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Eine vergleichende Untersuchung der Joint Ventures – Gemeinschaftsunternehmen – nach europäischem, türkischem und deutschem Wettbewerbsrecht

Die Analyse von wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen bei Gründung der konzentrativen und/oder kooperativen Gemeinschaftsunternehmen

von İpek Çevik (Autor:in)
©2017 Dissertation 354 Seiten

Zusammenfassung

Die Monographie behandelt die wettbewerbsrechtliche und wirtschaftliche Bedeutung von Gemeinschaftsunternehmen. Die Autorin verteidigt die traditionelle Abgrenzung zwischen fusionsähnlichen konzentrativen und kooperativen Gemeinschaftsunternehmen im Kartell- und Fusionskontrollrecht. In vergleichender Analyse prüft sie die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Gründung solcher Gemeinschaftsunternehmen nach europäischem, türkischem und deutschem Wettbewerbsrecht. Auf der Grundlage dieser Analyse würdigt sie die Theorie und Praxis der Doppelkontrolle sowie das im EU-Recht angelegte Konzentrationsprivileg in Bezug auf Gemeinschaftsunternehmen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • I. TEIL: Wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung von Joint Ventures
  • 1. Einführung
  • 2. Geschichtliche Entwicklung des Joint Venture
  • 3. Begriffliche Entwicklung des Joint Venture
  • 4. Der Begriff „Joint Venture“
  • a) Joint Venture nach deutschem Recht
  • b) Joint Venture nach türkischem Recht
  • 5. Wirtschaftliche Analyse der Joint Ventures
  • 6. Joint Ventures als Wettbewerbsstrategie und die Konsequenzen daraus
  • 7. Typen der Joint Ventures
  • 8. Beschreibung der Joint-Venture-Märkte
  • 9. Generelle Darstellung von Wettbewerbsrecht in der EU, in Deutschland und der Türkei
  • II. TEIL: Unternehmensbegriff und Gemeinschaftsunternehmen im Wettbewerbsrecht
  • 1. Europäisches Recht
  • 2. Deutsches Recht
  • 3. Türkisches Recht
  • 4. Grundlegende Abgrenzung als Gegenstand der Untersuchung
  • III. TEIL: Konzentrative Gemeinschaftsunternehmen
  • 1. Marktstrukturveränderung
  • 2. Konzentrative Gemeinschaftsunternehmen nach europäischem Fusionskontrollrecht
  • a) Voraussetzungen nach FKVO
  • aa) Gemeinsame Kontrolle
  • bb) Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens – Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens
  • (1) Selbstständigkeit
  • (2) Vollfunktion
  • (3) Dauerhaftigkeit
  • cc) Änderung der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens
  • dd) Gemeinschaftsweite Bedeutung
  • b) Materielle Beurteilung von konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen nach europäischem Fusionskontrollrecht
  • c) Nebenabreden
  • 3. Konzentrative Gemeinschaftsunternehmen nach türkischem Fusionskontrollrecht
  • a) Voraussetzungen nach TR-FKVO
  • aa) Gemeinsame Kontrolle
  • bb) Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen
  • (1) Selbstständigkeit
  • (2) Vollfunktion
  • (3) Dauerhaftigkeit
  • cc) Änderung der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens
  • dd) Umsatzschwellen als Aufgreifkriterium
  • b) Materielle Beurteilung von konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen nach türkischem Recht
  • c) Nebenabreden
  • 4. Konzentrative Gemeinschaftsunternehmen nach deutschem Wettbewerbsrecht
  • a) Tatbestandsmerkmale der konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen
  • aa) Gemeinsame Kontrolle
  • bb) Anteilserwerb
  • cc) Der wettbewerblich erhebliche Einfluss
  • dd) Erwerb wesentlicher Vermögensteile
  • ee) Verstärkung einer bestehenden Unternehmensverbindung
  • ff) Umsatzschwelle für die Anwendung der Fusionskontrolle auf konzentrative GU
  • b) Materielle Beurteilung von konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen nach deutschem Wettbewerbsrecht
  • c) Nebenabreden
  • 5. Zwischenergebnis
  • IV. TEIL: Kooperative Gemeinschaftsunternehmen
  • 1. Kooperative Gemeinschaftsunternehmen nach europäischem Recht
  • a) Grundlagen der Untersuchung
  • aa) Nebenabreden
  • bb) Spillover-Effekte
  • cc) Abtrennbare Vereinbarungen
  • dd) Informationsaustausch
  • b) Kooperative Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung
  • aa) Prüfung von kooperativen Effekten nach FKVO
  • (1) Betroffene Märkte für die Untersuchung des Gruppeneffekts bei kooperativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen
  • (2) Gleichzeitige und nennenswerte Präsenz
  • (3) Bewertung nach Art. 2 Abs. 4 und 5 FKVO
  • (3.1) Bezwecken oder Bewirken einer Koordinierung des unabhängig bleibenden Unternehmens
  • (3.2) Wahrscheinlichkeit einer Koordination
  • (3.3) Spürbarkeit einer Koordination
  • (3.4) Kausalität der Gründung des GU für Koordination
  • (3.5) Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
  • (3.6) Möglichkeit, den Wettbewerb auszuschalten
  • (4) Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV
  • (5) Auflagen und Bedingungen
  • bb) Bewertung nach Art. 2 Abs. 4 und 5 FKVO bezüglich des SIEC-Tests und des Art. 101 AEUV
  • c) Kooperative Gemeinschaftsunternehmen nach Art. 101 AEUV
  • aa) Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen ohne gemeinschaftsweite Bedeutung
  • bb) Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen nach Art. 101 AEUV
  • cc) Nebenabreden und abtrennbare Vereinbarungen
  • d) Anwendbarkeit des Art. 101 AEUV zwischen dem GU und einzelnen Müttern
  • e) Nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen
  • f) Verfahren und Freistellung
  • g) Rechtsfolgen
  • 2. Kooperative Gemeinschaftsunternehmen nach türkischem Recht
  • a) Grundlagen der Untersuchung
  • aa) Spillover-Effekte
  • bb) Nebenabreden und abtrennbare Vereinbarungen
  • b) Kooperative Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen nach türkischem Recht
  • aa) Prüfung nach Art. 4 RKHK
  • bb) Freistellung nach Art. 5 RKHK
  • c) Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen nach türkischem Recht
  • d) Nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen
  • e) Wirtschaftliche Einheit und Bußgeld
  • f) Verfahren und Freistellung
  • g) Rechtsfolgen
  • 3. Kooperative Gemeinschaftsunternehmen nach deutschem Recht
  • a) Doppelkontrolle
  • b) Abgrenzung von kooperativen Gemeinschaftsunternehmen
  • c) Nebenabreden und abtrennbare Vereinbarungen
  • d) Spillover-Effekte
  • e) Prüfung nach § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV
  • f) Sonderfall – Minderheitsbeteiligungen und Kartellverbot
  • g) Gemeinschaftsunternehmen und Konzept der wirtschaftlichen Einheit nach deutschem Kartellverbot
  • h) Verfahren und Rechtsfolgen
  • V. TEIL: Schlussfolgerung
  • VI. Anhang I – Türkisches Kartellgesetz (RKHK)
  • VII. Anhang II – Türkische Fusionskontrollverordnung (TR-FKVO)
  • VIII. Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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I. TEIL:  Wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung von Joint Ventures

