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Digitales Testament und digitaler Nachlass

von Pia Elisa Uhrenbacher (Autor:in)
©2017 Dissertation 241 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch untersucht, ob die bestehenden Vorschriften des deutschen Rechts wie die Regelungen des Erbrechts, des Datenschutzrechts und des Grundgesetzes auf den digitalen Nachlass anwendbar sind und ob sie einer Vererbbarkeit entgegenstehen. Der digitale Nachlass ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der juristischen Literatur geraten. Jeder Mensch produziert große Mengen digitaler Daten. Die Autorin beschäftigt sich mit der Frage, wie mit diesen Daten nach dem Tod des Betroffenen umgegangen werden soll. Der deutsche Gesetzgeber hat bislang keine Regelungen speziell zum digitalen Nachlass erlassen. Zusätzlich blickt das Buch auf die Rechtslage in den USA. Dort sind in einigen Bundesstaaten bereits Regelungen zum digitalen Nachlass erlassen worden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Darstellung der faktischen Problematik
  • I. Einführung in die Problematik (mit Beispielfällen)
  • 1. Der Fall Justin Ellsworth
  • 2. Der Fall Eric Rash
  • 3. Der Fall Moritz Luc Erhardt
  • 4. Die heimliche Geliebte im E-Mail-Postfach
  • II. Derzeitige Gegebenheiten
  • B. Verschiedene Dienstanbieter und ihre Regelungen
  • I. Online-Dienstanbieter im alltäglichen Leben
  • 1. Gmx.de und Web.de (Freemail-Anbieter)
  • a. Über das Unternehmen
  • b. Anmeldung/Registrierung
  • c. Kündigung
  • d. Regelungen für den Todesfall eines Profilinhabers
  • 2. Facebook (Social-Media-Account)
  • a. Über das Unternehmen
  • b. Anmeldung/ Registrierung
  • c. Beendigung der Mitgliedschaft
  • d. Nutzungs- und Urheberrechte an eingestellten Inhalten
  • e. Regelungen für den Todesfall eines Profilinhabers
  • aa. Versetzen des Profils in den Gedenkzustand
  • (1) Was ist der Gedenkzustand – Funktionsweise
  • (2) Antrags-Verfahren
  • bb. Löschung des Profils
  • cc. Bereitstellung der Profilinhalte
  • 3. Google (Suchmaschinen-, Videoplattform-, E-Mailanbieter)
  • a. Über das Unternehmen – Verschiedene „Dienste“
  • b. Anmeldung/Registrierung
  • c. Beendigung der „Dienste“
  • d. Nutzungs- und Urheberrechte an eingestellten Inhalten
  • e. Regelungen für den Todesfall eines Kontoinhabers
  • aa. Inactive Account Manager
  • bb. Zugriff auf die Inhalte des Google-Kontos eines Verstorbenen
  • 4. Twitter (Echtzeit-Informationsnetzwerk)
  • a. Über das Unternehmen
  • b. Anmeldung/Registrierung
  • c. Nutzungs- und Urheberrechte an eingestellten Inhalten
  • d. Deaktivierung des eigenen Accounts
  • e. Regelungen für den Todesfall eines Account-Inhabers
  • aa. Automatische Löschung von Konten inaktiver Nutzer
  • bb. Antrag auf Deaktivierung des Nutzerkontos
  • 5. PayPal (Online-Bezahlsystem)
  • a. Über das Unternehmen
  • b. Anmeldung/Registrierung
  • c. Kündigung des PayPal-Kontos
  • d. Regelungen für den Todesfall eines PayPal-Kontoinhabers
  • 6. Parship (Partnervermittlung)
  • a. Über das Unternehmen
  • b. Anmeldung/ Registrierung
  • c. Beendigung der Mitgliedschaft – Kündigung
  • d. Nutzungs- und Urheberrechte an eingestellten Inhalten
  • e. Regelungen für den Todesfall eines Profilinhabers
  • II. Neue Geschäftsmodelle rund um den digitalen Nachlass
  • 1. Vorsorge zu Lebzeiten
  • a. Mywebwill
  • aa. Über das Unternehmen
  • bb. Angebotene Dienstleistungen
  • b. PasswordBox, ehemals Legacy Locker
  • aa. Über das Unternehmen
  • bb. Angebotene Dienstleistungen
  • (1) Zu Lebzeiten des Nutzers
  • (2) Vorsorge für den Todesfall
  • 2. Dienstleister für die Erben (Digitaler Nachlassdienst)
  • a. Semno UG
  • aa. Über das Unternehmen
  • bb. Angebotene Dienstleistungen
  • b. Columba – Der digitale Nachlassdienst
  • aa. Über das Unternehmen
  • bb. Angebotene Dienstleistungen
  • c. Digitale Friedhöfe und Gedenkstätten
  • C. Rechtsvergleichung (v. a. USA)
  • I. Rechtslage in den USA
  • 1. Allgemeine Einführung in das „US-amerikanische Erbrecht“
  • a. Erbrecht als Staatenrecht (State Law)
  • aa. Gesetzgebung
  • bb. Rechtsprechung – Spezielle „Probate Courts“
  • b. Erbrechtliche Grundprinzipien
  • aa. Keine Universalsukzession
  • bb. Keine Verfügungsbefugnis des Erben bis zur Nachlassabwicklung
  • c. Grundzüge der Nachlassabwicklung
  • aa. Allgemeines
  • bb. Nachlassabwicklung gemäß dem Uniform Probate Code
  • (1) Ausnahmen für eine vereinfachte Abwicklung
  • (2) Ausnahme: „Supervised administration proceeding“
  • cc. Nachlassabwicklung nach herkömmlichen Staatenrechten
  • d. Terminologie und Definitionenkatalog in § 1–201 Uniform Probate Code
  • 2. Spezielle Gesetzgebung zum digitalen Nachlass
  • a. „Fiduciary Access To Digital Assets Act” 2014
  • aa. Entstehung
  • bb. Diskussionsstand: Muster-Regelungsvorschlag März 2014
  • (1) Bezeichnung und Definitionen, Section 1 und 2
