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Die Funktion des wettbewerblichen Dialogs in Deutschland, Polen und Österreich im Lichte des Europäischen Vergaberechtsregimes

von Ruth Losch (Autor:in)
©2017 Dissertation 293 Seiten

Zusammenfassung

Mit dem wettbewerblichen Dialog wurde im Jahr 2004 ein weiteres Verfahren zur Vergabe europaweiter öffentlicher Aufträge eingeführt, das erstmals auch die Bestimmung des Auftragsgegenstands für Gespräche zwischen Auftraggeber und Bietern öffnete. Dieses Buch untersucht, inwieweit der wettbewerbliche Dialog die in ihn gesetzten Hoffnung erfüllen kann, eine größere Flexibilität zu bieten, ohne Gefahr zu laufen, den Wettbewerb zu verfälschen. Hierzu analysiert die Autorin die Vorgaben der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG und ihre Umsetzung in Deutschland, Polen und Österreich sowie die reformierte Vergaberichtlinie 2014/24/EU, die den Anwendungsbereich des wettbewerblichen Dialogs erweitert und mit der Innovationspartnerschaft noch ein weiteres Vergabeverfahren einführt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Gegenstand der Untersuchung
  • II. Gang der Untersuchung
  • B. Der primärrechtliche Kontext
  • I. Grundfreiheiten
  • 1. Warenverkehrsfreiheit
  • 2. Personenbezogene Grundfreiheiten
  • II. Diskriminierungsverbot
  • III. Primärrechtliches Transparenzgebot
  • IV. Die Vorschriften über den freien Wettbewerb
  • C. Der sekundärrechtliche Kontext
  • I. Die Vergabekoordinierungsrichtlinien
  • 1. Die Vergaberechtsreform 2004
  • 2. Die Vergaberechtsreform 2014
  • II. Die Vergabegrundsätze
  • 1. Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot
  • 2. Transparenzgebot
  • 3. Wettbewerbsziel und Wettbewerbsgebot
  • a. Mittelstandsfreundliche Vergabe
  • b. Vertraulichkeit und Geheimwettbewerb
  • 4. Wirtschaftliche Aspekte
  • III. Die Vergabeverfahren der Vergabekoordinierungsrichtlinien
  • 1. Das offene Verfahren
  • a. Anwendungsvoraussetzungen
  • b. Verfahren
  • 2. Das nichtoffene Verfahren
  • 3. Das Verhandlungsverfahren
  • a. Anwendungsvoraussetzungen
  • b. Verfahren
  • 4. Der Wettbewerb
  • 5. Der wettbewerbliche Dialog
  • a. Anwendungsvoraussetzungen
  • b. Verfahren
  • 6. Innovationspartnerschaft nach der VKR 2014
  • D. Der wettbewerbliche Dialog auf EU-Ebene
  • I. Anwendungsbereich
  • 1. Anwendungsbereich nach der VKR 2004
  • a. Der besonders komplexe Auftrag
  • aa. technische Komplexität
  • (1). technische Spezifikationen
  • (2). Anforderungen an die Formulierung technischer Spezifikationen
  • (3). Anwendungsfälle
  • bb. rechtliche bzw. finanzielle Komplexität
  • b. Keine Möglichkeit der Vergabe im offenen oder nicht offenen Verfahren
  • aa. Maßnahmen zur Bestimmung des Auftragsgegenstands vor Einleitung des Vergabeverfahrens
  • (1). Einsatz externen Fachwissens – „technischer Dialog“
  • (a). Einsatz externer Berater
  • (b). Einsatz von fachkundigen Unternehmen (Projektanten)
  • (c). Sondierungsgespräche mit mehreren Unternehmen / Markterkundungsverfahren
  • (d). Zwischenergebnis: Einsatz externen Fachwissens
  • (2). Durchführung eines Wettbewerbs, Art. 66 ff. VKR 2004
  • (a). Ideenwettbewerb
  • (b). Realisierungswettbewerb
  • bb. Maßnahmen zur Flexibilisierung des offenen bzw. nichtoffenen Verfahrens
  • (1). funktionale Ausschreibung
  • (2). Varianten