1.  Einführung

Seit Jahren werden die Joint Ventures als ein sehr effizientes Modell angesehen, um in einer Wirtschaft mit einem hohen Wettbewerbsniveau zu überleben. Die Globalisierung beherrscht die Märkte überall, alle Firmen wollen so viele neue Kunden wie möglich auf den verschiedenen Märkten erreichen, und natürlicherweise bedeutet das, dass ihre Konkurrenten nicht nur aus ihrem lokalen Markt, sondern aus allen Märkten in der Welt stammen können. Auf diese Weise soll jedes Unternehmen versuchen, entweder seine Produkte oder Dienstleistungen zu differenzieren oder deren Kosten zu senken; wer beides schafft, kann mehr Gewinn erzielen. Unabhängig davon, ob ein Markt lokal oder global, klein oder groß ist, fühlen sich die Marktteilnehmer immer unter dem Druck des Wettbewerbs. In der Vergangenheit, als die Wirtschaft nicht so kompliziert wie heute war, sollten die Händler immer noch Rücksicht auf den Wettbewerb nehmen. Aber heutzutage sind die Wirtschaftsbedingungen strenger geworden, weil die sich schnell verstärkte Globalisierung die Märkte dynamischer machte. Es handelt sich nicht mehr nur um das statistische Wettbewerbskonzept, in dem nur Preis- und Produktionswettbewerb in Betracht zu ziehen sind, sondern auch um ein dynamisches Wettbewerbskonzept, wobei die Innovationen im Vordergrund stehen.1

Die Wettbewerbspolitik hat sich jahrelang auf den statischen Wettbewerb konzentriert. Die „ökonomische Effizienz“ war die Hauptbesorgnis für die Wettbewerbspolitiker. Dieses Konzept hat behauptet, dass der wichtigste Grund für die Wirtschaft die Allokationseffizienz der Ressourcen sei, dadurch könnten die Produktpreise und der Output im Gleichgewicht gehalten werden und die Wettbewerbspolitik würde damit das Ziel der Konsumentenrente verwirklichen.2 Aber dies hatte nur Auswirkungen auf den statischen Wettbewerb, deshalb konnte die Wettbewerbspolitik ihre Ziele nur kurzfristig erreichen. Für den langfristigen ← 15 | 16 → Erfolg sollten die Wirtschaftler auch auf andere Aspekte in den Märkten achten. Insbesondere brauchten die Märkte, die sich schnell ändern können, mehr Aufmerksamkeit, um die Konsumentenwohlfahrt zu maximieren. Infolge dieser spezifischen wirtschaftlichen Zustände wurde die Wichtigkeit der dynamischen Effizienz neben der ökonomischen betont. In solchen Märkten, um den Wettbewerb aufrechtzuerhalten, müssen die Unternehmen sich auch der Innovation und Entwicklung widmen, sonst kann sich der kurzfristige Wettbewerbsvorteil ganz leicht und schnell in einen Nachteil verwandeln. Durch diese neuen Entwicklungen in der Wettbewerbsökonomie erlangte der dynamische Wettbewerb zusammen mit der dynamischen Effizienz mehr Würdigung und Anerkennung in der Wettbewerbspolitik.3 Auf diese Weise änderten sich auch die Beurteilungskriterien. Die nach derzeitig vorhandener Marktsituation beurteilten Fälle, die vorher wegen der strengen Gesetze und der limitierten statischen Analysen als per se illegal beurteilt wurden, konnten mit der neuen dynamischen Sichtweise effektiver analysiert werden, weil die Entscheidungen nicht nur vorhandene, sondern auch künftige Marktpositionen hinsichtlich der potenziellen Wettbewerber und Innovationsmöglichkeiten berücksichtigen.