  • (2) Geltungsbereich, Section 3
  • (3) Einzelne Befugnisse des Vermögensverwalters, Sec. 4, Sec. 8 (a)
  • (a) Exkurs: Stored Communications Act (SCA)
  • (aa) 18 U.S.C. Section 2701
  • (bb) 18 U.S.C. Section 2702
  • (b) Exkurs: Computer Fraud and Abuse Act: 18 U.S.C. Section 1030
  • (4) Weitere Befugnisse, Section 8 (b) bis (d)
  • (5) Übrige Regelungen, Section 9 bis 17
  • (a) Section 9
  • (b) Sections 10 bis 17
  • b. Bundesstaatliche Einzel-Regelungen zum digitalen Nachlass
  • aa. Erstes Regelungsmodell: Zugriff auf den E-Mail-Account
  • (1) Connecticut
  • (2) Rhode Island
  • bb. Andere Modelle: Zugriff auf sämtliche digitale Daten und Accounts
  • (1) Indiana
  • (2) Oklahoma
  • (3) Idaho
  • cc. Modell Virginia
  • (1) Zugriff auf Social-Media-Accounts Minderjähriger
  • (a) Definitionen, Code of Virginia § 64.2–109
  • (b) Befugnisse des „personal representative“, Code of Virginia § 64.2-110
  • (2) Weiterer Gesetzgebungsvorschlag: Genereller Zugriff (SB 914)
  • dd. Nevada: Befugnis zur Löschung sämtlicher Accounts
  • ee. Maine: Noch keine inhaltliche Regelung
  • c. Bundesstaaten im Gesetzgebungsprozess
  • d. Bundesstaaten, die (bislang) keine Regelungen erlassen haben
  • aa. Bislang untätig gebliebene Bundesstaaten
  • bb. Bundesstaaten, die eingebrachte Entwürfe abgelehnt haben
  • (1) North Dakota
  • (2) North Carolina
  • II. Europäische Staaten und die Schweiz
  • D. Bisherige Reformvorschläge in Deutschland – Rechtsprechung
  • I. Ansichten, die keine gesetzlichen Neuregelungen für erforderlich halten
  • 1. Hoeren, NJW 05
  • a. Die E-Mail
  • aa. Vom Erblasser bereits abgerufene E-Mails
  • (1) Grundsatz: Anwendbarkeit der Universalsukzession (Vererbbare Positionen)
  • (2) Ausnahme: Nicht vererbbare Positionen
  • (3) Handhabung in der Praxis (Abgrenzung)
  • (a) Privater E-Mail-Verkehr
  • (b) Geschäftlicher E-Mail-Verkehr
  • bb. Vom Erblasser nicht abgerufene E-Mails
  • (1) Grundsatz: Anwendbarkeit der Universalsukzession
  • (2) Handhabung in der Praxis (Abgrenzung)
  • cc. Praktischer Zugriff auf die E-Mails
  • dd. Rechtsverstöße
  • (1) Keine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses gemäß Art. 10 GG
  • (2) Keine Strafbarkeit des Erben durch den Zugriff auf die E-Mails
  • b. Die Internetseite
  • aa. Nutzung der Domain
  • bb. Urheberrechte
  • cc. Pflicht zur Aktualisierung des Impressums
  • dd. Richtiger Verantwortlicher bei Rechtsverstößen
  • (1) Verletzungen von Rechten Dritter
  • (2) Strafrechtliche Verantwortlichkeit
  • 2. Dopatka, NJW-aktuell, Heft 49/2010, 14
  • a. Ausgangspunkt: Universalsukzession
  • b. Praktischer Zugriff auf die digitalen Daten – Durchsetzung der Rechte
  • aa. Zugriff auf die E-Mails
  • bb. Lösungsvorschlag: Erteilung einer Vollmacht auf den Todesfall
  • c. Weitere betroffene Rechte und Rechtsgebiete
  • aa. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und § 22 KunstUrhG
  • bb. Das Urheberrecht nach dem Urheberrechtsgesetz
  • cc. Internetseiten und Domains
  • 3. Brinkert, Stolze, Heidrich, ZD 2013, 153
  • a. Grundsätzliche Anwendbarkeit der Universalsukzession
  • b. Abgrenzung zwischen vermögens- und nichtvermögensrechtlichen Positionen
  • c. Praktischer Zugriff auf die digitalen Daten
  • d. Weitere betroffene Rechte und Rechtsgebiete
  • aa. Postmortales Persönlichkeitsrecht
  • bb. Urheberrecht
  • cc. Datenschutzrecht
  • e. Lösungsvorschlag: Lebzeitige Vorsorge
  • II. Ansichten, die sich für eine gesetzliche Neuregelung aussprechen
  • 1. Martini, JZ 2012, 1145
  • a. Vom Erblasser bereits abgerufene E-Mails
  • b. Vom Erblasser nicht abgerufene E-Mails
  • c. Praktischer Zugriff auf die E-Mails
  • d. Weitere betroffene Rechte und Rechtsgebiete
  • aa. Immaterialgüterrechte – Insbesondere das Urheberrecht
  • bb. Datenschutzrecht – Persönlichkeitsschutz
  • (1) Allgemeine Erwägungen
  • (2) Nicht öffentlich zugängliche Daten
  • (a) Einfachgesetzlicher Datenschutz
  • (aa) Bisherige Auffassung – Ende des Datenschutzes mit dem Tod
  • (bb) Neue Erkenntnis – Datenschutz über den Tod hinaus
  • (cc) Keine Freigabe der Daten des Verstorbenen gegenüber den Erben
  • (b) Verfassungsrechtlicher postmortaler Persönlichkeitsschutz
  • (aa) Inhalt und Ausprägungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes
  • (bb) Bedeutung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes im Zeitalter digitaler Medien
  • (c) Abgrenzung zwischen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Positionen im digitalen Nachlass
  • (3) Öffentlich zugängliche Daten
  • (a) Die Erben als Wahrnehmungsberechtigte – Klarstellende gesetzliche Neuregelung
  • (b) Dauer der Wahrnehmungsberechtigung
  • e. Lösungsvorschlag: Verpflichtende Profileinstellungen – Notwendigkeit von Gesetzesänderungen
  • 2. Stellungnahme DAV
  • a. Darstellung des Grundaussagegehalts der Ansicht
  • b. Vorgeschlagener Gesetzestext