  • (3). Alternativausschreibung
  • c. Zur subjektiven Komponente
  • 2. Anwendungsbereich nach der VKR 2014
  • 3. Zusammenfassung: Anwendungsbereich
  • II. Verfahren
  • 1. Bekanntmachung
  • a. Beschreibung des Auftragsgegenstands
  • aa. Bezeichnung des Auftrags
  • bb. Auftragskategorie
  • cc. Beschreibung des Beschaffungsvorhabens
  • (1). Bedürfnisse
  • (2). Anforderungen
  • dd. Angabe der Referenznummern der CPV-Nomenklatur
  • b. Eignungskriterien und -nachweise, Mindestanforderungen
  • c. Bedingung der Zustimmung zur Weitergabe der Lösungsvorschläge
  • d. Beschränkung der Anzahl der einzuladenden Teilnehmer, Auswahlkriterien
  • e. Zuschlagskriterien
  • f. Zulassung von Varianten
  • g. Abschichten von Lösungsvorschlägen in mehreren Dialogrunden
  • h. Aufteilung in Lose
  • i. Angabe eines indikativen Zeitplans
  • 2. Auswahl der Bewerber
  • a. Projektanten
  • b. Mehrfache Beteiligung von Bewerbern
  • c. Zusammenfassung: Auswahl der Bewerber
  • 3. Einladung zum Dialog und Beschreibung
  • a. Bedürfnisse und Anforderungen
  • b. Zuschlagskriterien
  • aa. Die Wahl der Zuschlagskriterien
  • bb. Die Gewichtung der Zuschlagskriterien
  • c. Mindestanforderungen bei zugelassenen Varianten
  • d. Zusammenfassung: Beschreibung
  • 4. Dialogphase
  • a. Vertraulichkeitsgebot
  • b. Beginn des Dialogs
  • c. Die Lösungsvorschläge der Dialogteilnehmer
  • aa. Formvorgaben an die Lösungsvorschläge
  • bb. Anzahl der verfolgten Lösungsansätze
  • d. Reichweite der Dialoggespräche
  • e. Angleichen von Lösungsvorschlägen
  • f. Strukturierung der Dialogphase
  • aa. gemeinsame oder getrennte Gespräche / Weitergabe von Lösungsvorschlägen
  • bb. Übernahme von Elementen aus dem Verhandlungsverfahren
  • cc. Übernahme von Elementen aus dem Wettbewerb / Ernennung eines Projektleiters
  • g. Sukzessive Verringerung der Lösungen
  • aa. Verhandlungsstrategien beim Abschichten der Lösungsvorschläge
  • bb. Inhaltliche Überprüfbarkeit der Lösungsvorschläge
  • cc. Anlegung der Zuschlagskriterien zur Reduktion der Anzahl der Lösungsvorschläge
  • (1) Änderung von Unterkriterien
  • (2). Zuschlagskriterien in absteigender Reihenfolge angegeben
  • dd. Konsequenzen des Ausscheidens eines Lösungsvorschlags
  • ee. Grenzen der Reduktion
  • h. Beendigung der Dialogphase
  • i. Zusammenfassung: Dialogphase
  • 5. Aufforderung zur Angebotsabgabe
  • 6. Die Einreichung der Angebote
  • a. Anzahl der Angebote
  • b. Form und Inhalt
  • 7. Bewertung der Angebote und Erteilung des Zuschlags
  • a. „Feinabstimmungen“ bzw. „Verbesserungen“ der Angebote
  • b. Anlegung der Zuschlagskriterien
  • c. Nachverhandlungen mit dem Bestbieter?
  • d. Stillhaltefrist und endgültiger Zuschlag
  • 8. Zahlung von Prämien
  • 9. Beendigung des wettbewerblichen Dialogs ohne Zuschlagserteilung
  • 10. Vergabevermerk
  • 11. Zusammenfassung: Verfahren
  • III. Alternative Konzepte zur Verwirklichung komplexer Vorhaben
  • 1. Verhandlungsverfahren
  • a. Vergleich der Anwendungsbereiche nach der VKR 2004
  • aa. Anwendungsfälle des Verhandlungsverfahrens ohne spezifischen Bezug zum Auftragsinhalt
  • bb. Schwierigkeit der Festlegung vertraglicher Spezifikationen, Art. 30 Abs. 1 lit. c VKR 2004
  • (1) Technische Komplexität und Art. 30 Abs. 1 lit. c VKR 2004
  • (2) Rechtliche/finanzielle Komplexität und Art. 30 Abs. 1 lit. c VKR 2004