Diese generelle Umwandlung der Wettbewerbspolitik, die mehr wirtschaftliche Analyse beinhaltet, hatte einen positiven Einfluss, insbesondere auf die Joint Ventures. Um die dynamischen Märkte besser zu schützen, konzentrierte sich das Wettbewerbsrecht meist auf diejenigen Joint Ventures, die zu einem spezifischen Markt gehörten, in dem nicht nur das Risiko für eine Investition sehr hoch, sondern auch die Förderung der Innovationen durch solche riskanten Investitionen unerlässlich war. Natürlicherweise herrscht in solchen Märkten, wie in der Chemieindustrie, der Autoindustrie, der Technologie-Industrie, der Elektrotechnik und Energiewirtschaft, neben statischem auch dynamischer Wettbewerb und Effizienz. Deshalb hilft die detaillierte wirtschaftliche Analyse bei der Erreichung des Ziels der Wettbewerbspolitik. Ohne diese Analyse würde die Politik entweder mit den Per-se-Regeln sehr interventionistisch sein und positive Fehler verursachen oder mit wenigen Regelungen viele Verhalten ermöglichen und dadurch negative Fehler verursachen, die die Erreichung des Ziels der Konsumentenwohlfahrt gefährden.4 Um dies zu verhindern, brauchte der Gesetzgeber allgemeingültige Vorschriften, die es ermöglichten, die empirischen Fakten durch ökonomische Ansichten interpretieren zu lassen. Diese Verfahrensweise ist nur durch die „Rule of Reason“-Analyse möglich.

Wenn es um die Joint Ventures (JV) geht, so sieht die Wettbewerbspolitik hauptsächlich zwei Formen: konzentrative und kooperative Joint Ventures (JV). ← 16 | 17 → Normalerweise sind die Wettbewerbsregeln so ausgestaltet, dass ein JV sich entweder einer oder beiden Kategorien zuordnen lässt, deshalb kann die Beurteilung mithilfe der dazugehörigen wirtschaftlichen Theorien durchgeführt werden. Obwohl die Kartellausschüsse die wirtschaftliche Analyse anwenden, reicht dies nicht aus, nur in diesen zwei generellen Kategorien die Effizienz oder die Rechtswidrigkeit der JV ohne fallspezifische wirtschaftliche Analyse zu beurteilen. Deswegen sollen alle ökonomischen und rechtlichen Standpunkte nach Erscheinungsformen der JV und der jeweiligen Märkte zusammen untersucht werden.

Aus diesem Grund werden nicht nur die unterschiedlichen Rechtssysteme – nämlich das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union, der Türkei und Deutschlands – betrachtet, sondern auch spezifische wirtschaftliche Ansichten für verschiedene Formen der JV dargestellt. Darüber hinaus werden die drei Rechtssysteme miteinander verglichen, und die Dissertation wird versuchen herauszufinden, welches Rechtssystem mehr wirtschaftlich effiziente Regeln enthält, wobei es die Nachteile bei der Gründung eines Joint Ventures unterbindet und die Vorteile fördert und zulässt. Schließlich ist festzustellen, welche Wettbewerbsstrategie für vorteilhafte Joint Ventures und zum Schutz der Ziele der Wettbewerbspolitik sowie der Konsumentenwohlfahrt geeignet sein kann.

Vor allem wird die geschichtliche und juristische Entwicklung des Joint Venture beschrieben, um den derzeitigen Zustand der Joint Ventures im Rahmen der Wettbewerbspolitik besser zu verstehen und einen Überblick über das Thema zu verschaffen.

2.  Geschichtliche Entwicklung des Joint Venture

Obwohl die Joint Ventures rechtlich ziemlich spät anerkannt wurden, wurden sie schon seit Jahren in der Praxis de facto angewendet. Seit dem Altertum wurden Joint Ventures bei vielen Nationen im Wirtschaftsverkehr eingesetzt. In der venezianischen Republik waren die Familienunternehmen durch den Besitz der Flotten als die wichtigsten Kaufleute auf dem Markt tätig. Infolge einer wachsenden Wirtschaft und der Entdeckung der neuen Märkte sollten die Kaufleute mehr in die Flotten investieren, um die neuen Nachfragen decken zu können. Das führte dazu, dass steigende Kosten gleichzeitig mehr Risiken mit sich brachten, und deswegen schlossen sich die Kaufleute zusammen und verwirklichten den gemeinsamen Ankauf und Verkauf der Waren.5 Die Joint Ventures wurden nicht nur wegen des Kostenaufwandes der Seereisen oder des erhöhten Risikos gegründet, sondern die Kaufleute hatten zeitgleich auch eine wettbewerbsrechtliche Absicht bei der Gründung der Joint Ventures: Es ging darum, den Wettbewerb zwischen den Partnern des JV zu ← 17 | 18 → verhindern und sich durch die gesenkten Kosten Vorteile zu verschaffen.6 Infolge des Wirtschaftswachstums wuchs auch der zwischenstaatliche Handel und die Joint Ventures übernahmen eine bedeutendere Rolle in der Wirtschaft. Sie wurden nicht nur kurzfristig für eine Aufgabe oder ein Projekt, sondern auch langfristig in Form von Gesellschaften gegründet. Während der industriellen Revolution waren sie als ein Mittel für staatliche Investitionen beim Aufbau von Infrastrukturen wie Eisenbahnen verwendet worden. Nach dem zweiten Weltkrieg zeigten sich die Vereinigten Staaten von Amerika als führende Exportnation; infolgedessen machte Amerika deutlich von Joint Ventures Gebrauch und auf diese Weise trat diese Form der anglo-amerikanischen Gesellschaft als das internationale Joint Venture in die globale Wirtschaftsarena ein.7 Diese Joint Ventures wurden später als Mittel zum Marktzutritt in die Entwicklungsländer genutzt. Die Industrieländer nahmen durch Joint Ventures an verschiedenen Investitionen in wichtigen Wirtschaftssektoren der Entwicklungsländer teil. Zum Beispiel waren die Nord-Süd-Joint-Ventures die Ersatzgesellschaftsform im Rohstofferschließungsgeschäft nach den Investitionsgesetzesänderungen in vielen Staaten der Dritten Welt. Der Grund dafür war die Verstaatlichung der ausländischen Gesellschaften wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen.8 Der Westen schaffte das Gleiche auch mit den Staaten des Ostblocks, durch die Ost-West-Joint-Ventures konnten die ausländischen Investoren in den Ostblockstaaten neue Märkte und Absatzmöglichkeiten erschließen.9 So erlebten die Joint Ventures ab den 1980er Jahren mit der Zulassung von ausländischen Investoren im Osten einen Aufschwung. Obwohl Ausländer heutzutage in solchen Ländern andere Gesellschaftsformen unter ihrer eigenen Autonomie gründen können, haben die Joint Ventures immer noch wegen der sich schnell entwickelnden Globalisierung zusammen mit der Vergrößerung der Innovationsmärkte eine wesentliche Bedeutung in der Wirtschaft.

