fasziniert war, was ihn schließlich dazu veranlasst hat, einen eigenen Beitrag zu dieser Problematik zu erarbeiten. Man muss allerdings seinen Mut bewundern, da er wegen der bereits vorliegenden reichhaltigen Forschung eigentlich zu dem resignierenden Schluss hätte kommen können, dass alles Wichtige zu seinem Projekt anscheinend bereits gesagt sei. Dank einer originellen methodischen Konzeption und einer beeindruckenden empirischen Fundierung seiner Untersuchung ist es ihm aber gelungen, die Diskussion über die Problematik der Konzessivität um weitere wichtige Erkenntnisse zu bereichern.

In der Tat besteht die wesentliche Novität der Arbeit von Herrn Detti vor allem in ihrem kontrastiven Ansatz. Untersuchungsgegenstand sind demnach die ← 13 | 14 → sprachlichen Möglichkeiten zum Ausdruck des konzessiven Gedankens im heutigen Französisch und Italienisch. Wie der Verfasser am Beispiel von über 600 Textteilen minutiös nachweist, werden bestimmte „Marker“ der Konzessivität zur Verbalisierung verschiedener kommunikativer Funktionen verwendet, und zwar in den beiden verglichenen Sprachen überwiegend in paralleler Form, aber in einigen relevanten Punkten auch mit signifikanten Unterschieden.

Als theoretischen Erklärungsrahmen für die Darlegung dieser Erkenntnis verwendet Herr Detti ein von M.A.K. Halliday übernommenes Modell, mit dessen Hilfe die beobachteten Funktionen drei Grundebenen – der ideationellen, der interpersonellen und der textuellen Ebene – zugeordnet werden können. Mit diesem theoretischen Instrumentarium ausgerüstet, unternimmt Herr Detti sodann seinen französisch-italienischen Übersetzungsvergleich in beiden Richtungen, wobei ihm sein reichhaltiges Material erlaubt, strukturelle Vorteile und Nachteile sowie bestimmte stilistische Vorlieben der beiden Sprachen beim Ausdruck verschiedener Spielarten der Konzessivität zu verdeutlichen.

Dank ihres methodischen Ansatzes und ihrer empirischen Fundierung stellt die vorliegende Dissertation mithin einen Beitrag dar, der in dieser Form und Ausführlichkeit in der romanistischen Linguistik bislang fehlte. Kurzum, nicht obwohl, sondern gerade weil Herr Detti neue, auch in meinen eigenen Studien zum Thema gar nicht oder nicht in dieser Form bedachte Wege der Erkundung des konzessiven Gedankens beschreitet, habe ich seine Ausführungen mit großem persönlichen Gewinn gelesen.

In diesem Sinne bleibt Herrn Detti zu wünschen, dass seine ebenso kluge wie solide Arbeit die gebührende Resonanz in der Forschung findet und ihrerseits ebenfalls zu weiteren Studien über das spannende Thema Konzessivität anregt.

Wilhelm Pötters (Würzburg/Köln)

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Einleitung

In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, welche Funktionen die Konzessivität aufweist und welche Ausdrucksmöglichkeiten dem Sprecher dafür zur Verfügung stehen. Dabei soll auf die Frage eingegangen werden, ob ein Zusammenhang zwischen Ausdruck und Funktion besteht. Als Materialgrundlage dienen umfangreiche schriftliche Korpora für das heutige Französisch und Italienisch.

Erste Hinweise darauf, was unter ‚konzessiv‘ zu verstehen ist, finden sich in den rhetorischen Werken der Antike. Bezeichnet wird darin eine zu erlernende Technik, die concessio genannt wird. Der auszubildende Rhetoriker setzt die concessio ein, wenn er beispielsweise in einem Prozess Zugeständnisse macht, die nur scheinbar erfolgen, denn sie sollen ihm dann dazu verhelfen, seine nun überraschende Anklage auszuführen. Die Rezeption und Tradierung der rhetorischen Lehre erstreckt sich über die Jahrhunderte und macht möglich, dass der Terminus ‚konzessiv‘ den Übergang in die moderne Grammatik schafft und in deren terminologischen Apparat aufgenommen wird. In den Grammatiken werden unter diesem Terminus sprachliche Konstruktionen beschrieben, mit denen ein Sprecher zwei gegensätzliche Situationen in Verbindung bringt: aus einer Ausgangssituation folgt eine unvorhersehbare Endsituation, die die Erwartungen verletzt.