  • cc. Art. 30 Abs. 1 lit. b VKR 2004 – „unmögliche globale Preisgestaltung“
  • (1) Technische Komplexität und „unmögliche globale Preisgestaltung“
  • (2) Rechtliche/finanzielle Komplexität und „unmögliche globale Preisgestaltung“
  • b. Vergleich der Verfahrensabläufe
  • aa. Ausgangspunkte für die Gesprächsphase
  • bb. Grundstruktur der Gesprächsphasen in Verhandlungsverfahren und wettbewerblichem Dialog
  • cc. Reichweite/Umfang der Gespräche
  • c. Die Bewertung der Angebote
  • d. Zusammenfassung: Alternative Verhandlungsverfahren
  • 2. Wettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren
  • 3. Die Innovationspartnerschaft nach der VKR 2014
  • a. Vergleich der Anwendungsbereiche
  • b. Vergleich der Vergabeunterlagen
  • c. Vergleich der Verfahrensabläufe
  • 4. Zusammenfassung: Alternative Konzepte zur Verwirklichung komplexer Vorhaben
  • IV. Nicht durch die Vergabekoordinierungsrichtlinien erfasste Vergaben
  • 1. Bau- und Dienstleistungskonzessionen
  • a. Baukonzessionen nach der VKR 2004
  • b. Dienstleistungskonzessionen nach der VKR 2004
  • c. Die neue Konzessionsrichtlinie 2014/23/EU
  • 2. Erleichterungen für bestimmte Arten von Dienstleistungen
  • a. Nichtprioritäre Dienstleistungen nach VKR 2004
  • b. Soziale und andere besondere Dienstleistungen nach VKR 2014
  • 3. Aufträge im Sektorenbereich
  • a. SKR 2004
  • b. SKR 2014
  • 4. Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit
  • 5. Zusammenfassung: Nicht durch die Vergabekoordinierungsrichtlinien erfasste Vorhaben
  • V. Ergebnis: Der wettbewerbliche Dialog auf EU-Ebene
  • E. Der wettbewerbliche Dialog in Deutschland, Polen und Österreich
  • I. Bereich der Umsetzung – Anwendungsbereich im „weiteren“ Sinn
  • 1. Deutschland
  • a. Freiberufliche Dienstleistungen
  • b. Baukonzessionen
  • c. Dienstleistungskonzessionen
  • d. Nichtprioritäre Dienstleistungen
  • e. Aufträge im Sektorenbereich
  • f. Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit
  • 2. Polen
  • a. Bau- und Dienstleistungskonzessionen
  • b. Nichtprioritäre Dienstleistungen
  • c. Aufträge im Sektorenbereich
  • d. Das Gesetz über öffentlich-private Partnerschaften (UstPPP)
  • e. Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit
  • 3. Österreich
  • a. Vergabe von Baukonzessionen
  • b. Dienstleistungskonzessionen
  • c. Nichtprioritäre Dienstleistungen
  • d. Aufträge im Sektorenbereich
  • e. Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit
  • 4. Vergleichende Zusammenfassung: Anwendungsbereich im „weiteren“ Sinn
  • II. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen – Anwendungsbereich im „engeren“ Sinn
  • 1. Deutschland
  • a. Keine Bezugnahme auf technische Spezifikationen
  • b. Keine Bezugnahme auf Einschätzung des Auftraggebers, dass eine Vergabe im offenen oder nichtoffenen Verfahren nicht möglich ist
  • 2. Polen
  • 3. Österreich
  • 4. Vergleichende Zusammenfassung: Anwendungsbereich im „engeren“ Sinn
  • III. Die Ausgestaltung der nationalen Verfahren
  • 1. Bekanntmachung
  • a. Umfang der Bekanntmachungspflichten
  • b. Beschreibung des Auftragsgegenstands
  • aa. Deutschland
  • bb. Polen
  • cc. Österreich
  • dd. Losweise Vergabe
  • c. Eignungskriterien und -nachweise, Mindestanforderungen
  • aa. Deutschland
  • bb. Polen
  • cc. Österreich