In der Vergangenheit waren die Joint Ventures sowohl für die Kosten- als auch für die Risikoreduzierung optimal geeignet, und gegenwärtig haben sie besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) immer noch die gleiche Bedeutung.10 Darüber hinaus dienen sie nach wie vor dem Zweck der Erschließung neuer Märkte.11 Demgegenüber ist die Zahl der Forschungs- und Entwicklungs-Joint-Ventures ← 18 | 19 → (F & E-JV) in letzter Zeit deutlich gewachsen.12 Der Grund dafür ist, dass der dynamische Wettbewerb mit der Entstehung der Technologiemärkte bzw. Innovationsmärkte an Bedeutung gewonnen hat.

Gerade in der Wirtschaft bieten verschiedene Arten von Joint Ventures eine große Auswahl für die Erfüllung der unterschiedlichen Zwecke der Unternehmen. Obgleich die Joint Ventures nicht der einzige Ausweg aus unternehmerischen Verwicklungen sind, stellt die Eigenschaft der gemeinschaftlichen Arbeit viele Vorteile für die Unternehmen zur Verfügung.

Unterschiedliche Typen von Joint Ventures werden zusammen mit anderen Investitionsmöglichkeiten diskutiert und die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile des JV werden dargelegt. Aber zuvor soll auch die rechtliche Entwicklung des Joint Venture dargestellt werden, um den späteren Vergleich der drei Rechtssysteme besser interpretieren zu können.

3.  Begriffliche Entwicklung des Joint Venture

Obwohl die Geschäftsformen Joint Venture oder „Joint adventures“13 – wie oben erwähnt – ursprünglich nicht aus der amerikanischen Wirtschaft stammen, wurde aber der anglo-amerikanische Begriff Joint Venture in der internationalen wirtschaftlichen und rechtlichen Arena am meisten bekannt. Amerika hatte die Joint Ventures erst durch den Handel mit England kennengelernt. Damals waren die Joint Ventures im wirtschaftlichen Verkehr vorhanden, aber das englische Recht kannte nur zwei Typen von Gesellschaften: Partnerships und Corporations. Das Recht der Partnerships wurde auch auf die Joint Ventures angewendet.14 Der rechtliche Begriff des Joint Ventures entsprang später Ende 19. Jahrhunderts nach amerikanischer Lehre zuerst dem amerikanischen Recht.15 Am Anfang hatten die Gerichte die Joint Ventures als „Partnerships“ behandelt. Später jedoch tauchte eine Diskussion über den Rechtsstatus der Joint Ventures auf. ← 19 | 20 → Weil Joint Ventures besondere Eigenschaften hatten, die damals nicht mit denen der „Partnerships“ übereinstimmten, wurde in einigen Urteilen angenommen, dass die JV eine unterschiedliche rechtliche Beziehung und eine separate Identität haben sollten.16 Auch bei der Definition der Joint Ventures gab es keine Klarheit, keine gesetzliche Definition war vorhanden. Infolgedessen versuchten viele Autoren in der Lehre, die wesensnotwendigen Bestandteile dieses Rechtsgeschäfts genau zu analysieren.17 Obwohl die Gerichte andere Behauptungen aufstellten, widersprachen viele Autoren dem Anspruch, dass die Joint Ventures sich von „Partnerships“ unterschieden, weil das Recht der „Partnerships“ immer noch auf die JV angewendet wurde. Entlang der Definitionen der Joint Ventures und „Partnerships“ entstanden einige Abgrenzungen und manche versuchten, die Unterscheidungspunkte dieser beiden Typen herauszuarbeiten,18 aber dies verhinderte die herkömmliche Anwendung des Rechts nicht. Die Gerichte waren der Meinung, dass die Grundbestandteile bei Errichtung eines Partnership – nämlich die Dauerhaftigkeit und die Anerkennung lediglich natürlicher Personen als Partner der „Partnership“ – in Joint Ventures fehlten. Demnach sollten sie einen eigenständigen Rechtscharakter erhalten, denn damals wurden die Joint Ventures für einzelne Transaktionen gegründet und die „Corporations“ konnten als Partner aufgenommen werden.19 Aber diese Unterscheidungskriterien waren nicht überzeugend genug, um sie von dem Anwendungsbereich des Rechts der Partnership auszuschließen und auch in der Lehre kann man die entgegengesetzten Reaktionen finden, die sich als nicht einverstanden mit der „sui generis“-Einordnung erklärten.20 Aus diesem Grund wird auf die Joint ← 20 | 21 → Ventures von der Mehrheit der amerikanischen Gerichte immer noch das Recht der „Partnership“ analog angewendet.21 Aber trotzdem ist anzumerken, dass sich diese Abgrenzungsargumentationen in verschiedenen Definitionen durchsetzten und die Abweichung von den Partnerships betonten.22