Der Rhetorik und der Grammatik liegt auf abstrakter Ebene ein zweigliedriges Verfahren (X-Y) zugrunde, das in Anlehnung an Pötters (1992: 3) folgendermaßen beschrieben werden kann: Aus einem vorliegenden antecedens (X) folgt das unerwartete und deshalb überraschende consequens (Y). Der Sprecher formuliert (X), woraus eine „Folge(rung)“ (1992: 138) zu erwarten ist, die dann nicht eintritt, denn der Sprecher formuliert das Unerwartete (Y).

Die Konzessivität hat sich in der Forschungsliteratur als Arbeitsterminus etabliert und wird auch in der vorliegenden Untersuchung dafür benutzt, dieses zweigliedrige Verfahren zu bezeichnen und dessen unzählige Ausdrucksmöglichkeiten zu erfassen. Denn der Sprecher verfügt über ein breites Inventar an Ausdrucksmöglichkeiten, die weit über die in den üblichen Grammatiken aufgelisteten Marker hinausgehen. Mit Markern werden in Anlehnung an Fraser (1996) „linguistically encoded clues“ (1996: 168) gemeint, die „are drawn from all segments of the grammar“ und u. a. „verbs, nouns, and adverbs as well as idioms“ (1996: 170) einschließen. Marker dienen ferner dazu, „the speaker’s potential communicative intentions“ (1996: 168) zu signalisieren und „the relationship of the basic message to the foregoing discourse“ (1996: 186) deutlich zu machen. ← 15 | 16 →