  • d. Ggf. Beschränkung der Anzahl der einzuladenden Bewerber, Auswahlkriterien
  • aa. Beschränkung der Anzahl der Teilnehmer
  • bb. Auswahlkriterien
  • e. Zuschlagskriterien
  • aa. Österreich
  • bb. Polen
  • cc. Deutschland
  • f. Zulassung von Varianten
  • g. Sukzessive Reduktion der Lösungsvorschläge
  • h. Angaben zu Losen
  • i. Angabe der Referenznummern der CPV-Nomenklatur
  • j. Prämien oder Zahlungen an die Dialogteilnehmer
  • k. Bedingung der Zustimmung zur Weitergabe von Lösungsvorschlägen
  • l. Vergleichende Zusammenfassung: Bekanntmachung
  • 2. Auswahl der Bewerber
  • a. Deutschland
  • b. Polen
  • c. Österreich
  • d. Vergleichende Zusammenfassung: Auswahl der Bewerber
  • 3. Einladung zum Dialog und Beschreibung
  • a. Einladung zum Dialog
  • b. Bedürfnisse und Anforderungen
  • c. Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung
  • d. Mindestanforderungen bei zugelassenen Nebenangeboten (Varianten)
  • e. Vergleichende Zusammenfassung: Beschreibung
  • 4. Dialogphase
  • a. Vertraulichkeit
  • b. Beginn des Dialogs
  • c. Die Lösungsvorschläge der Dialogteilnehmer
  • aa. Formvorgaben an die Lösungsvorschläge
  • bb. Anzahl der verfolgten Lösungsvorschläge
  • d. Reichweite der Dialoggespräche
  • aa. Deutschland
  • bb. Polen
  • cc. Österreich
  • e. Angleichen von Lösungsvorschlägen
  • f. Strukturierung der Dialogphase
  • aa. Deutschland
  • bb. Polen
  • cc. Österreich
  • g. Sukzessive Verringerung der Lösungsvorschläge
  • aa. Ausscheiden von Lösungsvorschlägen, die gesetzten Anforderungen nicht entsprechen
  • bb. Anpassung von Zuschlagskriterien in der Dialogphase
  • cc. Pflicht, vor Ausscheiden zu warnen
  • dd. Grenze der Reduktion der Lösungsvorschläge
  • h. Beendigung der Dialogphase
  • i. Vergleichende Zusammenfassung: Dialogphase
  • 5. Aufforderung zur Angebotsabgabe
  • a. Anpassung der Beschreibung / Verdingungsunterlagen
  • b. Anpassung von Zuschlagskriterien
  • c. Anzahl der zu legenden Angebote
  • d. Vergleichende Zusammenfassung: Aufforderung zur Angebotsabgabe
  • 6. Bewertung der Angebote und Erteilung des Zuschlags
  • a. Die Prüfung der Angebote
  • b. „Feinabstimmungen“ der Angebote
  • c. Anlegung der Zuschlagskriterien
  • d. Interaktion mit dem Bestbieter
  • e. Vergleichende Zusammenfassung: Bewertung der Angebote und Erteilung des Zuschlags
  • 7. Zahlung von Prämien
  • 8. Vergleichende Zusammenfassung: Die Ausgestaltung der nationalen Verfahren
  • IV. Alternative: Verhandlungsverfahren
  • 1. Anwendungsbereich des Verhandlungsverfahrens
  • 2. Verhältnis zum Anwendungsbereich des wettbewerblichen Dialogs
  • 3. Verhältnis der Verfahrensabläufe
  • a. Deutschland
  • aa. Ausgangspunkte für die Gesprächsphasen
  • bb. Grundstruktur der Gesprächsphasen
  • cc. Reichweite / Umfang der Gespräche
  • b. Polen
  • aa. Ausgangspunkte für die Gesprächsphasen
  • bb. Grundstruktur der Gesprächsphasen
  • cc. Reichweite / Umfang der Gespräche
  • c. Österreich
  • aa. Ausgangspunkte für die Gesprächsphasen
  • bb. Grundstruktur der Gesprächsphasen
  • cc. Reichweite / Umfang der Gespräche
  • 4. Bewertung der Angebote
  • 5. Vergleichende Zusammenfassung: Alternative Verhandlungsverfahren
  • V. Ergebnis: Der wettbewerbliche Dialog in Deutschland, Polen und Österreich
  • F. Schluss
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

