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Der Grundstücksnießbrauch in der Insolvenz

von Maic Vitt (Autor:in)
©2017 Dissertation 172 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor befasst sich mit der Behandlung des Grundstücksnießbrauchs in der Insolvenz. Nach einer Einführung in die zivilrechtlichen Grundlagen des entgeltlichen Nießbrauchs widmet sich der Autor den Folgen eines Insolvenzverfahrens für den Nießbrauch. Dabei geht er insbesondere auf die Fragen ein, wann dem Verwalter ein Wahlrecht nach § 103 InsO zusteht und ob die Vorschrift des § 108 InsO (analog) anzuwenden ist. Ferner beschäftigt sich das Buch mit der insolvenzrechtlichen Einordnung eines noch offenen Zahlungsanspruchs des Eigentümers in der Insolvenz des Nießbrauchers und wie sich der Grundstückseigentümer gegen einen Zahlungsausfall schuldrechtlich absichern kann. Abschließend wird der Sicherungsnießbrauch in der Insolvenz beleuchtet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Gliederung
  • Einleitung
  • Erster Teil: Der Nießbrauch als dingliches Nutzungsrecht
  • A. Inhalt des Nießbrauchs
  • B. Kausalgeschäft des entgeltlichen Nießbrauchs
  • I. Keine (verdinglichte) Pacht
  • II. Kein Vertrag sui generis
  • 1. Keine Vergleichbarkeit mit einem Lizenzvertrag
  • 2. Vorgriff: Insolvenzrechtliche Einordnung eines Vertrags sui generis
  • III. Reiner Rechtskauf
  • IV. Ergebnis zu B.
  • Zweiter Teil: Der Grundstücksnießbrauch in der Insolvenz
  • A. Allgemeine insolvenzrechtliche Einordnung des Nießbrauchs
  • I. Nießbrauch als Aussonderungsrecht in der Insolvenz eines Dritten
  • II. Nießbrauch als Absonderungsrecht in der Insolvenz des Grundstückseigentümers
  • III. Massezugehörigkeit des Nießbrauchs in der Insolvenz des Nießbrauchers
  • 1. Pfändungsmöglichkeit des Nießbrauchs
  • 2. Umfang der Pfändungswirkung
  • a. Wortlaut von § 857 Abs. 3 ZPO
  • b. Kongruenz von rechtsgeschäftlicher Übertragbarkeit und Vollstreckungsrecht
  • c. Genaue Bestimmung des Pfändungsgegenstandes
  • d. Schutz der Gläubiger vor Aufhebung des Nießbrauchs
  • aa. Aufhebung des Nießbrauchs nach der Verfahrenseröffnung
  • bb. Exkurs: Aufhebung des Nießbrauchs vor der Verfahrenseröffnung
  • e. Ergebnis zu 2.
  • 3. Massezugehörigkeit der Nutzungen
  • IV. Ergebnisse zu A.
  • B. Der Nießbrauch in der Insolvenz des Grundstückseigentümers
  • I. Rechtslage vor der Verwertung des Grundstücks
  • 1. Duldungspflicht des Verwalters
  • 2. Ansprüche des Verwalters gegen den Nießbraucher
  • 3. Ergebnis zu I.
  • II. Verwertung des Grundstücks nach dem ZVG
  • 1. Zwangsversteigerung
  • a. Keine Auswirkungen bei bloßer Beschlagnahme des Grundstücks
  • b. Schicksal des Nießbrauchs bei Zwangsversteigerung des Grundstücks
  • aa. Antrag eines vorrangigen Gläubigers
  • bb. Antrag eines nachrangigen Gläubigers
  • cc. Kein Kündigungsrecht analog § 57 a S. 1 ZVG
  • dd. Antrag des Insolvenzverwalters
  • (1) Drohender Rechtsverlust bei Doppelausgebot
  • (2) Abwendungsmöglichkeit des Rechtsverlusts
  • (3) Empfehlung bei Antrag des Verwalters nach § 174 a ZVG
  • 2. Zwangsverwaltung
  • a. Antrag eines vorrangigen Gläubigers
  • b. Antrag eines nachrangigen Gläubigers
  • 3. Ergebnis zu II.
  • III. Weitere Handlungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters
  • 1. Kalte Zwangsverwaltung
  • 2. Freigabe des Grundstücks
  • 3. Freihändiger Verkauf
  • a. Notwendige Mitwirkung des Nießbrauchers
  • b. Kein Kündigungsrecht des Erwerbers analog § 111 S. 1 InsO
  • aa. Vergleichbare Interessenlage
  • bb. Planwidrige Regelungslücke
  • 4. Ergebnis zu III.
  • IV. Das Wahlrecht des Verwalters
  • 1. Voraussetzungen von § 103 InsO