  • c. Einzelne Begründung – Erbrechtliche Bewertung
  • aa. Der Vermögensbegriff
  • (1) Vermögen im weiteren Sinne
  • (2) Untergang des Rechts als Alternative zur Vererblichkeit
  • (3) Wahrnehmungsberechtigung
  • (4) Gegenstand des Ererbten
  • (a) Dingliche und sonstige Rechte
  • (b) Schuldrechtliche Positionen
  • bb. Abgrenzung der Befugnisse der Erben und der Angehörigen
  • (1) Das Recht der Totenfürsorge
  • (2) Das allgemeine – postmortale – Persönlichkeitsrecht
  • (a) Namensrecht
  • (b) Erlöschen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – Postmortal: Der Allgemeine Achtungsanspruch
  • (c) Vermögensrechtliche Seite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • (3) Das Interesse des Erblassers an Geheimhaltung und Pflichten zur Verschwiegenheit
  • cc. Vergleiche mit Parallelen aus der „offline“-Welt und deren rechtlicher Behandlung
  • (1) Übergang auf die Erben – Allenfalls Abwehransprüche der Wahrnehmungsberechtigten
  • (2) Umgang mit Zugangsdaten
  • (3) Keine Unterscheidung zwischen abgerufenen und noch nicht abgerufenen E-Mails – Übergang von Eigentum und vertraglichen Ansprüchen
  • (4) Entgegenstehender Erblasserwille – Keine Strafbarkeit bei Zuwiderhandlungen durch die Provider
  • (5) Vererblichkeit von Ansprüchen auf Löschung von online gestellten Daten
  • dd. Lebzeitige Gestaltungsmöglichkeiten
  • d. Verfassungsrechtliche Hintergründe
  • aa. Das Fernmeldegeheimnis
  • (1) Grundrechtsbindung der Internet-Provider
  • (a) Die FRAPORT-Entscheidung des BVerfG
  • (b) Übertragung der Grundsätze auf private Internet-Provider
  • (2) Eröffnung des zeitlichen Anwendungsbereichs auch bei abgerufenen E-Mails
  • (3) Zugriff des Erben auf den Internet-Account des Verstorbenen
  • (a) Weitergabe der Daten als Eingriff in den Schutzbereich
  • (b) Einwilligung des Erblassers und des Kommunikationspartners
  • (c) Rechtfertigung der Weitergabe der Daten aus Gründen des öffentlichen Interesses oder des kollidierenden Verfassungsrechts
  • (aa) Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage
  • (bb) Keine gesetzliche Ermächtigung durch den bestehenden § 88 Abs. 3 S. 1 TKG
  • bb. Eigentum und Erbrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG
  • cc. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
  • dd. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG
  • (1) Schutzbereich
  • (2) Erlöschen des Grundrechtsschutzes nach dem Tod?
  • (3) Schranken
  • III. Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.12.2015
  • E. Betrachtung der vorhandenen Normen und deren Regelungsgehalt – Erfassung des digitalen Nachlasses
  • I. Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch
  • 1. Universalsukzession gemäß § 1922 BGB
  • a. Regelungsgehalt
  • b. Kommentierung zum digitalen Nachlass
  • aa. Ausführungen bei Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch
  • bb. Ausführungen im Münchener Kommentar zum BGB
  • cc. Ausführungen bei Erman, Bürgerliches Gesetzbuch
  • dd. Zwischenergebnis
  • c. Digitaler Nachlass als „Vermögen“ im Sinne des § 1922 BGB?
  • aa. Der Vermögensbegriff im Bürgerlichen Gesetzbuch
  • bb. Besonderheit des Vermögensbegriffs in § 1922 BGB
  • (1) Vermögensrechtliche vs. nichtvermögensrechtliche Rechtspositionen
  • (a) Vorfrage: Relevanz dieser Trennung für den digitalen Nachlass
  • (aa) Umfang und Rechtsnatur des digitalen Nachlasses
  • (aaa) Definition nach dem DAV im Rahmen der Stellungnahme von 2013
  • (bbb) Weitergehender Ansatz von Herzog, NJW 2013
  • (ccc) Definition nach Deusch, ZEV 2014
  • (ddd) Kritik an den bisherigen Definitionen
  • (bb) Eigene Definition des digitalen Nachlasses
  • (cc) Zwischenergebnis: Vermögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche (Rechts-)Positionen vom digitalen Nachlass umfasst
  • (b) Keine – für die Vererblichkeit zwingende – Trennung der Rechtspositionen nach Vermögenswerten im Rahmen des § 1922 BGB
  • (aa) Vererblichkeit vermögenswerter und nichtvermögenswerter Rechtspositionen
  • (bb) Bedeutung für den digitalen Nachlass – Zugleich Widerlegung der Thesen von Hoeren und Martini
  • (2) Nettovermögen vs. Bruttovermögen – Verbindlichkeiten als Teil des Vermögens
  • cc. Zwischenergebnis: Digitaler Nachlass als Vermögen im Sinne von § 1922 BGB
  • 2. Zwischenergebnis: Digitaler Nachlass vom Regelungsgehalt erfasst
  • II. Datenschutzrechtliche Regelungen und einfachrechtliche Ausprägung des Fernmeldegeheimnisses
  • 1. Vorfragen zur Anwendbarkeit der Gesetze
  • a. Anwendungsbereiche des Bundesdatenschutz-, des Telemedien- und des Telekommunikationsgesetzes
  • aa. Das Bundesdatenschutzgesetz
  • bb. Das Telemediengesetz
  • cc. Das Telekommunikationsgesetz
  • b. Geltender Anwendungsvorrang
  • aa. Verhältnis Bundesdatenschutzgesetz und Telekommunikationsgesetz
  • bb. Verhältnis Telekommunikationsgesetz und Telemediengesetz
  • 2. Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG)