| 23 →

A. Einleitung

Mit der Reform des EU-Vergaberechts im Jahr 2004 wurde in der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG1 (VKR 2004) mit dem wettbewerblichen Dialog ein neues Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge eingeführt. Er trat neben die bereits in den zuvor geltenden klassischen Richtlinien2 vorgesehenen Verfahren offenes Verfahren, nichtoffenes Verfahren und Verhandlungsverfahren.

Während im offenen und nichtoffenen Verfahren die Interaktion zwischen öffentlichem Auftraggeber und den Bietern auf ein Minimum beschränkt wird, eröffnet das Verhandlungsverfahren die Möglichkeit, über die von den Bietern eingereichten Angebote zu verhandeln. Mit der Einführung des wettbewerblichen Dialogs3 verschiebt die VKR 2004 den Ort möglicher Interaktion zwischen öffentlichem Auftraggeber und den am Auftrag interessierten Wirtschaftsteilnehmern auf die Phase der Leistungsbestimmung: Anstelle einer ausgearbeiteten Leistungsbeschreibung, nach der die Bieter ihre Angebote legen, tritt im wettbewerblichen Dialog eine Beschreibung der Bedürfnisse und Anforderungen, die Grundlage für einen Dialog über mögliche Lösungen zwischen Auftraggeber und den interessierten Wirtschaftsteilnehmern ist. Erst wenn eine solche Lösung gefunden ist, werden die Angebote gelegt.

Bis dahin konnte sich der öffentliche Auftraggeber zwar Unterstützung bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung holen, etwa über die Durchführung eines ← 23 | 24 → Wettbewerbs4 bzw. mittels eines sogenannten, in der VKR 2004 nicht näher beschriebenen „technischen Dialogs“.5 Es bestand jedoch keine Möglichkeit, die Ermittlung des Leistungsgegenstands und die Vergabe des anschließenden Auftrags miteinander zu verknüpfen.

Mit der Einführung des wettbewerblichen Dialogs wollte der Unionsgesetzgeber dem öffentlichen Auftraggeber ein flexibles Verfahren an die Hand geben, in dem der Auftraggeber alle Aspekte des Auftrags mit jedem Bewerber erörtern kann, das aber gleichwohl den Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern gewährleistet.6 Dabei sieht die VKR 2004 zur Sicherstellung des Wettbewerbs verschiedene Einschränkungen der Flexibilität sowohl bei der Anwendbarkeit des wettbewerblichen Dialogs als auch bei der Ausgestaltung des Verfahrens vor.

Mit dem Erlass der Vergaberichtlinie 2014/24/EU7 (VKR 2014) im April 2014 wurde der Anwendungsbereich des wettbewerblichen Dialogs erweitert. Daneben führt die VKR 2014 ein weiteres Verfahren ein, das der Bestimmung des Leistungsgegenstandes dienen kann, die sogenannte „Innovationspartnerschaft“.

I. Gegenstand der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit untersucht den wettbewerblichen Dialog in ausgewählten Rechtsordnungen im Hinblick auf seine Funktionsfähigkeit: Kann der wettbewerbliche Dialog dem an ihn gestellten Anspruch gerecht werden, dem öffentlichen Auftraggeber ein flexibles Verfahren an die Hand zu geben, das gleichzeitig den Wettbewerb sicherstellen kann?