  • a. Vollständige Erfüllung durch den Eigentümer
  • b. Wahlrecht des Verwalters auch nach Entstehung des Nießbrauchs?
  • aa. Duldungspflicht als Teil des dinglichen Rechts
  • bb. Haftungsrechtliche Bewertung des Leistungsaustausches
  • (1) Vorrang des Haftungsrechts gegenüber dem Zivilrecht
  • (2) Keine unerfüllte Leistungspflicht bei haftungsrechtliche Beurteilung
  • cc. Vereinbarung weiterer vertraglicher Pflichten des Eigentümers
  • dd. Keine Beeinträchtigung des Nutzungsrechts durch eine Erfüllungsablehnung
  • 2. Ergebnis zu IV.
  • V. Anfechtbarkeit der Nießbrauchbestellung
  • 1. Privilegierung des Bargeschäfts nach § 142 InsO
  • a. Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen
  • b. Unmittelbarkeit des Leistungsaustausches
  • aa. Einmalige Entgeltzahlung
  • bb. Wiederkehrende Entgeltzahlungen
  • 2. Rechtsfolge
  • a. Anspruch des Verwalters
  • aa. Rückgewähr des Nießbrauchs als Stammrecht
  • bb. Rückgewähr der Nutzungen
  • b. Anspruch des Nießbrauchers
  • aa. Wiederaufleben des Verschaffungsanspruchs
  • bb. Ersatzanspruch für die getätigten Verwendungen
  • (1) Ersatzfähigkeit der typischen Aufwendungen des Nießbrauchers
  • (2) Ausnahmsweise Ersatzfähigkeit nicht notwendiger, aber werterhöhender Aufwendungen
  • 3. Ergebnis zu V.
  • VI. Ergebnisse zu B.
  • C. Der Nießbrauch in der Insolvenz des Nießbrauchers
  • I. Ausübung des Nutzungsrechts durch den Insolvenzverwalter
  • II. Die Pflichten aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis
  • 1. Instand- und Erhaltungspflicht
  • 2. Versicherungspflicht
  • 3. Lastentragungspflicht
  • 4. Ergebnis zu II.
  • III. Optionen des Insolvenzverwalters bei fehlendem Nutzungsinteresse
  • 1. Freigabe des Nießbrauchs
  • 2. Rückübertragung des Nießbrauchs auf den Eigentümer
  • 3. Überlassung der Ausübung
  • a. Ausübungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung
  • aa. Ausübungsüberlassungsvertrag als Rechtspacht
  • bb. Einordnung in § 103 InsO oder § 108 InsO
  • b. Ausübungsüberlassung durch den Insolvenzverwalter
  • 4. Vermietung/-pachtung des Grundstücks
  • 5. Ergebnis zu III.
  • IV. Der Zahlungsanspruch des Eigentümers
  • 1. Keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
  • 2. Keine Masseverbindlichkeit unmittelbar nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO
  • 3. Dauerhaftes Nutzungsrecht ohne gleichwertiges Entgelt?
  • a. Erbbauzins in der Insolvenz des Erbbauberechtigten
  • b. „Erbbaurecht ohne Erbbauzins?“
  • 4. Bedeutung der Entscheidungen für den entgeltlichen Nießbrauch
  • 5. Analogie zu 108 Abs. 1 S. 1 InsO
  • a. Vergleichbare Interessenlage
  • b. Planwidrige Regelungslücke
  • aa. Ratio legis von § 108 Abs. 1 S. 1 InsO
  • (1) Unangemessenheit der sofortigen Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses
  • (2) Schutz des Pächters in der Insolvenz des Verpächters
  • (3) Schutz durch § 108 InsO in der Insolvenz des Pächters
  • bb. Insolvenzrechtliche Ähnlichkeit beider Nutzungsrechte
  • (1) Kein Verwalterwahlrecht mehr nach Entstehung des Nießbrauchs
  • (2) Exkurs: Wahlrecht vor Entstehung des Nießbrauchs ist nicht unangemessen
  • (3) Keine synallagmatisch verknüpfte Leistungspflicht des Eigentümers
  • (4) Keine Schutzbedürftigkeit des Nießbrauchers in der Insolvenz des Grundstückseigentümers
  • (5) Keine Schutzbedürftigkeit des Grundstückseigentümers in der Insolvenz des Nießbrauchers
  • (6) Anwendung der §§ 109 ff. InsO als Konsequenz einer Analogie zu § 108 InsO?
  • c. Ergebnis zu 5.
  • 6. Analogie zu § 55 Abs. 1 Nr. 2
  • a. Keine Lücke im Gesetz
  • b. § 55 InsO ist abschließend
  • c. Erfüllungswahl als zwingende Voraussetzung
