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Pilgern und Wallfahren in der Schule

Eine Option für Schule und Schulpastoral

von Andreas Gautier (Autor:in)
©2017 Dissertation 195 Seiten

Zusammenfassung

Die Untersuchung beschäftigt sich mit den Schulfahrten an den Katholischen Gymnasien im Bistum Osnabrück und stellt die Frage, ob diese damit ihrem schulischen Auftrag nachkommen. Dabei trägt der Autor zunächst zur Weiterentwicklung der Pilger- und Wallfahrtstheologie bei, indem er die Ursprünge des Pilgerns und des Wallfahrens herleitet, in den Kontext der Kirchengeschichte stellt und sie an den Erfahrungen der untersuchten Schulfahrten reflektiert. Er plädiert hier für eine Differenzierung zwischen Pilgern und Wallfahren, die sich in unterschiedlichen Konzepten der Durchführung niederschlägt. Um die Frage nach der Relevanz für eine Pilger- oder Wallfahrt an einer Schule zu beantworten, zeigt Andreas Gautier zunächst die Motivation von Schulgründungen auf. Hier werden Unterschiede zwischen Katholischer Kirche und Staat als Träger deutlich. Diese umfassen das Bildungs- und Erziehungsverständnis, was wiederum unterschiedliche Antworten auf die Frage liefert, ob Pilgern oder Wallfahren dem schulischen Auftrag gerecht wird. Der empirische Teil, dem eine quantitative Erhebung zugrunde liegt, untermauert diese Herleitung und zeigt weitergehende Implikationen für eine Umsetzung auf.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1 Pilgern und Wallfahren in der Schule — die Erfahrungsorte
  • 1.1 Leoninum in Handrup
  • 1.1.1 Santiago de Compostela 2000
  • 1.1.2 Rom 2005
  • 1.1.3 Griechenland 2011
  • 1.2 Missionsgymnasium St. Antonius in Bardel
  • 1.2.1 Assisi 2013
  • 2 Pilgern und Wallfahren
  • 2.1 Pilgern und Wallfahren - ein etymologischer Zugang
  • 2.1.1 Peregrinatio
  • 2.1.2 Pilgern
  • 2.1.3 Wallfahren
  • 2.1.4 Pilgern: ein Definitionsversuch
  • 2.1.5 Die Wortverwendungen im Gang dieser Arbeit
  • 2.2 Die Wallfahrt zum Jerusalemer Tempel als Ursprung christlicher Wallfahrtspraxis
  • 2.2.1 Die Anfänge
  • 2.2.2 Entwicklungen des Wallfahrtswesens in hellenistischer Zeit
  • 2.2.2.1 Chronik
  • 2.2.2.1.1 Pessach unter König Hiskija (2 Chr 30)
  • 2.2.2.1.2 Pessach unter König Joschija (2 Chr 35)
  • 2.2.2.2 Tobit
  • 2.2.2.2.1 Der Wallfahrer ist gesetzestreu (Tob 1, 4–9)
  • 2.2.2.2.2 Der Wallfahrer ist wahrer Israelit (Tob 5,14)
  • 2.2.2.2.3 Wallfahrt in der Diaspora (Tob 2)
  • 2.2.2.3 Die Wallfahrtspsalmen (Ps 120–134)
  • 2.2.3 Pilgern zur Zeit Jesu
  • 2.2.3.1 Flavius Josephus
  • 2.2.3.2 Lukas
  • 2.2.3.3 Johannes
  • 2.2.4 Wallfahrt in der jungen Kirche
  • 2.3 Pilgern in der griechischen Antike als Ursprung christlicher Pilgerpraxis
  • 2.3.1 theōria
  • 2.3.2 theōros: in Gemeinschaft unterwegs
  • 2.3.3 hiketēs: individuell unterwegs
  • 2.3.3.1 Die Motive für die Reise
  • 2.3.3.2 Ankommen
  • 2.3.3.3 Im Heiligtum
  • 2.3.3.4 Die Rückkehr
  • 2.4 Pilgern und Wallfahren im Laufe der Kirchengeschichte
  • 2.4.1 Erste Wegmarke: Die Zerstörung des Tempels
  • 2.4.2 Die ersten christlichen Pilger – Egeria
  • 2.4.2.1 Warum Egeria?
  • 2.4.2.2 Wer war Egeria?
  • 2.4.2.3 Egeria – eine „christliche hiketēs“
  • 2.4.3 Ausweitung des Pilgerns im Mittelalter und Wiederbelebung der Wallfahrt
  • 2.4.4 Zweite Wegmarke: Das Konzil von Trient
  • 2.4.5 Aufschwung der Wallfahrt durch die Gegenreformation
  • 2.4.6 Das Pilgerwesen kommt zum Erliegen
  • 2.4.7 Wallfahren im Kulturkampf
  • 2.4.8 Indikatoren der dritten Wegmarke
  • 2.4.8.1 Die Pilgertradition wird im 19. Jahrhundert „ausgegraben“
  • 2.4.8.2 Pilgern im Aufriss des Zweiten Vatikanums - eine dogmatische Annäherung
  • 2.4.8.2.1 Pilgernde Kirche: Ekklesiologie
  • 2.4.8.2.2 Pilgernder Mensch: Theologische Anthropologie
  • 2.4.8.2.3 Pilgernde Maria: Mariologie
  • 2.4.8.2.4 Pilgerndes Volk: Volk-Gottes-Theologie
  • 2.4.8.2.5 Pilgern: der neue Blickwinkel des Zweiten Vatikanums