Der Plan der vorliegenden Arbeit sieht folgendermaßen aus: Der historische Rückblick in Kapitel 1 soll aufzeigen, wie sich der Terminus ‚konzessiv‘ von den ersten Belegen in den rhetorischen Werken der Antike bis hin zu den grammatischen Abhandlungen der Moderne verbreitet hat. Eine anhand der Primärquellen durchgeführte Untersuchung soll illustrieren, welche Verwendung der concessio im Laufe der Zeit zugeschrieben wurde und welche Ausdrucksmöglichkeiten dafür angeführt wurden. Der Zusammenhang zwischen Rhetorik und Grammatik (und insbesondere der Einfluss der Rhetorik auf die Bildung der französischen und italienischen Grammatik) soll am Beispiel der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte einiger Konzessivkonjunktionen vertieft werden. Der historische Blick wird in Kapitel 2 auf die heutige Grammatik ausgeweitet, wo der Konzessivität (im Vergleich beispielsweise mit der Kausalität oder Konditionalität) der Status einer komplexen und seltenen Konstruktion beigemessen wird. Worin dieser Sonderstatus besteht, soll am Beispiel einiger Merkmale thematisiert werden. Der Sonderstatus der Konzessivität fällt ganz besonders ins Licht, wenn die zahlreichen Beschreibungsansätze der letzten Jahrzehnte berücksichtigt werden. In Kapitel 3 soll dementsprechend ein Überblick über die verschiedenen Faktoren vermittelt werden, mit denen die Konzessivität beschrieben werden kann, wobei ganz besonders auf den strittigen Zusammenhang zwischen Rhetorik und Grammatik eingegangen wird. Die schwierige Aufgabe, eine einheitliche Darstellung der Konzessivität zu gewährleisten, wird in Kapitel 4 angegangen. Entwickelt wird darin in Anlehnung an Halliday/Matthiessen (2004) eine Darstellung, die die Konzessivität als übergreifendes Phänomen auffasst, das über verschiedene Ebenen untersucht werden soll. Im Mittelpunkt der Darstellung steht, welche Funktionen die Konzessivität dem Sprecher ermöglicht. Dies soll auf der Grundlage unseres Korpusmaterials für das heutige Französisch und Italienisch erfolgen. Die Korpusanalyse wird in Kapitel 5 fortgesetzt, in dem eine Kategorisierung der ermittelten Ausdrucksmarker der Konzessivität angestrebt ist. Das breite Inventar an Ausdrucksmöglichkeiten, das jedem Sprecher zur Verfügung steht, soll dadurch erschlossen werden: Neben den in den üblichen Grammatiken erwähnten und als kanonisch betrachteten Markern finden sich weitere zahlreiche Marker, die in den bisherigen Studien ignoriert oder kaum beachtet werden. In diesem Rahmen soll die Frage beantwortet werden, in welchem Verhältnis die Wahl eines Markers mit der Ausführung einer Funktion steht. Eine Gegenüberstellung der französischen mit der italienischen Sprache soll aufzeigen, welche Konvergenzen und Divergenzen vorhanden sind. Tabellen und Diagramme (mit Daten zur Häufigkeit) sollen diesen Überblick abrunden. In einem abschließenden sechsten Kapitel soll das erfasste Spektrum der konzessiven Ausdrucksmarker aus einer kontrastiven Perspektive (französisch-italienisch und italienisch-französisch) verifiziert werden. Dies soll ← 16 | 17 → auf der Grundlage eines Korpus erfolgen, das aus Texten besteht, die sowohl aus dem Französischen (Ausgangssprache) ins Italienische (Zielsprache) als auch aus dem Italienischen (Ausgangssprache) ins Französische (Zielsprache) übersetzt wurden. Mit diesem Übersetzungsvergleich soll ersichtlich werden, welche funktionale Verwendung an dem (jeweils zu übersetzenden) Marker der Konzessivität erkannt und schließlich (für die Übersetzung) als zentral verstanden wird. Dies soll dazu beitragen, den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Zusammenhang zwischen Ausdruck und Funktion zu beleuchten und dabei die bisher illustrierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Sprachen zu überprüfen.

Die vorliegende Untersuchung erfolgt auf der Grundlage eines Korpus, das aus authentischen Texten besteht. Der Vorteil, authentische Beispieltexte (im Gegensatz zu konstruierten) zu wählen, besteht insbesondere darin, dass sie dem authentischen Sprachgebrauch entsprechen und dass deren Akzeptanz durch Muttersprachler anzunehmen ist (Hansen 1998: 204f.). Die Entscheidung, authentische Beispiele auszuwerten, macht außerdem möglich, die Konzessivität in ihrem breiten Ko(n)text zu betrachten und zu analysieren. Das gesamte Korpus besteht aus über 3000 Beispielen, die einzeln ausgewertet wurden und von denen über 600 zur Illustration in die Arbeit aufgenommen wurden.

Hinsichtlich der Wahl der Texte, ist hervorzuheben, dass einzig und allein Veröffentlichungen der letzten Jahre (1998–2009) genommen wurden. Das Korpus setzt sich für jede Sprache aus zwei Teilbereichen zusammen. Der erste Teilbereich umfasst jeweils 15 Texte (u. a. Essays und Romane), die das Interesse von Publikum und Kritik geweckt haben. Die ausgewählten Texte geben unterschiedliche kommunikative Situationen wieder (von Interviews über Briefwechsel bis hin zu Tagebüchern), die sowohl monologisch als auch dialogisch sowie monodialogisch ausgerichtet sind. Der zweite Teilbereich umfasst für jede Sprache insgesamt zehn gedruckte Ausgaben der zwei meistverkauften Tageszeitungen: für das Französische sind es fünf Ausgaben von Le Monde (31.01.–06.02.2009) und fünf von Le Figaro (21.–26.07.2009); und für das Italienische sind es fünf Ausgaben von La Repubblica (19.–23.11.2008) und fünf vom Corriere della Sera (24.–28.11.2008). Die Tageszeitungen wurden vollständig untersucht und ausgewertet. Diese Auswahl erhebt nicht den Anspruch, repräsentativ für die gegenwärtige Literatur und Presse zu sein oder Fragen der Textsortenspezifizität zu beantworten. Die gewählten Texte sollen lediglich dazu dienen, ein möglichst breites und vielseitiges Spektrum zu erfassen, an dem ein Querschnitt der gegenwärtigen Schriftproduktion in beiden Sprachen erkennbar wird. Im Folgenden sollen die einzelnen Texte zu beiden Korpora aufgeführt werden. ← 17 | 18 →