Weiterhin brachten diese ausgeprägten Merkmale der Joint Ventures weitere Entwicklungen in der Rechts- und Wirtschaftspraxis hervor. Weil die Joint Ventures nach dem Recht der Partnership nicht als eine Korporation auftreten konnten, aber schon eine Korporation als einen Partner aufnehmen durften, führte dies zu der Durchführung der Zusammenarbeit mittels einer Korporation.23 Infolgedessen bildeten sich die „Joint Venture Corporations“ (close corporation) heraus, die die Zusammenarbeit nach dem Recht der Kapitalgesellschaften organisierten. Um die Nachteile des auf die Joint-Venture-Verträge angewendeten Rechts zu vermeiden, übertrugen die Partner die Aufgabe der Zweckverfolgung auf eine Rechtspersönlichkeit tragende Korporation, die aus wirtschaftlicher Sicht wegen der Haftungsbegrenzung der Partner wünschenswerter war.24 Allerdings darf die Benennung der Korporation als Joint Venture nicht zu einem Missverständnis führen, denn die Joint Venture Corporation sei als eine andere Art von Gesellschaft anzusehen. Was in der aufgezeigten Situation ein Joint Venture betrifft, ist immerhin der abgeschlossene Vertrag zwischen den Partnern, ein Partnership-Vertrag, und nur das Vorhaben (der gemeinsame Zweck) wird unter dem Dach ← 21 | 22 → einer in besonderer Weise ausgestalteten Projektträgergesellschaft bzw. eines Gemeinschaftsunternehmens ausgeführt.25

Eine einzelne einvernehmliche Definition ist nicht vorhanden.26 In der Literatur haben einige Autoren versucht, den Begriff mit umfangreichen Definitionen zu erklären, nach denen die Joint Ventures zwischen Kartellen und Fusionen einzuordnen sind,27 oder eher eine spezifische Definition gefunden, nach der zwei oder mehrere Firmen gemeinsam eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben;28 ferner haben manche Autoren die genauen Tatbestandsmerkmale für Joint Ventures aufgelistet. In der Literatur wird oft auf die Definition von Brodley hingewiesen: (1) ein Unternehmen unter gemeinsamer Kontrolle von Müttern, die voneinander unabhängig sind, (2) jede Mutter leistet einen wesentlichen Beitrag zum gemeinsamen Unternehmen, (3) das Unternehmen zeigt sich als eine separate Einheit von seinen Müttern, (4) das Joint Venture schafft eine wesentliche Leistungsfähigkeit als neues Unternehmen hinsichtlich neuer Produktionskapazität, neuer Technologie, neuer Produkte oder neuem Markteintritt.29 Dies wurde in der Literatur als zu weitreichend angesehen, da ein Joint Venture auch ohne neues Produkt oder ohne Markterschließung zustande kommen kann.30 Stattdessen wurde die operationelle Autonomie als ein separates Unternehmen betont.31 Solche Abgrenzungskriterien helfen dabei, die Gestaltung von Joint Ventures von anderen rein vertraglichen Vereinbarungen wie Lizenz- oder Distributionsvereinbarungen zu unterscheiden.32

Demzufolge erzeugte die Verwendung der verschiedenen Methoden für die Zusammenarbeit voneinander abweichender Kategorien von Joint Ventures in der Wirtschaftsarena; als Folge davon stellten sich die rechtlichen Bestimmungen, besonders im Wettbewerbsrecht, darauf ein. Diese Kategorien werden unten in Beziehung zum Joint-Venture-Begriff dargelegt. ← 22 | 23 →

4.  Der Begriff „Joint Venture“

Im Rahmen eines Joint Venture wurde am Anfang eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit organisiert. Das Joint Venture wurde für die Verwirklichung des gemeinsamen wirtschaftlichen Zwecks errichtet. Die Definitionen, die sich nur auf diesen wirtschaftlichen Sachverhalt konzentrierten, konnten deren rechtlichen Stand nicht vollkommen aufklären.33 Ursprünglich bezeichnete das JV eine vertragliche Beziehung, die das gesellschaftsrechtliche Element von Animus Societatis beinhaltet und für eine begrenzte Zeit zwischen den ausgewählten Partnern bestehen sollte. Danach folgten aber, wie oben erwähnt, neue Gefüge dieser Zusammenarbeit, die die Rechtspersönlichkeit besitzenden Gesellschaften als Projektträgergesellschaft für den Animus Societatis einsetzten. Diese beiden Arten von Joint Ventures sind auch momentan in der internationalen ökonomischen Literatur bekannt als Contractual Joint Venture (CJV) und Equity Joint Venture (EJV);34 wobei das CJV der ersteren rein vertraglichen Zusammenarbeit entspricht, in dem die Parteien auf Risikoteilung zielen, aber „keine Unternehmung als eigenständiges Rechtssubjekt“35 gründen, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen36; demgegenüber bezeichnet der letztere Fall ein EJV, eine gemeinsame „Unternehmung“ (Projektträgergesellschaft), in dem die Partner eine gemeinsame Beteiligung an finanziellen Risiken und Entscheidungsprozessen halten und durch dieses Unternehmen ihren Zweck erreichen.37 Nach dieser im internationalen Bereich geltenden Definition kann sich das gemeinschaftliche Unternehmen nicht nur als eine Kapitalgesellschaft, sondern ← 23 | 24 → auch als eine Personengesellschaft,38 ferner auch als eine „Partnership“ zeigen.39 Aber wenn es sich bei dieser Personengesellschaft um eine Partnership handelt, dann müssen die vorgenannten Diskussionen über die Klassifizierung des Joint Venture berücksichtigt werden, weil die Bezeichnung von CJV und EJV sich nach der im jeweiligen Land geltenden Auffassung anders ergeben kann.40 Beispielsweise entspricht das JV im amerikanischen Recht dem CJV, die allgemeine vertragliche Beziehung, die oben als eine Form der „Partnerships“ qualifiziert wurde. Was hingegen das EJV nach amerikanischem Recht anbelangt, soll das Unternehmen als eine Kapitalgesellschaft angelegt sein.41 Demzufolge nehmen viele Autoren in der Lehre auch an, dass die Projektträgergesellschaft in einem EJV eine Kapitelgesellschaft sein soll.42 Darüber hinaus kommen die unterscheidenden Faktoren auch in Bezug auf die Dauer der Zusammenarbeit vor. In der Praxis wird das CJV im Vergleich zu dem EJV für zeitlich limitierte Projekte bevorzugt.43