  • 2.4.8.3 Individualisierung in der Postmoderne: Zunahme des Pilgerns
  • 2.5 Pilgerkritik
  • 2.5.1 Kritik des Pilgerns
  • 2.5.2 Kritik am Pilgern
  • 2.6 Zwischenziel
  • 3 Schule und Schulpastoral
  • 3.1 Begriffsbestimmungen
  • 3.2 Schule
  • 3.2.1 Geschichte der Schule
  • 3.2.2 Warum gibt es Katholische Schulen?
  • 3.2.3 Funktion der Schule
  • 3.2.4 Funktion katholischer Schule
  • 3.2.5 Pädagogik und Schule
  • 3.2.5.1 Bildung
  • 3.2.5.2 Erziehung
  • 3.2.5.3 Erziehung und Schule
  • 3.2.5.4 Heimlicher Lehrplan
  • 3.2.5.5 Werteerziehung in der Schule
  • 3.2.6 Pädagogik und Katholische Schule
  • 3.2.6.1 Das Verhältnis von Erziehung und Bildung
  • 3.2.6.2 Bildung und Katholische Schule
  • 3.2.6.3 Erziehung und Katholische Schule
  • 3.2.6.4 Werteerziehung in der Katholischen Schule
  • 3.2.7 Unterscheidungsmerkmale Katholischer und Staatlicher Schulen
  • 3.3 Staatlicher Erziehungsauftrag in Niedersachsen
  • 3.3.1 Das Verhältnis von Staat und Schule
  • 3.3.2 Der Erziehungsauftrag im Grundgesetz
  • 3.3.2.1 Der Gesetzestext
  • 3.3.2.2 Die Erziehungsziele
  • 3.3.2.3 Die Adressaten des Gesetzes
  • 3.3.3 Der Erziehungsauftrag in der niedersächsischen Landesverfassung
  • 3.3.4 Der Erziehungsauftrag im Niedersächsischen Schulgesetz
  • 3.3.4.1 Der Gesetzestext
  • 3.3.4.2 Die Erziehungsziele
  • 3.3.5 Eigenverantwortliche Schule
  • 3.3.6 Die Lehrer und Lehrerinnen
  • 3.4 Bildungs- und Erziehungsauftrag aus der Perspektive der Katholischen Kirche
  • 3.4.1 „Gravissimum educationis“
  • 3.4.2 „Die Katholische Schule“
  • 3.4.3 „Der Katholische Lehrer“
  • 3.4.4 „Die religiöse Dimension der Erziehung in der katholischen Schule“
  • 3.4.5 Weitere weltkirchliche Dokumente
  • 3.4.6 Würzburger Synode
  • 3.4.6.1 Grundlagen
  • 3.4.6.2 Katholische Schulen
  • 3.4.7 Texte der deutschen Bischöfe
  • 3.4.8 Schulstiftung im Bistum Osnabrück
  • 3.5 Schulpastoral als Angebot der Persönlichkeitsbildung in der Schule
  • 3.5.1 Versuch einer Definition
  • 3.5.2 Kurze Geschichte der Schulpastoral
  • 3.5.3 Grundlagen der Schulpastoral
  • 3.5.4 Handlungsfelder der Schulpastoral
  • 3.5.5 Formen der Schulpastoral
  • 3.5.6 Legitimation von Schulpastoral an staatlichen und katholischen Schulen
  • 3.5.7 Warum der Staat das Angebot an Schulpastoral annehmen sollte
  • 3.6 Zwischenziel
  • 4 Pilgern und Wallfahren — die Erfahrungen
  • 4.1 Das Design der Befragung
  • 4.2 Die Interviewpartner
  • 4.3 Die Ergebnisse
  • 4.3.1 Pilgern und Wallfahren – Einzel- und Gemeinschaftserfahrungen
  • 4.3.1.1 Pilgern und Wallfahren
  • 4.3.1.2 Einzelerfahrungen
  • 4.3.1.3 Gemeinschaftserfahrungen
  • 4.3.1.4 Gemeinschaftserfahrungen im Alltag
  • 4.3.1.5 Religiösität heute
  • 4.3.2 Persönlichkeitsentwicklung
  • 4.3.2.1 Persönlichkeitsentwicklung generell
  • 4.3.2.2 Persönlichkeitsentwicklung in der Schule
  • 4.3.2.3 Persönlichkeitsentwicklung durch Fahrten
  • 4.3.2.4 Verhältnis von schulischer und außerschulischer Persönlichkeitsentwicklung
  • 4.3.3 Schule
  • 4.3.3.1 Profil der Staatlichen Schule
  • 4.3.3.2 Profil der Katholischen Schule
  • 4.3.3.3 Verhältnis von Katholischer und Staatlicher Schule
  • 4.3.3.4 Verhältnis von staatlichen Stellen zu den Schulen
  • 4.3.3.5 Veränderung in der Pädagogik
  • 4.3.4 Die Fahrten
  • 4.3.4.1 Fahrten allgemein
  • 4.3.4.2 Verhältnis zu anderen Fahrten
  • 4.3.4.3 Finanzen
  • 4.3.4.4 Widerstände
  • 4.3.4.5 Charakter der untersuchten Schulfahrten
  • 4.3.4.6 Organisation
  • 4.3.4.7 Gottesdienst
  • 4.3.4.8 Nachwirkung
  • 4.3.4.9 Perspektive
  • 5 Pilgern und Wallfahren als Option für Schule und Schulpastoral
  • 5.1 Pilgern und Wallfahren
  • 5.2 Wallfahren an der Katholischen Schule
  • 5.3 Pilgern als Angebot der Schulpastoral
  • 6 Weitere Erträge und Fragestellungen
  • Literatur
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Anhang: Interviewleitfaden