Französisches Korpus

Teilbereich A:

1. Bertrand, Yves (2007): Je ne sais rien… mais je dirai (presque) tout, Paris: Points.

2. Besson, Philippe (2003): Un garçon d’Italie, Paris: Éditions Julliard.

3. Colonna d’Istria, Robert/Stefanovitch, Yvan (2008): Le Sénat - Enquête sur les superprivilégiés de la République, Monaco: Éditions du Rocher.

4. Delerm, Philippe (2006): À Garonne, Paris: NiL éditions.

5. Deloire, Christophe (2009): La tragédie de la réussite, Paris: Éditions Albin Michel.

6. De Romilly, Jacqueline (2006): Les roses de la solitude, Paris: Les Éditions de Fallois.

7. De Vigan, Delphine (2007): No et moi, Paris: JC Lattès.

8. Dubois, Christophe/Tabet, Marie-Christine (2009): L’argent des politiques, Paris: Éditions Albin Michel.

9. Godard, Anne (2006): L’inconsolable, Paris: Les Éditions de Minuit.

10. Houellebecq, Michel (1998): Les particules élémentaires, Paris: Flammarion.

11. Houellebecq, Michel/Lévy, Bernard-Henri (2008): Ennemis publics, Paris: Flammarion Grasset.

12. Mauvignier, Laurent (2002): Ceux d’à côté, Paris: Les Éditions de Minuit.

13. Modiano, Patrick (2007): Dans le café de la jeunesse perdue, Paris: Éditions Gallimard.

14. Muller, Dominique (2006): Aimer sans bagages, Paris: Éditions du Seuil.

15. Nimier, Marie (2004): La Reine du silence, Paris: Éditions Gallimard.

Teilbereich B:

1. 5 Ausgaben von: Le Figaro (21.–26.07.2009)

2. 5 Ausgaben von: Le Monde (31.01.–06.02.2009)

Italienisches Korpus

Teilbereich A:

1. Ammaniti, Niccolò (2001): Io non ho paura, Torino: Einaudi.

2. Ballestra, Silvia (2005): Tutto su mia nonna, Torino: Einaudi.

3. Baricco, Alessandro (1999): City, Milano: Rizzoli.

4. Bogani, Giovanni (1999): L., Città di Castello: Edimond.

5. De Carlo, Andrea (2001): Pura vita, Milano: Mondadori. ← 18 | 19 →

6. De Michele, Girolamo (2004): Tre uomini paradossali, Torino: Einaudi.

7. Eco, Umberto (2006): A passo di gambero, Milano: Bompiani.

8. La Capria, Raffaele (2005): L’estro quotidiano, Milano: Mondadori.

9. Magris, Claudio (2006) [2005]: L’infinito viaggiare, Milano: Mondadori.

10. Maraini, Dacia (2006): I giorni di Antigone, Milano: Rizzoli.

11. Rizzo, Sergio/Stella, Gian Antonio (2007): La casta, Milano: Rizzoli.

12. Rizzo, Sergio/Stella, Gian Antonio (2008): La deriva, Milano: Rizzoli.

13. Tabucchi, Antonio (2006): L’oca al passo, Milano: Feltrinelli.

14. Terzani, Tiziano (2006): La fine è il mio inizio, Milano: Longanesi.

15. Tinagli, Irene (2008): Talento da svendere, Torino: Einaudi.

Teilbereich B:

1. 5 Ausgaben von: Corriere della Sera (24.–28.11.2008)

2. 5 Ausgaben von: La Repubblica (19.–23.11.2008)

Für den Übersetzungsvergleich in Kapitel 6 wurde das Korpus um Übersetzungstexte erweitert. Für die Zusammenstellung des Korpus ist in beiden Sprachen die gleiche Anzahl an Werken gewählt worden: es handelt sich dabei um jeweils 5 französische und 5 italienische Werke (Ausgangssprache) und die entsprechenden Übersetzungen (Zielsprache). Für jedes Sprachenpaar (französisch → italienisch und italienisch → französisch) umfasst das Korpus ca. 700.000 Wörter. Die gewählten ausgangssprachlichen Texte stammen für beide Sprachen aus dem für die vorliegende Studie bereits erstellten Korpus. Es folgt eine Übersicht zu den Übersetzungstexten:

Französische Übersetzungstexte (Italienisch → Französisch)

1. Baricco, Alessandro (2000): City (it. City), Paris: Éditions Gallimard (übersetzt von: Brun, Françoise).

2. Eco, Umberto (2006): À reculons, comme une écrevisse (it. A passo di gambero), Paris: Grasset (übersetzt von: Bouzaher, Myriem/Fusco, Mario/Laroche, Pierre/Ménard, Diane/Nigro, Roberto).

3. Magris, Claudio (2001 bzw. 2006): Déplacements bzw. Trois Orients. Récits de voyages (it. L’infinito viaggiare), Paris: Quinzaine Littéraire bzw. Payot & Rivages (übersetzt von: Brun, Françoise bzw. Pastureau, Jean et Marie-Noëlle).

4. Tabucchi, Antonio (2006): Au pas de l’oie (it. L’oca al passo), Paris: Éditions du Seuil (übersetzt von: Rosa, Judith).

5. Terzani, Tiziano (2008): Le grand voyage de la vie (it. La fine è il mio inizio), Paris: Points (übersetzt von: Costa, Fabienne-Andréa). ← 19 | 20 →

Italienische Übersetzungstexte (Französisch → Italienisch)

1. Besson, Philippe (2009): Un ragazzo italiano (frz. Un garçon d’Italie), Parma: Guanda (übersetzt von: Bruno, Francesco).

2. De Vigan, Delphine (2009) [2008]: Gli effetti secondari dei sogni (frz. No et moi), Milano: Mondadori (übersetzt von: Bellini, Marco).

3. Godard, Anne (2007): Inconsolabile (frz. L’inconsolable), Vicenza: Neri Pozza (übersetzt von: Fedriga, Riccardo).

4. Houellebecq, Michel (2008): Le particelle elementari (frz. Les particules élémentaires), Milano: Bompiani (übersetzt von: Perroni, Sergio Claudio).

5. Houellebecq, Michel/Lévy, Bernard-Henri (2009): Nemici pubblici (frz. Ennemis publics), Milano: Bompiani (übersetzt von: Ascari, Fabrizio).

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1 Ein historischer Rückblick. Von der Rhetorik zur Grammatik

Um der Frage nachzugehen, wie der heute noch strittige Terminus ‚konzessiv‘ in den Gebrauch gekommen ist, soll zunächst1 auf die concessio eingegangen werden. Zu diesem Zweck sollen erst (1.1) lexikographische und etymologische Werke des Französischen und des Italienischen herangezogen werden, die auf die Rezeption dieses Terminus aus der antiken Rhetorik hinweisen. Ein historischer Überblick (1.2) soll dann in diesem Rahmen dazu dienen, die ersten Beschreibungen der concessio in den rhetorischen Werken der Antike zu betrachten und deren Anwendung anhand von Beispielen zu verfolgen. Ein besonderes Augenmerk soll bei diesem Rückblick darauf gerichtet werden, welche Verwendung der concessio im Laufe der Zeit zugeschrieben wird.