In den Blick genommen werden neben den Unionsvorgaben die Umsetzung des wettbewerblichen Dialogs in Deutschland (DE) und Österreich (AT) sowie dem seit 2004 der EU angehörenden Polen (PL). Diese drei Länder bilden über die gemeinsamen Grenzen zu Deutschland einen zusammenhängenden Markt, in dem im Fall von Deutschland und Österreich überdies dieselbe Sprache gesprochen wird. Polen und Österreich ist gemein, dass sie, anders als Deutschland, die EU-Vorgaben in je einem zusammenhängenden Vergabegesetz umgesetzt haben. Darauf, dass die Umsetzungen von unterschiedlicher Güte sein könnten, deutet die Bewertung der Umsetzungen durch die EU-Kommission hin. Sie stuft die Performance der drei Länder in ihrer EU-weiten Übersicht der „Single Market Performance“ im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe als überdurchschnittlich (DE), durchschnittlich ← 24 | 25 → (AT) bzw. unterdurchschnittlich (PL) ein.8 Die vorliegende Arbeit wird versuchen, dieses Ergebnis im Hinblick auf die jeweilige textliche Umsetzung und die verfügbare Rechtsprechung nachzuvollziehen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ursachen bestehen, die außerhalb der konkreten Umsetzung liegen, wie zum Beispiel ungeschriebene Behördenpraktiken. Derartige externe Ursachen sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

II. Gang der Untersuchung

Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. Die beiden ersten Teile sind einführender Art und geben einen Überblick über die Vorschriften des Primärrechts, wie sie für die Auslegung des wettbewerblichen Dialogs relevant werden (B), sowie über den sekundärrechtlichen Kontext, in den das Verfahren eingebettet ist (C). Dies geschieht durch einen Überblick über das europäische Vergaberechtsregime (C.I und II) und die anschließende Verortung des wettbewerblichen Dialogs im Verfahrenskanon der Vergabekoordinierungsrichtlinien9 (C.III).

Der bis zu diesem Punkt vornehmlich darstellenden Beschreibung des Umfelds und der Maßstäbe für eine Untersuchung des wettbewerblichen Dialogs schließt sich die eigentliche Untersuchung des wettbewerblichen Dialogs an, welche sich in einen europäischen (D) und einen nationalen Abschnitt (E) unterteilt.

Die Untersuchung des wettbewerblichen Dialogs nach den Vergabekoordinierungsrichtlinien erfolgt im Wesentlichen unter zwei Gesichtspunkten: der Beantwortung der Frage, inwieweit der wettbewerbliche Dialog den Maßstäben des Primärrechts entspricht sowie der Identifizierung der Maßstäbe und Spielräume, die die Vergabekoordinierungsrichtlinien für die Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten setzen. Unter diesen Gesichtspunkten werden zunächst der Anwendungsbereich (D.I) und der Verfahrensablauf (D.II) des wettbewerblichen Dialogs nach der VKR 2004 sowie der VKR 2014 untersucht. Anschließend wird der wettbewerbliche Dialog in Beziehung zu den weiteren Verfahren gesetzt, die die Vergabekoordinierungsrichtlinien anbieten, um den öffentlichen Auftraggebern bei der Ermittlung des konkreten Auftragsgegenstands zu unterstützen (D.III): das Verhandlungsverfahren, der Wettbewerb und (nur nach der VKR 2014) die Innovationspartnerschaft. Schließlich werden noch die Arten von öffentlicher Vergabe untersucht, die nicht oder nicht in den Kernbereich der VKR 2004 fallen und insofern einem weniger strengen Vergaberegime unterworfen sind (D.IV). Dies sind Bau- und Dienstleistungskonzessionen, ← 25 | 26 → besondere Arten von Dienstleistungen sowie Aufträge von Auftraggebern bestimmter Wirtschaftssektoren. Von dem Ergebnis dieser Untersuchung hängt ab, inwiefern die Mitgliedstaaten in der Lage sind, diese Tatbestände in den regulären Anwendungsbereich der öffentlichen Auftragsvergabe einzubeziehen.