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Einleitung

Diese Arbeit entstand mit der Idee, den Eigenwert Katholischer Schulen im Vergleich zu Staatlichen Schulen1 zu untersuchen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Frage der Persönlichkeitsentwicklung an den jeweiligen Schulen gelenkt werden.

Um dies an einem konkreten Beispiel zu untersuchen, boten sich die Schulfahrten der Katholischen Schulen im Bistum Osnabrück an, die mit wachsendem Engagement an immer mehr Standorten umgesetzt werden und als Pilger- bzw. Wallfahrt der Schulen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Der Gang der Forschung und dann auch dieser Arbeit setzten hier an. Zunächst werden die beiden Schulen und ihre Fahrten vorgestellt, die in den empirischen Teil der Arbeit eingeflossen sind. Danach folgt eine Reflexion über die Frage, was Pilgern bzw. Wallfahren ist. Das dritte Kapitel untersucht das System Schule und stellt den Eigenwert der Staatlichen und der Katholischen Schule in Bezug zur Persönlichkeitsentwicklung dar. Weil sich das Engagement der Kirche im System Schule nicht nur auf die Trägerschaft eigener Schulen beschränkt und sich im Gang der Untersuchung herausstellte, dass die christliche Pilgertradition Chancen für das Engagement von Kirche an Staatlichen Schulen aufzeigt, wird dort ebenfalls die Schulpastoral vorgestellt.