In der Regel versteht man unter dem bloßen Begriff Joint Venture gerade die letztere Form, nämlich die Equity Joint Ventures.44 Dieser Typ von Joint Ventures hat normalerweise einen mehrstufigen Verlauf, der von der Anerkennung der Koexistenz des JV-Vertrages und des Gesellschaftsvertrages im amerikanischen Recht ← 24 | 25 → beeinflusst ist.45 Dieses „Joint-Venture-Gesamtvertragswerk“46 beinhaltet einen Joint-Venture-Vertrag, darauffolgend den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung der Projektträgergesellschaft und schließlich die Satellitenverträge, die zwischen der Projektträgergesellschaft und den Müttern oder mit Dritten abgeschlossen werden.47 Demgegenüber ist dieser mehrstufige Aufbau bei dem CJV nicht zu finden.

Auch im internationalen Bereich ist zu bemerken, dass keine begriffliche Klarheit herrscht. Es besteht die Tendenz, die verschieden gestalteten Zusammenarbeiten unter dem Oberbegriff von „strategischen Allianzen“ zu kombinieren; und beide Typen von Joint Ventures fallen auch darunter.48 Nach dem jeweiligen Recht eines Staates kann ein Joint Venture in sich verschiedene Bestandteile bergen. Ferner können in einem gleichen Staat auch diverse Definitionen nach den Rechtsbereichen auftreten.

Wegen der allgemeinen Unklarheit der Definitionen bevorzugt das europäische Wettbewerbsrecht, die CJV/EJV-Unterscheidung nicht unmittelbar zu übernehmen; stattdessen versucht es, die wettbewerbsbezogenen Ausprägungen hervorzuheben. Auf diese Weise kann ein Joint Venture entweder aufgrund der Strukturkontrolle oder der Verhaltenskontrolle untersagt werden; in beiden Fällen kann sich ein CJV oder EJV in dem Sachverhalt herausstellen. Die Arbeit wird im zweiten Teil diejenigen Begriffserklärungen einbeziehen, die wettbewerbsrechtlich als beachtlich angesehen werden. Aber wettbewerbsrechtlich werden die „Equity Joint Ventures“ oder sogenannten „Gemeinschaftsunternehmen“ in der Arbeit betrachtet. In diesem Sinne wird die europäische Auffassung im Grunde genommen vertreten: … ein Unternehmen von zwei oder mehr voneinander nicht abhängigen Müttern gemeinsam kontrolliert wird, wobei sie ihr gemeinsames Interesse an der Förderung bestimmter unternehmerischer Zwecke poolen.49 Im Folgenden wird die einzelne rechtliche Begriffserklärung nach deutschem und türkischem Recht behandelt.

a)  Joint Venture nach deutschem Recht

Weil sich die JV zuerst in den Vereinigten Staaten von Amerika verbreitet haben und von dort nach Europa als eine Geschäftsform gekommen sind, haben die rechtlichen Entwicklungen in den USA auch die europäischen beeinflusst. Erwartungsgemäß ← 25 | 26 → gibt es auch im deutschen oder türkischen Recht keinen diskreten Rechtsstatus für die Joint Ventures. Die zwei oben genannten Erscheinungsformen der Joint Ventures, nämlich Contractual Joint Venture und Equity Joint Venture, entstehen aus einer rein schuldrechtlichen Beziehung zwischen den Partnern bzw. dem Joint-Venture-Vertrag. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei gehört dieser Vertrag zu den Schuldverhältnissen, der in beiden Ländern als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) bezeichnet wird.50 Hingegen bezieht sich das europäische Recht durch seine primär rechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur auf die wettbewerbsrechtlichen Aspekte der Joint Ventures.51

Im deutschen Recht spricht man von einer BGB-Innengesellschaft (§§ 705 ff. BGB), wenn das Joint Venture für eine begrenzte Dauer gegründet52 und nicht gemeinsam nach außen von den Partnern vertreten wird.53 In der Lehre ist die Neigung zu einem solchen schuldrechtlichen Vertrag als Contractual Joint Venture54 (CJV) einzuordnen.55 Die BGB-Innengesellschaft ist als CJV akzeptiert, darüber gibt es keinen Streit. Aber das Problem liegt darin, dass dann – wenn diese vertragliche Zusammenarbeit nach außen auftritt – eine Außengesellschaft (Außen-GbR) vorliegt, und wegen dieser Unterscheidung kommt es zur begrifflichen Unklarheit in der deutschen Literatur. Manche Autoren weisen darauf hin, dass mit der Außengesellschaft dieses Rechtsverhältnis nicht mehr als ein CJV, sondern als ein EJV bezeichnet wird.56 Aus diesem Grund unterscheidet sich diese Definition von dem amerikanischen CJV-Konzept, wonach es als „Partnership“ am Rechtsverkehr teilnehmen kann.57 Im Prinzip kann die Rechtsform des Gemeinschaftsunternehmens bei einem EJV auch die GbR sein, weil sie auch eine wirtschaftliche Einheit durch ihre Teilrechtsfähigkeit bildet.58 Aber sie ist nur für projektbezogene, zeitlich ← 26 | 27 → limitierte Zwecke geeignet,59 wogegen das EJV normalerweise mit langfristiger Zusammenarbeit verknüpft ist; deswegen passt es nicht zu der Wirtschaftspraxis der EJV, denn sie brauchen ein auf Dauer angelegtes GU.60 Demzufolge werden solche Gesellschaften oft als ein CJV anerkannt.61