  • d. Keine Masseverbindlichkeit als Ausgleich für die Duldung der Nutzziehung
  • e. Ergebnis zu 6.
  • 7. Ergebnis zu IV.
  • V. Anfechtbarkeit der erbrachten Zahlungen
  • 1. Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung
  • 2. Anfechtungsgrund
  • 3. Privilegierung des Bargeschäfts nach § 142 InsO
  • a. Nießbrauch als Gegenleistung
  • b. Gleichwertigkeit des Nießbrauchs mit den Entgeltzahlungen
  • 4. Ergebnis zu V.
  • VI. Ergebnisse zu C.
  • D. Sicherungsmöglichkeiten für den Zahlungsanspruch des Eigentümers
  • I. Nießbrauchbestellung unter einer auflösenden Bedingung
  • 1. Bestellung unter einer Insolvenzbedingung
  • a. Haftungsrechtliche Unwirksamkeit einer Insolvenzbedingung
  • b. Keine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB
  • c. Keine Unwirksamkeit nach § 119 InsO
  • d. Anfechtbarkeit der Insolvenzbedingung
  • aa. Gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Nießbrauchers
  • bb. Begrenzung der Anfechtung auf die Insolvenzbedingung
  • (1) Selbstständigkeit der Insolvenzbedingung
  • (2) Benachteiligung aufgrund des Vertragszwecks
  • α. Unangemessener Nachteil für die Insolvenzmasse
  • β. Stellung des Eigentümers in der Insolvenz des Nießbrauchers
  • γ. Abwägung der gegenseitigen Interessen
  • cc. Ergebnis zu d.
  • e. Ergebnis zu 1.
  • 2. Nichtzahlung des Entgelts als Bedingung
  • a. Inhalt der Bedingung
  • b. Insolvenzrechtliche Wirksamkeit der Nichtzahlungsbedingung
  • c. Ergebnis zu 2.
  • II. Vereinbarung eines zusätzlichen Pachtvertrags
  • 1. Nebeneinander von schuldrechtlichem und dinglichem Nutzungsrecht
  • 2. Kündigung des Pachtvertrags als auflösende Bedingung
  • a. Zulässigkeit der Verknüpfung
  • b. Insolvenzrechtliche Wirksamkeit der Bedingung nach §§ 119, 109 InsO
  • aa. Nutzungsinteresse des Insolvenzverwalters
  • bb. Wertlosigkeit des Nutzungsrechts
  • 3. Ergebnis zu II.
  • III. Eintragung des Entgeltanspruchs in das Grundbuch
  • 1. Eintragungsfähigkeit des Zahlungsanspruchs in das Grundbuch
  • a. Generelle Eintragungsfähigkeit von Leistungspflichten
  • b. Kein dinglich wirkendes Zurückbehaltungsrecht
  • 2. Keine Einordnung als Masseverbindlichkeit aufgrund der Eintragung
  • 3. Ergebnis zu III.
  • IV. Ergebnisse zu D.
  • Dritter Teil: Der Sicherungsnießbrauch in der Insolvenz
  • A. Einleitung
  • B. Inhalt des Sicherungsnießbrauchs
  • I. Funktionen des Sicherungsnießbrauchs
  • 1. Nießbrauch als Ersatz der Antichrese
  • 2. Sicherungsmittel von nicht insolvenzfesten Pachtverträgen
  • II. Wirtschaftlicher Hintergrund des Sicherungsnießbrauchs
  • III. Vertragliche Gestaltung des Sicherungsnießbrauchs
  • 1. Die Sicherungsabrede
  • a. Eintritt des Sicherungsfalls
  • b. Ausübungsverbot vor Eintritt des Sicherungsfalls
  • c. Ausübungsvergütung
  • d. Anpassung des Nießbrauchs an den Nutzungsvertrag
  • e. Aufhebung des Nießbrauchs
  • f. Eintritt des Erwerbers in die Sicherungsabrede
  • 2. Einräumung des Nießbrauchs
  • IV. Ergebnisse zu B.
  • C. Insolvenzrechtliche Behandlung des Sicherungsnießbrauchs
  • I. Insolvenzrechtliche Wirksamkeit
  • 1. Vereinbarkeit mit § 119 InsO
  • 2. Anfechtbarkeit des Sicherungsnießbrauchs
  • II. Insolvenzrechtliche Einordnung des Sicherungsnießbrauchs
  • 1. Sicherungsnießbrauch als Aussonderungsrecht
  • 2. Sicherungsnießbrauch als Absonderungsrecht
  • a. Absonderungsrecht als fiduziarische Sicherungstreuhand
  • b. Absonderungsrecht des Sicherungsnießbrauchs an Immobilien
  • c. Konsequenzen bei Eintritt des Sicherungsfalls
  • aa. Betreibung der Zwangsversteigerung
  • bb. Freihändige Veräußerung
  • cc. Schlussfolgerung: Un-/Geeignetheit des Sicherungsnießbrauchs
  • 3. Ergebnis zu II.
  • III. Ergebnisse zu C.
  • Fazit