  • a. § 88 TKG Fernmeldegeheimnis
  • aa. Regelungsgehalt
  • (1) Schutzgehalt
  • (2) Adressaten der Norm
  • (3) Verhaltenspflichten nach Abs. 3
  • (4) Rechtsfolgen bei Verstößen – § 206 StGB
  • bb. Bedeutung für den digitalen Nachlass
  • b. §§ 91 ff. TKG Datenschutz
  • aa. Regelungsgehalt
  • (1) Adressaten der Normen
  • (2) Schutzgehalt
  • bb. Bedeutung für den digitalen Nachlass
  • 3. Regelungen des Telemediengesetzes (TMG)
  • a. §§ 11 ff. TMG Datenschutz
  • aa. Regelungsgehalt
  • (1) Adressaten der Normen
  • (2) Schutzgehalt
  • bb. Bedeutung für den digitalen Nachlass
  • b. Zwischenüberlegung
  • 4. Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes
  • a. Relevante Regelungsabschnitte – Regelungsgehalte
  • aa. §§ 1 bis 11 BDSG – Allgemeine Vorschriften
  • bb. §§ 34 bis 35 BDSG – Rechte des Betroffenen
  • cc. §§ 43 bis 44 BDSG – Rechtsfolgen bei Verstößen
  • b. Adressaten der Norm
  • c. Schutzgehalt des BDSG
  • d. Bedeutung für den digitalen Nachlass
  • 5. Zwischenergebnis für die datenschutzrechtlichen Regelungen
  • F. Kein Entgegenstehen des Verfassungsrechts
  • I. Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG
  • 1. Grundrechtsbindung der Internetprovider – Grundrechtsadressaten
  • 2. Art. 10 GG als lex specialis
  • 3. Sinn und Zweck des Art. 10 GG (Teleologische Herleitung)
  • a. Schutz der kommunikativen Privatheit
  • b. Dynamischer Schutzbereich
  • 4. Schutzbereich
  • a. Sachlicher Schutzbereich
  • aa. Zum Übermittlungsvorgang
  • bb. Zu den Übermittlungsinhalten
  • b. Persönlicher Schutzbereich
  • 5. Eingriff in den Schutzbereich
  • a. Was ist erfasst?
  • b. Ausschluss eines Eingriffs durch Verzicht
  • c. Eingriffsqualitäten anhand des Beispiels der E-Mail
  • aa. Worin könnte ein Eingriff liegen?
  • (1) Keine Beeinflussung des Übermittlungsvorgangs
  • (2) Zur-Verfügung-Stellung der beim Provider gespeicherten Daten
  • (a) Für den (noch lebenden) Nutzer
  • (b) Für die Erben
  • bb. Keine Eingriffsqualität mangels Herausgabe der Daten an einen „Dritten“
  • d. Eingriffsqualitäten anhand des Beispiels von Social-Media-Accounts
  • 6. Zwischenergebnis: Kein Eingriff in Art. 10 GG
  • II. Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG
  • 1. Dogmatische Grundlagen und Herleitung
  • 2. Schutzbereich mit Entwicklungsoffenheit
  • a. Sachlicher Schutzbereich – Verschiedene Ausprägungen
  • aa. Allgemein: Die Sphärentheorie
  • (1) Einteilung der drei Sphären
  • (2) Einordnungs-Beispiele
  • bb. Der Selbstdarstellungsschutz
  • cc. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • (1) Allgemeines zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • (2) Besonderheiten hinsichtlich der Datenerhebung durch Private
  • dd. Recht am eigenen Bild und Recht am eigenen Wort
  • b. Persönlicher Schutzbereich
  • aa. Natürliche Personen
  • (1) Voraussetzung: Lebender Mensch
  • (2) Kein postmortaler Persönlichkeitsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG
  • bb. Juristische Personen
  • 3. Eingriff in den Schutzbereich
  • a. Eingriff – Was ist erfasst?
  • b. Ausschluss eines Eingriffs durch Einwilligung oder Verzicht
  • c. Kein Eingriff in den Schutzbereich durch Anwendung der Universalsukzession auf den digitalen Nachlass
  • aa. Kein Eingriff hinsichtlich Erblasser möglich
  • bb. Eingriffsqualität hinsichtlich Kommunikationspartner
  • (1) Hinsichtlich Herausgabe der Daten an die Erben
  • (2) Hinsichtlich Kenntnisnahme durch die Erben
  • (a) Einsicht in Social-Media-Accounts Dritter
  • (b) Einsicht in E-Mails
  • cc. Ausschluss durch Einwilligung zur Kenntnisnahme durch den Account-Inhaber
  • (1) Einwilligung bezieht sich auf den Account
  • (2) Erbe als rechtmäßiger Account-Inhaber
  • 4. Zwischenergebnis: Kein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG
  • III. Ergebnis: Kein Entgegenstehen des Verfassungsrechts
  • G. Zusammenfassung und Ausblick
  • I. Gesamtergebnis status quo
  • 1. Erbrechtliche Regelungen ausreichend
  • 2. Datenschutzrechtliche Regelungen nicht ausreichend
  • II. Überblick über (bisherige) Gesetzesvorschläge – Ausblick
  • 1. Vorgeschlagene Neuregelungen vom DAV im Telekommunikationsgesetz
  • a. Eintritt des Ehegatten oder eines Angehörigen in den Telekommunikationsdienstevertrag des Erblassers
  • b. Legitimation zur Zugriffsverschaffung für die Erben
  • 2. Unterstützung des DAV-Vorschlags hinsichtlich der Einführung eines § 88 Abs. 5 TKG
  • a. Keine Ergänzung eines § 43 c TKG
  • b. Ergänzung eines § 88 Abs. 5 TKG
  • 3. Kein Erfordernis weitergehender Neuregelungen
  • a. Kein Regelungsbedürfnis entsprechend den Kodifikationen der amerikanischen Bundesstaaten
  • b. Keine Legaldefinition des digitalen Nachlasses
  • c. Keine Ergänzung eines § 13 Abs. 4 Nr. 3 a TMG
  • Literaturverzeichnis
  • I. Zitierte Internetadressen nach Themengebieten geordnet
  • II. (Online-)Aufsätze
  • III. Literatur