Die Umsetzung des wettbewerblichen Dialogs in Deutschland, Polen und Österreich am Maßstab des Primärrechts und der Vergaberichtlinien ist Gegenstand der anschließenden Untersuchung (E). Der Abschnitt beginnt mit einer Untersuchung der Regelungsbereiche, die bereits aufgrund anderer Strukturentscheidungen des jeweiligen nationalen Gesetzgebers den Regelungen zum wettbewerblichen Dialog unterfallen bzw. nicht unterfallen. In dem Fall, dass die nationalen Regelungen Spielräume lassen, wird auch untersucht, inwieweit diese es zulassen, dass der Auftraggeber das Verfahren an den Vorgaben für den wettbewerblichen Dialog ausrichtet (E.I).

Die Bearbeitung der Frage, inwieweit die Umsetzungen das Konzept der Richtlinie funktionsgemäß verwirklichen können, erfolgt dann weitgehend integrativ und vergleichend, das heißt bei der Untersuchung des Anwendungsbereichs des wettbewerblichen Dialogs (E.II), der Verfahrensausgestaltung (E.III) und des Verhältnisses des wettbewerblichen Dialogs zum alternativ denkbaren Verhandlungsverfahren (E.IV) werden die jeweiligen nationalen Regelungen unter den einzelnen Unterprüfungspunkten direkt miteinander verglichen, soweit die Verständlichkeit hierunter nicht leidet.

Der letzte Abschnitt (F) fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte zusammen und schlägt einen Bogen zur Ausgangsfrage.


1 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.

2 Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge sowie Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, nachfolgend zusammengefasst als die „klassischen Richtlinien“.

3 Die Einführung des wettbewerblichen Dialogs geht auf das Grünbuch der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft“ vom 27. November 1996, KOM(96) 583 endg., zurück. Dort schlug die Kommission unter anderem die Einführung eines neuen Verfahrens mit Verhandlungsaspekten vor, welches für Verfahren in besonders komplexen Bereichen einen „Dialog“ zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und möglichen Bietern ermöglichen und dennoch den Wettbewerb und die Gleichbehandlung aller potentiellen Teilnehmer sicherstellen sollte, Grünbuch der Kommission, S. 52. Hier ist noch allgemein von einem fachlichen Dialog zwischen der Vergabestelle und interessierten privaten Unternehmen die Rede. In der Mitteilung der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft“ vom 11. März 1998, KOM/98/0143 endg., wird dann auf S. 7 die Einführung eines „wettbewerblichen Dialogs“ vorgeschlagen.

4 Dieser kann unter bestimmten Voraussetzungen mit einem die Ausführung der Planungsleistungen umfassenden Auftrag verbunden werden, siehe dazu unten unter C.II.4 und D.III.2.

5 Erwägungsgrund 8 VKR 2004.

6 Erwägungsgrund 31 VKR 2004.

7 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG. Die Richtlinie ist im April 2014 in Kraft getreten und ist von den Mitgliedstaaten im Wesentlichen bis zum 18. April 2016 in nationales Recht umzusetzen.

8 Die nur online verfügbare Übersicht ist im Internet unter http://ec.europa.eu/internal_market /scoreboard/performance_per_policy_area/public_procurement/index_en.htm abrufbar.

Details

Seiten
293
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631728499
ISBN (ePUB)
9783631728505
ISBN (MOBI)
9783631728512
ISBN (Paperback)
9783631728529
DOI
10.3726/b11434
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (August)
Schlagworte
Rechtsvergleichung Innovationspartnerschaft Vergabegrundsätze Wirtschaftlichkeit Öffentliche Aufträge Verhandlungsverfahren
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 293 S.

Biographische Angaben

Ruth Losch (Autor:in)

Ruth Losch studierte Rechtswissenschaften in Osnabrück, Kingston upon Hull und Berlin und erhielt ihren LL.M/D.E.A der Rechtstheorie und -vergleichung in Brüssel. Sie absolvierte ihr Rechtsreferendariat in Berlin und Danzig, erhielt ein DAAD-Stipendium für die Schule des polnischen Wirtschaftsrecht in Krakau und partizipierte am Europäischen Graduiertenkolleg „Systemtransformation und Wirtschaftsintegration im zusammenwachsenden Europa" (DFG-Stipendium).

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