← XXVI | 1 →

Einleitung

Der Nießbrauch wird sowohl in der Literatur als auch in der juristischen Ausbildung an der Universität eher stiefmütterlich behandelt, da die ausführlichen Regelungen zum Nießbrauch in den §§ 1030 ff. BGB angeblich im Widerspruch zu dessen praktischer Bedeutung stehen.1 Dies verwundert, weil der Nießbrauch das einzige dingliche Recht im BGB ist, das an allen Gegenständen des Rechtsverkehrs (Immobilien, Mobilien und Rechten) bestellt werden kann und somit theoretisch den größten Anwendungsbereich aufzuweisen hat. In der Praxis wird der Nießbrauch vorrangig eingesetzt, um steuerrechtliche Vorteile – etwa im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge2 – zu erzielen, so dass sich die Literatur und die Rechtsprechung mit dem Nießbrauch bisher meist aus steuerrechtlicher Perspektive beschäftigt haben. Dagegen ist die Behandlung des Nießbrauchs in der Insolvenz weitestgehend ungeklärt.3 Soweit ersichtlich, hat sich bisher nur ein Gericht mit dem Schicksal des Nießbrauchs in einem Insolvenzverfahren auseinandergesetzt.4 Dabei wird man allein aufgrund des Alters der Entscheidung gehalten sein, die Urteilsgründe zu hinterfragen, was insbesondere vor dem Hintergrund gilt, dass die damals geltende Konkursordnung durch die Insolvenzordnung abgelöst wurde.

Die Arbeit hat das Ziel, die offenen und bisher diskutierten, aber umstrittenen Probleme zum Nießbrauch in der Insolvenz aufzudecken und zu klären. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf den Nießbrauch, der an einem Grundstück bestellt wurde, da diese Erscheinungsform in der Praxis am häufigsten auftritt. Des Weiteren beschränkt sich die Untersuchung auf den Fall, dass der Nießbrauch gegen ein Entgelt eingeräumt wurde, weil sonst interessante, insolvenzrechtliche Fragen von Anfang an nicht erörterungsbedürftig wären, wie bspw. die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO auf das Kausalgeschäft des Nießbrauchs oder die Frage, wie der Zahlungsanspruch des Eigentümers in der Insolvenz des Nießbrauchers (§§ 38, 55 InsO) zu befriedigen ist. Wie sich im Laufe der Untersuchung zeigen wird, besteht das Problem in der insolvenzrechtlichen Behandlung des Nießbrauchs darin, dass rein faktisch betrachtet sowohl die Ausübungshandlung der Nutzziehung als auch die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten beim Nießbrauch mit denen eines Verpächters bzw. Pächters überwiegend übereinstimmen. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage wird man dazu geneigt sein, die insolvenzrechtlichen Vorschriften zum Pachtvertrag5 auch auf das Verpflichtungsgeschäft des dinglichen ← 1 | 2 → Nutzungsrechts anzuwenden. Deren (analoge) Anwendung muss aber vor dem Hintergrund, dass es sich beim Nießbrauch im Gegensatz zum Pachtvertag um ein dingliches Nutzungsrecht handelt, sorgfältig geprüft werden, da das deutsche Recht strikt zwischen dem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft und dem dinglichen Recht trennt. Diesbezüglich ist für die insolvenzrechtliche Untersuchung ferner zu berücksichtigen, dass das Insolvenzrecht als Haftungsrecht konzipiert ist und sich an der haftungsrechtlichen Zuordnung der Vermögensrechte orientiert. Die Bestellung des Nießbrauchs stellt eine Verfügung dar, so dass eine Änderung der vermögensrechtlichen Zuordnung des Nutzungsrechts stattfindet, während eine solche Änderung beim Pachtvertrag gerade nicht eintritt.