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A.  Darstellung der faktischen Problematik

Mittlerweile ist es üblich geworden, über E-Mail oder What’s App zu kommunizieren, Bilder vom letzten – über 1-2-fly.com gebuchten – Urlaub auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken zu posten, über Xing nach dem nächsten Traumjob und bei Parship nach dem Wunschpartner zu suchen oder einen Freund via Skype im Ausland anzurufen. Das alltägliche Leben wird immer digitaler. Dabei werden enorme Massen an digitalen Daten produziert, die, wenn sie einmal in der Welt und insbesondere im Internet sind, endlos fortbestehen können, auch über das Leben des Nutzers oder Verursachers hinaus.

Die vorliegende Arbeit behandelt ein Thema, das bei Beginn der Bearbeitung erst langsam dabei war, einen Weg in die Öffentlichkeit und damit in die öffentliche Diskussion zu finden: Was passiert mit unseren digitalen Daten, wenn wir einmal gestorben sind? Was geschieht mit den Spuren, die wir im Rahmen unserer digitalen Identität hinterlassen, mit unserem „Digitalen Nachlass“? Auch wenn das Thema mittlerweile vermehrt in den Fokus der öffentlichen (Fach-)Diskussionen gerät, gibt es hierzu noch wenig Literatur und Vorschläge, wie mit dem digitalen Nachlass zu verfahren ist.

So bemerkte Rechtsanwalt Martin Sebastian Haase zutreffend im Rahmen seines Vortrags „Rechtsfragen des digitalen Nachlasses“ am 12.09.2013 bei der 14. Herbstakademie 2013 der Deutschen Stiftung für Recht und Informatik in Berlin: „Bei der Vorbereitung zu diesem Vortrag habe ich gemerkt, dass ich eigentlich selbst viel mehr Fragen als Antworten zu diesem Thema habe.“1

Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, eben diese Antworten zu finden. Zunächst wird in Teil A. anhand von Beispielen zu der Problematik hingeführt. Sodann wird unter B. die derzeitige Ausgestaltung bei einzelnen Dienstanbietertypen dargestellt, anschließend unter C. eine Darstellung gesetzlicher Regelungen im Ausland gegeben. Nach der Darstellung der bisherigen Reformvorschläge in der deutschen juristischen Literatur unter D. wird unter E. die Erfassung des digitalen Nachlasses bei der derzeitigen Rechtslage in Deutschland geprüft. Nach der Beleuchtung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte unter F. folgen sodann unter G. Zusammenfassung und Ausblick. Die vorliegende Bearbeitung kommt zu dem Schluss, dass der digitale Nachlass gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergeht und den Reformvorschlägen nur insoweit gefolgt werden sollte, als eine Ergänzung der Regelungen des TKG gefordert wird, wonach Dienstanbietern ausdrücklich erlaubt werden soll, den Erben Zugriff zu den Daten des Verstorbenen zu verschaffen. ← 23 | 24 →