Ein anderes Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Arten von JV hängt davon ab, ob „die Partner ihre gemeinschaftlichen Interessen in einer weiteren gesonderten Gesellschaft zusammenführen62. Ist das der Fall, bildet diese Kooperation eine rechtliche Einheit, die „organisatorisch verselbstständigt63 ist, und diese Art von Kooperation wird in der Lehre als Equity Joint Venture (EJV) bezeichnet.64 Zu betrachten ist hier wieder, ob die Außen-GbR eine gesellschaftliche Einheit als EJV bildet und für manche Autoren ist in diesem Zusammenhang entscheidend, welche Absichten die Partner haben:65 Es kommt darauf an, ob die Partner ihre unternehmerische Entscheidungsautonomie behalten und im Außenverhältnis selbst auftreten oder ob sie diese an die JV-Gesellschaft abtreten.66

Wie oben generell erwähnt wurde, zeigt die rechtliche Gestaltung eines EJV einige Besonderheiten. Wobei die Partner einen Joint-Venture-Vertrag (bzw. eine ← 27 | 28 → „Grundvereinbarung“, „Grundsatzvereinbarung“) abschließen, um die Details der künftigen Unternehmen zu organisieren und das Unternehmen bzw. Gemeinschaftsunternehmen ohne Erschwernis zu gründen und weiterzuführen.67 Dieser Vertrag stellt die BGB-Innengesellschaft dar, dazu schließen die Partner im Regelfall einen Gesellschaftsvertrag, um ein rechtlich selbstständiges Gemeinschaftsunternehmen (GU) zu gründen, welches sie gemeinsam kontrollieren. Für dieses Unternehmen sollen die Partner die zu ihrem Interesse passende Gesellschaftsform auswählen. Bei der Benennung dieser zweistufigen Prozedur kommen zwei Begriffsbestimmungen vor: Eine ist die sogenannte „Doppelgesellschaft“68 und die andere ist die „Parallelgesellschaft“ oder der „doppelstöckige gesellschaftsrechtliche Aufbau“.69 Wenn das GU eine Kapitalgesellschaft ist, kommt in der Praxis überwiegend die doppelstöckige Gestaltung zur Anwendung. Wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt, kann sich dieses zweistufige Gefüge zu einer einstufigen Struktur verwandeln.70 In der deutschen Wirtschaftspraxis können neben Kapitalgesellschaften ebenfalls Personengesellschaften als ein GU eingesetzt werden.71 Beispielweise werden zumeist die GmbH (Kapitalgesellschaft) oder die GmbH & Co. KG (Personengesellschaft) als GU angewendet. Bei einer GmbH & Co. KG72 kann also der JV-Vertrag und der Gesellschaftsvertrag kombiniert abgeschlossen werden.73

Bei einem EJV ist der Grad der Zusammenarbeit höher als bei einem CJV; als Folge davon werden die eigenständigen Partner während der Zusammenarbeit länger voneinander abhängig. Dies wird gleichzeitig mehr wettbewerbsrechtliche Bedenken mit sich bringen und dadurch die Auswahl der Form beeinflussen. Im deutschen Recht kann die Wahl zwischen CJV und EJV bezugnehmend auf das europäische Recht verschiedene wettbewerbsrechtliche Folgen verursachen. Während eine rechtlich-organisatorische Einheit als ein EJV nach europäischem Recht ← 28 | 29 → der Verhaltenskontrolle unterliegt, kann der gleiche Aufbau von einem JV nach deutschem Recht der Strukturkontrolle unterliegen. Demzufolge ist es soweit nicht möglich, die wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen der beiden Typen ohne Verweis auf das anwendbare Recht zu erklären und deshalb soll bei der Auswahl nicht nur die Intensität der Zusammenarbeit, sondern auch die rechtlichen Auswirkungen (bzw. steuerrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen) mit berücksichtigt werden. Nur die wettbewerbsrechtlichen Aspekte werden in den folgenden Teilen der Arbeit erläutert.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die wettbewerbliche Definition der „Equity Joint Ventures“ oder „Gemeinschaftsunternehmen“ nach deutschem Recht weiter als das europäische Recht ausgelegt wird. Stattdessen kann die europäische Definition nach deutschem Recht einen Unterfall bezeichnen, da schon ein Gemeinschaftsunternehmen mit 25 % Anteilserwerb ohne die Voraussetzung von gemeinsamer Kontrolle wettbewerbsrechtlich gegründet werden kann. Die erste Legaldefinition von Gemeinschaftsunternehmen hat sich offensichtlich auf diese reine Beteiligung bezogen.74 Aus diesem Grund wird die wettbewerbsrechtliche Untersuchung nach deutschem Recht als das Unterscheidungskriterium in der vorliegenden Untersuchung angenommen, und die verschiedenen Konsequenzen daraus bezüglich der Struktur- und Verhaltenskontrolle werden Gegenstand der vergleichenden Untersuchung sein.

b)  Joint Venture nach türkischem Recht

Joint Ventures haben auch nach türkischem Recht keinen besonderen Rechtsstatus. Die Joint-Venture-Verträge bilden i. d. R. eine bürgerrechtliche Gesellschaft, die als „Adi Ortaklık“ (TBK Art. 620 ff.) bezeichnet werden. Wie die GbR hat diese Gesellschaft auch keine Rechtspersönlichkeit, und genau deswegen finden die Vorschriften über die „Adi Ortaklık“ entsprechende Anwendung auf das CJV („sözleşmeye dayalı ortak girişimler“), wegen ihres reinen Schuldverhältnisses. In der Rechtsprechung wurde die Ähnlichkeit mit dem „adi ortaklik“ dadurch betont, dass zwei oder mehrere Unternehmen für einen gemeinsamen Zweck ihre Beiträge zusammenführen und die Partner als Gesamtschuldner mit ihrem gesamten Vermögen haften, da von einer Rechtspersönlichkeit tragenden Gesellschaft nicht zu sprechen ist.75 Und in der Literatur folgt die Definition von Joint Ventures nach dem Besitz einer Rechtspersönlichkeit bezüglich der Vermögensbeteiligung i. S. v. CJV und EJV zwei anerkannten Typen. Wobei die gründlichen Tatbestände sich als vertragliche ← 29 | 30 → Zusammenarbeit unter gemeinsamer Kontrolle der rechtlich unabhängigen Personen für einen gemeinsamen Zweck bzw. eine Gewinnerzielung mithilfe der von ihnen erbrachten Beiträge darstellen.76