Zu Beginn der Untersuchung werden im ersten Teil der Arbeit die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Entstehung und der Rechtfolgen des Nießbrauchs dargestellt. Hier wird der Grundstein für die spätere Untersuchung gelegt, weil sich eine Vielzahl von insolvenzrechtlichen Fragen nur anhand der zivilrechtlichen Einordnung des Nießbrauchs beantworten lassen, so dass es unerlässlich ist, sich einen Überblick über den Nießbrauch außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu verschaffen. Dies gilt insbesondere für die Qualifizierung des Kausalgeschäfts des Nießbrauchs, da diese Einordnung für die später zu diskutierende Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO (mit-) entscheidend sein wird.

Der zweite Teil der Arbeit setzt sich sodann mit der Behandlung des Nießbrauchs in der Insolvenz auseinander, wobei als Einstieg zunächst die Einordnung des Nießbrauchs als Aus- oder Absonderungsrecht (§§ 47, 49 InsO) und die Massezugehörigkeit des Nießbrauchs in der Insolvenz des Nießbrauchers (§§ 35, 36 InsO) diskutiert werden, bevor im Anschluss die konkreten Folgen eines Insolvenzverfahrens auf das dingliche Nutzungsrecht untersucht werden. Dabei wird zwischen der Insolvenz des Eigentümers (B.) und der des Nießbrauchers (C.) unterschieden.

Der Schwerpunkt der insolvenzrechtlichen Untersuchung wird einerseits bei der Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO auf das Kausalgeschäft des Nießbrauchs liegen, da die Ausstrahlung der §§ 103, 108 InsO auf dingliche Nutzungsrechte verstärkt Gegenstand von jüngeren Urteilen und wissenschaftlichen Untersuchungen war. Andererseits gilt es zu klären, ob der Zahlungsanspruch des Grundstückseigentümers in der Insolvenz des Nießbrauchers als Insolvenzforderung oder als Masseverbindlichkeit zu befriedigen ist. An diesen Stellen wird sich das eingangs angerissene Problem der (analogen) Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zum Pachtvertrag auf das dingliche Nutzungsrecht deutlich zeigen, so dass hier jeweils genau zu prüfen ist, inwieweit die beiden Nutzungsrechte tatsächlich miteinander vergleichbar und auch aus (insolvenz-) rechtlicher Hinsicht ähnlich sind. ← 2 | 3 →