I.  Einführung in die Problematik (mit Beispielfällen)

Im deutschen Erbrecht gilt das Prinzip der Universalsukzession nach § 1922 BGB.2 Demnach geht mit dem Tod einer Person deren gesamtes Vermögen als einheitliches Ganzes auf den Erben oder die Erbengemeinschaft über. Von zentraler Bedeutung für die Beantwortung der Frage, was mit dem digitalen Nachlass einer Person geschieht, sind daher zwei Fragen: Was genau ist der digitale Nachlass und gehören die „digitalen Hinterlassenschaften“ des Erblassers zu dem nach § 1922 Abs. 1 BGB vererbbaren Vermögen? Für die Beurteilung sind zunächst die angebotenen Dienstleistungen der digitalen Onlinedienste näher zu betrachten, um zu ermitteln, welche Rechte des Erblassers vorhanden sind, die auf die Erben – in welcher Form auch immer – übergehen könnten. Je mehr sich unser Leben online abspielt, desto mehr Daten und Spuren hinterlassen wir dort. Umso wichtiger wird es daher für unsere Angehörigen, die Möglichkeit oder sogar das Recht zu bekommen, an diese Spuren heranzukommen, auch wenn die Ausgangssituationen und die Motive ganz unterschiedliche sein mögen.

1.  Der Fall Justin Ellsworth

Das erste Mal, dass Fragen hinsichtlich der „digitalen Nachfolge“ öffentlich gestellt und diskutiert wurden, war im Jahr 2004. Der Tod von Justin Ellsworth war der Fall, mit dem alles begann: Der 20-jährige US-Soldat des United States Marine Corps starb Anfang November 2004, bereits zwei Monate nach seiner Stationierung im Irak, durch eine Sprengfalle am Straßenrand.3 Justin Ellsworth versandte an seine Eltern und Freunde mittels seines Yahoo!-Accounts regelmäßig E-Mails, die sein Vater nach dessen Tod zusammen mit seinen empfangenen E-Mails sammeln und veröffentlichen wollte. Er wollte der Welt und zukünftigen Generationen zeigen, wie ein Mensch, der tatsächlich im Irakkrieg gewesen ist, die Situation empfunden hat. Das Unternehmen Yahoo! verweigerte jedoch unter Hinweis auf seine Datenschutzrichtlinien die Herausgabe der E-Mails. Schließlich sei auch das Unternehmen an seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebunden, denen jeder Nutzer zustimmen müsse und in denen es heiße, dass der Account nicht übertragbar sei und alle Rechte an diesem Account und den darin gespeicherten Inhalten mit dem Tode des Nutzers erlöschten.4 Nachdem die Eltern vergeblich versucht hatten, das ← 24 | 25 → Passwort zu erraten, um Zugang zu dem Account zu bekommen, wandten sie sich an die Medien und stießen so die erste öffentliche Debatte zu Fragen des digitalen Nachlasses, insbesondere zu der Frage, ob die Hinterbliebenen Zugang zu dem E-Mail-Account des Verstorbenen erhalten sollten, an. Dieselben Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten jedoch auch die Klausel, dass Yahoo! berechtigt sei, die Account-Informationen und den Inhalt zu offenbaren, wenn das Gesetz oder Treu und Glauben dies verlangen sollten.5 In einem gegen Yahoo Inc. geführten Prozess bekamen die Eltern vor dem amerikanischen Gericht schließlich Recht und ihnen wurden die E-Mails ihres Sohnes durch das Unternehmen ausgehändigt.6

Die Eltern von Justin wollten nur eine Erinnerung an ihren Sohn, etwas Bleibendes, woran sie sich festhalten konnten. Jedoch sind auch Situationen denkbar, in denen Eltern ein viel dringlicheres Bedürfnis nach Erkenntnis haben.

2.  Der Fall Eric Rash

Ricky und Diane Rash lebten mit ihren vier Kindern auf einer beschaulichen Farm in Nottoway County, Virginia, als sie am 20. Januar 2011 gegen fünf Uhr morgens einen Anruf erhielten: Ihr Sohn Eric habe gemeldet, er befinde sich draußen auf der nahe gelegenen Harper Road; er habe dort einen Toten gefunden.7 Als der Vater eintraf, fand er Eric in der Nähe seines Wagens im Gras liegen, tot. Sein einziger Sohn, der immer mit guten Noten und einem beständigen Lächeln auf den Lippen nach Hause kam, beging im Alter von 15 Jahren Suizid. Die Eltern berichteten, dass er zwar Briefe an sie und seine Schwestern hinterlassen habe, in denen er beteuert habe, dass es ihm sehr leid tue. Auch habe er Anweisungen für seine Beerdigung gegeben und sich das Lied „Somewhere over the Rainbow“ gewünscht. Eine Antwort auf die für die Hinterbliebenen quälendste Frage, auf das „Warum?“, erhielten sie jedoch nicht. Nachdem die Eltern Klassenkameraden befragt hatten, kamen sie auf die Idee, in dem Facebook-Account ihres Sohnes nach Antworten zu suchen. Jedoch war das Passwort, das erforderlich war, um auf den Account zuzugreifen, ← 25 | 26 → nur einige Tage vor Erics Tod geändert worden. Nach tagelangem Ausprobieren mussten die Eltern schließlich ihre Versuche, sich einzuloggen, einstellen. Einzig die „von außen“ sichtbaren Nachrichten auf der Pinnwand des Accounts waren für die Eltern einsehbar, nicht jedoch private Nachrichten, die ihr Sohn versandt und empfangen hatte. Die erhofften Antworten blieben aus. Die Rashs kontaktierten das Unternehmen Facebook, das die Herausgabe der Daten jedoch mit Hinweis auf ihre Datenschutzrichtlinien, die dem Standard der Branche entsprächen, verweigerte. Schließlich habe der (auch minderjährige) Nutzer ein Recht auf Privatsphäre und Datenschutz. Zudem treffe das Recht des Bundesstaates Virginia keine Regelungen zum Umgang mit digitalen Daten nach dem Tod eines Account-Nutzers.