Die Vorstellung der empirischen Untersuchung nimmt das vierte Kapitel ein. Dieses ist grundlegender Natur und nicht nur auf die Forschungsfrage eingegrenzt. Der Grund liegt in dem pilotartigen Charakter der Fahrten und dieser Untersuchung. Auch wenn einige Ergebnisse der Untersuchung nur indirekt mit der Fragestellung in Zusammenhang stehen, sollen die Ergebnisse der Befragung in möglichst vollständiger Form dokumentiert werden. Dabei sind zwei Gruppen der Leserschaft im Blick. Zur ersten gehören Schulleitungen, um ihnen eine Orientierung bei den Überlegungen zu eigenen Schulfahrten zu geben. Die zweite ist das Fachpublikum, das sich mit dem Themenfeld Schule beschäftigt und eine Quelle für die Weiterarbeit in ähnlichen Untersuchungsbereichen finden kann.

Abschließend werden die Ergebnisse der ersten vier Kapitel im fünften gesammelt und in Zusammenhang gebracht. Leitende Frage ist hier, ob Schulfahrten ← 17 | 18 → überhaupt dem Auftrag von Schule nachkommen und wenn ja, unter welchen Bedingungen.

Die Desiderate dieser Untersuchung, denen hier nicht näher nachgegangen werden konnte, aber lohnende Felder weiterer Forschung zu sein scheinen, werden im letzten Kapitel behandelt.


1 Zur Frage der Groß- bzw. Kleinschreibung von „Katholischer Schule“ und „Staatlicher Schule“ vgl. 3.1. Da die Begriffe als Termini technici verwendet werden, weicht die Schreibweise von den Vorgaben des Dudens ab.

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1 Pilgern und Wallfahren in der Schule — die Erfahrungsorte

Anlass und in einer Teilmenge auch Gegenstand dieser Untersuchung sind die Schulfahrten im Gebiet des Bistums Osnabrück. Nach dem St. Mauritz Gymnasium in Münster war das Leoninum in Handrup die zweite Schule in Deutschland, die eine Fahrt mit der gesamten Schule durchführte. Seit dem Jahr 2000 sind viele hinzugekommen, die sich überwiegend in den Bistümern Osnabrück und Münster befinden.1 Aufgrund der benötigten Logistik beschränkt sich das Angebot der Reiseunternehmen selbst. Zuerst angeboten hat die Reisen das Unternehmen Höffmann aus Vechta und wurde nun ergänzt durch Hülsmann aus Voltlage, die beide zwischen Osnabrück und Bremen beheimatet sind.

Zum Zeitpunkt dieser Untersuchung lagen die Fahrten zweier Schulen in unmittelbarer zeitlicher Nähe, so dass die Erfahrungen der Schulleitungen und der Schülerinnen und Schüler in diese Arbeit einfließen konnten. Dabei handelt es sich um das Gymnasium Leoninum in Handrup (südliches Emsland) und das Missionsgymnasium Bardel in der Grafschaft Bentheim. Diese Schulen und die von ihnen unternommenen Schulfahrten sollen nun kurz skizziert werden.

1.1 Leoninum in Handrup

Das 1923 gegründete Leoninum in Handrup ist ein von Herz-Jesu-Priestern getragenes staatlich anerkanntes Gymnasium in freier Trägerschaft im Süden des Landkreises Emsland an der Grenze zum Landkreis Osnabrück. Im Zuge seiner Geschichte musste es sich mit den Repressalien im Dritten Reich auseinandersetzen und nach Beendigung des Krieges erhebliche Sachschäden auffangen.2 Bereits im Jahre 1946 erhielt es die staatliche Anerkennung als Schule für den Ordensnachwuchs, später als Gymnasium und suchte Anfang der 70er Jahre seine Existenz in einem Schulverbund zu sichern, der mit den umliegenden Gemeinden vereinbart wurde. In diesem „… sicherte das Gymnasium Leoninum ← 19 | 20 → die Aufnahme aller Schüler zu, die am Ende der Orientierungsstufe3 die Gymnasialempfehlung erhalten, sofern die Eltern dies wünschen und die Erziehungsziele der Schule tragen“4. Im Gegenzug verpflichtete sich das Leoninum Schüler erst ab Klasse 7 aufzunehmen, um die neu gegründeten Orientierungsstufen nicht zu unterlaufen. Dadurch erfolgte schon früh eine ökumenische Öffnung. Allerdings ist aufgrund der konfessionell homogenen katholischen Bevölkerung bei der absoluten Zahl der nichtkatholischen Schüler in den Anfängen von geringen Zahlen auszugehen, die sich im Laufe der Zeit erst steigerten. Wegen der positiven Erfahrungen der Eltern mit der Schule übertraf schon wenige Jahre später die Schülerzahl die Erwartungen der Schulleitung und der umliegenden Gemeinden.