Obwohl in der türkischen Rechtssprache auch von Innen- und Außengesellschaft, der „Adi Ortaklık“, gesprochen wird, führt dies nicht zu einer Diskussion wie in der deutschen Literatur, die als Abgrenzungskriterium zwischen CJV und EJV gesehen wurde, da eine Rechtsfähigkeit der einfachen Gesellschaft nicht zugrunde liegt und die Vertretung der Gesellschafter nicht anerkannt ist.77 Einfacherweise hängt die Abgrenzung in der türkischen Literatur davon ab, ob die Partner des Joint Venture ein Vermögen in eine gemeinsam kontrollierte Partnerschaft eingebracht haben oder nicht.78 Während für das CJV nach der Rechtsprechung eine „adi ortaklik“ entsteht, hat diese Gesellschaft kein Gesellschaftsvermögen;79 nach den Umständen kann eine Organisation auch durch ein CJV zustande kommen,80 wogegen die Partner bei einem EJV Vermögenswerte dem Gemeinschaftsunternehmen zur Verfügung stellen.81 Das andere Abgrenzungskriterium in der Praxis ist die zeitliche Limitierung, das heißt die CJV müssen entweder für ein Projekt oder für ein zeitlich limitiertes Projekt gegründet werden. Dies ist aber als kein zwingender Bestandteil anzusehen,82 weil manche sehr langfristige Unternehmenskooperationen auch als Contractual oder Non-Equity Joint Venture in Erscheinung treten können.83 ← 30 | 31 →

Konsequenterweise benötigt ein EJV, das mit einem Joint-Venture-Vertrag gegründet wurde, eine gemeinsame kontrollierte Gesellschaft für die dauernde wirtschaftliche Zusammenarbeit der Partner. Der türkische Begriff für EJV, nämlich „Sermayeye Katılmalı Ortak Girişim“, beinhaltet in dem Namen das Wort Kapital, wie „Equity“. Aus diesem Grund wird in der Lehre auch wegen der türkischen Wirtschaftspraxis oft angenommen, dass die Joint-Venture-Gesellschaft oder das Gemeinschaftsunternehmen als eine Kapitalgesellschaft gegründet werden soll,84 obwohl die anderen Arten von Handelsgesellschaften im Prinzip auch auswählbar sind. Diese Besonderheiten sind für das EJV weitgehend von der türkischen Lehre anerkannt, aber einige Autoren behaupten, dass das EJV keine Rechtspersönlichkeit zu besitzen braucht,85 sondern dass es auch als eine bürgerliche Gesellschaft oder „adi ortaklık“ entstehen kann, soweit die Partner Vermögenswerte der Gesellschaft übertragen, obwohl die Rechtsfähigkeit86 einer „Adi Ortaklık“, anders als im deutschen Recht, nach türkischem Recht nicht anerkannt wurde.87 Es gilt jedoch die „Adi Ortaklık“ als eine Einheit, weil sie immer noch ein Rechtssubjekt ist.88 Manche Autoren lehnen diese Behauptung ab, weil das EJV – wie bei Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht – eine Doppelstruktur haben soll und ohne weitere Handelsgesellschaft als juristische Person dieser zweistufigen Struktur des EJV nicht existieren würde.89 Aber auch im deutschen Recht kann diese Doppelgesellschafts-Theorie entfallen, wenn das Gemeinschaftsunternehmen eine Personengesellschaft ist, weil die Regelungen der Zusammenarbeit auch in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden können.90 Aber für die Kapitalgesellschaften wäre das unzulässig und deshalb kommt es zu einer Doppelstruktur. Dann ist festzustellen, dass die Doppelstruktur keine zwingende Bedingung für ein EJV ist, sondern nur eine Besonderheit infolge der Veröffentlichung des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung ← 31 | 32 → von juristischen Personen im Handelsregister. Zusammenfassend wird in dieser Arbeit das EJV als eine Zusammenarbeit zwischen voneinander unabhängigen Partnern durch ein auf Dauer angelegtes Unternehmen, um gemeinsame wirtschaftliche Ziele der Partner zu verwirklichen, bezeichnet; andererseits wird das CJV als eine zeitlich begrenzte Kooperation bezeichnet, bei der die Partner nicht bezwecken, als eine eigenständige Gesellschaft auf dem Markt aufzutreten.

Details

Seiten
354
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631727010
ISBN (ePUB)
9783631727027
ISBN (MOBI)
9783631727034
ISBN (Hardcover)
9783631724668
DOI
10.3726/b11489
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juni)
Schlagworte
Kartellrecht Fusionskontrolle Teilfusion der Mütter Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen wirtschaftliche Einheit
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 354 S.

Biographische Angaben

İpek Çevik (Autor:in)

İpek Çevik studierte Rechtswissenschaften an der Bilkent Universität Ankara (Türkei) und am Institute for Law and Finance der Goethe-Universität Frankfurt am Main (LL.M. Finance). Sie promovierte an der Freien Universität Berlin bei Prof. Säcker und ist heute als Rechtsanwältin in der Türkei tätig.

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Titel: Eine vergleichende Untersuchung der Joint Ventures – Gemeinschaftsunternehmen – nach europäischem, türkischem und deutschem Wettbewerbsrecht
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