Die Rashs wollten sich damit nicht abfinden. So wandte sich der Vater Ricky Rash an die Gesetzgeber von Virginia und bewirkte schlussendlich, dass zwei Jahre später, 2013, ein Gesetz ausgefertigt wurde, wonach die Eltern minderjähriger Kinder Zugang zu den Social-Media-Accounts ihrer Kinder erhalten.8 Nach diesem Erfolg hat sich der Vater zum Ziel gesetzt, noch weiter zu gehen und eine vergleichbare Regelung auch im Federal Law durchzusetzen. Die Familie möchte nicht, dass irgendjemand dasselbe durchmachen muss, was sie selbst erlebt hat, sondern dass Eltern die Möglichkeit haben, in einem solchen Fall jede Informationsquelle zu nutzen.9

3.  Der Fall Moritz Luc Erhardt

Manchmal sind Angehörige eines Verstorbenen jedoch nicht an der Gewinnung von Informationen interessiert, sondern möchten gerade das Gegenteil erreichen. Dann soll das Kursieren von Informationen und Gerüchten über den Verstorbenen im Internet unterbunden werden. Für die Hinterbliebenen ist es oft schwer, Bilder im Internet zu sehen, die den bereits verstorbenen, geliebten Menschen zeigen oder Nachrichten zu lesen, die von diesem verfasst wurden. Andererseits möchten sie dessen eigene Nachrichten auch einsehen können.

Moritz Luc Erhardt, ein 21-jähriger Student der WHU Otto Beisheim School of Management, starb im August 2013 gegen Ende seines siebenwöchigen Praktikums bei der Investmentbank Bank of America Merrill Lynch in London.10 Er wurde eines ← 26 | 27 → Morgens tot in der Dusche seines Studentenwohnheims aufgefunden, nachdem er nicht zur Arbeit erschienen war.11 Auch wenn die Todesursache zunächst ungeklärt war, kursierten neben der öffentlichen Anprangerung der Arbeitszeiten in Investmentbanken bereits kurz nach dem Tod von Moritz Luc Erhardt viele Gerüchte über angeblich acht Nachtschichten in vierzehn Tagen, eine mögliche Epilepsie-Vorerkrankung und möglichen Drogenkonsum.12 Die Obduktion hat später ergeben, dass Moritz tatsächlich aufgrund seiner Epilepsie verstorben ist.13 Der Medienberichten zufolge sehr ambitionierte Student14 hatte einen Facebook-Account, der in den Gedenkstatus versetzt worden ist, weil Freunde von Moritz das Unternehmen über dessen Tod informiert haben.15 Zum damaligen Zeitpunkt waren die Regelungen von Facebook für den Todesfall eines Nutzers noch so ausgestaltet, dass sogar Eltern und Angehörige, die bislang nicht mit dem Verstorbenen auf Facebook befreundet waren, den weiter existierenden Account samt seiner Inhalte ausnahmslos nicht einsehen konnten.16 Dies war lediglich den bereits zu Lebzeiten bestätigten Freunden vorbehalten. Dieses Beispiel zeigt, dass es sich bei diesem Thema keineswegs um Einzelfälle bei dramatischen Todesfällen handelt, sondern jeden Internetnutzer und seine Hinterbliebenen gleichermaßen betrifft. Es reicht aus, wenn ein Facebook-Nutzer stirbt. Kein Suizid, keine ungeklärte Todesursache, nicht spektakulär, einfach so. ← 27 | 28 →

4.  Die heimliche Geliebte im E-Mail-Postfach

In anderen Fällen wünschen die Angehörigen jedoch nicht nur keine Information, sondern bekommen ein Wissen aufgedrängt, das sie nicht haben wollten, indem sie etwas erfahren, das sie lieber nie erfahren hätten. Wenn die trauernde Witwe die E-Mails ihres verstorbenen Mannes durchsieht und dabei auf Liebesnachrichten der heimlichen Geliebten stößt,17 wird sie kaum erfreut sein. Hier stellt sich vor allem die Frage, ob es wirklich im grundsätzlichen Interesse und im pauschal zu unterstellenden Willen eines jeden Erblassers liegt, dass seine Angehörigen auch Einsicht in seine komplette E-Mail-Kommunikation erhalten sollen. Schließlich können darin Dinge enthalten sein, die – zumindest aus Sicht des Erblassers – außer ihn selbst niemanden etwas angehen. Er wird in der Regel nicht wollen, dass seine lebzeitigen, gut gehüteten Geheimnisse sozusagen posthum herauskommen und ihn selbst und das von ihm gelebte Familienleben in ein fragwürdiges Licht stellen. Durch das Auffinden einer E-Mail der Geliebten im Postfach des Ehemannes und Familienvaters können damit noch über den Tod hinaus Familien auseinandergerissen und zerstört werden.18 Im Rahmen der Diskussion um den digitalen Nachlass und die Frage, wer welche Rechte daran erwerben soll, ist also nicht ausschließlich auf das Interesse der Angehörigen, sondern auch – wenn nicht sogar vor allem – auf den Willen und das Interesse des Verstorbenen selbst abzustellen. Schließlich ist dies auch genau die Person, deren Willen für die Erbfolge abseits des digitalen Nachlasses entscheidend ist.