Die Schule geht in ihrer Konzeption von den Ansätzen Pater Leo Dehons, des Ordensgründers der Herz-Jesu-Genossenschaft, aus. In der Selbstbeschreibung, dass „Theologie vor Pädagogik“5 kommt, steht zunächst die Inkarnation als zentrales Moment, aus der heraus jedem Schüler und jeder Schülerin bei der Frage geholfen werden soll, die das Wort Inkarnation im wörtlichen Sinne meint: „Wie komme ich in meine Haut hinein, wie finde ich zu mir?“6 Dabei werden alle Menschen also Schüler, Lehrer, hauswirtschaftliche Kräfte, usw., als Erziehungsgemeinschaft betrachtet.

1.1.1 Santiago de Compostela 2000

Das Leoninum in Handrup blickte zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits auf die Erfahrung aus drei durchgeführten Schulfahrten zurück. Die erste erfolgte im Jahr 2000 nach Santiago de Compostela, die zweite im Jahr 2005 nach Rom und die dritte im Jahr 2011 nach Griechenland.

Anlass für die erste Fahrt war das Heilige Jahr 2000. Ausgehend vom Profil der Schule und der Spiritualität der Herz-Jesu-Priester wurde die inhaltliche Ausgestaltung an das Pilgern geknüpft, da ein zentraler Punkt des Profils der Schule die Frage danach ist: „Wie finde ich zu mir?“7 Zur Beantwortung der Frage wurde das Pilgern als wertvoller Beitrag gesehen. ← 20 | 21 →

Die Schulgemeinschaft machte sich am 13.06.2000 nach einem Gottesdienst in 21 Bussen auf den Weg zur französisch-spanischen Grenze, wo sie am darauffolgenden Tag ankamen. An den drei anschließenden Tagen pilgerten die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen unterschiedliche Etappen, so dass am Ende des dritten Tages der gesamte Pilgerweg von Schülern des Leoninums abgeschritten wurde. Am vierten Tag ging dann die gesamte Gruppe geschlossen nach Santiago hinein und feierte am Sonntag, den 18.06.2000 einen Gottesdienst in der Kathedrale. Am Montag erhielten die Schülerinnen und Schüler Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, so dass am Dienstag die Rückreise erfolgte und am Mittwoch, den 21.06.2000 nach zehn Tagen die Ankunft in Handrup stattfand. Von der Konzeption her ist dies die einzige Fahrt, bei der das Pilgern – im Sinne von zu Fuß unterwegs sein – im Zentrum stand. Die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, kristallisieren sich in folgendem Text:

1.1.2 Rom 2005

Die zweite Fahrt hatte die Seligsprechung des Ordensgründers der Herz-Jesu-Priester, Pater Leo Dehon, nach dessen Vornamen die Schule benannt ist, zum Anlass. Nachdem ein halbes Jahr vor dem angesetzten Termin die Seligsprechung um zwei Wochen verschoben wurde und die organisatorischen Vorbereitungen grundlegend geändert werden mussten, verstarb kurz vor Antritt der Fahrt Papst Johannes Paul II. Die Seligsprechung wurde abgesagt. Die Schulgemeinschaft trat die Reise trotzdem an und traf zu dem Zeitpunkt auf ihrem Zeltplatz in Rom ein, als weißer Rauch vom Konklave aufstieg. So war die Schulgemeinschaft beim Einführungsgottesdienst von Papst Benedikt XVI. dabei und feierte ihn auf dem Petersplatz. P. Dr. Heiner Wilmer SCJ, der damalige Schulleiter, verglich die Vorbereitung und Durchführung der Fahrt dann auch mit der „Göttlichen Komödie“ von Dante. Er hat die „… Struktur der ,Göttlichen Komödie‘ zu Hilfe ← 21 | 22 → genommen, sozusagen ,ausgeliehen‘ […], um ein wenig Licht auf die vielschichtigen zurückliegenden Ereignisse zu werfen“9. Dabei spielt er insbesondere auf die Höllenfahrt, die er mit den Vorbereitungen assoziiert, und den Eintritt ins Paradies, der mit dem Einführungsgottesdienst des Papstes verglichen wird, an.