Dieser historische Überblick (1.3) soll darauf ausgeweitet werden, wie der untersuchte Terminus den Übergang von der Rhetorik in die Grammatik schafft: Ausgehend von den ersten Grammatiken der Frühmoderne bis zu denen der Spätmoderne soll dieser terminologische Gebrauch im Deutschen, Französischen und Italienischen veranschaulicht werden.

Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte (1.4) der ersten konzessiven Konjunktionen im Französischen und Italienischen soll abschließend aufzeigen, welche Rolle die concessio und deren sprachlicher Ausdruck bei der Bildung solcher sprachlichen Marker gespielt hat. Der heute noch strittige Zusammenhang zwischen der bereits in der antiken Rhetorik beschriebenen concessio und der in den Grammatiken angeführten syntaktischen Struktur soll Aufschluss darüber geben, inwiefern die bis heute geltende Rezeption und Tradierung des Terminus ‚konzessiv‘ in der grammatischen Terminologie legitimiert werden kann.

1.1 Concessio in der Lexikographie des Französischen und des Italienischen. Einst und heute

Der Terminus concessio, der auf deutsch Konzession, auf französisch concession, auf italienisch concessione, auf portugiesisch concessão und auf spanisch concesión lautet, geht auf das lateinische Etymon concessio, -onis bzw. auf das Supinum des Verbums conceděre zurück, das „einräumen, zugestehen“ bedeutet. Die folgende terminologische Darstellung soll auf etymologischer und lexikographischer ← 21 | 22 → Grundlage erfolgen, und zwar ausgehend von den Beschreibungen in dem Dictionnaire de l’académie française und in dem Vocabolario degli Accademici della Crusca bis zu den heutigen Standardwerken der französischen und italienischen Lexikographie.2

1.1.1 Die ersten Wörterbücher des Französischen und des Italienischen

In dem ersten Wörterbuch der Académie Française von 1694 lässt sich der Terminus concession nicht beobachten. Allerdings ist das Verb concéder aufgeführt, das als „terme de logique et de dispute“ bezeichnet wird und folgendermaßen erklärt wird: „accorder une proposition ou un argument“. Erst in der Ausgabe von 1740 ist der Terminus concession anzutreffen, der als „figure de rhétorique“ präsentiert wird, „par laquelle on accorde à son adversaire ce qu’on pourroit lui disputer“. Diese Beschreibung wird anhand des folgenden Beispiels erläutert:

Je vous passe qu’il soit honnête homme, mais cela le rend-t’il capable de son emploi?

Dieses Beispiel wird in den späteren Ausgaben des Dictionnaire (1762, 1798, 1835, 1878, 1932–35) wieder aufgenommen.3

In der ersten Ausgabe des Vocabolario degli Accademici della Crusca von 1612 lässt sich die concessione als Terminus nicht beobachten. Allerdings ist unter concedimento ein Verweis auf das rhetorische Werk Volgarizzamento della Retorica ad Herennium enthalten. Der Terminus concedimento wird anhand seines lateinischen Ursprungs erläutert:

CONCEDIMENTO Il concedere. Lat. concessio, concessus, us. Retor. Tull. E un altro ornamento, che si chiama concedimento.4

Erst in der Ausgabe von 1878 wird die concessione aufgeführt, und zwar als „figura retorica“:

[…] per la quale si ammette e si approva ciò che dice l’avversario col fine di trarne partito in pro della nostra causa. ← 22 | 23 →

Aus dem Vergleich zwischen beiden Beschreibungen geht eine differenzierte Betrachtungsweise hervor. Einerseits stimmen sie beide darin überein, dass die Herkunft der concessio in der Rhetorik zu finden ist. Fokussiert wird außerdem ein Sprecher, der die concessio gegenüber einer Gegenseite (frz. adversaire, it. avversario) einsetzt. Bei der Beschreibung, worin die Verwendung der concessio besteht, grenzt sich andererseits die italienische Beschreibung von der französischen ab: Es wird nämlich nicht nur auf das ammettere bzw. approvare gegenüber der Gegenseite hingewiesen, sondern es wird vielmehr auf den zugrunde liegenden Zweck aufmerksam gemacht: dass der Sprecher einen Vorteil (col fine di trarne partito) daraus ziehen möchte. Es wird also auf eine pragmatische Verwendung der concessio hingewiesen, die bis in die heutigen Beschreibungen in der italienischen Lexikographie im Gegensatz zu der französischen beibehalten wird.