II.  Derzeitige Gegebenheiten

Bei Beginn dieser Arbeit gab es keine gesetzlichen Regelungen, keine Gesetzesvorhaben hierzu, es war nicht einmal das Bewusstsein für dieses Problem vorhanden. So gaben die Fraktionen des Bundestages auf Nachfrage an, sie sähen derzeit keinen besonders dringenden politischen Handlungsbedarf,19 es handele sich um eine eher theoretische Diskussion20 und sie wollten sich frühestens in der nächsten Legislaturperiode damit auseinandersetzen.21 Bis zur Fertigstellung dieser Arbeit gab es auch ← 28 | 29 → keine Rechtsprechung zu Fallgestaltungen rund um den digitalen Nachlass,22 nur einige unterschiedliche Stimmen in der juristischen Literatur, auf die im Rahmen dieser Darstellung unter Gliederungspunkt D. eingegangen werden wird. Erst nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit ist ein erstes Urteil zum digitalen Nachlass ergangen,23 das der Vollständigkeit halber als III. in Kapitel D. eingefügt wurde. Der uneinheitliche Umgang mit dem Thema spiegelt sich auch in den Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen der einzelnen Online-Dienstanbieter wieder. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass viele der Dienstanbieter ihren Sitz im Ausland haben und daher nicht oder nur eingeschränkt an die deutschen Gesetze gebunden sind.24 Dies führt zu einer Vielzahl unterschiedlichster Ausgestaltungen der Vertragsbedingungen. Jeder Dienstanbieter regelt die Fragen – sofern er sich überhaupt damit befasst – anders,25 so dass es letztlich vom Zufall abhängt, welchen Account der Nutzer hatte und ob seine Daten weitergegeben werden. ← 29 | 30 →


1 Im Zusammenhang mit Folie 3, abrufbar unter: http://jurpc52.w2kroot.uni-oldenburg.de/ha13/Haase_-_Herbstakademie_2013/23_Haase_PPP_HA2013_1_12_09_2013_15_51_36.html, zuletzt besucht am 31.08.2015.

2 Vergleiche nur Palandt-Weidlich, BGB, 74. Auflage 2015, § 1922 Rn. 10.

3 Vergleiche zum Ganzen: BBC News, Who owns your e-mails?, abrufbar unter: http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/magazine/4164669.stm, zuletzt besucht am 29.08.2015.

4 Siehe Yahoo! US, Terms of Service, Ziffer 28. “General Information“ unter „No Right of Survivorship and Non-Transferability“, Stand: 16.03.2012, abrufbar unter: https://policies.yahoo.com/us/en/yahoo/terms/utos/index.htm und vergleiche auch Ziffer 5.4 der Yahoo! Deutschland Allgemeine Geschäftsbedingungen, abrufbar unter: https://policies.yahoo.com/ie/de/yahoo/terms/utos/index.htm, beide zuletzt besucht am 15.10.2015.

5 Siehe Yahoo! US, Terms of Service, Ziffer 6. “Member Conduct”, lit. n., abrufbar unter: https://policies.yahoo.com/us/en/yahoo/terms/utos/index.htm, zuletzt besucht am 15.10.2015.

6 Vergleiche Sancya, Yahoo will give family slain Marine’s e-mail account, in: USA today vom 21.04.2005, abrufbar unter: http://usatoday30.usatoday.com/tech/news/2005-04-21-marine-e-mail_x.htm?POE=TECISVA, zuletzt besucht am 15.10.2015.

7 Siehe zum ganzen Fall: Sears, Facebook sends family information about son’s page before his suicide, vom 04.11.2011, überarbeitet am 19.04.2012, abrufbar unter: http://wtvr.com/2011/11/04/facebook-sends-family-information-about-sons-page-before-his-suicide/, oder Kunkle, Virginia family, seeking clues to son’s suicide, wants easier access to Facebook, in: The Washington Post vom 17.02.2013, abrufbar unter: https://www.washingtonpost.com/local/va-politics/virginia-family-seeking-clues-to-sons-suicide-wants-easier-access-to-facebook/2013/02/17/e1fc728a-7935-11e2-82e8-61a46c2cde3d_story.html, beide zuletzt besucht am 15.10.2015.

8 Siehe zur Gesetzesänderung unter Gliederungspunkt: C. I. 2. b. cc. (1).

9 Siehe zum Ganzen: Sears, Family wins in fight against Internet giants, on hand when governor signs law, vom 02.07.2013, abrufbar unter: http://wtvr.com/2013/07/02/eric-rash-family-and-lawmakers-push-for-laws-against-internet-giants-after-sons-suicide/, zuletzt besucht am 15.10.2015.

Details

Seiten
241
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631716526
ISBN (ePUB)
9783631716533
ISBN (MOBI)
9783631716540
ISBN (Paperback)
9783631716106
DOI
10.3726/b10735
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Schlagworte
Erbrecht Universalsukzession Gesamtrechtsnachfolge Datenschutzrecht Verfassungsrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 241 S.

Biographische Angaben

Pia Elisa Uhrenbacher (Autor:in)

Pia Elisa Uhrenbacher studierte Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Sie ist als Rechtsanwältin tätig, einer ihrer Schwerpunkte ist das Erbrecht.

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Titel: Digitales Testament und digitaler Nachlass
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