Der dritte Teil Arbeit beschäftigt sich mit einer besonderen Gestaltungsmöglichkeit des Nießbrauchs. Der Umstand, dass die Vorschriften der §§ 1030 ff. BGB in Grenzen abdingbar sind6, ermöglicht es den Beteiligten, den Nießbrauch flexibel und ihren wirtschaftlichen Interessen entsprechend einzusetzen, was den Nießbrauch für die Rechtspraxis interessant macht. Eine in letzter Zeit von der Kautelarjurisprudenz häufiger diskutierte Möglichkeit besteht darin, den Nießbrauch als Sicherung von schuldrechtlichen Nutzungsverträgen in der Insolvenz einzusetzen.7 Der Ursprung für diesen sog. Sicherungsnießbrauch liegt in der allgemeinen Anerkennung der Sicherungsdienstbarkeit.8 Die Sicherungsdienstbarkeit dient dem Zweck, den Nutzungsberechtigten vor dem Verlust seines Nutzungsanspruchs in der Insolvenz des Grundstückseigentümers zu schützen, der dann droht, wenn das massezugehörige Grundstück versteigert oder veräußert wird und der Erwerber von seinem Sonderkündigungsrecht aus §§ 57 a S. 1 ZVG, 111 S. 1 InsO Gebrauch macht. Für den Fall der Kündigung des vertraglichen Nutzungsrechts soll die Dienstbarkeit als Rechtsgrundlage für die weitere Nutzung des Grundstücks fungieren. In letzter Zeit war die an einem unbeweglichen Gegenstand bestellte Sicherungsdienstbarkeit häufiger Gegenstand von wissenschaftlichen Diskussionen9 und der höchstrichterlichen Rechtsprechung.10 Da das wirtschaftliche Nutzungsinteresse an einer Immobilie besonders hoch ist und sogar existenziell sein kann, ist das Bedürfnis nach einer zusätzlichen Absicherung des vertraglichen Nutzungsrechts für den Fall der Insolvenz des Verpächters aus der Sicht des Pächters unbestreitbar.11 Da der genaue Inhalt und die Folgen des Sicherungsnießbrauchs in der Insolvenz des Eigentümers noch weitestgehend ungeklärt sind12, wird der Frage nach der Wirkung des Sicherungsnießbrauchs und dessen Tauglichkeit als Sicherungsmittel in der Insolvenz in dem dritten Teil der Arbeit nachgegangen. ← 3 | 4 →


1 Baur, Sachenrecht, 9. Aufl., § 32 I 3.

2 Zum Anwendungsbereich des Nießbrauchs in der Praxis: MünchKomm-BGB/Pohlmann, § 1030 Rn. 8.

3 Vgl. Eickmann, in FS Gerhardt, S. 211; Marotzke, in HK-InsO, § 108 Rn. 75.

4 RG DJZ 1916, 813.

5 Der Pachtvertrag ist das schuldrechtliche Pendant zum Nießbrauch; zur Vereinfachung wird im Laufe der Arbeit nur der Pachtvertrag als schuldrechtliches Nutzungsrecht genannt; anzumerken ist aber, dass die Vergleichbarkeit des Nießbrauchs nicht nur mit dem Pachtvertrag, sondern mit jedem schuldrechtlichen Vertrag gegeben ist, der auf die Nutzung einer fremden Sachen oder eines Rechts gerichtet ist.

6 BayObLGZ 1977, 82, 85; BayObLGZ 1979, 273, 274; MünchKomm-BGB/Pohlmann, § 1030 Rn. 19 f.; eingehend zur Frage der abdingbaren Vorschriften der §§ 1030 ff. BGB: Schöner/Stöber, Rn. 1374 f.

7 Berger, GRUR 2004, 20; Füller, S. 514; Schön, S. 371.

8 BGH NJW 1974, 2123; BGH NJW 1985, 2474; BGH NJW 1988, 2364; BGH DNotZ 1990, 169; BGH NJW-RR 1992, 593; jüngst auch BGH NZI 2011, 443; Amann, DNotZ 1986, 578; eingehend zur Dienstbarkeit als Sicherungsmittel: Richard Nouvertné, Dienstbarkeiten und Reallasten als Sicherungsmittel, Bonn 1986.

9 Vgl. die Dissertationen von Böker und Stiegele sowie die Aufsätze von Krüger, NZM 2012, 377; Nouvertné, BKR 2012, 52; Stapenhorst/Voß, NZM 2003, 873.

10 Exemplarisch hierfür: BGH NZI 2011, 443.

11 Füller, S. 515.

12 Füller, S. 514; Schön, S. 374.

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Erster Teil: Der Nießbrauch als dingliches Nutzungsrecht

Details

Seiten
172
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631724996
ISBN (ePUB)
9783631725009
ISBN (MOBI)
9783631725016
ISBN (Paperback)
9783631724989
DOI
10.3726/b11241
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Mai)
Schlagworte
Anwendbarkeit § 103 InsO Dingliche Nutzungsrechte Zahlungsanspruch Sicherungsnießbrauch Schuldrechtliche Absicherungsmöglichkeiten Nießbraucherinsolvenz
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. XXVI, 172 S.

Biographische Angaben

Maic Vitt (Autor:in)

Maic Vitt studierte Rechtswissenschaften in Bonn und absolvierte das Referendariat im Landgerichtsbezirk Bonn. Er ist als Rechtsanwalt tätig, sein Schwerpunkt ist der gewerbliche Rechtsschutz.

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