1.1.2 Die concessio in den lexikographischen Werken des Französischen und des Italienischen in der heutigen Zeit

Im Folgenden werden zunächst die Einträge angeführt, die unter concession (frz.) und concessione (it.) in den erwähnten etymologischen und lexikographischen Werken des Französischen und des Italienischen zu finden sind. Unterstrichen sind von uns die relevanten Stellen, auf die abschließend näher eingegangen wird.

FRANZÖSISCH

Französisches Etymologisches Wörterbuch

CONCESSIO Zugeständnis

1. Fr. concession „abandon fait à qn d’un droit, d’une prétention, d’un point en discussion“ (seit ca. 1264, TL ; Gdf ; Drouart), apr. id. (1398, Pans 5), Mars. councessien A.

In sekundären bed. nfr. concession „abandon qu’un pouvoir régulier fait à qn de la libre disposition de qch“ (seit 1670, text in Rich) ; speziell nfr. „(t. de commerce) territoire où il est permis à une compagnie de faire le commerce par préférence à toute autre“ (1664–Enc 1753, Kuhn) ; „portion de terrain que le gouvernement cède à des particuliers pour la mettre en valeur“ (seit Ac 1740), kan. id.; nfr. „terrain concédé par une ville dans un cimetière“ (seit Besch 1845); „contrat entre l’État et les entrepreneurs de travaux publics“ (seit Besch 1845). Nfr. armes de concession „(t. de blason) armes octroyées par un prince pour être ajoutées à celles de la famille“ (seit Besch 1845).

Ablt. – Nfr. concessionnaire „celui, celle qui a obtenu une concession (de terre, de travaux, etc.)“ (seit 1664, SavBr 1741 ; seit Raym 1832 auch adj).

2. Nfr. concession „figure qui consiste à accorder à son adversaire ce qu’on pourrait lui contester (t. de rhét.)“ (seit Rich 1680). ← 23 | 24 →

3. Nfr. concession „reconnaissance d’un fait qui devrait empêcher la réalisation d’un autre fait, mais qui cependant ne l’empêche pas (t. de grammaire)“ (seit 1885, Ayer Grammaire, aber schon früher gebraucht).

Lehnwort wie auch in den übrigen romanischen sprachen, vgl. noch d. konzession, e. concession. In jeder der drei, schon im lt. lebenden bed. gesondert entlehnt: 1 aus der verwaltungs- und rechtssprache, 2 aus der sprache der rhetorik, 3 aus der grammatik. S. noch CONCEDERE. – Clédat RPh 16, 166, 170. Hering.

Details

Seiten
489
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631708750
ISBN (PDF)
9783653065688
ISBN (MOBI)
9783631708767
ISBN (Hardcover)
9783631673270
DOI
10.3726/b10832
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Januar)
Schlagworte
Rhetorik Grammatik Stilistik Übersetzung Pragmatik Sprachgeschichte
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2016. 489 S., 4 s/w Abb., 102 s/w Tab.

Biographische Angaben

Tommaso Detti (Autor:in)

Tommaso Detti studierte die Fächer Deutsch, Englisch und Italienisch an den Universitäten Bonn und Florenz. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Romanistik der Universitäten Bonn und Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Pragmatik, Varietätenlinguistik des Italienischen und Übersetzungswissenschaft.

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Titel: Der Ausdruck der Konzessivität im heutigen Französisch und Italienisch
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