Vom Ablauf her war die Fahrt nach einer eintägigen Busreise, von Besichtigungen Roms und Ausflügen in die Umgebung nach Pompeji, Ostia Antica und Castel Gandolfo geprägt. Auf der Rückreise machte die Schulgemeinschaft noch einen Stopp in Pisa.

Unter der Rubrik „Highlights“ finden sich in der Dokumentation aber nicht die Besichtigungen, sondern drei große Anlässe. Der erste ist eine gemeinsame Messe im Petersdom mit Erzbischof Kabongo, dem ehemaligen zweiten Sekretär von Johannes Paul II. Das Besondere an dieser Messe war, dass der Petersdom während der Vorbereitungen zur Einsetzung des neuen Papstes exklusiv für das Leoninum zur Verfügung gestellt wurde. Zweites Highlight war ein Fest der Begegnung mit anderen Jugendlichen, die mit dem Herz-Jesu-Orden verbunden sind, das auf dem Campingplatz stattfand. Das dritte Highlight war der Einsetzungsgottesdienst. An diesem wurde nicht in der gesamten Gemeinschaft teilgenommen. Es gab aber eine große Anzahl von Schülern, Eltern und Lehrern, die in aller Frühe aufstanden, um einen Platz auf dem Petersplatz zu erhalten und die Messe verfolgten. Dass die „… für die Seligsprechung vorgesehenen Platzkarten ihre Gültigkeit verloren hatten“10 und deshalb der Gottesdienst nicht als Gemeinschaftserlebnis der Schule durchgeführt werden konnte, ist in der Selbstbeschreibung zwar als Manko aufgeführt, wird aber überlagert von den Erlebnissen, die in dieser Stadt gemacht wurden: Vom Kontakt mit Anderen, die nach Rom gereist sind, um das Konklave mitzuerleben. Dazu findet sich in der Dokumentation folgender Passus:

Diejenigen, die zu nachtschlafender Zeit ihren Schlafsack verlassen hatten, bereuten ihre Entscheidung keineswegs. Im Gegenteil, voller Begeisterung erzählen [sic!] sie von der Stimmung auf dem Petersplatz. Obgleich man sich nicht gekannt habe, seien Lieder mit den benachbarten Gruppen gesungen worden.11

In der Wahrnehmung der Schulleitung wurde die Erfahrung der Gemeinschaft als Schule ergänzt durch die Erfahrung als Gemeinschaft der Gläubigen, so dass sich die Teilnehmer der Fahrt immer noch in einer Gemeinschaft wussten, auch ← 22 | 23 → wenn sie beim Einführungsgottesdienst nicht mehr zusammen an einem Ort waren.

1.1.3 Griechenland 2011

Die dritte Reise führte sechs Jahre später nach Griechenland. Ziel der Reise war der Ursprung des Christentums auf europäischem Boden, der mit dem Apostel Paulus verknüpft ist. Darüber hinaus eröffnet Griechenland die Begegnung mit den Ursprüngen des Abendlandes: der Kultur, der Philosophie, der Demokratie.

Details

Seiten
195
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631714089
ISBN (PDF)
9783653072778
ISBN (MOBI)
9783631714096
ISBN (Hardcover)
9783631679449
DOI
10.3726/b10509
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (November)
Schlagworte
Quantitative empirische Erhebung Vergleich Staatliche Schule - Katholische Schule Bildung und Erziehung
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 195 S.

Biographische Angaben

Andreas Gautier (Autor:in)

Andreas Gautier studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Philosophie und Theologie in Frankfurt am Main und Bonn. Er war Mitarbeiter am Seminar für Religionspädagogik, Katechetik und Didaktik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Inzwischen arbeitet er in der Pastoral des Bistums Osnabrück.

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